Geschichtlicher Gang durch das Dorf Zarten. |
Karl Motsch. Alemannische Heimat, Nr. 5, 1937 |
Eine
reichbewegte Geschichte hat das Kloster St.Märgen seit seiner Gründung
im Jahre 1118 bis zu seiner Auflösung im Jahre 1806. Ein unseliger
Stern stand über dem Schicksal des Klosters, und in der Geschichte des
dem Frieden geweihten Ortes finden sich wiederholt Unfrieden und
Zwistigkeiten, ja Mord und Totschlag. St.Märgen war als eine Art
Konkurrenzkloster des fränkischen Adelsgeschlechtes derer von Hohenberg
gegenüber der zähringisch-alemannischen Stiftung St.Peter entstanden,
schon in der Gründung lag der Keim des Unfriedens, und der uralte Zwist
zwischen Alemannen und Franken sollte auf diese Weise wieder einen
Ausdruck finden. Als sich dann später die Schnewlin als Schirmvogte des
Klosters betätigten, war des Streites kein Ende. Durch diese
andauernden Streitigkeiten mitsamt den inneren Uneinigkeiten wurde
schließlich das Kloster veranlaßt, alle seine Güter im Jahre 1462 an
die Stadt Freiburg zu verkaufen. Mit anderen in jener Zeit erkauften
größeren Ländereien zusammen errichtete die Stadt um das Jahr 1500 die
Talvogtei mit dem Sitz im Schlosse in Kirchzarten, zur besseren
Verwaltung war das ganze Gebiet in vier Vogteien aufgeteilt: Zarten,
Kirchzarten, Wagensteig und St.Märgen. Kurz nach 1500 ließ dann die
Stadt Freiburg das ganze erkaufte Gebiet ausmessen und einen Berain
anlegen, der für die heutige Erforschung der Geschichte der Erbhöfe im
Kirchzartener Tale von größter Wichtigkeit ist. So können wir auch die
Geschichte der Zartener Höfe mit Hilfe dieses Berains und anderer Akten
der Talvogtei beinahe lückenlos zusamrnenstellen.
Eine wichtige Rolle in jedem Dorfe spiele die Wirtschaften, sie
gehörten regelmäßig zu den größten Hofgütern. Ueber die Wirtschaften in
Zarten haben wir einen kurzen zusammenfassenden Bericht aus dem Jahre
1646. Anläßlich einer Unregelmäßigkeit macht der Wirt Georg Birkenmeier
eine Eingabe an den Talvogt und bittet um das Wirterecht. Er schreibt
darin etwa folgendes: Seit Menschengedenken waren in Zarten zwei
Wirtschaften. Vor vielen Jahren waren Hans Brunner - zum Bären - und
Hans Hilte - zum Rößle - die Wirte. Hilte hatte seine Wirtschaft zum
·“Rothen Layen“ genannt, etliche Jahre an Adam Stayert, gewesenen Wirt
zu Ebnet, verliehen gehabt. Adam Stayert war aber wieder nach Ebnet
gegangen und Hilte hatte die Wirtschaft wieder geführt. Die Nachfolger
der Wirte waren Georg Protz und Ulrich Brunner. Georg Protz hat sie dem
Mathias Bank, dem jetzigen Vogte in Zarten und Tochtermann von ihm
käuflich abgetreten. Er hat die Wirtschaft eine zeitlang geführt und
Ulrich Brunner, der alte Vogt, auch. Bank stellte aber die Wirtschaft
wegen allzugroßer Schuldenlast ein, und Brunner gab seine Herberge und
Güter dem Lips Spieß zu kaufen. Spieß wirtete nun allein. Hans Vogt
beginnt auf Zureden einiger Bürger eine weitere Wirtschaft - Adler - da
Bank seine nicht abtreten will. Des Hans Vogt Nachfolger, Matheis
Kromer, hat dann die Wirtschaft betrieben neben dem Spieß, der bei der
ersten schwedischen Okkupation ums Leben kam. Bartle Stayert von Ebnet
heiratete die hinterlassene Witwe des Spieß und übernimmt auch die
Wirtschaft, er ist aber wegen des Krieges teils in Ebnet teils in
Zarten. Die andere Wirtschaft besitzt Georg Birkenmeier, der in diesem
Schreiben den Talvogt bittet, weiter wirten zu dürfen, er habe von Hans
Buckel, dem Metzger, etwas Wein als Schuldenzahlung erhalten und wolle
ihn ausschenken. In der darauffolgenden Antwort erhält er dann die
Erlaubnis dazu, da er ja von früher her noch das Tafernenrecht besitze.
Die beiden ältesten Wirtschaften zum Bären und zum Rößle
können also schon auf ein schönes Alter zurückblicken, sie bestehen
auch heute noch als gute Bauernwirtschaften; der Adler, der nach diesem
Berichte zur Zeit des 30jährigen Krieges entstanden war, ging im
letzten Jahrhundert ein, im Jahre 1835 bestand er aber noch. Der Bären
entwickelte sich zur Zeit der Reiseposten durchs Höllental zu einer Art
Hotel mit Herbergsmöglichkeit, er hatte außerdem die Postverwaltung und
war eine wichtige Zweigstelle für die Posten nach St. Peter und
St.Märgen. Neben dem Bären liegt ein kleineres Häuschen, es ist
die ehemalige Badstube
so ist sie schon im Berain von 1502 erwähnt. Es wohnte darin immer der
Bader, der Scherer, der Chirurg oder der Balbierer. Wann diese Badstube
einging, ist nicht bekannt, die Tatsache jedoch, daß in diesem kleinen
Orte eine solche war, zeigt, daß das Mittelalter recht gut den
Forderungen der Hygiene und der Gesundheit nachzukommen wußte. Eine
weitere Badstube befand sich in Kirchzarten und eine in Burg. Ganz in
der Nähe von Zarten stand im frühen Mittelalter auch ein Spital für
Aussätzige. Die Erinnerung daran ist allerdings vollständig erloschen,
nur einige wenige Urkunden darüber sind noch vorhanden. In einer
Urkunde des Heiliggeistspitals vom 30. Januar 1414 ist das Gewann
„Brugel“ erwähnt, das, bei dem Feldsiechenhaus zu Zarten liegt. Nach
einer Siechenordnung vom Jahre 1480 war es den Freiburger Siechen
verboten, Fremde zu beherbergen, fremde Sieche dürfen nur eine Nacht
bei ihnen bleiben, dagegen ihre Nachbarn „zu sant Jörgen, von Ebnet,
Zarten, Gundelfingen“ nur mit besonderer Erlaubnis des Siechenmeisters.
Da in dieser Ordnung ausdrücklich von Nachbarn die Rede ist, kann man
wohl annehmen, daß es sich dabei um das Siechenhaus in Zarten handelte.
Im Berain von 1502 ist es ebenfalls noch erwähnt: „Item 1 Juch. acker
ob dem siechhauß, stoßt unden uff den wassergraben, der uff Bilds
brügell gat“. Von da ab verstummen die Nachrichten.
Gegenüber der Wirtschaft zum Bären liegt das alte Kirchlein zu Zarten.
Es ist recht wenig darüber bekannt, da es nur eine Filialkirche von
Kirchzarten war. Es ist dem hl. Johannes dem Täufer geweiht, und man
fand bei der Restauration im letzten Jahre sein Bild mit dem eines
anderen Heiligen als altes Freskogemälde an der Wand am Thore. Im Jahre
1502 hatt es als Pfarrgut 2 Juchert Matten und 2 Juchert Acker, deren
Zinsverwaltung zwei Kirchenpflegern anheimgestellt war. Dicht neben der
Kirche liegt der Meierhof, der bis zum Jahre 1837 der Stadt Freiburg
als Eigentum gehörte. Aus der Erwägung heraus, daß das Haus nur
Unkosten bringt, aber wenig Miete, daß aber die dazugehörigen Felder
eine schöne Pachtsumme trägt, verkaufte sie am 24. August 1837 das Haus
an drei Zartener Bürger, behielt aber die Aecker und Felder als
Eigentum. Das Haus ist ein einfaches Schwarzwaldhaus mit Schieferdach
im Jahre 1825 war es „ein von Holz gebautes und mit Stroh gedecktes
altes Wohnhaus samt Scheuer, Haus Nr.3“ und wurde im Laufe der
folgenden Jahre mehrere Male, aber immer ungenügend ausgebessert. In
den Jahren 1660 -1661 wurde ein teilweiser Neubau errichtet, wenigstens
konnte man bei einem Augenschein am 6. April 1661 feststellen, daß der
Bau gut fortschreitet, daß man aber dazu auch Balken vom alten Haus
genommen habe. Das dazugehörige Feld hatte die Größe eines stattlichen
Hofgutes und bestand in 46 Juchert Acker und 38 Juchert Matten, um 1800
betrug der Pachtpreis 720 Gulden, wofür aber der Pächter noch 12
Klafter tannenes Brennholz aus dem Birkenreuter Wald erhielt. Dieser
Meierhof ist nicht identisch mit dem alten Dinghof, dem ehemaligen
Verwaltungsgebäude des Klosters St. Märgen. Er liegt auf der gleichen
Straßenseite, jenseits der Dreisam, und fällt sofort auf durch seine
völlig andersartige Bauweise aus Stein mit gebuckelten Quadern an den
Ecken. Als quadratisch angelegter Bau hat er das Aussehen eines Turmes
und im Berain vom Jahre 1502 hat das Haus auch den Namen „Thurm zu
Zartten“, sein erster damaliger Besitzer war der Freiburger Schultheiß
Paulus von Rihen, der wohl als Bürgermeister gleich nach dem Kauf im
Jahre 1462 das erste Anrecht darauf hatte. Es gehört heute noch etwas
Feld dazu und wird von dem Polizeidiener bewohnt. Bis in die 1890er
Jahre war noch ein großer Schöpfbrunnen vor dem Hause, der aber mit der
Wasserleitung verschwand. Eine Ummauerung aus dicken Dreisamwacken
scheint noch aus ältester Zeit zu sein und zeigt heute noch die frühere
Wehrhaftigkeit. Das Haus, das in der letzten Zeit mehrere Male
ungünstig verbaut wurde, untersteht dem Denkmalschutz, und es ist zu
hoffen, daß mit der Zeit wieder ein würdiges altes Gebäude entsteht.
Einige Schritte weiter am Ende des Dorfes steht beim Reesenhof die sog. Gichter- oder Kindliskapelle
(S. Badische Heimat, 23. Jahrgang 1936, S. 297.) Es ist eine einfache
Hofkapelle zu der aber die Frauen aus dem Tale wallfahrten gehen. Es
soll früher dort ein Brunnen gestanden habe und durch einen
Unglücksfall sei dort ein Hochzeitspaar hineingefallen, nach anderen
Wendungen aber ein kleines Kind, daher auch die Wallfahrten bei
Kinderkrankheiten, besonders bei Gichter, „wenn der Doktor nicht mehr
helfen konnte“. Die Frauen nahmen jedesmal einige Kinder aus der
Nachbarschaft noch mit, und man hielt sich immer an eine bestimmte
Zahl, rneistens 7. Zum Dank hängte man dann in der Kapelle kleine
Kinderkleidchen auf, die von der Hofbäuerin ab und zu gewaschen und von
armen Müttern gern abgeholt wurden. Dicht daneben steht ein altes Sühnekreuz,
über dessen Ursprung man nichts weiß. Ein ähnliches steht bei der
Straßenkreuzung in Burg nach dem Ibental, es heißt das Schwedenkreuz
und 30 Schweden sollen dort begraben sein. In der Nähe der Kapelle
liegt das Gewann Kapellenackesr; es ist immerhin möglich, daß der
Bauer, der die Kapelle stiftete, auch einen kleinen Fond vermachte zu
den notwendigen Anschaffungen für die Kapelle. Einen solchen Fond
finden wir auch bei der Kapelle im Himmelreich und bei dem sog.
Laubischen Hof in Burg.
Genau am entgegengesetzten Ende vom Dorfe liegt der sog. Pfendlerhof,
er ist ein vorbildlich gebauter Schwarzwaldhof, wie sie leider Jahr für
Jahr weniger werden. (S. Bad. Heimat, 1932, S. 138.) Ueber der Haustüre
steht die Jahreszahl 1610; um jene Zeit war ein Paule Steurentaler auf
dem Hofgut, er hatte es am 20. Januar 1597 erhalten. Der erste Pfendler
war ein Sebastian, der am 7. August 1713 das Gut kaufte. Er war der
Schwiegersohn des vorherigen Besitzers Martin Dengler, dessen Tochter
Catharina er heiratete. Das Geschlecht Pfendler kam vom oberen
Schwarzwald, wo es in der Turnergegend begütert war. Auf dem
danebenliegenden „Speicher“, einem aus Mauerwerk errichteten kleinen
Häuschen, im Tal bisweilen auch „steini Stöckli“ genannt, findet sich
noch die Inschrift „Hans Pfendler und Magtalena Meltzin 1756“. Er hatte
diesen Speicher wohl nur neu herrichten lassen, denn als er am 15. Juni
1751 das Hofgut erhielt, war der Speicher schon erwähnt. Im Innern des
Hauses ist noch eine merkwürdige Einrichtung vorhanden, sie heißt im
allgemeinen „der G’halt“, ein versteckter kleiner Raum, in welchem man
in Kriegszeiten die Kostbarkeiten aufbewahren konnte, um sie den
habgierigen Händen der plündernden Soldaten zu entziehen. Er ist im
zweiten Stock und liegt hinter einer doppelten Wand, von außen ist
nichts wahrzunehmen. Etwas Ähnliches hatte sich auch im Gasthaus zum
Himmelreich erhalten. Als man vor einigen Jahren die alte Schmiede
umbaute, fand man ebenfalls eine doppelte Mauer, zwischen die eine
Leiter hinunterführte. Noch auf mehreren Höfen im Tale, wohl auch in
anderen Gegenden, ist ein solcher „G’halt“ in den Urkunden „Behaltnuß“
genannt, in den Mauern oder im Keller vorhanden gewesen.
Noch so vieles läßt sich aus der Geschichte von dem Dorfe Zarten
erzählen, doch birgt die Geschichte der Hofgüter immer selber ein groß
Stück Dorfgeschichte. Einer größeren Arbeit wird es vorbehalten
bleiben, die Geschichte der Höfe im Kirchzartner Tal an Hand der Akten
der ehemaligen Talvogtei zusammenzustellen und sie der Oeffentlichkeit
zugänglich zu machen.