Kirchzarten-Zarten
(Schw.) Die Kindlis-Kapelle in Zarten. Mütter und Frauen aus
dem Dreisamtal trugen hier ihre Anliegen vor. Am Ende des
Dorfes, direkt an der Linkskurve der Ortsausfahrt der
Bundesstraße Nr. 31 in Richtung Höllental, steht der
Reesenhof, ein alter Bauernhof des Ortsteiles Zarten. Auf
seinem Grundstück befindet sich eine kleine Haus- oder
Hofkapelle. Es ist dies eine einfache Kapelle; sie trägt den
Namen Gichter- oder Kindlis-Kapelle. Bis vor einigen Jahren
wußte niemand, wann die Kapelle erbaut worden ist.
Der jetzige Alt-Reesenhofbauer, Leo Andris und seine Ehefrau,
Josefine Andris geborene Riegel, ließen vor einigen Jahren
ihre Hofkapelle renovieren. Dabei entdeckte man an der
Stirnseite, oberhalb des Eingangs zur Kapelle, einen Stein mit
eingemeißelter
Jahreszahl „1731“. Der mündlichen Überlieferung nach, soll
dort vor etwa 250 Jahren, also an der Stelle, wo heute diese
Kapelle steht, ein tiefer Brunnen sich befunden haben.
Durch einen Unglücksfall soll ein Hochzeitspaar, welches von
Kirchzarten nach Zarten heimging, in diesen Brunnen
hineingefallen und ertrunken sein. Eine andere Version
besagt, daß damals in diesen Brunnen ein kleines Kind
hinuntergestürzt sei. Der Brunnen soll eine Art Gal-Brunnen,
das heißt, ein Schöpfbrunnen. gewesen sein. Seine Tiefe habe
achtzehn Meter betragen.
Ungeachtet dieser nicht zu belegenden Ereignisse war die
Kapelle jahrzehntelang eine Art Wallfahrtskapelle für Mütter
und Frauen aus dem Dreisamtal. Besonders Mütter, die
Kleinkinder hatten, die an der sogenannten Gichter-Krankheit
litten, oder Kinder, denen der Doktor nicht mehr helfen
konnte, wallfahrteten zu dieser Kapelle. Das erkrankte Kind
wurde bei diesen Wallfahrten in seinem Kindbett-
kleidchen auf dem Arm der Mutter zur Kindlis-Kapelle nach
Zarten getragen.
Dort wurden dann Bittgebete verrichtet. Manchesmal nahm eine
wallfahrende Frau auch einige Kinder aus der Nachbarschaft
mit. Stets wurde darauf geachtet, daß eine Wallfahrtsgruppe
aus mindestens sieben Personen bestand. Wurde das Gebet erhört
und trat eine Heilung ein, so hängte die glückliche Mutter das
Kinderbettkleidchen des gesundgewordenen Kindes in der Kapelle
auf. Die Kleidchen wurden dann von der jeweiligen
Reesenhofbäuerin gewaschen und von anderen kinderreichen, aber
armen Müttern abgeholt.
Zu der Gichter-Kapelle fanden früher, und zwar zu Christi
Himmelfahrt, von Kirchzarten aus Flurprozessionen statt. Bei
diesen Anlässen wurde bei der Kindlis-Kapelle ein Evangelium
gelesen. Dicht neben der Kapelle steht auch ein aus Stein
gehauenes altes Sühne- oder Malteserkreuz. Über seinen
Ursprung liegen keine genauen Angaben vor.
Ohne Zweifel stellt die Kindlis-Kapelle ein Stück Zartener
Geschichte dar. Sie ist ein Denkmal, das man in der Gemeinde
nicht missen möchte.
Die Gichter- oder Kindlis-Kapelle
beim Reesenhof im Ortsteil Zarten der Gemeinde
Kirchzarten.
(Bild:
Schweizer)