Alte Kapellen im Dreisamtale bei Freiburg i. Br. Von Karl Friedrich Vilgis, Freiburg i. Br. Die Gichterkapelle mit Sühnekreuz bei Zarten
Am Ausgang des Dörfleins Zarten (das alte keltisch-römische Tarodunum),
rechts an der Straße nach Kirchzarten, steht neben einer kleinen
Kapelle, der sogenannten Gichterkapelle, ein altes, verwittertes
einfaches, unsymmetrisch roh behauenes Steinkreuz aus rotem Sandstein,
über dessen Ursprung Urkundliches nicht bekannt ist. Es ist zu den
Sühnekreuzen zu zählen, und dürfte neben dem Bischofskreuz bei
Betzenhausen - ebenfalls Sühnekreuz - wohl eines der ältesten
derartigen Kreuze in Freiburg Umgebung sein.
Aus der Art der Bearbeitung und dem Zustande seiner Verwitterung lassen
sich keine direkten Schlüsse auf das Alter ziehen; keinerlei Inschrift
oder Zeichen ist vorhanden. Das Kreuz, aus einem Stück gearbeitet, ist
75 cm hoch, die Länge des Querbalkens beträgt 70 cm; nach den Enden zu
verbreitern sich etwas die Arme, sowie der Kopf, auch nach unten
verbreitert sich der Längsbalken. Die Tiefe des Längs- und Querbalkens
beträgt 25 cm. Am Kopfe sind die Ecken und Kanten stark abgerundet und
abgeschliffen, auch sind sonst deutliche Wetzspuren vorhanden. Man
findet dies übrigens öfters bei Steinkreuzen im Feld; anscheinend hat
man an den alten Kreuzen gerne Messer, Sicheln, Hacken u. a. gewetzt.
Oben am Kopfe - auf der Abbildung deutlich sichtbar - befindet sich ein
Einschnitt, etwa 20 cm lang, 2 crn tief und 1 1/2 cm breit; daneben
sind noch zwei kleinere Einschnitte. Über den Ursprung dieser
Einschnitte weiß nur die Sage zu berichten. Einem Hofbesitzer hätten
einst in der Ernte oder im Heuet die eingestellten fremden
Hilfsarbeiter, offenbar weil er sie im Essen und Trinken etwas knapp
gehalten, aus Rache einmal nachts sämtliche Sägen weggenommen und diese
am Kreuze durch Einsägen unbrauchbar gemacht. Diese Beschädigung des
Kreuzes kann jedoch auch von einem Pfluge herrühren, da das Kreuz in
früheren Zeiten wohl draußen an einem Feldwege, an einem Rain gestanden
haben mag und dann, beim Pflügen hinderlich, in den Schutz der Kapelle
gestellt wurde.
Die Gichterkapelle bei Zarten
Steinkreuz bei der Gichterkapelle
Das außen schmucklose Kapellchen mit Satteldach, Gichterkapelle
genannt, hat einen fast quadratischen Grundriß (2:1,90 m) und in der
Westfront ein eisenvergittertes kleines Fenster ohne Glas. Über der
Eingangstüre mit Holzgitter wohl an Stelle eines früheren Glasfensters,
befindet sich oben zwischen zwei Schießscharten ähnlichen Luftlöchern
eine leere Nische. Im weißgetünchten Innern, Höhe 2 m, befindet sich
ein bescheidenes Altärchen, davor ein kleiner Betstuhl. Der Boden ist
mit kleinen Steinen gepflastert. An der Altarwand ist ein auf Holz
gemaltes Bild, darstellend in der Mitte: Maria mit dem vom Kreuze
abgenommenen Christus im Schoße (Pieta), links Magdalena mit
Salbentopf, daneben eine weinende Frau mit Taschentuch, rechts wieder
eine solche Frau, daneben Veronika mit Schweißtuch. Oben links: ein
Engel mit Geißelwerkzeugen, daneben der Mond; rechts ein Engel mit
Hammer und Zange, daneben die Sonne mit menschlichem Gesicht. Kunstlose
Arbeit. Vor diesem Bilde steht ein holzgeschnitzter Kruzifixus auf
Holzsockel. Der untere Teil des Altars (Antependium) hat ein ebenfalls
auf Holz gemaltes Bild. Oben zwischen zwei Wolken der heilige Geist in
Gestalt einer Taube, von welcher die Worte ausgehen: DIE DREI SEIND
EINS. Unter diesen Worten steht das Jesuskind, daneben links Maria,
rechts Josef; über beiden stehen die Worte ,,seind eins“. Das ziemlich
verblaßte Gemälde, ebenfalls primitive Arbeit, ist von Rosen, Nelken
und Tulpen umrahmt.- Auf dem Altare standen noch zwei zirka 90 cm hohe
Holzfiguren, Maria und Johannes, weiß, rot und blau bemalt, etwa aus
der Mitte des 18. Jahrhunderts stammend. Diese Figuren wurden von dem
Betreuer des Kapellchens (Hofbesitzer Riegel) vor etwa fünf Jahren
einem Freiburger Anstreicher, welcher vorgab, dieselben gegen ein
geringes Entgelt wieder frisch bemalen zu wollen, übergeben. Das
Kapellchen wartet aber heute noch auf die Rückkehr der Figuren, welche
sich jetzt in Privatbesitz in Breisach befinden sollen. Auch primitive
Figuren aus Kapellchen „habent sua fata!« (1 Privatmuseum ,,Burghaus
Kießler“ Es wäre zu wünschen, daß die maßgebenden Stellen für die
Rückverbringung dieser zwei Statuen an ihre alte Stelle im Kapellchen
Sorge tragen und den Ankauf solcher Figuren, wenn die Herkunft bzw. der
Besitz nicht einwandfrei geklärt ist, derlei ,,Museen« kurzerhand
verbieten. Anläßlich eines Besuches der Stadt Breisach durch die
Schüler von Zarten wurden von zwei Kindern des Hofbesitzers Riegel die
ihnen bekannten Figuren des Kapellchens im genannten »Museum«
entdeckt.)
- Neben der Eingangstüre, deren Umrahmung aus Holzbalken besteht, soll
die Jahreszahl 1768 eingeschnitten sein, „die man offenbar als die
Jahreszahl der Erbauung annehmen kann“. (3.Jahrgang 1916, Mein
Heimatland, S. 30/31.) Heute ist von dieser Jahreszahl nichts mehr zu
sehen; es scheint die Umrahmung erneuert worden zu sein. Auch die Sage
umrankt das Kapellchen. An der Stelle desselben soll in früherer Zeit
ein offener tiefer Brunnen gestanden haben, in welchen ein von einer
Hochzeit heimkehrendes Pärchen, das sich an dessen Rand niederließ,
hineinfiel und ertrank. Zur Erinnerung sei von den Hinterbliebenen die
kleine Kapelle erbaut worden.
Merkwürdig erscheint die Bezeichnung "Gichterkapelle“. Dies kommt davon
her, daß die jungen Mütter der Umgegend zu diesem Kapellchen wallfahren
und als schlichtes Opfer der Bitte oder des Dankes das
Erstlingshemdchen oder -jäckchen, auch Windeln, ihres gichtbehafteten
Kindes darin aufhängen. Solche Kinderwäsche schmückt denn auch die
Wände in großer Zahl.
Wie O. Schönhuth im 1. Bande seiner ,,Burgen, Klöster, Kirchen und
Kapellen Badens und der Pfalz«, Lahr 1859, S. 554, unter ,,Die Kapelle
zum Stein bei Betzenhausen“ berichtet, befanden sich auch hierin,
ähnlich wie in der Gichterkapelle, derlei Weihegaben. Es heißt da u.
a.: »Wo sich westwärts von der Stadt Freiburg eine weite Wiesenfläche
dem Mooswalde zuzieht, steht unfern der Straße bei dem Dorfe
Betzenhausen ein utaltes griechisches Kreuz von rotem Sandstein. Früher
wurde es durch eine darüber aufgeführte Kapelle, in deren Altar es
eingemauert war, und die mit einer Menge von Kinderkäppchen als
Weihegaben ausgestattet war, geschützt. Es hatte sich nämlich während
mehr als fünf Jahrhunderten die geschichtliche Bedeutung dieses
Denkmals in dem Gedächtnisse des Volkes verwischt und dafür die Sage
geltend gemacht, hier sei ein Heiliger beerdigt, der in Kindesnöten und
Kinderkrankheiten Beistand leiste. Dadurch war diese Kapelle nach und
nach das Ziel vieler Wallfahrten, besonders aus dem Elsaß, geworden. In
neuerer Zeit hielt man es, um diesem Aberglauben zu steuern, für
geeigneter, sie abzutragen und das Kreuz an die Kirchenwand des
benachbarten Pfarrdorfes Lehen zu versetzen, von wo es jedoch bald
wieder an seine ursprüngliche Stelle zurückkehrte« (Schreiber.)
Da das Sühnekreuz in Zarten, ein Denkmal und Zeuge längst vergangener
Zeiten, abseits der Fahrstraße im Schutze des Kapellchens steht, dürfte
seine Erhaltung für lange Zeit gesichert sein. Aus:
Vilgis, Alte Kapellen im Dreisamtal bei Freiburg i.Br.
Mein Heimatland, 23. Jahrgang Heft 7/8, 1936, Seiten 297-300