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Das Gasthaus zum Rößle in Zarten

Alte Schwarzwälder Gastwirtschaft. Wertvolle Familienurkunden entdeckt.

Als man vor kurzer Zeit im Gasthaus zum Rössle in Zarten zum Zwecke eines Anbaues eine Hauswand einriß, fand man über dem Türsturz in der Holzverschalung eine größere Anzahl alter Schriften, die einer eingehenden Würdigung wert sind. Wenn auch bei allen diesen Schriften die geschichtliche Ausbeute nicht allzu groß ist, so bieten sie doch für die Familiengeschichte des Hauses immerhin viel des Interessanten. Dabei wurde noch eine weitere bemerkenswerte Entdeckung gemacht. Als man zum Aufführen des Kamins den Küchenboden durchbrach, stieß man plötzlich auf ein kleines Gewölbe, das sich ein Stück weit unter dem Fußboden hinzog. Es war nicht sonderlich groß, doch als eine Art Geheimraum sofort erkennbar: hier waren leider keine Funde gemacht worden. Es handelt sich hier, wie man es bei verschiedenen großen Schwarzwaldhöfen noch vorfindet, um ein Hausarchiv in welches man zu Kriegszeiten die wertvollsten Habseligkeiten des Hofes versteckte und es dann unkenntlich machte. Die Talbauern nannten einen solchen Raum „G´halt“, und in Urkunden findet sich der Ausdruck „behaltnus“. Ein solches ist urkundlich im Gasthaus zum Himmelreich erwähnt, im Pfendlerhof zu Zarten war eines vorhanden, und in verschiedenen anderen Höfen im Kirchzartener Tal weiß man ebenfalls von solchen.

 Geschichte des Gasthauses zum Rössle

In Kürze sei auf die interessante Geschichte dieses alten Schwarzwälder Gasthauses hingewiesen. Ein Stich aus dem Jahre 1820 mit der Darstellung des Seilspannens hat sie näher bekannt gemacht: im Vordergrund sieht man eine Hochzeitsgesellschaft, die eben daran ist, durch Bezahlung einer Geldspende den Weg, der durch eine Kette abgesperrt ist, freizubekommen. Im Hintergrund ist das „Rössle“ abgebildet, so wie die Wirtschaft heute noch steht. Das Haus soll sehr alt sein wenigstens erzählen sich ältere Einwohner, auf dem Türsturz habe, bevor er verändert wurde, die Jahreszahl 1590 gestanden nachzuweisen ist es allerdings nicht mehr, da die Türe vor Jahren abgerissen wurde. Damit wäre das Rössle das älteste mit einer Jahreszahl versehene Bauernhaus in Zarten, das nächstälteste ist der Pfendlerhof mit der Jahreszahl 1610. Das eigentlich älteste Haus in Zarten, allerdings undatiert, ist der ehemalige Dinghof, ein festes Steingebäude mit Buckelquadern, es dürfte noch aus dem 15. Jahrhundert stammen. Die Umwallung mit einer mauer aus großen Dreisamwacken zeigt schon, dass das Haus einen wehrhaften Charakter und damit einen anderen Zweck als ein gewöhnliches Bauernhaus hatte, es diente der Verwaltung des ehemaligen Meieramtes des Klosters St. Märgen.

Vielleicht ist das „Rössle“ schon in einer Güteraufstellung des Klosters St. Märgen aus dem Jahr 1330 erwähnt. Das Kloster besaß in Zarten eine große Anzahl Güter und Lehen und ließ sie in diesem Jahre zusammenstellen und aufschreiben, doch ist es nicht mehr möglich, sie nach den heutigen Höfen zu benennen. In einer weiteren Güteraufstellung aus dem Jahre 1500 ist dann das „Rössle“ benannt, es wohnt ein Bauer Hans Gunkelin darauf. Von einer Wirtschaft ist noch nichts erwähnt, wir erfahren von ihr zum ersten Male aus dem Kirchenbuch Kirchzarten: Im Jahre 1609 ist ein Adam Steinhard, Wirt in Zarten, bei einer Taufe Pate gestanden.

Wann Mathias Bank auf die Wirtschaft kam, ist nicht festzustellen. Er war der erste Bank in Zarten, von denen noch heute eine größere Anzahl im ganzen Kirchzartener Tale wohnen. Die Bank stammen ihrem Ursprung nach aus Ungarn, wo sie etwa im 12. jahrhundert schon bekannt sind. Von da wanderten sie nach dem Westen aus, nach Schwaben, dem Allgäu und Vorarlberg. Im Jahre 1557 leben die Bank als freie Bauern in Braz in Vorarlberg. Einer von ihnen, Christian, kommt gegen Ende des 16. Jahrhunderts nach dem Breisgau, wahrscheinlich auch nach Freiburg, und gründet das Breisgauer Geschlecht der Bank. In Hinterzarten auf dem Bankenhof und in Höfen bei Kirchzarten lebten zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges ebenfalls Banken. Von Zarten aus kam um 1710 ein Bank nach dem Attental und setzte sich dort auf dem Bankischen Hofe, einer Wirtschaft, fest und in Freiburg in der Schwarzwaldstraße ist der Bankepeter, ebenfalls eine Wirtschaft, noch in guter Erinnerung. In Zarten auf dem „Rössle“ sind in weiblicher Linie heute immer noch die Bank ansässig. Obwohl der erste Bank, Mathias, in Zarten als Fremder einwanderte, muß er dennoch ein sehr tatkräftiger und geachteter Mann gewesen sein, sonst hätte man ihn nicht schon als Vogt aufgestellt.

Die Wirtschaft lag an der alten Handelsstraße von Freiburg durch die Wagensteig nach Villingen; diese zweigt in Zarten kurz vor dem Uebergang über die Dreisam links ab, während die andere, die sog. Falkensteiger Straße, durch das Höllental hinaufführt. Vielleicht hat sogar diese Abzweigung der Straße vor der Dreisam, durch die eine Furt führte, Anlaß gegeben zur Gründung des Dorfes zarten vor der Volksburg Tarodunum. Als nach dem Dreißigjährigen Kriege die Straße durch die Wagensteige verfiel, übernahm die Straße durch das Höllental den Verkehr, und auch das „Rössle“, das ja etwas abseits von der Höllentalstraße lag, musste viel Besuch an den „Bären“ in Zarten abtreten. Der „Bären“ wurde im Anfang des letzten Jahrhunderts in ein Steinhaus umgebaut, während das „Rössle“ heute noch eines der wenigen Schwarzwälder Häuser aus Holz ist. Hinter dem Haus steht ein großer alter Holzschopf, der im zweiten Stock eine Art offene Laube besitzt: es ist der alte Zartener Tanzsaal. Da er von allen Seiten offen ist, konnte er nur im Sommer benützt werden, dann aber auch ausgiebig. Nach dem Kriege noch versammelten sich an Sonntagen das tanzlustige Zartener junge Volk manchmal kamen sie auch weiter her, und tanzten auf diesem originellen Tanzboden zu einer der üblichen Tanzmusiken. Leider muß nun dieser Schopf mit Tanzboden einem Neubau zum Opfer fallen, der Rößlewirt will aber den neuen Schopf ähnlich aufbauen, ebenfalls mit einem solchen offenen Tanzboden überdeckt.

 Die aufgefundenen Schriften

In einem Lederbeutel, vielleicht diente er als Geldkatze, lagen gut gebündelt etwa 35 Papierschriften aus den Jahren 1792-1809. In der langen Zeit waren sie etwas verstaubt und vor allen Dingen durch den Rauch in der früher offenen Küche verrußt, sonst aber gut leserlich erhalten. Es sind größtenteils Rechnungen und Aufzeichnungen des damaligen Wirtes Joseph Bank, dazu noch einige wichtigere Schriften. Bei einem Schmied Josef Pfrengle von Waldau hatte Bank 400 Gulden aufgenommen, es liegen von mehreren Jahren die Quittungen über die bezahlten Zinsen vor. Die Witwe Maria Bank, die Mutter des Josef, hatte im Jahre 1793 einen Prozeß mit einem Johann Zimmermann, Bauer in Betzenhausen, wegen Geldrückstand für einen gekauften Ochsen. Zimmermann wird zur Bezahlung verurteilt. Verschiedene größere Rechnungen beweisen den Umsatz in der Wirtschaft des Bank: Ein Rechnung des Küfermeisters Johann Nepomuk Schweizer in Ebnet über 80 Gulden ist fein säuberlich mit den angegebenen Küferarbeiten geschrieben, ebenso eine Rechnung des Bierbrauers Jacob Gramm aus Freiburg über 282 Maß Bier und 13 Maß Branntwein vom Mai 1801. Im Sommer 1802 wollte der Rößlewirt Joseph Bank bei der Wirtschaft ein Freischießen abhalten, wie man es seit Menschengedenken getan hatte. Es war aber vor kurzem von der Talvogtei verboten worden, und Bank hatte sich nach Freiburg gewandt. Aber auch von dort erhält er am 16. August 1802 einen ablehnenden Bescheid: „Da die Erfahrung bisher gelehret hat, dass jedes Freyschießen auf dem Lande und besonders in Zarten polizeiwidrige Unordnungen versachte und in jeder Rücksicht die schädlichsten Folgen nach sich zog, so kann dem Rößlewirt Joseph Bank in Zarten sein Gesuch wegen einem abzuhaltenden Freyschießen nicht bewilligt werden.“ Anscheinend muß es bei diesen Freischießen nicht sehr zimperliche hergegangen sein, sonst hätte das Talamt nicht diese „Erfahrung“ machen können! Eine interessante Hochzeitsrechnung aus der gleichen Zeit lässt noch einige Rückschlüsse auf die Hochzeitssitten zu. Es waren 36 Personen bei dem Hochzeitsessen, einschließlich dem „Hochzeiter und der Hochzeiterin“, deren Namen nicht angegeben sind. Es gab „suben. Rindflaisch und Nutlen, Speck. Reiß. Muß. Bradis und salad“. Besonders gerechnet wurde die Morgensuppe, der Wein, Kaffee und die Zuspeißen. Also eine echte Schwarzwälder Hochzeit! Einige gedruckte Quittungen über bezahltes Umgeld, von der Stadt Freiburg ausgestellt, beschließen die Aufzeichnungen der gefundenen Schriften im „Rössle“ zu Zarten.

Karl Motsch