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Überraschungen aus Tarodunum
Analysen belegen den Rang der keltischen Großsiedlung


Als Claudius Ptolemäus Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts in Alexandria den Namen ¸¸Tarodounom" in sein Kartenwerk ¸¸Geographia" schrieb, hatte er vom Aussehen der fernen Keltenstadt im Zartener Becken keine Ahnung. Doch die Erwähnung allein verweist auf einen Handelsplatz von überregionalem Rang. Lange haben die Archäologen vergebens versucht, die Bedeutung des Ortes durch spektakuläre Funde zu belegen. Innerhalb der sechs Kilometer langen, noch als
Bodenwelle erkennbaren Befestigung im Dreisamtal fehlten alle Siedlungsspuren. Haben die Erbauer die riesige, wohl unvollendete Anlage nie bezogen? War das geheimnisvolle Tarodunum nur eine leere Fluchtburg?

Im März 1987 ließ sich dann doch noch eine Großsiedlung nachweisen. Unbefestigt erstreckte sie sich westlich des Walles, am Ortsrand von Zarten, auf einem 12 Hektar großen Areal. Verwitterte Keramik- und Amphorenscherben kamen zum Vorschein, insbesondere aber 122 Münzen und 254 Fragmente von Glasarmringen, vom damaligen Student Heiko Wagner aus dem Ackerboden geklaubt. Das Bild einer blühenden Handelssiedlung nahm erste Konturen an.

Zehn Jahre lang hat ein Forscherteam unter Leitung der Geochemiker Professor Andreas Burkhardt und Willem Stern von der Universität Basel sowie Rolf Dehn vom Landesdenkmalamt Freiburg die keltischen Münzen des Breisgau untersucht. Die Ergebnisse sind verblüffend. In einem von der DFG finanzierten Projekt werden überdies durch Andreas Burkhardt und den Freiburger Frühgeschichtler Heiko Steuer 250 keltische Gläser aus Tarodunum zerstörungsfrei analysiert. Die Methode der zerstörungsfreien Analytik erlaubt durch den Einsatz eines Röntgenspektrometers Materialanalysen von bislang kaum erreichter Genauigkeit. Im Gegensatz zu den gängigen chemischen Methoden bleibt das Objekt bei dieser Methode intakt. Die Ergebnisse dieser quasi kriminalistischen Recherche bezeichnen Steuer und Burkhardt als archäologische Sensation. Nie wurde eine so große Anzahl keltischer Münzen derart scharf unter die Lupe genommen, nie zuvor gelang es, an einem
keltischen Fundort sämtliche Stadien der Münzherstellung vom Rohgoldklumpen bis zur Prägung archäologisch und metallurgisch lückenlos nachzuweisen.

Von den 10 000 Einzeldaten ist nun ein Großteil ausgewertet. Was zunächst überrascht, ist die hohe Qualität der Münzen. Die Goldlegierungen bezeugen, dass die Kelten damals Metalltechniken beherrschten, die erst wieder in der heutigen Hightech-Industrie zur Verwendung kommen. Und dass Kobalt, Zinn und Antimon in keltischen Gläsern vorkommen, wirft ein neues Licht auf deren Produktion. Diese Elemente finden sich auch in den Erzen des Schwarzwaldes.

Folgende Schlüsse liegen nahe: Nicht nur Goldmünzen, auch qualitätsvoller Glasschmuck wurde vor Ort produziert, möglicherweise auch für den Export. Das Oppidum im Dreisamtal verdankt seinen Standort wohl dem frühen Erzbergbau. Weitere Standortvorteile liegen auf der Hand: Die Kontrolle der später von den Römern ausgebauten rechtsrheinischen Handelswege, die gute Verteidigungslage hinter der Talenge von Ebnet. Verglichen wurden die Zartener Funde auch mit denen aus dem ¸¸Kegelriß" bei Ehrenkirchen. Dort kam ein kegelförmiger Gusszapfen zum Vorschein, der zur Produktion keltischer Bronzemünzen diente. All dies beweist: Die Oberrheinregion war mit all ihren keltischen Großsiedlungen zwischen 200 bis 100 vor Chr. ein prosperierender Wirtschaftsraum.

Um die Wende zum ersten Jahrhundert, also lange vor Ankunft der Römer, muss es zu Unruhen unter den Stämmen gekommen sein. Die Bewohner des alten Tarodunum erwogen damals wohl den Umzug hinter den neuen Großwall. Dann aber verließen sie das Tal. Wenige blieben und überlieferten den Namen einer versunkenen Siedlung, aus dem später ¸¸Zarduna", ¸¸Zarten" wurde. Unter Fachleuten ist es schon jetzt ausgemacht, dass Tarodunum so bedeutend ist wie das
berühmte Manching bei Ingolstadt. Auf die erhofften Flächengrabungen der Freiburger Archäologen darf man gespannt sein.

STEFAN TOLKSDORF

Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.188, Montag, den 16. August 2004 , Seite 14