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Die
Memoiren des letzten Abts von St. Peter |
XXII.
Der Gräuel der Verwüstung an heiliger Stätte.
1. So schmerzlich auch für die besseren Mönche in den breisgauischen Stiften die Aufhebung ihrer religiösen Genossenschaften sein mußte, und so fremd sie Anfangs in der Welt, die sie für immer verlassen zu haben glaubten, sich fühlen mochten: so erschien ihr Loos immerhin noch besser als die Behandlung, welche vier Jahre früher den katholischen Ordensleuten in der Pfalz widerfahren war. Zur Bestätigung dieser Behauptung mögen folgende, aus dem bekannten Buch: „Die katholischen Zustände in Baden“ entnommene Thatsachen dienen. Noch ehe der Frieden von Lüneville bekannt wurde, hob die pfälzische Regierung das Franciscanerkloster in Sinsheim auf und bestimmte den Mönchen eine kurze Frist zum Auswandern. Das Dominicanerkloster in Heidelberg wurde in eine Kaserne verwandelt und die vertriebenen Mönche wurden mit Stockstreichen bedroht, wenn sie ihren Klostergarten nur wieder betreten würden. Auch die beiden Nonnenklöster in Heidelberg entgingen der Auflösung nicht. Die sogenannten schwarzen Nonnen, von der Congregation der seligsten Jungfrauen, vier Chorfrauen und einige Laienschwestern, die sich mit Erziehung der weiblichen Jugend beschäftigten und selbst protestantische Töchter unter ihren Schülerinen zählten, wurden mit Gewalt aus ihrem Eigenthum vertrieben. Die weißen Nonnen (Dominicanerinen) waren noch zehn Personen. Ihre Thränen bei der Wegnahme ihres Eigenthums bestimmten die Commissäre, die Laienschwestern in das katholische Spital zu verweisen, was sie aber nicht annahmen. Die letzte Priorin Ludovica hatte dem Kloster dreitausend Gulden zugebracht; sie wurden ihr genommen, obgleich sie schon 74 Jahre alt war. Da erbarmte sich ein Jude von Heidelberg, Namens Fuld, und bot ihr freiwillig an, sie in sein Haus aufzunehmen und sie lebenslänglich zu ernähren. Sie ging aber mit zwei Schwestern nach Osterburken, wo sie nach neun Monaten aus Kummer starb. Das Kloster wurde in ein lutherisches Spital verwandelt und zum Theil verkauft. - Die Karmeliten zu Heidelberg, welche an Stiftungen und Schenkungen ein Vermögen von 33,527 fl. besaßen, wurden theils in ihre Heimath verwiesen, theils auf Kaplaneien versetzt. Zu Weinheim packte man Nachts um zwei Uhr vom Pfingstmontag auf den Dienstag die widerstrebenden Karmelitermönche in eine Kutsche, führte sie unter Begleitung von vier Reitern bis an die mainzische Grenze, wo man ihnen bedeutete, jetzt könnten sie hingehen, wohin sie wollten, nur sollen sie sich ja nicht unterstehen, je wieder in die Pfalz zurückzukehren. Unter diesen so, schmählich aus dein Lande gejagten München war ein fünfzigjähriger Mann, durch Schlagfluß auf einer Seite gelähmt und an einem Auge blind; er kam mit zwei seiner Gefährten nach Frankfurt zu seinen Mitbrüdern und wurde auf Befehl des Magistrats in der Senkenbergischen Stiftung verpflegt. Sogleich wurden ihm 60 Gulden ausbezahlt, um sich Sonntags in die katholische Kirche zum Gottesdienste tragen zu lassen. Auch die anderen Vertriebenen wurden freigebig und großmüthig von dem Stadtrathe behandelt; sie erhielten Kleidung und Pension. - Der 70jahrige Guardian der Heidelberger Kapuziner ward nach Miltenberg verwiesen; Kirche, Kloster und Garten um 14,000 Gulden versteigert - Die Kirche wurde eingerissen, die übrigen Gebäude zu anderen Zwecken verwendet. Die Karmelitenpriester zu Heidelberg waren so kärglich pensionirt worden, daß ein 66 Jahre alter Priester in Mannheim bei wohlthätigen Leuten um eine unentgeitllche Stube und um Kosttage betteln mußte. Ein anderer bejahrter Priester diente um die Kost als Kaplan bei einem Landpfarrer. Die Laienbrüder, Greise von sechzig und siebenzig Jahren, verdingten sich theils als Knechte, theils mußten sie darben aus Mangel an Kräften. Da die Abtragung des Thurmes der Karmeliterkirche zu kostspielig war, so untergrub man auf einer Seite die Fundamente, stützte sie mit Holz, welches angezündet wurde, wodurch der Thurm zusammenfiel. Man scheute sich nicht, die Markgräfin Amalie von Baden, die sich zu Rohrbach aufhielt, zu diesem Werke der Zerstörung als zu einem Feste einzuladen. (1809.)
2. Diesen, von dem gelehrten Verfasser der „katholischen Zustände in Baden“ nach einem Manuscript aufgezeichneten Schilderungen fügen wir noch folgende, weniger bekannte Züge aus dem Tagebuch des Abtes Ignaz Speckle von St.Peter bei. Es laufen nun, so schreibt der Prälat am 15. Dec. 1802, die traurigsten Nachrichten ein von dem Schicksale der säcularisirten Klöster. Bayern zeichnet sich vorzüglich durch Unmenschlichkeit aus. Alles wird den München abgefordert. Nicht nur Rechte, Güter, Einkünfte, sondern auch Baarschaft, Depositen, Meublement, Pectorale, Ringe der Prälaten, - alles Geräthe in den Zellen, alle Bücher werden consignirt. Nicht nur die Thüren, auch die Fenster der Bibliotheken versiegeln die Commissäre. Der Jammer sei unbeschreiblich. Den 50-60 Klosterfrauen zu Söflingen, die früher eines reichen Einkommens sich erfreuten, wurden täglich nur 16 Maas Bier und 6 Maas Milch verabreicht.
3.
Mehr als die persönlichen materiellen Entbehrungen, denen die vertriebenen
Ordensleute sich entziehen mußten, schmerzte sie die Wahrnehmung, wie die der
Frömmigkeit und der Gottesverehrung geweihten Stifte und Gotteshäuser zu den
profansten Zwecken verwendet wurden. Der badische Hofgerichtsdirector von Drais
drang auf den Verkauf von St.Peter, und es kostete den Abt Ignaz viele Mühe,
die St.Ursulakapelle vor dem Abbruch zu bewahren. Manche Klosterkirchen wurden
lediglich aus dem Grunde niedergerissen, weil man sie nicht unterhalten wollte.
Der Verwendung des lutherischen Baudirectors Arnold ist die Erhaltung der
prachtvollen Kirche zu St.Blasien, die man gleichfalls abbrechen wollte, zu
verdanken. Man begnügte sich, das Kupferdach der Kirche abzunehmen und das
majestätische Gotteshaus mit Schindeln zu decken. Orgel und Glocken wurden nach
Carlsruhe transferirt. Die Klostergebäude kamen durch Verkauf an den Juden
Seligmann, der zu St.Blasien verschiedene Fabriken anlegte. Ein großer Theil
der Mönche war mit dem Fürstabt Rottler in das Kloster St.Paul in Steiermark
ausgewandert. Das Frauenkloster Güntersthal wurde in eine Spinnerei, das Stift
Wonnenthal in eine Cichorienfabrik zu Ehren des Zeitgeistes verwandelt. Der schöne
Bibliotheksaal zu St.Peter diente schon im September 1807 als Aepfelkammer,
nachdem im April desselben Jahres Professor Hug, im Namen der Universitätt, die
gelehrten Werke, welche die Kloster-Commission daselbst noch zurückgelassen, in
Beschlag genommen hatte. Vom December 1813 bis Juli 1814 wurde die Abtei
St.Peter neuerdings in ein Militärspital verwandelt. Das Urkundenbuch des Abtes
Ignatius enthält hierüber einen besondern Bericht, aus welchem wir folgende
Einzelheiten hervorheben: Die armen Kranken litten an Allem Mangel; sie waren
genöthigt, in die nächsten Häuser zu schleichen und um Brod, saure Milch und
Erdäpfel zu betteln, wodurch in Kurzem die ganze Nachbarschaft mit den bösartigsten
Epidemien angesteckt wurde. Auch an geistlicher Hilfe mangelte es. Es war kein
Feldpater da, der die Sprachen der meisten Kranken verstanden hätte. Die
Ortsgeistlichen thaten ihre Pflicht; der Pfarrer nebst einem Vicar wurden in Bälde
Opfer ihres Berufes. Zu dem Mangel an Pflege kam noch die größte
Unreinlichkeit; aus Mangel an Wäsche und Weißzeug lagen Kranke und Todte
unbedeckt untereinandert und wenn ein Todter auf die Seite gethan worden, ward
ein Kranker auf dessen Platz hingelegt, in Folge einer Untersuchung wurde es
nach einiger Zeit etwas besser; man hielt auf größere Reinlichkeit; es wurden
Bettstätten und Weißzeug requirirt, auch Viktualien zur Genüge
herbeigeschafft. Dennoch war die Sterblichkeit fortwährend sehr groß. Ueber
800 unglückliche Opfer der Seuche liegen zu St.Peter begraben. Der innere
Zustand des Spitals wurde übrigens geheim gehalten, so daß man auf die
Vermuthung gerieth, daß die Verstorbenen noch mehrere Tage lang unter den
Kranken der Verpflegungsliste figurirten. Der Jammer und die Bettelei der
Kranken dauerten fort. Die nächsten Häuser wurden noch immerfort überlaufen,
und wer in die Nähe kam, wurde angebettelt. Das Spitalpersonale hingegen lebte
in einem höchst auffallenden Ueberfluß und viele Ortsbewohner genossen mit.
Man sagt aus, daß lüderliche Weibspersonen Tage und Nächte unter dem
Personale im Wohlleben zugebracht hätten. Es wurden Compagnien und Tänze
gehalten, die besten Weine theils getrunken, theils in solcher Menge verkauft,
daß einige Ortsbewohner zum Nachtheile des Wirthes mit den aus dem Spitale
gekauften Weinen noch ein Gewerbe trieben. Das nämliche geschah mit andern
Spitalvorräthen. Man versichert, daß mit Lichtern und Viktualien verschiedener
Art Wälderuhren von dem Spitalpersonale gekauft worden; daß schlechte
Weibspersonen vollgepackt aus dem Spital gekommen, daß noch lange nachher
Handel mit den Viktualien aus dem Spital getrieben worden sei. Die Accorde mit
den Lieferanten waren für diese so vortheilhaft, daß man allerdings zweifeln
mußte, ob diesen der Profit allein zufließe. - Mehr als diese Vorgänge
schmerzte den Abt die Entweihung, welche der Abtei St.Peter am 1. Febr. 1818
widerfuhr. Am Vorabend von Mariä Lichtmeß wurde nämlich im Klostersaal ein förmlicher
Ball veranstaltet, zu welchem die Beamten, die Geistlichen, Jäger, Chirurg,
Lehrer und Vogt, nebst mehreren Bauern und ihren Frauen und Töchtern eingeladen
waren. Der Pfarrer machte den Traiteur und acht ledige Bauernbursche führten
eine türkische Tanzmusik auf. Wir begreifen die gerechte Entrüstung, in
welcher der Prälat bei der Kunde von dieser Profanation die Worte des
Psalmisten in seinem Tagebuch niederschrieb. Der Ball dauerte bis Morgens um 4
Uhr. - Nicht einmal die Gebeine der Todten waren vor diesen Tempel- und
Klosterschändern sicher. Zu Güntersthal erbrachen sie im Juli 1812 die Gruft
des dortigen ehemaligen adeligen Frauenstiftes, schütteten die Gebeine von
ungefähr 16
verstorbenen Nonnen, welche darin beigesetzt waren, in zwei große Truhen und
begraben dieselben auf dem Kirchhof. Die Todtengruft wurde alsdann in einen für
den Pfarrer bestimmten Keller umgewandelt !
Um jede Spur der religiösen und kirchlichen Bedeutung der säcularisirten Klöster
zu vertilgen, hatte ein hochgestellter badischer Beamter im Februar 1807
befohlen, das „Sanct“ vor den Klosternamen zu streichen und statt St.Peter
und St.Blasien einfach „Peter“ und „Blasien“ zu sagen
! Abt Ignaz geißelt diesen lächerlichen Blödsinn mit einem
Spottgedicht auf das „Jahrhundert der Surrogate“ :
Für Zucker - Stärk' und Runkelrüben,
Cichorie für Caffee;
Für Fleisch die Knochen, die sonst übrig blieben,
Das Erdbeerblatt für Thee;
Witz für Verstand, Papier für Geld -
Ist jetzt der Modeton der Welt.
Geht´s länger noch so fort auf Erden,
Wird bald der Aff´das Surrogat für Menschen werden.