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Die Memoiren des letzten Abts von St. Peter
Ignaz Speckle
Ein Beitrag zur vaterländischen Geschichte.

 

III.
Angstvolle Tage und harte Prüfung

1. Der 15. Juli 1796 war der über Breisgaus Loos entscheidende Tag. Bei dem fürchterlichen Tumulte sitze ich hier, Herr ! vor deinem Angesichte: Vielleicht liest einst ein Nachkömmling was ich schreibe, vielleicht nicht. Wer liest, der wisse es, daß es gut ist, auf den Herrn hoffen, und an die Vorsehung glauben. Nach aller Ueberlegung fand ich für gut, mit meinen Brüdern auf dem Posten zu bleiben, den Gott uns angewiesen hat. Wir wollten das thun, was wir für recht und Pflichtmäßig hielten. Herr, sieh unsern guten Willen an ! Furcht und Angst beklemmt zwar auch meine Brust, aber ohne Hoffnung bin ich nicht, und spreche meiner Seele zu, quare tristis es, anima mea, et quare conturbas me ? Venient fortasse dies, cum adhuc confitebor illi. Wir werfen uns in deine Arme, bester und mächtigster Vater aller Väter; wir beten: transeat calix iste, uns retten ist dir leicht; fiat voluntas tua; lasse uns das Zutrauen auf deine Vatergüte ! Ruhig bin ich doch und meine Mitbrüder, die hier in Freiburg sind, P. Thaddäus, P. Beda, P. Basil und Fr. Joseph, Herr ! laß auch meine Brüder, die im Kloster oder auf einzelnen Posten sind, ruhig sein. Gib ihnen guten Rath und Standhaftigkeit. Sei mein Gott und ihr Gott ! Bisher hast du uns von der Wiege an geschützet. Herr, du wirst uns jetzt auch nicht verlassen, du bist adjutor in tribulationibus, quae invenerunt nos.  

2. Am 16. Juli. Noch immer dauert bange Erwartung fort. Die Stadt ist einsam, wie ein Landstädtchen. Heute Nacht ist das österreichische Militär vollends abgezogen. Gestern wars in St.Peter ganz ruhig, ohne einen Soldaten zu sehen. Hier in Freiburg fängt das Auswandern von Neuem an. Die Franciscaner gehen fort bis höchstens auf Einen, und verlassen Kirche und Kloster, von den Kapuzinern gehen wenigstens mehrere. Die vom Landhause ausgeschickten Boten waren um zehn Uhr noch nicht zurück. Im ganzen Lande geht das Auswandern stark. Gemeine Leute mit Vieh, Habseligkeiten, Geistliche, besonders Frauenzimmer reisen fort. Der heutige Wochenmarkt war sehr leer; eine einzige Butterballe soll auf den Markt gebracht und das Pfund um 38 kr, verkauft worden sein. Endlich beiläufig um 10 Uhr sprengte ein Rittmeister mit 12-15 Chasseur à cheval in vollem Galopp in die Stadt. Vor der Stadt sollen sie einen Bedienten des Herrn von Greiffeneck angehalten und gefragt haben, ob österreichische oder condeische Truppen in der Stadt seien und auf Vernehmen denselben zur Sicherheit mitgenommen haben. In Zähringen empfiengen die Ortsvorgesetzten den Offizier und baten um Sicherheit. Er versprach ihnen Alles, hieß sie ruhig sein und bei ihren Häusern bleiben. Ein anderer Trupp zog ebenfalls unschädlich durch. Darauf kam ein Einzelner, dann drei; man bot auch diesen wie den Vorigen zu trinken an: sie forderten aber Geld, und die guten Bauern mußten ihnen drei Thaler geben. - Beim Einritte in Freiburg flüchtete alles in die Häuser. Der Rittmeister stellte seine Leute in Ordnung, proclamirte lange und versprach Sicherheit. Inzwischen ward Hr. Präsident von Baden gerufen; auch erschienen die Deputirten, nach und nach einige der Landstände; ich kam etwas zu spät. Was ich theils hörte, theils von Andern vernahm, versprach er allen Schutz und Sicherheit; sagte, sie suchen ihre Feinde, wir seien unschuldig, er kenne die Gesinnungen der Stadt; seinetwegen und auch wegen der Nation mögen wir kaiserlich gesinnt sein; sie wollten Frieden. Er lobte die, welche nicht ausgewandert wären; jeder soll zu seiner Familie zurückkehren, für Excesse der Masse könne er nicht gut stehen; die Entwichenen, wenn sie nicht zurück kehren, würden unglücklich sein, und Aehnliches. Die Freiburger schrien nun: Vive la nation, la republique, ohne daß man's verlangt hätte. Der Erste, der so schrie oder sprach, soll, -- so versichert Graf Durand, ein Geistlicher, Hr. Professor Schwarzel gewesen sein. So sah man auch bald auf vielen Hüten Cocarden. Gestern schon verkaufte Hr. Kapferer das Stück zu 4 kr. Ungeachtet der gegebenen Verheißung, ungeachtet der strengen Befehle, welche Hr. Rittmeister seinen Chasseurs gab, fiengen diese bald an, in die Kaufläden zu laufen und nicht zu bezahlen; in den Quartieren zu begehren, was ihnen gefiel; auch im Neuen Kloster namentlich drei Louisd´or Geld zu erpressen. Bald darauf kamen noch mehrere Gemeine und Officiere, auch der Generaladjutant. Sie stiegen meist ab im Fürstlich Heitersheimischen Hause (dieses Haus ist jetzt Eigenthum der Wittwe Hieber, befindet sich in der Kaiserstr. Nr. 68) welches sie das Haus ihres Generals Ferino hießen; der General der Avantgarde soll Tarreau heißen. Hr. von Baden hatte die Officiere zu Gast und fuhr mit dem Hrn. Syndikus Engelberger Nachmittags, dem General entgegen. Wir versammelten uns auf dem Landhause. Es kam die Nachricht General Tarreau komme an; wir gingen ihm entgegen d, h, die versammelten Repräfsentanten der Stände. Wir gingen eine ziemliche Strecke hinaus, bis die leere Chaise ankam; der General war schon eingeritten. Wir gingen darauf ins Heitersheimische Haus, wo Hr. von Greiffeneck eine kurze Anrede hielt, um Freiheit der Religion, Sicherheit der Person und des Eigenthums bat. Alles ward sehr großmüthig zugesagt mit der Versicherung, ihre Armeen werden dies Alles schützen. Man fragte nach dem Adel, mißbilligte es, daß viele entflohen wären, man erkundigte sich nach Klöstern und Klosterfrauen. Die Officiere lobten die, welche geblieben waren. Sie fragten nach dem Abmarsche unserer Truppen, wann sie abgezogen und wohin. Von ihrem General Ferino und seinem Hause sprachen sie mit sichtbarer Freude. So wäre nun, Gottlob, das erste was wir fürchteten, überstanden. Gott gebe, daß die gemachten Zusicherungen erfüllt werden. Morgen soll General Ferino ankommen. Der erste angekommene Rittmeister soll geäußert haben, man werde keine Brandschatzung ansetzen; allein vielleicht Requisition ? Einzelne Excesse werden freilich nicht unterbleiben. Gott stehe uns ferner bei, er regiere die Herzen unserer Sieger und bewege sie zur Menschlichkeit und Billigkeit.

3. Der 17. Juli. IX. Sonntag nach Pfingsten. Evangelium: „Da Jesus die Stadt sah, weinte er über sie, o daß doch auch du erkenntest ec“. Traurig fängt er an, der heutige Sonntag. Gestern in testo B.M.V. De monte Carmelo rückten unsere Sieger hier ein. Heute wird der General Ferino kommen. Gestern noch ward das Verbot gegeben, keine Glocke zu läuten; aber der Komödienzettel soll schon früh um 6 Uhr angeschlagen worden sein. - Heute Nacht entstand ein Tumult zwischen den Stadtpatrouillen und Chasseurs, welche in einigen Häusern nach ihrer Art lebten und Geschrei verurFachten; jene mußten sich flüchten, sprangen dem Rathhofe zu, wo Bürgermeister und Kanzleiverwalter beisammen waren. Diese und jene flüchteten sich in alle Winkel, Blockhäuser und wo sich jeder verstecken konnte. Wahrscheinlich wird jeder Tag neuen Stoss zum Trauern bringen: Herr ! laß uns deine Hand erkennen, die uns züchtigt, laß uns besser werden; und verschone uns ! Gestern Abends kam Hr. Joseph, Administrator zu Allerheiligen, ersuchte mich Namens seines Prälaten, auch für eine Sauvegarde für St.Märgen zu sorgen; er versicherte mich der Abt bleibe zu St.Märgen. Und heute verlautet die Nachricht, daß er weggegangen sei. War doch nicht redlich. - Zu St.Peter war, der Vorsehung sei ewiger Dank, bis heute noch Alles ruhig und zufrieden. Heute warteten wir bis 12 Uhr auf dem Landhause auf die Ankunft des Generals Ferino. Bei dieser Versammlung ward - nicht zwar ex professo, leider nur incidenter über einige Punkte gesprochen, die bei Ankunft des Generals vorzubringen wären. Ich übergab am Ende eine kleine Punktation. 1) Wie ist Sicherheit zu erhalten für Klöster und Pfarrhöfe auf dem Lande ? 2) Wie für Reisende, Boten, Marktleute ? 3) Wie sind Viktualien auf den Markt zu schaffen ? Wie hat man sich gegen einzelne Marodeurs zu verhalten ? 4) Wie gegen unruhige Unterthanen, welche diese Zeitumstände mißbrauchen ? 5) Wie sind Unterthanen zur Unterwürfigkeit, zur Entrichtung ihrer Schuldigkeiten und Abgaben anzuhalten; denn es will verlauten, einige wollten schon keine Zehnten mehr geben et similia. Es mangelt an Thätigkeit und an Anstalten. Von allen Seiten kommen Klagen vom Lande her, wie dieser oder jener Ort oder Privatmann mißhandelt wird, durch allerlei Erpressungen, besonders an Geld. - Ich ließ heute Hrn. Schwarzel ersuchen, für mich eine Supplik an den General zu verfertigen, um für mein Kloster und unsere Gebäude Sicherheit zu erhalten. Schon gestern hatte Herr von Baden von unserm Kloster gesprochen, dem General versichert, ich und meine Confratres wären auf unserm Posten geblieben, was demselben gefallen und wobei er bemerkte, er bedauere den Prälaten von Schuttern; sein Kloster sehe nicht gut aus; er hätte Gengenbach und Ettenheim gerettet. Hr. Rector magnificus erwies mir heute die Freundschaft, mir hiezu zu rathen. Einer der gestern angekommenen Officiere heißt Abbatucci; dieser oder der Generaladjutant forderten von der Stadt für die Generalität 1000 Louisd´or. Ließ herab bis auf 200 und 12 gesattelte Pferde; berief sich auf den General, welcher, da es ihm vorgetragen worden, doch nichts davon wissen wollte. Sie erhielten auch nichts, da sie zu schnell abreisen mußten. Es ist aber die Frage, ob es nicht besser gewesen, wenn sie doch etwas erhalten hätten. Abends endlich kam General Ferino an. Die Corpora und Stände warteten ihm auf. Er begegnete Allen äußerst höflich. Er war in seinem eigenen Hause i, e, in dem Heitersheimischen, welches der Frau Condillac, seiner Gemahlin zugeschrieben ist, abgestiegen. Nur über die gegen ihn gebrauchte Landmiliz hielt er sich auf und verwies dieses Unternehmen besonders dem Hrn. von Greiffeneck. Ich übergab meine Supplik. Er war sehr gnädig, beruhigte und versicherte mich vollkommen, daß wir wohl gethan hätten zu bleiben; es werde uns nichts Leids geschehen. Heute noch werden Truppen nach St.Peter kommen; er selbst werde mit uns zu Mittag speisen, wir sollten ungehindert beten und predigen, die Moral, nichts Verfängliches. Da ich nach St.Peter selbst reisen wollte, versprach er mir Bedeckung. General Abbatucci versicherte, daß heute noch keine Truppen dahin ziehen würden. Ich schickte doch den P. Joseph dahin, welcher einen Officier mit vier Dragonern zu sich nahm, welcher Oficier so redlich war, daß er, äußerte: es wäre besser, wenn er voraus nach St.Peter ginge, weil sonst einige von den Truppen dahin streifen und Erpressungen und Unordnungen machen würden. Ich sah hiernach noch 5-6 Regimenter Fußvolk durch die Stadt passiren; Gott ! welch ein Volk ! Die Officiere gingen zu Fuß und trugen selbst ihr Gepäck. Meine ganze Standhaftigkeit verließ mich beim Anblick dieser Truppen. Vor Gott sind Millionen wie ein Mann. Auf den Herrn hoffen ist allein gut.

4. Nach erhaltenem Paß, welchen General Ferino mit eigener Hand geschrieben, da ich früh um 1/2 7 Uhr bei ihm war, und darum bat, reisete ich heute (18. Juli) nach St.Peter. Nicht nur meine Unterthanen, sondern auch benachbarte empfingen Muth und Freude und erholten sich Raths. Ich ermahnte alle bei ihren Häusern zu bleiben und rieth ihnen, so gut ich nur immer konnte. Die Eschbacher versammelte ich in's Pfarrhaus, ermahnte sie, machte ihnen Vorschläge, tröstete sie so gut ich konnte, und kündigte ihnen an, daß heute vermuthlich Truppen kommen würden. Endlich kam ich zu St.Peter an, und wurde von Jedermann mit großer Freude empfangen; ich versammelte meine Confratres, und trug ihnen das Nöthige vor. Die Sauvegardes waren seit gestern da, sehr befriedigt, auch war man mit ihnen sehr zufrieden. Alle Confratres danken Gott. P. Nepomuk war von Neukirch ins Kloster gekommen; P. Gregor ersetzt nun seine Stelle. - Ich belehrte die Vögte über ihr Verhalten, traf einige Anstalten zum Empfang der Truppen, die vermuthlich kommen werden. Erst gegen Abend wird uns die Ankunft angezeigt durch den Bataillons-Commandanten und 3 Officiere; und bald darauf kam eine Compagnie Karabinier; die übrigen Compagnien wurden in Eschbach verlegt; gerade der Vortrab, der nicht am besten disciplinirt ist. Die Soldaten wurden in's Wirthshaus und in die Wagenremis gelegt; die Officiere in's Kloster. Als diesen die Bibliothek gewiesen wurde, bewunderten sie selbe sehr und sagten: wenn wir geflohen wären, so würde alles ruinirt, wie in Schuttern, wo Meubel, auch sogar alle Gemälde ruinirt waren. - Da man speisen wollte, entstand ein entsetzlicher Tumult unter den Soldaten. Das Brod der Bauern war ihnen zu schlecht; der Beck hatte noch nicht gebacken, weil wir zu schnell überfallen worden. - Unsre Sauvegarde thaten ihre Pflicht, wie auch alle Officiere, brave Leute, ihre Truppen zu beruhigen. Alles half nicht genug, bis das Brod kam, welches warm vom Ofen weggenommen worden. Der Capitän ging gar nicht zum Speisen, bis Ruhe war. Nachdem sie Wein und besseres Brod empfangen hatten, sang und tanzte Alles. Man konnte am Ende ruhig schlafen.
Schlimmer gings in Eschbach ab; wenn nicht eine Garde dahin gekommen, wäre der Pfarrhof erbrochen und überrumpelt worden. Dieser blieb zwar verschont; es logirten 10 bis 13 Officiere da; aber die armen Unterthanen wurden geplündert, geschlagen und äußerst mißhandelt, besonders zwei schwangere Frauen. Weinend kamen sie mir entgegen, als ich am folgenden Tage zurückkehrte. Trauriger Anblick ! Ich that was ich konnte, bat die Officiere um Alles, stellte ihnen das Elend vor. Allein die Officiere konnten nicht helfen; wegen der eingebildeten Gleichheit mangelts an Subordination. Ich tröstete die Unterthanen; allein das Letzte war doch: liebe Leute ! es ist Krieg; für Alles kann nicht geholfen werden. Im Kloster selbst war - Gott sei tausend Dank - alles ruhig. Der Gottesdienst wurde ungestört fortgesetzt. Man kann mit Wahrheit sagen: die Religiosen in dem Kloster empfanden noch nie, daß Krieg sei. Herr ! laß sie doch alle deine Vatersorge erkennen, laß alle dankbar sein, und durch getreue Erfüllung ihrer Pflichten die Dankbarkeit gegen dich beweisen.

5. Am 19. Juli fuhr ich zurück nach Freiburg, nahm aber einige Sergeanten zur Bedeckung nach Ebnet mit. Im Petershofe fand ich alles sehr verändert. Hätte ich nicht gestern einen Dragoner mit Fr. Joseph zurückgeschickt, unser Haus wäre geplündert und Alles ausgeleert worden. P. Basil und P. Beda konnten mir nicht genug sagen, welche Aengsten sie ausgestanden hätten. Mit aller Gewalt wollten die Soldaten den Keller erbrechen. Der Dragoner hielt sich vortrefflich. Es ward ein Magazin von Branntwein in den Hof gelegt und die Verpflegungsofficiere wurden einquartirt. - Ich ging alsobald zum General Ferino, der über alle Vorstellung gütig, herablassend, gnädig gegen mich war. Ich rühmte ihm, daß die Garden, die Officiere ihre Pflicht gethan, bezeugte, daß unter seinem Schuh, mein Kloster unverletzt geblieben, bezeugte meinen großen Dank, und bat den Dragoner mir zur Garde im Petershofe zu lassen; die Garden zu St.Peter nicht zu verändern. Er bewilligte mir dies und anderes, wünschte nur, daß ich nun sollte auch heiter und fröhlich sein. Ich versicherte ihn, daß ich's auch schon gewesen, aber der Anblick des Elends meiner Unterthanen hätte mich zu sehr bestürzt. Er bedauerte es, aber er äußerte, es sei unmöglich, alle Excesse zu verhüten. G. Ferino erinnerte mich auch, man sollte, sobald er vorwärts wäre, eine Landstreife austeilen, um das Gesindel aufzufangen, das immer bei den Armeen sich aufhalte, was sehr zu merken ist.
Es ist Krieg. Wir haben unsere Sieger im Lande. Die Soldaten empfangen keinen Sold von der Nation; nun suchen sie sich ihren Sold selber. - Gott gebe nur, daß es nicht noch schlimmer werde. Groß ist das Elend und der Jammer. Doch danken wir Gott und bitten, daß es nicht noch schlimmer werde. Herr ! unser Gott und unser Schutz ! hilf uns noch ferner ! -
Gestern wurden von der Generalität 1000 Species Louisd'or von den Landständen gefordert, welche in einer Stunde mußten zusammengebracht und überliefert werden, unter den strengsten Drohungen, die Stadt plündern zu lassen. Alles lief dem Landhause zu; wer nur eine einzige hatte gab sie ab, um doch den Befehl des Siegers schnell zu erfüllen.

6. Vom Commissär Parkus ward an die Asserablée des Etats de Brisgau heute der Auftrag gegeben: Man solle an alle Gemeinden eröffnen, daß Zehnten und andere Herrschaftliche Gefälle sollten abgegeben werden wie vorher - mit dem Zusatze, die Bezieher derselben würden der republique verantwortlich sein, und müßten selbe in die anzuzeigenden Magazine abliefern. Es ward eine Fassion des Betrages gefordert. Hierauf wird über das Erste ein Circular beschlossen; wegen dem übrigen erklärt, es wäre wegen geflüchteten Akten unmöglich, eine Fassion zu geben; man übergab die Akten der jährlichen Dominicalsteuer, als ein Substratum, die Sache zu beurtheilen, mit dem Beisatze, daß vom Zehnten und andern Revenüen die Stifter, Pfarrer und Herrschaften selbst leben müßten, folglich die Einlieferung in natura uns außer Stand setzen würden, ferner zu subsistiren.
Schriftliche und mündliche Klagen und Jammern von allen Seiten; herumstreifende Parthien, vorgebliche Officiere brandschatzen aller Orts. St.Ulrich und Sölden werden auf solche Weise besucht. Sölden zahlte schon an solche Streifer 241 fl. Ich ersuchte deßwegen schriftlich bei Ferino um Sauvegarde an, ohne Erfolg. In der That selbst ist alles gleich, ob man Schußwache hat oder nicht. Es läßt sich nicht anderes absehen, als endlicher Erfolg vollkommener Gleichheit, nichts zu haben. Das Elend ist über alle Vorstellung groß.
Confeß. Vom Commissär wird gefragt, wie das Land verwaltet wird, wie es vor diesem unter der österreichischen Regierung geschehen, warum diese entwichen ? Die Antwort auf die gestrige Anfrage wird ausgefertigt; es wird beschlossen: per Repraesentantes Helvetiae quaerere remedia Basileae apud B. Da ich den Erfolg der gemachten Promessen des Eigenthums sah, fuhr ich heute nach St.Peter. Mich begleitete Commis Silvester. Traurig über alle Vorstellung ist der Anblick der ausgezehrten Thäler, besonders in Eschbach. Die Bauern essen nun mit den Soldaten. Sie sind alle rein ausgezehrt, ins Detail kann nicht gegangen werden.

8. In der Conferenz werden am 22. Juli die Concepte und Vollmachten der Deputirten nach Basel vorgelesen: die Concepte waren in Eile verfertigt von einem gewissen Hrn. Weiß, aber weder diplomatisch noch rednerisch gut; man corrigirte daran so gut man konnte, doch ließ sich nicht viel Gutes daraus machen. Sie mußten ganz umgestoßen werden, welches am folgenden Tage geschah. Die gestrige Requisition betrug 500 Centner Blei und 6 Centner Bindfaden, 4000 Ellen Gadis. Das erste war eine glatte Unmöglichkeit, zu dem andern werden Anstalten gemacht.

9. Session. In der vorgestrigen Conferenz - (21. Juli), worin in meiner Abwesenheit die Deputation nach Basel beschlossen worden, ward die Sache übereilt, nicht genug bestimmt, auch unreife, wie man dafür hält von einem gewissen Hrn. Weiß gemachte Concepte genehmigt, und die Sache zu einer eigenmächtigen Friedensunterhandlung eingeleitet, überhaupt aber auch die Sache ein bischen tumultarisch betrieben und doch nichts zu Stande gebracht. Ich sah mich durch die Umstände genöthigt, mit Nachdruck zu reden und zu handeln. Ich äußerte also, diese Handlungsart gefalle mir gar nicht, tauge auch nichts, etwas zu Stande zu bringen; die Fragen müßten ganz bestimmt angegeben und darüber förmlich votirt werden. Ich legte also selbst folgende Fragen vor: 1. Ob von Friedensunterhandlungen und von Waffenstillstand könne und dürfe gesprochen werden ? Die Antwort allgemein Nein, obwohl das Erstemal darauf angetragen worden. 2. Ob Württemberg und Baden können und dürfen um Vermittlung angesucht werden - wie im ersten Concepte enthalten war - ob es uns nützen könne ? Antwort: Nein; doch könne man den gesammten schwäbischen Kreis ersuchen, sich unser bei allenfallsigen Unterhandlungen anzunehmen. Breisgau als ein benachbartes und vom Kreis umschlossenes Land miteinzuschließen. 3. Um was eigentlich und in specie anzusuchen ? Antwort: Nur in generalibus um erträgliche Behandlung, die das Land nicht ruinire. 4. Welche Beweggründe um Erhaltung unsres Gesuches anzugeben ? Antwort: Die bisherige Erschöpfung des Landes, dessen Verbindung mit Elsaß. Nun wurde abgeschlossen: die Vollmacht, Vorstellung an Hof, Schreiben an das Directorium, den Kriegsminister in Paris, auch Gesandten Barthelmi verfertiget; nicht weniger dem Fürsten von St.Blasien Nachricht gegeben; dieser und der Fürst von St.Gallen um Credit für das Land angesucht. Gut war es, daß ich meinen Vortrag für mich selbst aufgeschrieben hatte; ich dirigirte geradezu diese Session, ließ votiren. Rektor Magnificus Weissegger und Herr Statthalter von Ebringen Schumacher unterstützen mich, Hr. von Baden wurde zwar sehr empfindlich, daß seine Concepte alle verworfen worden; allein es war nothwendig. Gleich nach der Conferenz kam Herr von Greiffeneck zu mir, und äußerte, daß er hörte, man wolle eine Republik machen. Frieden schließen ec. Ich erklärte ihm nun die Sache, zeigte ihm die ausgeschriebenen Punkte und er ward beruhigt.
Hr. Metternich, nachdem er gestern bei der Universität und dem Münster die berühmten schönen Gemälde und andere Raritäten in Requisition genommen, reisete heute in gleicher Absicht nach St.Peter. Zum Glück erhielt ich Nachricht davon, und veranlaßte, daß P. Thaddä denselben dahin begleitete. Die Sache war glücklich dahin eingeleitet, daß er nichts mitnahm, als einige M.S, chinesische und arabische Papiere; aber er forschte sehr nach Landkarten und alten Münzen, in dem er wohl wisse, wie er vorgab, daß dergleichen vorhanden gewesen. Man entschuldigte sich, daß bei langer Dauer des Krieges, wegen dem gehabten Spitale ec. das Wenige, was vorhanden war, verschleppt worden. - In voriger Nacht ward das Priorat St.Ulrich ausgeplündert. Die Geistlichen und Domestiken entflohen; Kasten und Tröge wurden erbrochen, geraubt was beweglich war. Der Vogt am Ort selbst ward mitgeschleppt, und mußte bei dem Raube noch mit dem Lichte zünden. In der Kirche ward nichts profanirt, nichts geraubt; in Keller kamen sie nicht.

10. Am 24. Juli, es war der 10. Sonntag nach Pfingsten, wurden die Schriften für die Deputirten nach Basel expedirt; und Nachmittags gingen sie ab. Vormittags wurde Session gehalten. Der Fr. Joseph reisete nach St.Peter; kam Abends wieder zurück. Der Colonel premier über das Regiment Dragoner, wovon unsere Sauvegarde war, war heute zu St.Peter und sehr vergnügt. Eine am 24. Juli erhaltene Nachricht, daß der schwäbische Kreis in Augsburg versammelt um Frieden negotire, auch der österreichische Tettnangische Abgeordnete arbeite, ganz Vorder-Oesterreich darin einzuschließen, theilte ich heute (25. Juli) noch unsern Deputirten in Basel mit. Heute war keine Conferenz.

11. Um sich einigen Begriff von der gegenwärtigen Lage und von den Folgen des unseligen Krieges zu machen, muß man wissen, daß eine Armee von vielen Tausend - die Zahl ist unbestimmt; man gibt an, 60 bis 80,000 in das kleine Breisgau, das schon vorher an allem erschöpft war, eingerückt, ohne Kleidung, ohne Proviant, ohne Pferde, ohne Wägen, ohne hinlängliche Munition, sogar ohne Mehl, Fruchtsäcke, ohne Spagat, ohne Magazine, kurz ohne allen militärischen Train, und hauptsächlich ohne Geld. Die Armee ist nun seit 10 Tagen in und um Freiburg herum, requirirt, fordert, bettelt, raubt alles Nöthige, muß mit Allem Versehen werden. Der Unterhalt, und zwar nicht der eines gemeinen Soldaten, sondern eines Officiers muß allen gereicht, alle von Fuß auf gekleidet werden, und mit allem Nöthigen versehen werden; das was die Officiere zu kaufen scheinen, muß um Mandaten abgegeben werden, für welche das Land gut stehen soll; die Gemeinen fressen die Ortschaften aus, und plündern Alles aus, Schuhe, Hemden, Halstücher, Schnupftücher, Wein, Haber, Heu, Stroh, Tücher, sogar Spagat, kurz alles einer großen Armee Nöthige muß geliefert werden, das Geld muß entweder freiwillig abgegeben werden, oder wird erpreßt und geraubt. Ins Einzelne kann ich gar nicht gehen. Mit Einem Wort: das Recht des Siegers wird in aller Strenge ausgeübt. Die Soldaten müssen vom Bürger ernährt werden ohne Entgeld, und die Bürger, nachdem sie ausgezehrt sind, nähren sich mit den Soldaten; worin man doch diesen die Gerechtigkeit muß wiederfahren lassen, daß sie ihnen auch das Ihrige mittheilen. Die Verwirrung und Unordnung sind größer, als man sich denken kann. Abends kam der Generaladjutant des Ferino, Namens Sorbier, zu mir, verlangte mich allein zu sprechen, forderte 300 Louisd'or zur Brandschatzung und dies binnen 24 Stunden. Ich stellte alles Mögliche dagegen vor, die geringen Einkünfte des Klosters, die schon gehabten Unkosten, während dieses unseligen Krieges, die noch fortdauernden, die erlittene Plünderung einiger unser Häuser, die Unmöglichkeit dieses zu leisten. Alles fruchtete nichts. Ich versprach bis morgen 100 Louisdo´r, für einmal war er zufrieden; aber die übrigen forderte er noch; warf mir immer vor, mein Kloster wäre ja verschont geblieben, versprach endlich die Sache dem Ferino vorzustellen, verlangte daß Alles geheim bliebe. - Aehnliche Erpressungen waren schon geschehen an die Stadt, an St.Blasien, von welchem 3000 Louisdo´r gefordert worden. Ich ließ nun durch P. Beda und P. Thaddä Gold in der Stadt aufsuchen, damit die Sache doch bekannt werde. Letzterer sprach mit Fidel Rombach, ehemaligem Kaiserwirthssohn, der sich über die Erpressung ärgerte und versprach mit dem Stadtkommandanten darüber zu sprechen. Schon seit 8 Tagen werden von uns wenigst 12 Officiere, 6 Gardisten an unserm Tisch genährt, und eine Compagnie, die in St.Peter liegt, von uns mit Fleisch, Wein und Brod versehen. Und doch soll Alles dieses nur Anfang sein. Dieses ist nun die versprochene Sicherheit des Eigenthums und der Person. Das Eigenthum wird requirirt, erpreßt, ausgezehrt, und gestohlen. Die Person geschreckt, geplagt, geschlagen, hin und wieder auch verwundet und getödet. Alles geschieht auf eine äußerst niederträchtige wilde barbarische Art, nicht wie in regelmäßigen Kriegen von großmüthigen Siegern zu geschehen pflegt. - Die Köchin von St.Ulrich kommt, klagt und jammert über die neuliche Plünderung, und über täglichen Schrecken und Gefahr. Ich schickte den hiesigen Gardisten ab, um zu sehen, ob nun die Truppen aus dasiger Gegend marschiren und ob irgend eine Ordnung zu schaffen sei. - Es heißt heute früh, die Truppen würden avanciren, so daß in Neustadt die Arriergard zu liegen kommen werde. Hier soll nur eine Garnison für die gute Ordnung bleiben; wirklich marschiren schon viele ab.

12. Hofrath Rappenecker von Donaueschingen war hier, um bei General Ferino auf Friedensnegotiationen für Fürstenberg anzutragen; er erhielt gute Worte. Als er mich besuchte, unterrichtete ich ihn von den Gesinnungen und der Deputation der Breisgauischen Stände. Er erzählte mir, die Oesterreicher wären bis am verwichenen Donnerstag in drei Lagern am Wartenberg gestanden, haben aber die Ankunft der Franzosen nicht erwartet, sondern sich auf einmal bis Ravensburg und Altshausen zurückgezogen. Der Adjutant des Ferino forderte auch an St.Märgen 300 Louisdo´r, wie mir heute P. Joseph angstvoll erzählte, und dieser versprach sehr schnell 2000 fl. - Mittags kam ein Dragoner von St.Peter und meldete, sie hätten Ordre, abzugehen, nebst dem der bei uns im Hause war. Auf meine Bitte erlaubte der Colonel dieses Regiments, daß der Officier mit 1 Gemeinen bis zu Ende des ganzen Durchmarsches bleiben dürfe. Dieser Colonel ist der edelste und humanste aus allen französischen Officieren. - Hr. Amtmann von St.Trudpert war bei mir sich Raths zu erholen. Er klagte sehr über erlittene Mißhandlung. Vier Pferde mußten sie abgeben wegen der Sauvegarde, zwei andere wurden aus dem Stalle genommen; eines mußte Pfarrer von Thunsel abgeben; und doch hatten sie wenige Ruhe und Sicherheit. Gestern Abend ward von einem Trupp Reiter auf den Beamten und den P. Großkellner geschossen. Herr Amtmann suchte eine Sauvegarde, bei Ferino, der aber keine gab, weil er nun vor den Feind marschiren müsse. Derlei Anekdoten von einzelnen Excessen werden dem hundert nach erzählt.

13. Ein kleiner Pendant zur französischen Art Krieg zu führen kann auch dieser sein, daß eine große Quantität des schärfsten Branntweins, l´eau d´Orleans, der Armee nachgeführt wird, von welchen die Soldaten vor den Schlachten einen Trunk erhalten, wodurch sie berauscht und beinahe rasend werden, keine Gefahr scheuen, und wüthend ins Feuer laufen. Das Magazin dieses Branntweins lag hier in unserm Hofe zu Freiburg. Ich kostete davon, nachdem er durch Zucker gemildert, auch der Geist durch Feuer geschwächt worden. Ein äußerst scharfes und hitziges Getränk. Uebrigens ist doch immer unbegreiflich, wenn man sieht, wie ohne alle Ordnung und Subordination die Leute leben, wie es nichtsdestoweniger möglich, durch derlei Volk Schlachten zu gewinnen und fast ganz Europa zu besiegen.

14. Am Abend kam Hr. P. Statthalter von St.Blasien, P. Trutpert mich zu besuchen, der eben auch in der Angelegenbeit des don gratuit hier war und mit Adjutant Sorbier unterhandelte. Wir sprachen sodann ferner über die übrigen Angelegenheiten. Nach 5 Uhr wollte ich dem Sorbier das geforderte don gratuit überbringen. Da ich ihn nicht fand, rieth man mir, zum Ferino zu gehen. Ich thats. Dieser war sehr höflich, und äußerte nur, daß er sich in die Sache nicht mische. Ich ging also zum Sorbier mit 150 Louisd'or, stellte ihm unser Verhältniß noch einmal vor und legte ihm die Summe hin, womit er nicht sehr unzufrieden schien. Aber nun mußte ich die für mich schrecklichste Scene ausstehen. General Abbatucci kam griesgrämig in's Zimmer, wo ich allein mit Sorbier war. Dieser stellte sich schnell vor das Geld, daß es jener nicht sehen konnte, Abbatucci fragte mich, ob ich Französisch verstünde. Da ich nein antwortete, fing er an zu rasen, zu schimpfen, zu fluchen, daß ich zu Ferino gegangen wäre mit dem Geld, wie ein wilder Mensch. Die Herren wollen ihre Exactionen Niemand wissen lassen und er fürchtete es möchte dadurch bekannt werden; auch waren heute schon Hr. Statthalter von St.Blasien und Hr. Administrator von Allerheiligen in der nemlichen Angelegenheit bei Ferino. Ich mußte nun den Ausbruch des wildesten Zornes bei zwei Officieren im Zimmer allein ausstehen. Sorbier war ganz gelassen dabei; aber ich hatte alle Standhaftigkeit nöthig, um nicht ganz zu ertattern. Ich entschuldigte mich, nachdem Abbatucci die Thür mit aller Macht zugeschlagen und abgegangen war, bei Sorbier, der bescheiden war, bat ihn, da ich alles mögliche gethan, sich mit der abgegebenen Summe von 150 Louisd'or oder 1650 fl. zu begnügen. Er schien zufrieden, weil, wie er sagte, er zu spät zu mir gekommen sei; verbot mir noch einmal ernstlich, Jemand was zu sagen. Da ich äußerte, meine Capitularen hätten es müssen wissen, so antwortete er, aber außer dem Kloster solle es Niemand bekannt werden. Und so gingen wir von einander. Größere Angst habe ich in diesem fürchterlichen Kriege nicht ausgestanden. Gott rette nur unser Kloster, er gedenke in Gnade der Versammlung die er sich zum Dienste der Religion gestiftet hat. Lasse sein Lob nicht verstummen, und die Verkündung seines Wortes, den Unterricht in der Religion nicht abgehen an den Orten, deren geistliche Besorgung er uns anvertraut hat, und gebe uns doch bald den Frieden wieder, um den so viele zu ihm schreien.

15. Heute (26. Juli) ging das Vorrücken der hiesigen Division an. Seit einigen Tagen war die Rede davon, man wußte nichts bestimmtes. Heute erst muß die gewisse Nachricht von der Retirade der Kaiserlichen eingelaufen sein. Wie diese aus Breisgau, ohne etwas wichtiges zu thun, sich bis Wartenberg geflüchtet hatten, wo sie drei Lager bezogen, so verließen sie auch diese ohne die Franzosen zu erwarten, schnell, und zogen bis Ravensburg und Altshausen. Unversehens zogen auch die Truppen aus und von Freiburg ab gegen Neustadt. Dieses Vorrücken geschah ohne Ordnung. In kleinen Truppen zogen sie ab, und werden sich in der Gegend von Neustadt sammeln. Meist geschah der Auszug bei der Nacht. Die Truppen aus der Nachbarschaft mußten an der Stadt vorüber und auf dem Felde kampiren. Nachts um 10 Uhr wurden aus dem Branntweinmagazin drei Wägen der Armee nachgeführt. Auch in St.Peter werden heute die dort gelegenen Karabiniers abgezogen sein. Ich erwirkte vom Colonel des 4. Dragonerregiments, daß unsere Sauvegarden, welche heute um 3 Uhr hätten abziehen sollen, noch den Officier und einen Mann zurückließen, bis zum gänzlichen Durchmarsche und Abzuge der Franzosen. Gott helfe jedem Orte, das dem Durchmarsche und der Einquartirung ausgesezt ist. Unser Kloster hat in wenigen Tagen sehr viel gelitten. St.Peter hatte 4-6 Officiere und 6 Garden am Tisch; 100 Gemeine mußten vom Kloster mit Wein, Brod und Fleisch versehen werden und unter allen war keiner, der mäßig lebte. Eschbach hatte 8-10 Officiere zu bewirthen, im Petershofe täglich 4-8 Wagenmeister nebst einigen Pferden. St.Ulrich wurde geplündert. Sölden mehreremal gebrandschatzt und gequält, der Wein gesoffen; don gratuit 1650 fl. Andere Präsente an Officiere und Sauvegarden, auch ein paar 100 Gulden. Die Unterthanen zu Eschbach und Zähringen entsetzlich ruinirt, ausgezehrt und geplündert. Herr ! siehe unser Elend und erbarme dich unser. Gebe uns Frieden. Gott des Friedens ! - Am 27. Juli wird die Generalität abreisen, und die Reiterei hier durchmarschiren, vielleicht auch Rasttag machen. Um 8 Uhr kam Hr. Commissär Sylvester, der über das Magazin de liquit et du sel gesetzt ist, von Nimburg hier an mit der Ordre bis morgen mit seinem Magazin in Constanz zu sein. Er erzählte noch, daß der Friede mit dem Markgrafen geschlossen und dieser wieder in Karlsruhe sei; ohnerachtet man gestern erzählte, die Republick habe den Frieden mit Württemberg, und allen Separatfrieden verworfen; sie wolle nur einen allgemeinen Frieden mit dem Kaiser machen.

16. Hr. Sylvester selbst sagte vielmal: non possum intelligere, wie es möglich war, daß die Französische Armee ohne Widerstand den Schwarzwald passire, sich in ganz Schwaben bis an den Bodensee und an der Donau wie ein Strom ergieße. Und es ist in der That ganz unbegreiflich. Wahrlich ! Digitus Dei hic est. Seit 6-7 Jahren herrschen in Gallien innerliche Kriege, sind noch keine fixirte Gesetze; alle Mächte Europas bekriegen Frankreich. Einer der Coalirten steht im zweiten Jahre ab, macht Separatfrieden i, e. Preußen. Die Franzosen werden doch immer geschlagen, und morden einander zu tausenden. Man bietet die Hände zum Frieden; alle Welt wünscht den Frieden; und er kommt doch nicht zu Stande. In den Cabineten müssen ganz andere Plane geschmiedet werden. Frankreich ist ohne Geld und ohne Proviant, wird am Ende des 95ger Feldzugs entsetzlich von Klairfait geschlagen. Und nun der unselige Waffenstillstand am Rheine und Fortdauer der Feindseligkeiten in Italien. Die Franzosen gewinnen Zeit, sich in Italien zu verstärken, siegen, dringen vor Sardinien, macht einen erbärmlichen Frieden, den Spanien schon im Jahr früher gemacht hat. Der Papst und die kleinern Herzoge eilen den Frieden zu erkaufen. Oesterreich nicht. Prinz Karl soll nun am untern Rhein kommandiren, kommt und ist glücklich; die obere deutsche Rheinarmee wird geschwächt durch Abgabe von 30,000 Mann nach Italien. Nun dringen die Franzosen bei Kehl herüber; ergießen sich wie ein Strom. Kleinere Fürsten drängen sich wieder, um Frieden zu erhalten oder zu erbitten; Breisgau, vermuthlich auch bald Schwaben wird ausgezehrt, ausgeplündert; und nun haben die Franzosen Frieden mit Preußen, Hessen, Spanien, Sardinien, Toskana, haben Holland überwunden, den Rhein zur Grenze, sind Meister über den größten Theil des schwäbischen Kreises, und finden keinen Widerstand mehr. Alles ging gegen alle menschliche Erwartung, freilich sind von Seite der Feinde Frankreichs solche Fehler gemacht worden, daß es ein Wunder gewesen wäre, wenn Frankreich nicht gesiegt hätte; aber es ist denn auch unbegreiflich, daß solche Fehler gemacht wurden. Interessen einiger Wenigen. Privatabsichten, Neid, Geldgier ec. ließen Tausende in Feuer und Schwert, erschöpfen Länder, plündern Völkerschaften, gießen Unglück und Verderben über Nationen aus. Die Vorsehung aber, leitet im Stillen dies Alles, verfolgt den großen Plan, den sie vorhat; Alles bisherige besserte noch nicht. Aber dies ist mein Trost und meine Hoffnung, wie es die Hoffnung jedes Gläubigen, jedes Rechtschaffenen ist, daß der Allmächtige herrschet, ohne dessen Wink kein Spatz vom Dache fällt. Dank dir und Anbetung, du Urheber unsres Glaubens, der uns diese Wahrheit gelehret hat, ohne welche uns nichts als Verzweiflung übrig wäre, und durch die wir allein gestärket werden, auszuharren, und zu Hoffen. Möchten doch alle Menschen diese Hoffnung haben, und sich zu dir wenden, gütiger Vater aller Menschen. Laß allen denen, die diese Hoffnung haben, sie nicht zu Schanden werden, gib sie dem Kleinmüthigen, und zwinge den Ungläubigen, sie zu ergreifen. Bleibe unser Gott und Vater, mach uns besser, mach uns des Friedens werth, mach uns zu würdigen Kindern und schenk uns dann Ruhe und Frieden wieder !

17. Billigkeit des städtischen Quartiermeisters K, in Freiburg. Bei dem ersten Einrücken der Franzosen gab er uns das Magazin von Essig und Branntwein mit der größten Unruhe verbunden, wo bald 6 bald 8 Personen in der Kost, und 5-6 Pferde in Futter, daneben über 20 Pferde und 6-8 Wägen in Hof kamen. Noch hatten wir das Magazin, als heute Husaren einrückten. Sogleich hatte er die Güte, uns wieder sieben Mann mit Pferden zu schicken. Die Unruhe ist unbeschreiblich. So macht's der Mann, der vor einigen Wochen den Professoren am Gymnasium 2 Mann von Bender einquartirte mit dem Zusatze, sie sollten sich darüber nicht aufhalten; dieser Krieg werde so nur wegen den Geistlichen geführt. Und jetzt ist einmal kein anderes Mittel als Geduld. Die Quartiere der Franzosen sind äußerst beschwerlich. Sobald sie kommen, verlangen sie zu trinken und zu essen; sie mögen zu was immer für einer Stunde kommen; und dann trinken sie fast den ganzen Tag, und wollen ihre Mahlzeiten halten, alle wollen an dem ersten Tische sein. Die Husaren nannten die Gesindstube eine Baracke, und wollten nicht hinein gehen; sie wollten wie Ehrengäste tractirt werden. Der unsinnige Begriff von egalite wirbelt stets in ihren Köpfen.

18. Den ganzen Krieg her waren die Markgräfler etwas zweideutig gesinnt, besonders seit dem preußischen Separatfrieden. Nach dem Uebergang der Franzosen bei Kehl äußerten sie sich noch deutlicher; und eine Proklamation von Barthelmi, worin er sie aufforderte, nicht zu fliehen, sich ruhig zu verhalten und ihnen Sicherheit des Eigenthums und der Religion versprach, machte sie beinahe unnachbarlich; sie glaubten sich schon sicher und wähnten, das Unglück würde allein die Kaiserlichen treffen. Die Franzosen aber machten keinen Unterschied; die Weine, Früchte und das Eisen des Markgrafen wurden in Beschlag genommen, und nach Freiburg geführt. Heute erzählt man, der Markgraf habe Deputirte an Ferino geschickt, und um mildere Behandlung seiner Unterthanen nachgesucht 1, wegen jener Proklamation. 2, weil sie Protestanten wären und 3, weil sie nicht zu dem Landsturm gegangen. Ferino soll geantwortet haben: Von Ersterm hätte er keine Notiz, ad 2. Er führe weder für noch gegen die Religion Krieg, ad 3 Sie hätten eben darum ihre Schuldigkeit nicht gethan, sie hätten ihr Vaterland vertheidigen und dem Kaiser beistehen sollen. So zeichnet sich der unselige Trennungsgeist der Protestanten und ihr Katholikenhaß auch in dem gemeinschaftlichen Elend noch aus.

19. Heute verbreitet sich auch das Gerücht, es seien zwei oder ein k, k. Officier angekommen, um Waffenstillstand abzuschließen, oder den schon abgeschlossenen bekannt zu machen. So angenehm diese Nachricht wäre, so könnte doch der Waffenstillstand den Ruin Breisgaus vermehren, wenn die Franzosen darin bis zum Friedensschlusse bleiben sollten. Diese Nachricht verbreitete sich bald weiter. Als eine Bestätigung kann gelten, daß heute Frühe Hr. Sylvestre, der Ordre hatte, die Ordre dahin abgeändert worden, daß das Magazin hier bleiben und nur Sylvestre abreisen soll. - Unser Haus hatte nun in Quartier 7 Husaren mit Pferden, Dragoner mit Pferd, den Commissär Sylvestre mit einem Wagenmeister und 2 Pferden; ferner im Hofe noch ohne Kost 20 bis 24 Pferde, 8 Wägen und wenigstens 12 Personen. Da man nicht im Stande war, für alle diese Personen Nahrung anzuschaffen, so mußten wir selber fasten, um diese zu befriedigen; ich, P. Beda, Basil und Gregor nahmen also blos ein Glas Wein zum Nachtessen und Brod, aßen sonst nichts; Fr. Joseph aber mußte bei den Husaren speisen. - Die Husaren betrugen sich ziemlich honett. Einer darunter hatte Medicin studirt. Dieser versicherte mich, daß nun in Frankreich die größte Unwissenheit und Barbarei herrsche; Leute, die noch Erziehung hätten, wären unter der Reiterei. Er war, wie die meisten, mit der Revolution nicht wohl zufrieden, am wenigsten mit der Regierung der Fünfhundert. So finden sich eine Menge Leute unter der Armee, die mit dem Krieg sehr unzufrieden sind; viele sind sehr honett, und mehrere Bürger loben die, welche sie in Quartier hatten. Allein dies sind verhältnißmäßig nur wenige; die übrigen sind wilde Horden, rapto vivre sueti, und in den Quartieren sehr gewaltthätig und eigenmächtig. Man ist ganz entsetzlich mit ihnen geplagt; den ganzen Tag wollen sie essen und trinken, wollen noch geehrt werden und lassen uns das Schicksal der Besiegten sehr drückend empfinden. - Am 28. Juli reiste der Commissär Sylvestre mit 6 Wagen Essig und Branntwein nach Villingen ab, und Nachmittags war das erste Mal wieder ein Bischen Ruhe in unserm Hofe. Es scheint nun, der größte Tumult und Gefahr sei überstanden. Gelobt sei Gott !

20. In der heutigen ständischen Conferenz ward ein Circular vorgelesen, welches das Directorium des dritten Standes einseitig an seine Mitglieder ergehen ließ. Die Sache war auffallend und nicht ganz gerade. Der Großmuth der Franzosen wird mehr geschmeichelt, als nöthig ist. Es wird nur vom Besten des dritten Standes geredet, von Friedensunterhandlungen und Waffenstillstand gesprochen. Es wird zwar auch dessen gedacht was von den versammelten Landständen geschehen, und Abschrift durch eine Deputation verlangt, welche derselben auch sofort gegeben wurde. Es ward auf dem hiesigen Rathshofe eine drittständische Conferenz gehalten, wovon das Resultat morgen bekannt werden wird. Auch ward das Protokoll vom 23, d, vorgelesen, welches auf den 22, d, datirt war, und in der Präsenz waren ich und Rector Magnificus ausgelassen. Wir protestirten dagegen und verlangten, daß die Präsenz geändert, nach der Wahrheit angezeigt und der vorigen Session gedacht würde, welche eigentlich durch unser Zuthun nach reiferer Ueberlegung geändert worden; uns läge daran, zu unserer Rechtfertigung dieses zu verlangen. Nachmittags kam der Herr Prälat von St.Märgen über Basel wieder zurück. Er hatte sich unterdessen meist zu Wurzach und Klingnau aufgehalten. Von seiner Reise erzählte er mir, daß er mehr Angst durch die verbreiteten Nachrichten ausgestanden, als er selbst hier nicht würde erfahren haben. Es sei sehr theuer zu reisen. In Lörrach hätte er einen Freiheitsbaum gesehen. Von Freiburg hatte man erzählt. Hr. Greiffeneck wäre zum Maire ernannt worden. - Von allen Seiten her bestätigt sich die Nachricht, daß die Kaiserlichen und Condeer bei ihrer Retirade noch fast schlimmer gehandelt, geraubt, geplündert, sogar den Schweinen und Ochsen die Köpfe abgehauen. - Von St.Peter kam die Nachricht durch unsere Dragoner, daß die dasigen Truppen ohne etwas zu schaden, abgezogen und seither kein Durchmarsch mehr geschehen; aber man hatte ihnen auch Alles nach Wunsch gethan und unser Gesindwein sei bei dieser Gelegenheit ganz erschöpft worden. Sehr groß sind die Unkosten und der Schaden, den wir seither litten; doch Gottlob ! Gott erhalte uns nur unsere Subsistenz, bewahre unser Vaterland vor Revolution und gebe, daß wir durch das Erlittene besser werden. - Bei seiner Abreise von Freiburg bestellte Hr. Sylvestre unsern Fr. Joseph, auf das hier gebliebene Magazin Achtung zu geben. Es ward der Wache aufgetragen, ohne Fr. Joseph nichts von Essig oder Branntwein verabfolgen zu lassen, und eine Wache sagt dies der andern und that es auch wirklich. Fr. Joseph stellt Empfangscheine auf und nimmt, wenn etwas auf Anweisung abgegeben wird, Recepisse ein; er versieht die Stelle eines Commissärs. - Heute Nacht waren wir das erste Mal wieder allein bei Tische; nur war der von St.Peter gekommene Dragoner bei uns. Gott sei es tausendmal gedankt, daß wir nun wieder einen etwas ruhigern Tag hatten. Bei Allem, was wir bisher dulden mußten, muß man doch bekennen, es war geringer, als man erwartete. Cum iratus fueris, misericordiae recordaberis Domine. Freilich ist nur erst ein Weh vorüber; doch wird der Herr auch ferner helfen.

21. Von allen Seiten her kommen die Nachrichten von Erpressungen, Plünderungen und Mißhandlungen. Am meisten litten die Orte, wo die Oesterreicher und Condeer eine Weile halten wollten, die Grenzen des Schwarzwaldes. Villingen soll zuerst von Oesterreichern, Condeern und Landmiliz, dann bei der Retirade von Condeern unter Giulai geplündert, dann endlich bei dem Einrücken der Franzosen neuerdings geplündert worden sein. Die gestern versammelten Repräsentanten des dritten Standes beschlossen, daß stets aus jedem Viertel Einer in Freiburg bleiben und den Conferenzen beiwohnen sollte. Heute (29. Juli) war's übrigens im Petershofe und in ganz Freiburg ruhig. Gestern Abend kam der künftige Stadt-Commandant. General de Laporte, hier an. Heute machten ihm der Stadtmagistrat und dann die Landstände per Deputationen eine Visit. - Auch kamen die Deputirten von Basel zurück, weßwegen auf 1/2 3 Uhr eine Conferenz angesetzt worden. Die Relation, die sie ablegten: Hr. von Degelmann hatte die an Se. Majestät gerichtete Vorstellung verworfen wegen einigen noch nicht genug gereinigten Ausdrücken; sogleich gefragt, ob Greiffeneck davon wisse (schon zum fünften Mal trug ich an, daß Greiffeneck davon Nachricht zugehe), übrigens alle seine bona otticia bei Hof versprochen; sie hätten hierauf eine andere Supplik verfertiget und an Barthelmi abgegeben, der die Erpressung und den Zustand Breisgaus sehr bedauert, seine Verwendung bei Moreau und de Laporte versprochen hätte; wie auch der Sekretär Backer und die Repräsentanten der Schweiz hätten alles Gute versprochen. Die Geld-Negotiation scheint nicht ohne Hoffnung. - Heute Mittag hatten wir das einzige Mal keine Franzosen zu Tisch. Nachmittags Conferenz, wobei die Deputirten vom dritten Stand erschienen, nach dem gestern bei der drittständigen Conferenz gefaßten Beschluß. Die Deputirten erstatteten Relation; oben schon summarisch angezeigt. Eine ziemliche Weile ward wieder debattirt, bis ich endlich wieder gezwungen war, Fragen auszustellen und votiren zu lassen. Nun ward abgeschlossen: 1) Eine neue Supplik durch Degelmann nach Hof zu geben, in ganz unverfänglichen Ausdrücken nur die traurige Lage Breisgaus zu schildern, gar nichts vom schwäbischen Frieden zu melden und um Rettung bitten, aber keine Mittel vorschlagen. 2) Ein Schreiben an Moreau; wieder um Schonung und milde Behandlung bitten, in specie die Verpflegung des Militärs auf einen erträglichen Fuß zu reguliren. - Heute war die Conferenz vollständig, von jedem Stande vier Mitglieder. - Abends kam Hr. v. Greiffeneck zu mir und erzählte mir die Absichten des dritten Standes ausführlicher, sich zu trennen, Ihr Klage war aus vorigen Zeiten, aus Unthätigkeit des Confesses und aus Eigenmächtigkeit des Syndikus Baumann hergenommen. Greiffeneck überführte sie, daß sie selbst Pflichtwidrig gehandelt, da sie jetzt erst mit derlei Klagen kommen, stellte ihnen das Gefährliche einer Trennung vor und belehrte sie eines Bessern, daß am Ende doch der Schluß gefaßt wurde, sich an die übrigen zwei Stände zu halten.

22. Den 30. Juli reisete ich nach St.Peter, um ein paar Tage unter meinen Mitbrüdern auszuruhen. In Eschbach konnte mir P. Franz nicht genug erzählen, welche Ausgelassenheit die daselbst gelegenen Volontairs ausgeübt hätten. Er lobte die Officiere, welche sich Mühe gegeben, die Leute zu einiger Ordnung zu bringen, nachdem sie mit etwas Geld von den Bauern gewonnen worden. Der Pfarrer selbst mußte durch Einquartierung der Officiere und einiger Gemeinen, oder vielmehr Sergeanten, viel ausstehen, aber die Unterthanen noch mehr. Sie quälten die Bauern zuerst um Wein und Brod, dann um Kleider und Geld, Milch und Butter; sie durchsuchten die Häuser und Keller, endlich auch Aecker, wo sie Geld verborgen glaubten und oft auch fanden; schändeten mehrere Weibsleute, geheirathete, ledige und schwangere, oft mußte sich eine Person von mehreren mißhandeln laßen. In St.Peter erzählte man nicht so vielerlei Excesse, weil die daselbst gelegene Compagnie in dem äußern Klostergebäude und Schopfen lag und nicht in einzelnen Häusern, auch mit allem Nöthigen hinlänglich versehen worden; nicht weniger die Officiere, welche im Kloster gut bewirthet worden, allen Fleiß anwendeten.

23. Da ich nach St.Peter kam, sah ich einen Freiheitsbaum vor dem Thore mitten auf dem Platze gepflanzet. Dessen Entstehung erzählte man mir folgender Weile: Ein paar Soldaten sahen im Walde ein schönes, schlankes Tännchen, das ihnen gefiel; nun wollten sie es zum Freiheitsbaum, und was sie wollten, mußte mit wildem Ungestüm vollzogen werden. Mit Gewalt wollten sie in's Kloster dringen, um dreifarbiges Tuch abzuholen. Man gab ihnen Lappen und Bänder von den drei Nationalfarben. Der Baum ward aufgerichtet, die Inschrift daran geheftet. Nun mußte der Baum begossen werden, das heißt, jetzt verlangten sie zu saufen; erhielten 30 Maas Wein, und nun fing die wilde Freude dieser Horde an. Sie sangen, lärmten, tanzten, hoben die Hände gegen den Baum aus, beteten selben an, trieben Alles, was ihnen im Augenblick ihres Taumels einfiel; die Officiere mußten mit ihnen springen und tanzen und mußten sie ohnehin Alles machen lassen was ihnen einfiel. Zum Glück ward beim Abzug die Ordre gegeben, daß alle wieder durch's Thal zurück und der Straße nach durch die Hölle ziehen mußten. Auf den Abzug war mir bang; doch soll er ganz ruhig geschehen sein. Die Officiere sollen sich höflich für die Bewirthung bedankt haben. Im Ganzen ist der Aufenthalt dieser Truppen im Breisgau jedem, der beobachten will, ein lehrreiches Beispiel, was aus Menschen ohne Religion, ohne Subordination, ohne Obrigkeit wird und werden muß. Und unter diesem Gesichtspunkt halte ich den Hergang gerne den gemeinen Leuten und Anderen vor.

24. Bemerkt zu werden verdient noch das auffallende Betragen des Hrn. Metternich, der zuvor Professor der Physik in Mainz und einer der berühmten Mainzer Klubbisten war, hernach bei der Capitulation den Franzosen abgegeben worden und sich, jetzt Commissaire des recherches sur les effects d´arts et sciences dans les pays conquis nennt. Mit Ungestüm forderte er die Kataloge, die Landkarten, das Münzkabinet; da man sich entschuldigte, nichts Wichtiges zu haben, fluchte er, stellte sich an, als wollte er ein Protokoll führen, welches er aber wieder zerriß, verlangte in die Prälatur geführt zu werden, schimpfte auch dort, da er nichts fand; befahl, als er zu Tisch saß, drei Bouquets von Rosen auf den Tisch zu stellen; schimpfte über den Wein und forderte einen bessern, hernach rothen Wein; schalt auch diesen und trank am Ende doch so viel, daß es nicht mißkannt werden konnte, er hätte etwas zu viel; befahl Kaffee zu machen ec.; behauptete allerlei exotica, und führte sich überhaupt nicht auf, wie ein Mann von Bildung und Lebensart. - Ferner ist das Urtheil des Majors von dem Regimente der Chasseurs, der in Eschbach lag und mehrmals hier war, zu merken. Er sagte dem Hrn. Metternich selbst: Sie finden hier ein Kloster, wo Alles sauber und reinlich, aber keinen Luxus. Er äußerte, wenn die Klöster in Frankreich so gewesen wären, so wäre es schade für sie, daß man sie ausgehoben. Er war ein Protestant, doch billigte er unsere Lebensart; auch ihm gefiel Ordnung und Disciplin und Bescheidenheit zu sehen. Er sagte gerade, er kenne ein Kloster in Schwaben (es war Kaisersheim), das nach seiner Ueberzeugung sollte abgeschafft werden. Ich erzählte derlei Urtheile allen Confratribus mit einigen daraus folgenden Erinnerungen. - So wäre nun, Gott sei ewiger Dank, der Anfang überstanden; noch vieles steht uns bevor. Doch hat uns Gott bisher geschützet; das Kloster blieb ruhig; Alles konnte noch in gewöhnlicher Ordnung gehalten werden. Der Herr kann uns ferner schützen. - Beim Abzuge der Sauvegarden mußten ihnen noch ungefähr 12 Louisd'or Präsent gemacht werden; der Officier wurde hier fast ganz gekleidet; auch anderen wurden Hemden, einigen Stiefel, Hals- und Sacktücher, Tabakdosen verehrt. Doch so gingen sie zufrieden und ruhig ab. In meiner Abwesenheit waren einige Mißhelligkeiten entstanden und es wurden mir einige Klagen vorgebracht; doch waren sie nicht von der größten Wichtigkeit und konnten, wie ich hoffe, ohne weitere Folgen wieder beigelegt werden.

25. Auf den 11. Sonntag nach Pfingsten (31. Juli) fiel das Fest des heiligen Ignatius. Ich verbot vorläufig alles Gepränge und jeden Aufwand, der den jetzigen Zeiten ganz und gar nicht anpasse. - Schon früh Morgens erhielt ich von P. Beda ein Schreiben, worin eine Requisition des Hrn. Metternich angeschlossen war. Er forderte ein Manuskript auf Pergament, worin das Leben des Raymundus Lullus in schön gemalten Bildern nach alter Kunst vorgestellt wird, auch einiges von der Ars Lulliana enthalten ist. Metternich hatte dies Buch in Gerberts Reise, welche demselben zu St.Blasien vermuthlich gegeben worden (ein unvorsichtiges und schädliches Präsent) beschrieben gefunden und befahl gerade, in Zeit von 4 Tagen dies Buch nach Freiburg zu liefern. Wir mußten's uns gefallen lassen. Das Manuskript ist sehr schön, vielleicht das einzige Exemplar; aber einen innern Werth hat es eben nicht. Lieber dies, als etwas anderes von größerm Nutzen. Das Buch ist aus der Bibliothek S. Saguntini in Gallia, gehörte ehedessen dem P.   des Fontaines; Abt Ulrich kaufte es 1736 von unserm Consulenten Weigel. Dies war ein Präsent zu meinem Namenstag. Auf Mittag kamen keine anderen Gäste als der Hr. Prälat von St.Märgen mit Hrn. Johann und Hrn. Pfarrer von Glotterthal. Wir speisten alle im Convente, auch die drei noch anwesenden Gardisten. Es wurden einige Speisen mehr als gewöhnlich aufgestellt, und Obst zum Nachtisch, sonst nichts. Ueber dem Tisch machten die Patres eine kurze Musik; allein um fröhlich zu werden, sind die Zeitumstände zu traurig. - Zwei Vögte aus Seelgut und Ibenthal und der Gemeindspfleger aus dem Rohr gratulirten mir auch und dankten mir doch für meine Bemühungen und Verwendung bei gegenwärtigem feindlichem Ueberfall. Ich brauchte, diese Gelegenheit, sie zur Dankbarkeit gegen Gott zu ermahnen, ihnen den Gedanken nahe zu legen, was Menschen ohne Religion und Obrigkeit werden ec. - Am 1. August zog der Officier der Sauvegarde mit den noch hier gebliebenen Dragonern auch ab. P. Großkellner begleitete sie bis Urach.

26. Verschiedene Anekdoten, diesen Feldzug der Franzosen betreffend. Man sagt, der württembergische General Stein und dessen Adjutant, Oberst Müller, welche den Posten bei Kehl vertheidigen sollten, wo die Franzosen herüberdrangen, seien von Prinz Carl und Conde arretirt worden als Verräther (spätere Randbemerkung: dieser Umstand ist falsch), auch die übrigen Kreistruppen seien von Oesterreich desarmirt worden, ferner: Die Württemberger, welche heuer den ersten Separatfrieden geschlossen, hätten den Oesterreichern bei ihrem Rückzuge durch Württemberg alle Hindernisse gemacht, die Wege verhauen; deswegen hätten die Oesterreicher jene feindlich behandelt, in Stuttgart sogar geplündert. - Den Abzug der Kaiserlichen aus Breisgau zu entschuldigen, gibt man vor: Eine falsche Nachricht des Sekretärs Hinterfad an Präsident Summerau, welche dieser dem General Fröhlich mitgetheilt, die Franzosen wären im Kinzigthal bis Schramberg vorgerückt, hätte den schnellen Rückzug veranlaßt, weil Fröhlich fürchtete, abgeschnitten zu werden. Das würden die Franzosen nie thun, auf eine blose Nachricht oder Anzeige hin ein ganzes Land verlassen. Man sagt im Gegentheil, die Franzosen hätten selbst den Rückzug der Kaiserlichen begünstigt und sogar die letzten kaiserlichen Kanonen convoyirt. Gewiß ist, daß die Franzosen sehr langsam nachgerückt und, ehe sie einrückten, den Kaiserlichen Zeit genug ließen, alles in Sicherheit zu bringen. - Im Ganzen genommen muß man dem Betragen der Franzosen die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß ihr Einzug im Breisgau und ihr Aufenthalt daselbst lange nicht so unordentlich, wild, grausam, schrecklich gewesen, als man sich vorstellte. Jedermann konnte doch bei seinem Hause, Gewerbe, Familie bleiben. In unserm Stifte ist der öffentliche Gottesdienst keine Stunde unterbrochen worden. Es geschahen freilich mancherlei Excesse, die von dem Kriege nicht zu entfernen sind. Aber menschlicher hätte uns doch jeder andere Ueberwinder auch nicht behandelt. Nach dem Abzug der Armee ward alles wieder ziemlich ruhig und sicher. Da die Armee nichts hatte, mußte sie mit allem versehen werden; allein auch die eigenen Truppen müssen vom Lande erhalten werden. Unser Glück war freilich auch, daß die Armee hier im Breisgau nicht lange stehen blieb.
Bei den dahier gestandenen Volontairs, Chasseure a pied waren die Officiere genöthigt, selbst so zu sagen die Aufwärter beim Speisen zu sein; sie schenkten ein, brachten ihnen die Suppe und das Fleisch ec. Die Gemeinen bei den Volontairs trieben fast allen Muthwillen. Im Eschbach liefen sie im blosen Hemde, mehrere ganz nackend herum. In Eschbach gaben viele Beispiele von Zügellosigkeit, Muthwillen, Mißhandlungen von Weibspersonen ec. Es waren viele Deutsche, unter den Vorposten, viele aus unserer Gegend, welche von hiesigen Leuten wohl gekannt waren; keiner wollte sich zu erkennen geben.

27. Beim Einzuge der Franzosen in Waldkirch wurde untersucht, ob keine kaiserlichen Vorräthe oder andere Realitäten von Emigrirten vorhanden seien. Die Bürgerschaft war so freundschaftlich gegen das Stift, daß sie die Kellerei und Kasten des Stiftes als Sachen der Emigrirten angaben, weil wirklich die Canonici sich entfernt, Hr. Probst aber bei den Landständen in Freiburg war. Die Keller wurden also versiegelt, die Früchte an den Magistrat um 25 Louisd´or verkauft. Am 12. August wollte der Commissär Laneau wirklich den Wein abholen. Hr. Rector Weissegger fuhr deswegen dahin, stellte dem Commissär vor, daß Hr. Probst nie emigrirt, die Canonici zwar im ersten Schrecken entflohen, aber bald wieder zurückgekehrt, daß der Wein und Früchte Privateigenthum, zur Erhaltung des Chorherren und der Pfarrer bestimmt. Hr. Commissär war billig genug, dieses zu begreifen, nahm die Siegel ab, befahl dem Magistrat die Früchte zurückzugeben, und nahm nicht mehr als zwei Vierling circiter 8 Saum Wein für das Spital. Erst nach dieser gerechten Verfügung erhielt er ein Präsent vom Stifte.

28. Man versicherte, General Jordis, welcher über den Kniebis gezogen, habe ohne Vergleich bessere Mannszucht gehalten, als Ferino; jenes Truppen haben nirgends Excesse gemacht, nichts verwüstet; er selbst gar keine Gelderpressungen; er habe dem Ferino bittere Vorwürfe gemacht; und da sich jener beleidigt finden wollte, hätte Jordis geäußert, sie wollten vor den Convent und ihren Kopf daran setzen. Es werde sich weisen, wer seinen Kopf erhalten würde (Jordis kam beim Rückzuge nach St.Peter und rechtfertigte die von ihm gefaßte gute Meinung in der That). - In der Folge zeigte sich's je länger je mehr, daß viele untreue Leute im Lande und in Freiburg wohnen. Ferino selbst soll gesagt haben: Nach dem Frieden werde er viele derselben bekannt machen, damit sie Jedermann kennen lerne.

29. Die hier im Lande Breisgau bekannt gewordenen Generale sind folgende:
Ferino. Divisionskommandant, ehemaliger kaiserlicher Hauptmann bei Bender, der eine Nichte des Fürsten von Heitersheim, Frau Condillac zur Ehe hat. - Abbatucci, Vorpostengeneral, Schweizer, und allem nach stolz und streng. Beide, waren etwa 10 Tage in Freiburg; die Verpflegung des Ersten in dieser Zeit kostete gegen 1200 fl. jenes Verpflegung über 1600 fl. - Tarreau logirte zu Munzingen, ein strenger Mann, der gar bald zu Executionen gebracht war. Er ließ den Stadtpfleger Frick, weil er ihm unter zwei Dutzend Servietten, die er zu einer Gasterei requirirt hatte und für sich behielt, einige ungewaschene zuschickte, mit Geiselstreichen peitschen. -
Rousseau logirte zu Krotzingen in der Propstei, betrug sich sammt den übrigen Officieren artig gegen den Propst. – Dunk, Commandant von Hüningen, sehr streng, machte ungeheuere Requisitionen zum Festungs- und Brückenbau von Hüningen, und betrieb diese Requisitionen mit großer Strenge. La Porte, eine Zeit lang Commandant in Freiburg, wo er sich ganz gut betrug. Im obern Rheinviertel aber soll er dasige Stifter gezwungen haben, ihm Mandate mit klingender Münze auszuwechseln. - Mengaud, General-Commandant am rechten Rheinunfer über die eroberten Länder, in Freiburg; soll vorher ein Advokat gewesen sein; betrug sich sehr freundschaftlich, versicherte mehrmals, er werde sich so verhalten, daß wir die Franzosen noch lieben müßten; er selbst ward wirklich in Bälde geliebt; er macht mehrere Visiten in dem Kloster, ohne Execution und zeigte überhaupt einen guten edlen Character, wie auch sein Adjutant Steinmetz; beide wurden geliebt; beiden wurde von den Landständen einige Präsente dekretirt und auch überbracht.
Lanot, ein Kriegscommissär, der eine Zeitlang in Freiburg blieb, ward ebenfalls geschätzt als ein billiger und liebenswürdiger Mann. Bei seinem Abzuge beurlaubte er sich sehr höflich durch ein Schreiben bei den Landständen, verlangte ein Attestat seines billigen Betragens gegen uns, welches ihm auch zugestellt worden. Uebrigens trifft auch bei den Franzosen ein, was bei Kaiserlichen; Officier und Commissär sind nie die besten Freunde; und die Commissäre bereichern sich, da ein billiger Officier wenig Gelegenheit dazu hat. Die von Ferino gemachten Erpressungen wurden bekannt, und die Officiere und Commissäre drangen darauf, solche zu erheben, versprachen sogar deren Ersatz; allein es ist bedenklich sich ganz zu erklären wegen der zu fürchtenden Rache. In der Folge erzählte man doch und versicherte es. Ferino und Abbatucci seien arretirt und zum Gericht gezogen worden. Von General Dunk ist es gewiß, wurde auch durch eine Proklamation bekannt gemacht. Von Ferino und Abbatucci ist es falsch; beide kamen zurück und waren schlimmer als vorher.
Beim Rückzuge lernte ich kennen: General Montrichard, der hier in St.Peter sein Hauptquartier hatte, als er die Condeer wieder zurückgeschlagen. Er sah militärisch aus; unangenehme Rapports machten, daß er nicht viel sprach; aber er hatte Ordnung. Wir waren in dieser Nacht sehr ruhig im Kloster; er forderte kein Geld; war zufrieden mit dem, was wir leisten konnten. Der schönste Zug war dieser: als er avancirte, und am Kloster vorbeiritt, redete ihn P. Karlmann an und bat um eine Sauvegard. Auf der Stelle bewilligte er uns diese, und gab uns den Marechal de Logis, den wir schon kannten. - Tholmé war nach Mengaud Commandant in Freiburg, ein allgemein gelobter Mann. Ich war unter seinem Commando nicht lange in Freiburg und sprach ihn nur einmal. Der einzige, der auch ein freiwillig von den Ständen offerirtes Präsent an Geld nicht annahm, und da man ihm Tuch verehrte, selbes mit Mandaten bezahlte. Diesem Manne, seinen guten Anstalten und unermüdeten Bestreben danket es Jedermann, daß Freiburg nicht geplündert und gebrandschatzt worden, wozu Moreau schon den Befehl geben wollte. - Das Gegenstück von Tholmé ist Lecourb, der den Hohlengraben besetzte, sein Hauptquartier in St.Märgen hatte, und 3000 Livres Brandschatzung abforderte, den Oberamtmann in Arrest nahm, mit Plündern und Brennen drohte. Er kam nach Freiburg und bezog gerade das Quartier im Petershofe, wo er mit seinem noch schlimmern Weibe oder Maitresse wie ein Tyrann herrschte und schwelgte. - Steinmetz, Adjutant des General Mengaud und später des Tholmé ein Elsäßer, der sich freundschaftlich und rechtschaffen betrug, Ordnung zu erhalten suchte, mir insbesondere Gefälligkeit erwies. Er ward beim ersten Anrücken der Kaiserlichen auf einer Recognoscirung nach der Hölle von einem Streifcommando gefangen.