Badisches
Volksleben im neunzehnten Jahrhundert Straßburg,
Verlag von Karl J. Trübner. 1900 (es wurde die Schreibweise der Originalausgabe übernommen) |
I.
Geburt, Taufe und Kindheit
Kindsbad
...
Das gewöhnlich alsbald nach der Geburt vorgenommene erste Kindsbad darf in
vielen Orten nur von der Hebamme gegeben werden...Katholiken mischen ihm
Weihwasser und auch wohl geweihtes Salz bei. In Bernau lässt man drei Tropfen
einer brennenden Kerze ins Wasser fallen, um zu sehen, ob sie einen Stern bilden
oder nicht, d.h. ob dem Kinde Glück oder früher Tod bescheert sei. IN STEGEN
WIRFT MAN ZU DEN DREI TROPFEN EINE KLEINE MÜNZE INS BAD, damit das Kind fromm
und sparsam, im benachbarten St. Peter zum Wachs und dem Badkreuzer der Gotti
noch einen Rosenkranz, damit es fleißig, sparsam und brav werde.
Paten
Der
größte Festtag ist für die Kleinen, wie für die größeren Kinder noch in
vielen Dörfern der „Klaustag“ und in manchen wird er ihnen nach älterer
Sitte vorzugsweise von den Paten festlich bereitet. Hat doch auch St. Nikolaus
eine rechte kinderfreundliche Patenseele... Sanktiklaus d.h. Paten und Eltern
bescheren den Kindern Obst, Nüsse, Brezeln und Schnecken, Hasen und „Baselmänner“
aus süßem Teig und Spielsachen....Er führt aber auch eine Rute mit sich, und
sein Begleiter Rugbelz rasselt schrecklich mit seinen Ketten, WESHALB ER AUCH IM
WITTENTHAL BEI FREIBURG „HÖLLENHUND“ HEIßT...
Kinderkrankheiten
....Andere
Amulette „Mamlette“, Ammenetli“ haben dieselbe Kraft, wie die kleinen
Kisslein mit Kräutern...IN STEGEN VOM HIMMELFAHRTSALTAR ODER EIN STÄUDLEIN VOM
KRÄUTERBÜSCHLEIN, AUS DEM NAMENTLICH DER RAUTENSAMEN GENOMMEN WIRD.
II.
Die Jugend
Jugendfeste
....Einst,
man sagt vor ein paar hundert Jahren, WURDE DER HENSELERHOF IM HINTEREN ATTENTAL,
DAS NOCH HEUTE REICH AN UNSCHÄDLICHEN RINGELNATTERN WIE AN GIFTIGEN KREUZOTTERN
IST, von Schlagen derartig heimgesucht, daß der Bauer der allerseligsten
Jungfrau Maria eine Kapelle gelobte, um von der Plage befreit zu werden.
Wirklich bleiben seit der Erbauung der Kapelle die Schlangen fort. Oben über
dem Hof steht noch heute mit weiter Aussicht die mit einem Marien- und einem
Sebastiansbilde geschmückte Schlangenkapelle,
scherzhaft auch „Flohkapelle“ genannt, weil vorüberziehende
Handwerksburschen wohl auf den Bänken ihres offenen Vorraums übernachten. Zu
Mariä Lichtmeß, am 2. Februar, betet der Bauer des Henselerhofes mit seinen
Leuten nach dem Mittagessen darin drei Rosenkränze, und nach der Heimkehr muß
ein Kind oder auch, wenn eins fehlt oder es noch zu klein ist, der Hofbauer
selber dreimal eine Kette an der Berglehne ums Haus ziehen, um die Schlagen
abzuhalten. Das geschah noch 1895 und wird auch wohl noch jetzt geschehen.
Hirtenleben
...Dem
eigentlichen Ausfahren mit dem Vieh geht aber das „Fahrten“, ein Gang zur
Kirche oder einer Kapelle voran....halten die Hirten mit einem Familienangehörigen,
ihrem Vater oder Meister, oder auch mit den Mägden in der Kirche Andacht, beten
bei brennendem Wachslicht drei Rosenkränze und opfern auch wohl Geld. DIE
ATTENTHALER „FAHRTEN“ IN IHRE PFARRKIRCHE ZU KIRCHZARTEN
III.
Liebe und Hochzeit
Feste
der jungen Leute
...Nun
bricht die Zeit „zwischen den Jahren“ an, die von Weihnachten bis H Dreikönig
oder bis Neujahr reicht...Für einen großen Teil der dienenden Jugend ist die
Jahreswende auch eine Lebenswende, denn der erste oder zweite Tag nach
Weihnachten, der Stephanstag oder der Johannis-Evangelistentag ist in den
meisten alemannischen Gegenden der Bündelis-, Wandeles- oder Bächtelistag, an
dem der Dienstbote seinen Lohn erhält, sein Bündel schnürt und zu einer
anderen Herrschaft zieht...DIE ENTLASSENEN KNECHTE UND MÄGDE GEHEN IM OBEREN
DREISAMTHALE ZU IHREN ELTERN UND VERWANDTEN ODER HELFEN DEN TAGELÖHNEREN BEIM
DRESCHEN IHRER KLEINEN „HABE“, diese treten dann am Neujahrsmorgen, jene am
Mittag den neuen Dienst an. Doch werden anderswo in Baden auch Martini und
Lichtmeß dazu benützt
....Die
neue Zeit beginnt mit der letzten Nacht des Jahres, die die Jugend möglichst
ganz auskostet, weshalb sie wohl auch Durchspinnacht UND „DURCHNACHT“ Z.B.
IN STEGEN HEIßT...
...Bald
nach Mariä Lichtmeß (2. Februar) und mit ihr in manchen badischen Orten, wo
dies der Bündelistag ist, die Trennung von der alten Herrschaft und den
Kameraden und Kameradinnen der Eintritt in neue Verhältnisse. Dieser Tag ist
aber auch der tag der Wachsweihe, und z.B. IM DREISAMTHAL TRAGEN SIE DESWEGEN
LANGE SCHNÜRE VOLL BUNTER, KOSTBAR VERZIERTER, SOWIE EINFACH WEIßE UND GELBE
WACHSSTÖCKE IN DIE KIRCHE. Und solch einen schönen Wachsstock und einen
Rosenkranz dazu bringt dort der Bub gern seinem Schatz als erstes Geschenk, wofür
er wohl als Gegengabe Sigarren und ein Sigarreröhrl oder dergl. erhält..
Verlobung
...bekommt
die Braut von ihm ein Paar neue Schuhe, der Bräutigam von ihr ein Hemd. Diese
beiden Wechselgaben schenken sich nun auch noch die Brauleute um Freiburg, Z.B.
IN STEGEN UND ZARTEN....In diesem Hemde geht der Hochzeiter, in diesen Schuhen
die Braut zum Altar. Anderswo ist jener freigiebiger...
Hochzeitstracht
...Die
bedeutungsvollste Hochzeitszierde ist der Kopfschmuck, besonders der weibliche.
Aber nicht nur der Schutterwälder Hochzeiter hat einen Kranz um den Hut...Früher
behielt in vielen Dörfern...der Bräutigam den mit einem Rosmarin geschmückten
Hut den ganzen Hochzeitstag auf dem Kopfe. IN WITTENTHAL BLEIBT ER DAMIT WÄHREND
DES GANZEN ESSENS BEDECKT...
Die
Braut dagegen hat noch eine in vielen Stücken sinnvollere Tracht, namentlich
einen sinnvolleren Kopfschmuck. Das Bewußtsein von der Bedeutung des
Brautkranzes oder der Brautkrone ist in den meisten Dörfern noch lebendig. So
streng straft man zwar die gefallene Braut ja wohl nicht wie z.B. in Sachsen, wo
man ihr außer dem Kranz auch Orgelspiel, Altarkerzen, Geläute und Gesang
verweigert, aber den Kranz oder das Schäpple, den Aufsatz, darf sie auch an
vielen badischen Orten nicht aufsetzen, sondern muß sich mit der Kappe oder
einem Frauenhut oder einer Kapuze begnügen...In Hornberg darf sie nur
„schwarze“, nicht rote „Bollen“ an ihrem Hut tragen, der bei Ärmeren
statt des Schäppels Mode ist. UM SO STOLZER PRANGT IN WITTENTHAL UND
LITTENWEILER DIE BRAUT MIT EINEM KRANZE AUF DEM KOPF UND ZWEI KRÄNZEN ODER
FARBIGEN STRÄUßEN AUF DER BRUST. Überall ist hier, vom Rosmarin und der
modernen Myrthe abgesehen, künstlicher Schmuck gemeint, der aber wieder die
uralte Kranzform zurückgeführt hat, die wenigstens in vielen badischen,
namentlich den alemannischen Landschaften verdrängt war.
Zum
Hochzeitshause
...In
Zarten bei Freiburg findet nach der Rückkehr aus der Kirche, aber meistens erst
nach dem Vortanz, das „Sacktücher ausspringen“ statt. Braut und
Ehrenjungfrau halten vor dem Wirtshause ein Nastuch ausgespannt. Auf dieses
springen um die Wette zuerst die „Kranzmädli“, dann die Burschen, dann die
Männer und endlich die Frauen los. Wem es von jeder Altersklasse gelingt,
zuerst das Sacktuch zu durchrennen, der erhält es....In Ehrenstetten werden
gleich nach der Begrüßung durch den Wirt Tabaksdosen und Taschentücher, die
die Braut spendet, ausgewürfelt. BEIDES, WETTLAUF UND AUSWÜRFELN, KOMMT IN
STEGEN BEI FREIBURG VOR.
...EINE
ANDERE ALTERTHÜMLICHE FORM (der Begrüßung) IST NOCH Z.B. IN STEGEN BEI
FREIBURG ÜBLICH: DER WIRT EMPFÄNGT DEN ZUG VOR DEM HAUS MIT WEIN UND BROT, DAS
MIT GEWEIHTEM SALZ BESTREUT IST. ABER AUCH DER Z´TANZSAAL UND DIE ANDEREN VON GÄSTEN
BESETZTEN RÄUME SIND DAMIT BESTREUT.
Kranzabnahme
...Das
erste Mädchen nimmt nun der Braut den Kranz vom Kopfe und dem Bräutigam das
Bruststräußchen, überhaupt allen Hochzeitsschmuck. Die Mädchen entfernen
sich, die Brautleute gehen sich umkleiden, erst danach dürfen sie
zusammensitzen...IN STEGEN NIMMT IHN DER BRÄUTIGAM SLBER DER BRAUT AB UND SETZT
IHR DIE FRAUENKAPPE AUF.
IV.
Das häusliche Leben
Taglöhner
....Aber
so nützlich diese Handwerker nun auch den Bauern sind, fast immer werden sie
als fremde Elemente empfunden und gern geringgeschätzt und verspottet. DIE ÜBER
DEM ATTEMTHAL BEI FREIBURG GELEGENE SCHLANGENKAPELLE
HEIßT BEI DEN BAUERN AUCH FLOHKAPELLE, WEIL IN DEREN VORRAUM WOHL WANDERNDE
HANDWERKSBURSCHEN EIN BILLIGES NACHTLAGER SUCHEN...
Haussegen
Marienbilder
sind an der Außenwand mancher Häuser oft in schützenden Nischen angebracht,
z.B. bei Freiburg IN ATTENTHAL .... UND WERDEN ZU FRONLEICHNAM MIT BLUMENKÄNZEN
VERZIERT...
Schwangerschaft
...namentlich
muß sie sich vor dem sich „Versehen“, „Vergucke“, dem „Abluege,
Abgucke, Abschaue“ hüten. Denn sieht sie plötzlich z.B. ein Feuer, eine
Maus, einen Hasen und greift sich im Schrecken darüber an eine Stelle des Körpers,
so wird an dieser ihr Kind einen Mal oder Maas haben, ein Muttermal, und zwar je
nachdem, ein Feuer- oder Brandmal oder eine dunkle „Muus“ oder einen
Hasenmund. Darum sollte sie sich an den Hintern greifen, wo das Mal nicht
sichtbar sein wird, oder noch besser die Hände und Arme möglichst weit vom
Leibe ausstrecken... ODER SIE MUß DIE SACHE ODER PERSON, AN DER SIE SICH
VERSEHEN KÖNNTE, FEST ANSEHEN, SO IN STEGEN ...
Glückwunschbesuch
...DER
VATER DES KINDES MUSS DIE „SCHENKI“, DEN TAUFSCHMAUS, IN WITTENTHAL BEI
FREIBURG ZAHLEN, DAGEGEN DIE PATEN „TRAGEN DEN KORB“ D.H. BRINGEN 8-14 TAGE
EINEN KORB VOLL KAFFEE, ZUCKER, BROT, EIER U.S.W. DEN ELTERN.
V.
Bei der Arbeit
Das
Säen
....HÄUFIGER
WACHTELRUF VOR DER ERNTE KÜNDET IN WITTENTHAL TEURES KORN AN....
VI.
Zur Festzeit
Dreikönigstag
..AN
DIESEM TAGE SCHLEIFT ABER AUCH DER BAUER DES HENSELERHOFES IM ATTENTHAL BEI
FREIBURG ODER SEIN BUBE, NACHDEM DAS GANZE HAUSGESINDE DROBEN IN DER SCHLANGENKAPELLE
DER ROSENKRÄNZE GEBETET HAT, DREIMAL EINE KETTE UMS HAUS UM DIE SCHLANGEN
ABZUHALTEN.
Karfreitag
...AM
KARSAMSTAG BESPRITZT IN STEGEN UND WAGENSTEIG DER BAUER ALLE RÄUME DES HAUSES
MIT DER „OSTERTAUF“ UND, SEIN GANZES GUT UMSCHREITEND, ALLE „LOCHE“
(GRENZSTEINE), UM DADURCH FELDSCHADEN, SCHLANGEN UND UNGEZIEFER FERNZUHALTEN...
Regenbogen
...STEHT
ER ÜBER DEM BACH, GIEBTS MORGEN GUTES WETTER IN STEGEN
VIII.
Krankheit und Tod
Sommersprossen
AUCH
DIE SOMMERSPROSSEN SIND SEHR UNLIEBE GÄSTE. SIE HEISSEN MEIST „LAUB- UND
SUMMERFLECKE“, IN STEGEN . LEBERFLECKE BEKOMMT DAS KIND IN STEGEN, WENN ES,
NOCH NICHT HALBJÄHRIG, VOM REGEN GETROFFEN WIRD...
Todesvorzeichen
...ZEIGT
EINEN TODESFALL AN, EBENSO WENN SICH EIN BIENENSCHWARM AN EINEN DÜRREN AST
SETZT, ODER EINE BIENE D.H. EIN VOLK ABSTIRBT, IN ... STEGEN ...
Aus
der Vogelwelt treten als Vorboten des Todes besonders die hässlich krächzenden
Rabe und Elstern hervor.
...VON
GLEICH BÖSER VORBEDEUTUNG IST ES IN STEGEN , WENN KEINE RABEN ZU DEN ABFÄLLEN
HERANFLIEGEN, WO IM HAUSE EIN SCHWEIN GESCHLACHTET IST...
Leichenschmuck
...Im oberen Dreisamthal legt man statt des Kissens dem Toten ein frisches Rasenstück unter den Kopf. Dieser „Kopfwasen“ wird dann in Wagensteig auch in den Sarg gethan, DAGEGEN IN STEGEN WIEDER AN SEINE STELLE VERPFLANZT, UND WENN ER DA NICHT WIEDER WÄCHST, SO STIRBT BALD EIN ANDERES FAMILIENMITGLIED..