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Aus: Mein Heimatland 23. Jahrgang, Heft 7/8, 1936

Vilgis / Alte Kapellen im Dreisamtal bei Freiburg i.Br.

Die Schlangenkapelle in hinteren Attental (Foto ca 1935)
Der Henselerhof. Ansicht vom Attental (ca 1935)


Die Schlangenkapelle im hinteren Attental.

Bei dem zur Gemeinde Wittental gehörigen Weiler Attental – 1276 „ze Attendal“ -, etwa 1 ½ Stunden von Freiburg entfernt, im hinteren Attental, oberhalb des alten, an den Berghang angelehnten Henselerhofes, liegt auf einer Anhöhe am Waldrande die Schlagenkapelle, heute ein trauriges Bild von Zerfall.
Die kleine, sehr baufällige Kapelle mit rechteckigem Grundriß und nur einem kleinen Fenster in der Südseite, hat ein Schindeldach mit kleinem dachreiterartigem Gebilde aus Blech. Über dem Eingang im Giebelfelde befindet sich ein Kruzifixus, dessen Kopf ziemliche Zerstörungen aufweist. Das Innere des Kapellchens ist von dem eingestürzten Mauerwerk der Ost- und Westwand mit einem mit Drahtgitter abgeschlossen; eine Türe fehlt. Auf dem Altärchen steht eine aus Holz geschnitzte, zirka 50 cm hohe Marienstatue mit Kind, deren Gewand rot, Mantel bzw. Überwurf blau gemalt sind und die reichliche Goldverzierung hat. Ferner ist noch eine kleinere, ebenfalls aus Holz geschnitzte Madonna mit derselben farbigen Gewandung, aber mit nacktem Christuskind auf dem Arm, vorhanden. Beide Figuren scheinen sehr alt zu sein und auch einen gewissen Wert zu haben, wie die Statuen in der Kapelle beim Breitehof. Von einem Liebhaber dieser beiden Marienstatuen wurde, wie der Besitzer des Henselerhofes, seit 1905 Pius Janz, mitteilte, die eine der Figuren als die Mutter Anna erklärt. An der Westwand hängt eine Votivtafel, eine handwerksmäßige Malerei, den hl. Wendelin darstellend, umgeben von Pferden, Kühen, Schafen, Ziegen Gänsen und Hühnern; in den Wolken am Himmel erscheint die Jungfrau Maria. (Figuren und Bild hat Hofbesitzer Janz im Gewahrsam, seitdem die Kapelle sich in baufälligem Zustande befindet). Daneben an der Ostwand hängen noch viele kleiner Heiligenbilder aus der Zahl der vierzehn Nothelfer, grelle Farbdrucke in den früher üblichen schwarzen Kartonrahmen. 1902 wurde das Kapellchen von dem früheren Besitzer des Henselerhofes, Karl Thoma, etwas renoviert, d.h. es erhielt einen Anstrich von blauer Farbe. Der Henselerhof, dessen jeweilige Besitzer auch Betreuer der Schlagenkapelle sind, scheint sehr alt zu sein; an Jahreszahlen ist nur die Zahl 1736 über einer Türe vorhanden.

Über die Entstehung der Kapelle schreibt E.H.Meyer „Badisches Volksleben im 19. Jahrhundert“, Straßburg 1900): Seite 79/80; 495/96.

„Einst, man sagt vor ein paar hundert Jahren, wurde der Henselerhof im hinteren Attental, das noch heute reich an unschädlichen Ringelnattern wie an giftigen Kreuzottern ist, (Kreuzottern dürften in der Gegend von Freiburg heute wohl kaum mehr anzutreffen sein) von Schlagen derartig heimgesucht, daß der Bauer der allerseligsten Jungfrau Maria eine Kapelle gelobte, um von der Plage befreit zu werden. (Die Schlangenkapelle in Vöhrenbach i. Schw. verdankt der gleichen Ursache ihre Entstehung) Wirklich bleiben seit der Erbauung der Kapelle die Schlangen fort. Oben über dem Hof steht noch heute mit weiter Aussicht die mit einem Marien und einem Sebastiansbilde (Ein Sebastiansbild befindet sich nicht mehr in der Kapelle. Ob ein solches je vorhanden war, oder wohin es gekommen, vermag der jetzige Hofbesitzer nicht anzugeben) geschmückte Schlangenkapelle, scherzhaft auch „Flohkapelle“ genannt, weil vorüberziehende Handwerksburschen wohl auf den Bänken ihres offenen Vorraums übernachten.“ Letzteres dürfte wohl nicht ganz zutreffen. Der Vorraum ist so klein, dass rechts und links auf den angebracht gewesenen Bänken je eine Person, und zwar sitzend, Platz gehabt hätte; auch liegt die Kapelle so abseits von jeder Verkehrsstraße, dass „ von öfterem Nächtigen von vorüberziehenden Handwerksburschen“ dort oben wohl schwerlich die Rede sein kann, da der beschränkte Raum nicht dazu einladet. Der Name Flohkapelle dürfte wohl einen anderen Ursprung haben. Vielleicht weiß ein Leser eine Erklärung. Weiter erwähnt Meyer: „Zu Mariä Lichtmeß, am 2. Februar, betet der Bauer des Henselerhofes mit seinem ganzen Hofgesinde droben in der Schlagenkapelle nach dem Mittagessen drei Rosenkränze, und nach der Heimkehr muß ein Kind oder, wenn eines fehlt oder es noch zu klein ist, der Hofbauer selbst dreimal eine Kette an der Berglehne ums Haus ziehen, um die Schlagen abzuhalten. Das geschah noch 1895 und wird auch wohl noch jetzt geschehen.“ Dieser Brauch wurde bis 1905 vom früheren Besitzer ausgeübt, während der jetzige Besitzer in zwar noch kennt, aber nicht mehr ausübt.
Dieser Brauch geht auf uralten Schlangenzauber und Schlangenbeschwörung zurück, auf Schlangenbannübungen, die wohl zum Teil als Reste alter kirchlicher Benediktionen, aber auch als heidnische Frühlingsreinigungen zu betrachten sind. Einst, da die Alemannen und Franken in den Gegenden des heutigen Baden christianisiert wurden, mochten sie noch bei der Unkultur des Landes von allerlei Gewürm zu leiden gehabt und deshalb die Glaubensboten um dessen Beschwörung gebeten haben. Diese nahmen eine solche wohl vor dem Nahen des Frühlings, wo Kröten und Schlangen sich anschicken, den Winterschlaf zu beendigen, vor, und zwar am Tage des Apostelfürsten, Petri-Stuhlfeier, 22. Februar.
Die Sintlasau (Insel Reichenau), die voller giftigen Gewürms war, reinigte der hl. Pirmin, indem er ein Kreuz unter Gebet aufrichtete; drei Tage soll der Bodensee von den abziehenden Schlangen und Kröten bedeckt gewesen sein.
Zahlreich sind in Baden die veschiedenartigen Gebräuche, die alte Beschwörungsformeln gegen Schlangen und Kröten enthalten, von welchen das sogenannte „Peterlispringen“ im Kinzig- und Harmersbachtal, der „Krotten- und Schlangentag“ und der „Storchentag“ in Haslach Erwähnung finden sollen. In Mittelbaden besonders findet das Schlangenaustreiben statt. Bereits am Vorabend des 22. Februar, Petri-Stuhlfeier, an vielen Orten an diesem Tage selbst, ziehen die Schulkinder, nachdem sie vorher genau die notwendigen uralten Sprüchlein gelernt, die sich von Mund zu Mund fortpflanzen und erhalten, mit Körben, Säcken und Taschen versehen von Haus zu Haus, um ihre Gabe (Geld, Äpfel, Birnen, Nüsse, Schnitze, Backwerk u.a.) in Empfang zu nehmen. Sie fragen in den Häusern:“ Dürfen wir die Krotten und Schlangen jagen ?“ Dann laufen sie mit einer Schelle und einer Kette im Hause herum oder springen dreimal ums Haus, um die Brunnen herum, klingeln und klopfen an die Wände mit dem Hauptruf:

„Heut´ ist Petersnacht, Krotten und Schlangen zum Tor nus !“

Andere dabei hergesagte Sprüche und Sprücklein lauten:
"Wir feiern heut´St. Peterstag
der unsere Bitt´erhören mag;
er möcht´beschützen unser Gut,
vertilgen Ungeziefers Brut;
vertreiben alle Krotten und Schlangen,
die Bäume recht mit Obst behangen;
euer Vieh von jeder Seuch´behüten,
behalten eures Hauses Frieden,
beschirmen euer ganzes Haus
und alles, was gehet ein und aus;
fern halte Unglück, Krankheit und Not.
Wir bitten um einen seligen Tod.
Und zum Schlusse noch eine Bitt´:
Gebt uns recht viele Gabenmit!"

oder: "Heute ist der heilige Peterlestag,
daß wir alles Kröten und Schlangen verjagen.
Wir wünschen euch in diesem Haus, ihr sollt
von allen giftigen Tierlein bewahret sein" usw.
Bei diesem Peterlispringen wird auch noch gerufen:
"Peter, Peter, Sturm,
Schlange und ihr Wurm,
spie aus, spie aus,
Krott und Schlange,
St. Peterstag isch bald vergange",
oder
"Krotten und Schlangen zum Tor hinaus!"
In Ettenheim z.B. rufen die Kinder:
"Pflieng, pflieng (auch flieh)
Krotte und Schlange,
der Petrus kommt mit der eisere Stange!"
Zum Schlusse heißt es meist:
"Heraus, heraus!
Äpfel und Birnen zum Laden heraus!"
Nach Empfnag der Geschenke sagen die Kinder:
"Nun danken wir auch Gott innerlich,
daß ihr uns gegeben habt barmherziglich.
Wir wünschen euch ein frohes Leben,
Gott der Herr soll es allen geben!"
Erhalten die Kinder aber da und dort nichts, so rufen sie:
"Wenn ihr mer nit gen (gebt),
so solle die Krotte und Schlange
in Hafe ni (hinein) lange!"
Mit Klappern auf Sensen und Trommeln auf Gieskannen ziehen die Odenwälder Kinder am Peterstag von Haus zu Haus mit dem Rufe:
"Die Krotte und Schlange zum Dorf naus!"
Noch ein Brauch sei erwähnt. Wenn man vor Sonnenaufgang eine Gerte des Wacholderbeerstrauches mit den Worten schneidet: "Stecken, ich tu dich schneiden im Namen der heiligen Dreifaltigkeit", so kann man damit alles Ungeziefer, Schlangen u.a. vertreiben.
Die Sage berichtet, daß vor langer Zeit Haslach und das ganze Kinzigtal schwer heimgesucht wurde. Schlangen traten massenhaft auf und gefährteten das Leben von Menschen und Haustieren. Die Bewohner des Tales hatten unaussprechlich zu leiden. Da gelobten sie in höchster Not, im Falle des Aufhören all der Plagen, den Armen und Kindern alljährlich einen guten Tag zu verschaffen. Plötzlich kamen unzählige Störche heran geflogen, die das Tal in kurzer Zeit von seiner Plage befreiten.
Am 22. Februar, zu einer Zeit, da die Störche bald wieder ins Land ziehen, wird der Tag der Erlösung, der sogenannte "Storchentag", gefeiert. Die Kinder sammeln sich an der Mühlenkapelle; ihr Führer ist der Storchenvater, ein Bürger, der auf seinem hohen Hute auf beiden Seiten eine Storchenfeder trägt. In der Hand hält er als Sinnbild seiner Macht eine lange Rute, mit der er unter der lebhaften Kinderschar Ordnung hält. Die Kinder beten nun beim Läuten eines Glöckleins um gutes Wachstum der Früchte, dann beginnt der Umzug durch die Stadt. Überall erklingt der Ruf: "Heraus! Heraus! Äpfel und Birnen zum Laden heraus!"
Bei diesen Bräuchen handelt es sich, wie im alten Rom bei den Februarsbräuchen (februa, Sühnefest), auch darum, alle Unreinigkeit und Befleckung des alten Jahres, den Winter und den Tod, zu beseitigen.
Im Mittelalter wurde vielfach das Bannen von Ungeziefer u. dgl. verboten. So untersgate z.B. 1611 das Landgebot des Herzogs Maximilian von Bayern wider Aberglaube, Hexerei, Zauberei, unter anderm, die "Schlangen, Razten, Wurm und Ungeziefer" durch Beschwörung und andere Mittel zu bannen. Der Freiburger Professor Lorichius bekämpfte in seinem "Aberglauben" 1553 ebenfalls die "Segen wider Schlangen und andere giftige Thiere, daß sie nit schaden künnen."
- Zu erwähnen wäre noch, daß die Schlangenbeschwörung hauptsächlich nur in den Dörfern der Ebene stattfand, wo z.B der Rhein mit seinen Altwassern und Sümpfen allerlei schädliches Getier nährte, und an den Ufern kleinerer Bäche und Flüsse (Kinzig). Die Dörfer in den naheliegenden Bergen kennen diese Sitte nicht.
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Es wäre zu wünschen, dass die Schlangenkapelle nicht ihrem gänzlichen Zerfall entgegengeht. Mögen die maßgebenden amtlichen Stellen auf die Erhaltung dieses Kulturdenkmals ihr Augenmerk richten, zumal die Wiederherstellungskosten bei dem nicht sehr großen Umfange der Kapelle sehr mäßig sein dürften.

Aus: Mein Heimatland. Badische Blätter für Volkskunde....23. Jahrgang, Heft 1/2, 1936, Seite 293-297

(Herr Hauptlehrer Aigeltinger in Wittental hat sich in dankenswerter Weiße bereits der Kapelle angenommen und die vor derselben liegenden Steine in der Nähr zur späteren Wiederverwendung aufgeschichtet.)

 

Aus:
Franz Kern
Das Dreisamtal mit seinen Kapellen und Wallfahrten, 1986

  Die Schlangenkapelle auf dem Höhenkamm zwischen Attental und Wittental. Eigentümerin ist die Gemeinde Stegen.
Am leichtesten erreicht man die mit vielen Geheimnissen umrankte Schlangenkapelle von Wittentat aus, indem man das Fahrzeug im Talabschluß beim Recklehof stehen läßt und die 20 Minuten zu Fuß geht, wobei man nebenbei einen zauberhaften Blick auf das Dreisamtal genießt, oder vom Attental einen etwas längeren Aufweg unter die Füße nimmt. Auf der bewaldeten Kammhöhe zwischen dem Attental und dem Wittental, unweit des alten Henslehofes, der ein nicht allzu großer Berghof war, liegt die Schlangenkapelle. Sie lag längere Zeit darnieder und bot ein Bild des Verfalls, ist aber 1953 und wieder 1978 unter tatkräftiger und freiwilliger Mithilfe der Bevölkerung gleichsam neu erstanden, mit schindelbeschlagenem Satteldach und mit Dachreiterchen und Glöckchen versehen.
Wieder weist die Kapelle einen kleinen Vorraum auf, mit 2 Sitzbänken zum Verweilen oder zum Unterstehen bei Unwetter. 1953 brachte man beiderseits 2 Sandsteintafeln an. Auf der einen lesen wir "Hier erbauten gläubige Vorfahren eine Kapelle zu Ehren Unserer Lieben Frau im frommen Sinn von einer argen Schlangenplage erlöst zu werden." Auf der anderen: "Die Kapelle wurde neu errichtet Anno 1953 durch die Gemeinde Wittental unter selbstloser Fron von Arbeitern der Firma Max Jordan Karlsruhe."
Innerhalb des vergitterten Altarraumes steht eine Madonna auf der Erdkugel und zertritt der Schlange den Kopf. Etwa 60 cm groß hat sie Michael Bauernfeind nach dem Original gegossen. Den ganzen Sommer über umgeben sie frische Feldblumen die Altbäuerin Fehr vom Reckehof, die Hüterin des Waldheiligtums, besorgt. Auf der Vorderseite des Altares windet sich eine Schlange.
Mit der Madonna hat es seine Geschichte: Das Original wurde eines Tages gestohlen. Als schon der Einweihungstag der renovierten Kapelle festgesetzt war, meldete die Polizei den Fund, einer Madonnenfigur in der Nähe der Autobahn bei Freiburg. Es war die Original-Schlangenmadonna von der Schlangenkapelle. Nach jenem Original, das nunmehr sicher im Gerneindearchiv Stegen verwahrt wird, ist die oben genannte Kopie gefertigt, die Madonna, die auf dem Globus steht, der.von einer Schlange umwunden ist.
Durch Testament ist die Kapelle längst in den Besitz der ehemaligen Gemeinde Wittental übergegangen, die seit dem 1.Juli 1974 mit der Gemeinde Stegen vereinigt ist.
Das alte Volksheiligtum wird gerne aufgesucht,
An einem Maisonntag wird dort eine Maiandacht gehalten, wozu jeweils die Originalstatue in die Kapelle gebracht wird.
Über die Entstehung dieser Kapelle schreibt E. H. Meyer in “Badisches Volksleben im 19.Jahrhundert”. (Straßburg, 1900, S. 79/80):" Einst, man sagt vor ein paar hundert Jahren, wurde der Henselerhof im hinteren Attental, das noch heute reich an unschädlichen Ringelnattern wie an giftigen Kreuzottern ist, von Schlangen derartig heimgesucht, daß der Bauer der allerseligsten Jungfrau eine Kapelle gelobte, um von der Plage befreit zu werden. Wirklich blieben seit der Erbauung der Kapelle die Schlangen weg..."
Kann das wahr sein? - Straßenwart i.R. Otto Thoma, Eschbach, Mittetal 19, dessen Heimat der Albrechtenhof im Attental ist, erzählte dem Verfasser am 19.1.1983, daß er als Hirtenbub oft bis zu einer Stunde zum "Ausfahren des Viehs" auf die weitläufigien Weidberge gebraucht habe.
Die Weidberge um den Henselerhof habe man gerne gehabt, weil es dort "Obst zu klauen" gegeben habe. Und um den Henselerhof, als auch um den Hugenhof herum, seien Schlangen gekrochen. Die Dienstboten der beiden Höfe, etwa 10-15 Jahre älter als er, haben ihm und seinen Geschwistern erzählt, daß die Schlangen ums Haus herum daheim seien und daß sie sogar nachts in den StalI zum “Katzentrögle" geschlichen seien, in welches die Bauersleute Milch für die Katzen geschüttet hatten. Gelegentlich habe man die Schlangen mit dem Besen und mit Gabeln aus dem Stall hinausgeworfen.
"Des isch kei Witz, des isch Tatsach"! Mit soIchen Worten unterstreicht er den Wahrheitsgehalt des Erzählten; und er findet auch einen plausiblen Grund für die Schlangenplage an jenen Südseiten. Die Schlangen suchen Wärme und darum suchen, sie nachts die Holzställe der Rinder auf und machen diese "verrückt". Ihr beliebter Aufenthaltsort sei aber auch der Misthaufen gewesen.
Früher wurde der Kuhdung nur ein, einziges Mal und zwar im Frühling auf die Felder gefahren. So blieb der Dunghaufen, in ständiger Gärung, Wärme erzeugend, und die Schlangen suchten zum Ruhen und Eierlegen den Misthaufen auf. Das war dann die natürliche Brutstätte der Ringelnattern und Ottern. Seitdem nunmehr der Mist mehrere Male im Jahr weggeführt wird, hätten die Schlangen ihre Brutstätten verloren und sich von den Höfen entfernt. Und er erzählt weiter: "Ich selber hab später 5 Jahr im Berghiisle von Löwenwirts gwohnt. Do hets noch gnueg Schlange gha. Im Summer han ich sie jede Tag sähne könne. Mi Frau het sie gfirchtet". Und er erzählt, wie er beim Grasmähen gelegentlich eine Schlange vor der Sense Reißaus nehmen sah. “Ich selber hän dann zweimol Mischt rusgfahre. Deno hän sie d'Brutstätte verlore. Jetzt gitts nur noch e paar einzelne. Aber grad gnueg hets früher gha." - Soweit einiges von der herzhaften Erzählung eines alten Attentälers. Der kritische Mensch der Gegenwart mag davon halten, was er will. Er wird aber wenigstens gelten lassen, daß Schlangen etwas mit der Entstehung der Schlangenkapelle zu tun haben. Auch Otto Thoma schwächt etwas ab: “Ich hab selber Schlange hinter dem Henselerhof gsähne. Aber daß sie nachts in de Schtall sin, des hän Dienstbotte verzellt.”
Als Kinder und junge Menschen seien sie früher oft zur Schlangenkapelle an Sonntagnachmittagen gelaufen, aber weniger wegen des Rosenkranzgebetes, als wegen der guten und reichlichen Walderdbeeren in der Nähe.
Daß die Entstehung der Kapelle im Zusammenhang mit der Schlangenplage steht, ist nicht zu bezweifeln. Fr. Aug. Metzger, Hauptlehrer in Wittental, hinterließ ein handschriftliches, heimatkundlichen Themen gewidmetes Manuscript, das vom Jahre 1894 datiert und dessen Angaben glaubwürdig sind. So schreibt er bei der Schilderung heimatlicherTiere:
"Auch die Schlange spielt eine Rolle. Bei einem kleinen Bauernhofe ganz im hinteren Attenthal an einer Berglehen steht etwa 500 m davon entfemt die sog. "Schlangenkapelle"; welche erbaut wurde infolge eines Gelübdes, welches der frühere Bauer gemacht, wenn die Schlangen seinem Hause fernbleiben. Das Haus soll fürchterlich von diesen Tieren (Kreuzotter = Pelias berus bek. sehr giftig!) heimgesucht worden sein. Nachdem die Kapelle erbaut u. eingeweiht war, so seien die Schlangen ferngeblieben bis jetzt. Es hat sich in diesem Bauernhause ein Brauch erhalten, an dem zäh festgehalten wird. Jedes Jahr an Maria Lichmeß beten die Leute dieses Hofes nach dem Mittagessen drei Rosenkränze. Nachher muß ein Kind dreimal eine Kette ums Haus ziehen, um so die Schlangen abzuhalten. (Diese Giftschlange kam früher hier sehr häufig vor u. tritt auch jetzt noch verhältnismäßig zahlreich auf; wie auch die ungiftige Ringelnatter Tropidonatus natrix). Ich sah selbst vor einigen Jahren wie ein Bauer beim Dungführen im Frühjahr aus einem Misthaufen 37 Stück gezogen. Wo er mir eine Freude machen wollte, so ließ er mich rufen, weil ich mich seit Jahren mit dem Studium der Kriechtiere u.Lurche befasse u. setze die schönsten Exemplare in meine Terrarien. Im Sommer 1893 fing ich an einem Tage hier 4 Ringelnattern u. 12 Kreuzottern, darunter 7 junge. Die Gegend ist für diese Tiere besonders geeignet.) Allgemein ist der Glaube verbreitet, die Schlangen saugen den Kühen die Milch aus... _" Somit dürfte auch der 'Wahrheitsgehalt der Erzählungen von Herrn Otto Thoma bestätigt sein.
Aber die Frage bleibt, wann die erste Schlangenkapelle entstand. Auf dem Sickingen'schen Plan H/1 Wittental, welcher die dem Freiherrengeschlecht von Sickingen gehörenden Besitzungen aufweist und der am 6. Oktober 1780 angefertigt und datiert ist, ist die Schlangenkapelle schon verzeichnet, wie auch die Martinskapelle beim Baldenwegerhof, die aber kurz, nach 1800 abgegangen ist. Maria Thoma, geb. Walter, wohnhaft in Kirchzarten, sagte dem Verfasser am 11.10.1984, daß ihr Eheman Karl Thoma, 1904-1967, öfters erzählt habe, sein Vater Karl Thoma, 1857‑1924, habe die Kapelle erbaut. Es ist anzunehmen, daß der Genannte, der 1882 auf den Henslehof heiratete, anstatt einer ersten hölzernen Kapelle einen massiven Kapellenbau aufrichtete, auf dessen baufälligen Zustand schon 1936 hingewiesen wurde. Emmy Saier, geb. Thoma, Kirchzarten, schildert: "Unser Vatter, (Josef Thoma, 1899-1968, ein Bruder des vorigen Karl) hett uns Kinder ufm Ofebank oft verzellt, wie sie als kleini Buebe die schweri Kette um de Hof rum zoge hän, um die Schlange zue vertribe, un d´inne in de Stube hän Vätter un Muetter un die Maidli de Rosekranz bättet."
Als die Gemeinde Wittental dann in den Besitz von Hof und Kapelle gelangt war, ging sie daran das alte Kulturdenkmal zu erneuern, es mit Schindeln zu verkleiden und mit einem Dachreiter und einem Glöckchen, das keinerlei Aufschrift hat, zu verzieren. Arbeiter der Baufirma Jordan, die damals die Hochspannungsleitungen bauten, machten sich dabei verdient. Am Christi Himmelfahrtsfest des Jahres 1953 wurde das Kleinod vom Kirchzartener Pfarrer Erminold Jörg unter Mitwirkung der Wittentaler Musikkapelle, des Kirchzartener Kirchenchores und in Anwesenheit vieler Dreisamtäler, die sich heute noch an das Volksfest erinnern, feierlich eingeweiht.

Für frdl. Mithilfe danke ich Herrn Otto Thoma; Herrn Steinhardt, Pfarrer Josef Hog und Bürgermeister Klaus Birkenmeier.
Literatur: K.F. Vilgis, Alte Kapellen im DreisamtaL In "Mein Heimatland" 1936, 290 f,

 

Geschichte der Pfarrei Kirchzarten von Max Weber 1967 Nachtragsband

"Die Schlangenkapelle im hinteren Attental erinnert daran, dass dieses Tälchen einstens besonders von Kreuzottem heimgesucht war. Die schon zum Teil verfallene Kapelle ging durch Testament in den Besitz der Gemeinde über. Diese erneuerte sie alsbald, größtenteils mit freiwilligen Helfern. Bürgermeister Hug und Hauptlehrer Eckenfels gingen voran. Gern halfen aber auch die Arbeiter einer Karlsruher Baufirma, die gerade eine elektrische Fernleitung anlegten, in ihren Freistunden. So konnte auf der Höhe zwischen Attental und Wittental das uralte kleine Volksheiligtum wieder neu entstehen. Die Feier seiner neuen Weihe am Himmelfahrtstag 1953 wurde zu einem kleinen Volksfest”.

 Anmerkung: Pfarrer Erminold Jörg von Kirchzarten ( von 1952 ‑ 1955) weihte die Kapelle ein.

Badische Sagen
Gesammelt und Herausgegeben von Dr. Johannes Künzig 1923

 Die Schlangenkapelle

 “Im Hinteren Attental an einer Berglehne, etwa 500 Meter von einem Bauernhof entfernt, steht die sogenannte Schlangenkapelle, welche einem Gelübde ihre Erbauung verdankt. Der Bauernhof war jahrelang von Schlangen heimgesucht, so dass der Bauer gelobte, eine Kapelle zu bauen, wenn die Schlangen von seinem Hause fernblieben. Die Kapelle wurde eingeweiht - und die Schlangen kamen nicht mehr. Zum Dank dafür betet man auf dem Bauernhofe noch jetzt jedes Jahr an Mariä Lichtmeß drei Rosenkränze. Nachher muß ein Kind eine Kette dreimal ums Haus ziehen, um die Schlangen abzuhalten”.

 Auszug aus dem Protokollbuch des Musikvereins Wittental

 " Durch Gemeinde-Eigentum des Henslehofs, wurde in kurzer Zeit die zerfallene Schlangenkapelle (früher Flohkapelle genannt) wieder neu aufgebaut. Am 11. Mai (Christi Himmelfahrt) war diese feierliche Einweihung, durch H.H. Pfarrer Jörg von Kirchzarten, die Mitwirkenden zur Verschönerung der Einweihung derselben waren die Musikkapelle, sowie der Kirchen-Chor von Kirchzarten. Anschließend ging es in das Gasthaus zum Bankischen Hof, welcher in kurzer Zeit voll besetzt war, so die Musikkapelle den anwesenden Gästen, ihr musikalisches unter Leitung von Herrn Kirner darbot". Geschehen am 14. Mai 1953

Der Schriftführer
 Anmerkung: Schriftführer war Wilhelm Ganter aus dem Attental (1939 - 1978)