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Peter Hillenbrand:
Die Renovierung der Adamssäge
im Zastlertal,
eines technischen Kulturdenkmals des 17./19. Jahrhunderts

Zwischen den zum Wochenendhaus umfunktionierten Mühlen (an deren Flanke sich leer ein Wasserrad dreht) und den nur noch als museales Demonstrationsobjekt laufenden Sägen gibt es offenbar noch Möglichkeiten, ein technisches Kulturdenkmal weder allein aus denkmalpflegerischen Gründen, noch allein unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlicher Nutzung, sondern in einem sinnvollen Kompromiß zwischen beidem der Nachwelt zu erhalten. Von einem bemerkenswerten Objekt berichtet ein Mitarbeiter des staatlichen Hochbauamtes Freiburg I, das in Zusammenarbeit mit dem staatlichen Forstamt Kirchzarten eine Mühle erhalten und restauriert hat.
Die beschriebene Säge liegt im Zastlertal - landläufig kurz Zastler genannt - bei Kirchzarten-Oberried, ca. 20 km vom Freiburger Stadtkern entfernt. Der Schwarzwaldort Zastler unterscheidet sich von anderen Gemeinden in einem wesentlichen Punkt: er ist eine Holzhauerkolonie, dessen Bewohner nahezu ausschließlich aus Pächtern bestehen. Ursprünglich eine bäuerliche Gemeinde, erfuhr diese Niederlassung im 19. Jahrhundert eine soziale Umschichtung, als Staat und Standesherrschaft zahlreiche Bauerngüter erworben und aufgeforstet hatten. So ist heute noch der überwiegende Teil historischer Bausubstanz mit Grund und Boden in staatlichem Besitz. Hiervon charakterisieren das Siedlungsbild neun ehemalige Bauernhöfe auf einer Höhe von ca. 400 bis 700 m. Diese Höfe tragen die Namen ihrer Erbauer aus dem 17. bis 19. Jahrhundert. Das älteste datierbare Wohnstallgebäude ist das Stephanshäusle mit der Jahreszahl 1696. Unser Objekt - da zum Adamshof gehörig auch Adamssäge genannt - trägt die am vorderen Mittelpfosten eingeschnittene Datierung „Adam Albrecht Baumeister anno 1603 Sebastian Drescher Spanmeister“ und ist damit das älteste datierte Gebäude im Zastlertal. Besiedelt war das Zastlertal nachweislich bereits um 1575‚ denn eine Akte aus dem Jahr 1726 bemerkt, ein Vorfahr von Jörg Gassenschmidt (vom Gassenbauernhof) habe vor „anderthalbhundert“ Jahren einen Teil seines Gutes verkauft.

Außer der hier vorgestellten Adamssäge standen im 18. Jahrhundert 15 Klopfsägen in Betrieb, die nicht nur Bau- und Nutzholz für den Eigenbedarf, sondern auch Holz zum weiteren Verkauf sägten. Der Adamshof mit seiner Säge besaß 1858 allein 124 ha Wald, aus dem sicher mit Gewinn gearbeitet wurde; außerdem erhielt der Adamshof aus über 1430 ha Gemeindewaldbesitz zusätzlich jährlich 16 Stämme.
Bis auf die Adamssäge wurden alle Sägen um 1850 abgebrochen, als die große Versteigerungs- und Verkaufswelle ins Zastler schwappte; die Adamssäge verdankte ihren Bestand der Tatsache, daß sie zunächst als Gemeindesäge weiterbetrieben wurde. Es ist anzunehmen, daß sie damals - wie alle anderen Sägen im Zastler - als „Klopf- oder Plotzsäge“ arbeitete, da sie heute fälschlicherweise dort noch „d’Klopfsägi“ genannt wird.
Die Arbeitsweise einer Klopfsäge ist seit dem 13. Jahrhundert bekannt und leicht zu begreifen (); über ein durch Wasserkraft betriebenes Wasserrad werden über denselben „Wellenbaum“, d. h. dieselbe Achse, 3 Zapfen „Lupfarme“ bewegt. Die Zahl dieser Zapfen hängt ab von Wassermenge und Gefälle, da Achsen mit zwei Zapfen schneller drehen müssen als mit drei Zapfen. Deshalb waren zunächst nur unterschlächtige kleine Wasserräder mit großem Wasserbedarf notwendig.

Beim Drehen des Wellbaumes schlagen die Lupfarme das Sägegatter in die Höhe. Die Abwärtsbewegung - und nur bei dieser wurde gesägt - entstand einmal durch das Gewicht des Gatterrahmens, zum anderen durch auf Spannung gesetzte biegsame Fichtenstämme, die unter dem Dachstuhl befestigt waren und das Gatter niederdrückten. Dieses Niederschlagen verursachte das typische regelmäßige Klopfgeräusch. Beim Hochschlagen des Gatters wird der „Wagen“, der auf einer Zahnstange läuft und durch zwei Kammräder gedreht wird, vorwärts gedrückt; so wird der darauf liegende Stamm mit einem Sägeblatt durchgetrennt.
Die geringe Wirkungsweise dieses Mechanismus wurde später verbessert. Zunächst benutzte man oberschlächtige‚ große Wasserräder. Dann wurden die Lupfarme durch kurze hölzerne Walzen ersetzt. Diese Walzen sind an ihren Enden durch Eisenringe gefaßt und um ihre eigene Achse drehbar. Dadurch wurde der Reibungswiderstand der Lupfarme wesentlich reduziert.
Die Leistungsfähigkeit einer solchen Säge lag bei ca. 1,5 m’ Schnittholz pro Tag. Um 1850 wurden diese Klopfsägen auf ihren mechanischen Höchststand gebracht. Die Wasserräder wurden erheblich vergrößert („Hochgang“) und gaben den Sägen den neuen Namen Hochgangsäge. Der Wellbaum mit den Schlegeln wurde ersetzt durch Kurbelwellen mit übersetzten Zahnkränzen und das Gatter mit einem Sägeblatt wurde zum „Vollgatter“ mit mehreren Sägeblättern, die verstellbar waren und sonst verschiedene Schnittstärken erlaubten. Zusätzlich machte die Erfindung des Kurbelantriebs mit „Pleuelstange“ einen kontinuierlichen, stoßfreien und arbeitssparenden Sägeablauf möglich. Die Pleuelstange, der "Steg“, die am Rande einer

Schwingscheibe beweglich angebracht ist, wandelt die Kreisbewegung des Wasserrades in eine Auf- und Abbewegung des Sägegatters um.
Unsere Säge ist ein Ständerbau, der auf drei Seiten verbrettert und mit einem Satteldach abgedeckt ist (Abb. 1). Eine kräftige mit Brettern belegte Balkenlage unterteilt den Einraum in ein in Bruchstein gemauertes Untergeschoß und das Hauptgeschoß. Bei Beginn der Renovierungsarbeiten 1982 wurde zunächst das Gebäude in „Dach und Fach“ saniert.
Das Mauerwerk wurde ausgebessert und eine 1920 angebaute, aber völlig verfallene Generatorenstation abgerissen. Unter äußerst tatkräftiger Hilfe der Forstverwaltung mit ihren Waldarbeitern wurde die verlorengegangene Wasserführung mit dem Kähner in Holz neu errichtet. Das Schindeldach und der Dachstuhl mußten größtenteils erneuert werden. Dabei wurden handgespaltene Holzschindeln verwendet; diese Holzschindeln werden seit drei Jahren von der Forstverwaltung im Rahmen der Winterarbeit der Waldarbeiter hergestellt und finden intern bei der Renovierung von landeseigenen Schwarzwaldhäusern Verwendung. Sowohl einzelne Ständer wie auch die gesamte Verbretterung des Obergeschosses, die durch Fäulnis und Schädlingsbefall nicht zu retten waren, wurden ergänzt.
Die Mechanik, die Mitte des 19. Jahrhunderts in Eisen erstellt wurde, war zwar teilweise im Gebäude verstreut, aber komplett. Sie wurde teilentrostet, gerichtet und in ihre alten Lager eingebaut. Bemerkenswert hierbei ist, daß die beiden Haupt-Zahnkränze auf der Wasserradwelle und der 1. Übersetzungswelle eiserne Räder sind, in denen hölzerne Zahnzapfen sitzen, die ihrerseits wieder in eiserne Zahnkränze eingreifen. Diese Holzzähne waren teils abgenutzt, teils fehlten sie; alle wurden in Eiche ersetzt. Ebenso mußten die gebrochene Pleuelstange und das Sägegatter erneuert werden.
Die Kosten der Gesamtinstandsetzung beliefen sich auf 69 000 DM.
Mit der Renovierung der Hochgangsäge wurde ein Zeugnis der frühen Technisierung der Nachwelt erhalten. Die Säge ist heute wieder voll funktionsfähig und in Betrieb. Das Forstamt Kirchzarten nutzt die Säge für die Holzverarbeitung des Eigenbedarfs.

Dipl-lng. Peter Hillenbrand Staal. Hochbauamt I Freiburg Mozartstraße 58
7800 Freiburg im Breisgau