Alte Kapellen im Dreisamtale bei Freiburg i. Br. Von Karl Friedrich Vilgis, Freiburg i. Br. Die Kapelle beim Breitehof (bei Zarten)
An der Fahrstraße nach dem Höllental zweigt einige hundert Schritte
außerhalb des Dorfes Ebnet bei einem im Jahre 1825 errichteten, von
fünf Lindenbäumen beschatteten Kruzifix, dessen Sockelinschrift (Die
Inschrift - sämtliche Worte mit großen Buchstaben - lautet: «Zur Ehre
Gottes U. Des Bitern Leiden U. Sterben Unsers Herr U. Erlösers Jesu
Christe Hat David Strecker U. Seine Ehefrau Monika Kotterer Von Ebnet
Dieses Kreuz Zum Andenken Der Ehmals Hier Auf Diesem Platz Gestandenen
St. Anna Kapelle Errichten Lassen« Anno 1825.) kundgibt, daß einst hier
eine Kapelle zu Ehren der hl. Anna gestanden - heute Lagerplatz für
fahrendes Volk -, links (Wegweiser: St. Peter) ein Feldweg nach dem
Breitehof ab. Nach etwa zwanzig Minuten kommt der Wanderer an einer
äußerlich etwas vernachlässigten, unscheinbaren Kapelle vorbei, welche
zu dem etwa hundert Schritte weiter vor dem Attentale liegenden
»Breiteburehof« gehört. Der Hof, zur Gemeinde Zarten gehörig, mit
seinem Wohnhaus, einem stattlichen, um das Jahr 1870 neu errichteten
Bau - 1470 »der meyer uff der Breitte« -, stellt mit seinen
Ökonomiegebäuden ein sehr ansehnliches bäuerliches Anwesen dar.
Der Wohnbau trägt einen Dachreiter mit Glöckchen, das vormittags 11 Uhr
und abends 7 Uhr geläutet wird; die der Straße zugekehrte Giebelseite,
in deren oberen Teil sich drei Nischen mit Glaskästen, in welchen
holzgeschnitzte Heiligenfiguren ausgestellt sind, befinden, hat in
mehreren Stockwerken vierzehn Fenster. Von dem Hofe meldet aus dem
Hungerjahr 1817 die Sage: ,,Auf dem Breiteburehof zwischen Ebnet und
dem Mattenthal (Attental) wurde in der Hungerszeit an Arme Getreide und
Essen um billigen Preis verkauft. Drum herrscht seither Glück und Segen
auf dem Haus» (Badisches Sagenbuch, Die Sagen des Breisgaus und der
Baar, Freiburg i. Br., 1898.) -
Kapelle beim Breitehof
Der Breitehof bei Zarten
Heiligenfiguren mit Reliquienkästchen auf dem Altar der Kapelle beim Breitehof
Votivtafel in der Kapelle beim Breitehof
Wer an der Kapelle, einem einfachen Bau mit quadratischem Grundriß und
außerordentlich dicken Mauern, an deren Straßenseite oben ein alter
holzgeschnitzter Kruzifixus hängt und die nur von einem kleinen Fenster
in der Südseite erhellt wird - eine Öffnung mit Holzgitter ist noch in
der Türe (Ostseite) - , vorübergeht, ahnt nicht, wieviel des
Interessanten sie in ihrem Innern birgt. Erwähnt sei noch, daß die
Kapelle laut Inschrift auf einer Votivtafel anno 1600 der hl. Jungfrau
sowie dem hl. Fridolin zu Ehren erbaut wurde.
Auf dem Altare fallen vor allem die große holzgeschnitzte Madonna mit
Kind, eine Büste des hl. Fridolin ( ?) und eine Statue des hl.
Antonius, beide ebenfalls aus Holz, ferner ein Reliquiar (auf
umseitigem Bilde zu Füßen der Madonna), eine mumifizierte Kinderhand
(!) enthaltend, auf; in einem anderen, kleineren, an einer Wand
hängenden Glaskästchen befinden sich Stoffreste mit einem vergilbten
Papierstreifen, dessen Worte unleserlich sind. Dann fällt ganz
besonders eine auf Holz gemalte Votivtafel auf, den Tod und einen
Geistlichen darstellend, von der später die Rede sein wird.
Die bereits erwähnte Madonna mit dem Kinde, eine 1,60 m hohe Holzstatue
(Lindenholz), trägt eine ungewöhnlich hohe Krone, in der rechten Hand,
an welcher zwei Finger abgebrochen sind, ein Zepter; auf dem linken Arm
hält sie das Kind, dessen Händchen abgebrochen, aber wie die Finger der
Madonna noch vorhanden sind. Die Haare der Madonna hängen zum Teil vorn
in zwei langen Strähnen herab, der übrige Teil fällt über die
Schultern. Die Gewandung hat die Farben Blau (Hell- und Dunkelblau),
Rot und Weiß, und ist goldbordiert.
Neben der Madonna steht links eine Büste, wohl des hl. Fridolin, 45 cm
hoch; er hält in der Rechten einen Abts- bzw. Bischofsstab (Fridolin
dürfte aber weder Abt noch Bischof gewesen sein; über Dichtung und
Wahrheit um die geschichtliche Persönlichkeit dieses Heiligen ist schon
viel geschrieben worden) A. Burckhardt: »Die Heiligen des Bistums
Basel«, Basler Jahrb. 1889. Balthers ,,Vita Fridolini confessoris" in
Mone, Quellensammlung der Bad. Landesgesch. Die Linke ruht auf einem
Buche. Die Hände tragen graue Handschuhe. Auf dem Kopfe hat er ein
blaues rundes Käppchen, von welchem zwei weiße Bänder nach hinten
herabhängen; um den Hals ist ein weißes Tuch gelegt. Die Figur ist mit
rotem Untergewand, grünem, goldbordiertem Überwurf bzw. Mäntelchen
bekleidet.
Rechts der Madonna steht eine Figur, wohl den hl. Antonius darstellend,
52 cm hoch; sie hat schwarzes Gewand mit zwei Goldborden am Kragen; die
linke Hand hält ein Buch.
Sämtliche Figuren, mehrfach schon übermalt, dürften wohl aus dem 18.
Jahrhundert stammen, vielleicht auch älter sein und
kunstgeschichtlichen Wert besitzen. Wie der Hofbesitzer (Steinhart)
Schreiber dieses mitteilte, seien schon öfters Herren aus Freiburg
(wohl Antiquitätenhändler) bei ihm gewesen, welche genannte drei
Figuren zu kaufen beabsichtigten, ja sogar bei evtl. Verkaufe derselben
sich erboten hätten, noch dazu die Kapelle außen und innen herrichten
zu lassen (!). - Die übrigen Heiligenfiguren, die noch Altar und Wände
zieren, stammen aus neuerer Zeit.
Da nun die genannten zwei Heiligen auch noch Schutzheilige des
bäuerlichen Viehbestandes sind, Fridolin als Rinderheiliger verehrt
wird, Antonius vor allem die Schweine beschützt, so wurden eben ihre
Statuen zur Verehrung in der Kapelle aufgestellt. Erwähnt sei noch, daß
Fridolin auch da und dort im Breisgau verehrt wird, so z.B. gibt es in
Krozingen eine Fridolinskapelle und in Oberambringen wird an seinem
Tage (6. März) feierlicher Gottesdienst ihm zu Ehren gehalten. (E. H.
Meyer, Badisches Volksleben, Straßburg 1900, S. 406.) Am 17. Januar,
dem Tage des Antonius »trugen die Bauerinnen Schinken zum Kapellen-
oder Waldbruder auf dem Giersberg« (bei Kirchzarten); »Segen für
die Mutterschweine erflehen an seinem Seitenaltare in der Kirche zu
Ballrechten (Amt Staufen) die Bäuerinnen«. (Meyer a. a. O. S.409.)
Wohl zum Interessantesten was die Kapelle birgt, gehört das auf eine
1,35m hohe und 1,20 m breite Holztafel mit breitem Rahmen gemalte Bild,
den Tod und einen Geistlichen bzw. Ordensbruder darstellend; im
Hintergrunde erblickt man eine Kirche oder Kapelle mit Nebengebäuden
(Kloster ?), umgeben von Bäumen (Pappeln u. a.). Der Ordensmann, in
schwarzem Habit und Kette mit Kreuz um den Hals, faßt mit seiner
rechten den Tod an der linken Hand. (Auf den bekannten sogenannten
Totentanzbildern faßt der Tod seine Opfer.) Der Tod, lediglich als
Gerippe, ohne die obligaten Beigaben (Stundenglas, Hippe u. a.), hält
in der Rechten ein Pergament mit zwei Siegeln und dem einzigen Wort
»Zito« (cito, schnell, rasch). In der Mitte des unteren Teiles der
Tafel steht nachstehende Inschrift:
»Im dusendt vnd secxhvnderdt Jar Hatt dise cappellen fyrwar Urich hecht
lossen avff Baven zur Ehr gottes vnd unser lieben fraven vnd dem lieben
heiligen fand Frytlein (Friedlin, Fridolin) Der welle unser vyrbitter
sein.« Links davon kniet der Stifter in schwarzem Mantel und weißer
Halskrause, überschrieben: Ulrich hecht, daneben bzw. hinter ihm seine
zehn Söhne, kniend, barhäuptig, ebenfalls wie der Vater gekleidet.
Ober- und unterhalb der Söhne stehen ihre Vornamen: Hans , Joseff,
Mattias, Doma (Thomas), Marx, Lorenz, Cevarin (Severin), Michel, Hans
und Andreas. Rechts der Inschrift knien seine drei Frauen mit zusammen
zehn Töchtern; eine Frau mit zwei, eine mit sechs und eine mit zwei
Töchtern, ebenfalls mit ihren Vornamen oben und unten: Maria,
Christina, Margarethe Ehvemarin, Cha- terin (bei den Frauen) Eva,
Christina, Ursola, Maria, Anna, Chaterin, Eva, Christine (bei den
Töchtern). Erwähnt sei noch, daß bei zwei Söhnen, einer Frau und drei
Töchtern je ein rotes Kreuz gemalt ist.
Was stellt nun diese Votivtafel dar? Offenbar ist der Geistliche ein
Sohn des Ulrich Hecht, des Stifters der Kapelle. Vielleicht hatte den
Sohn einmal eine schwere Krankheit befallen und der Vater eine Kapelle
zu bauen gelobt, wenn der geistliche Sohn wieder gesund wird, oder
dieser wurde plötzlich unvorbereitet vom Tode überrascht, was das
»Zito« andeuten könnte, und der Vater hat zu seinem Seelenheil das
Kapellchen erbaut.
Ein auf dem Hofe bediensteter alter Knecht sowie eine über 80 Jahre
alte Frau sagten auf Befragen, was über das Bild, den Geistlichen usw.
bekannt sei: ,,Sell isch d’r Luther! So hen sie scho vu lang her
gsait!« Der Reformator scheint überhaupt in manchen Sagen der Umgebung
zu spuken. So heißt es im Bad. Sagenbuch (a. a. O. S. 74) anläßlich der
Erwähnung der Kreuze (Sühnekreuze, die blutige Kirchweihe 1495 in
Ebringen) z.B.: »Die Sage behauptet nun, diese Steine bezeichneten die
Grenzmark bis zu der Luther mit seinem Heere (!) einst vorgedrungen und
geschlagen worden sei.« - Auch wird noch erzählt, ein Hofbesitzer sei
einst verarmt, hätte kein Vieh mehr gehabt usw. und die Kapelle dann
gebaut, um wieder emporzukommen, was aber sehr unwahrscheinlich klingt.
Erwähnt sei noch, daß seit einiger Zeit Altar samt Heiligenfiguren,
Votivtafel und sonstigen Bildern im Hofgebäude in sicherem Gewahrsam
untergebracht sind, nachdem im Spätherbst 1932 in die Kapelle ein
Einbruch versucht worden war. Interessenten werden jederzeit vom
Hofbesitzer Steinhart die genannten Gegenstände bereitwilligst gezeigt.
Aus:
Vilgis, Alte Kapellen im Dreisamtal bei Freiburg i.Br.
Mein Heimatland, 23. Jahrgang Heft 7/8, 1936, Seiten 290-293