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Erbschaft im Schweizerhof 1850

(Grundbuch I Zarten S.400 Nr. 176)

Geschehen Zarten dt 23 ten August 1850

Vor versammelten Gemeinderath:

Bürgermeister Briß, Gemeinderath, Pfändler, Dengler, Schwer

Erscheint Georg Ruh Bürger dahier und legt eine Abschrift vom Großherzogl. Landamts Revisorath von der Theilung der Verlassenschaft der verstorbenen Maria Anna geborene Knöpfle und unwiederruflichen Vermögens-Übergabe des Wittwers Johann Georg Ruh Bauers auf dem sogenannten Schweizerhof und die Verpfründung der Taubstummen entmüdigten 2 Söhne Joseph und Karl Ruh von Zarten 1851/52 vor, mit der Bitte, diese im Contraktenbuch eintragen zu wollen. Diese Bitte wird andurch gewährt.

Abschrift Nr. 4327:

Großherzogliches Land-Amts Revisorath Freyburg

Zarten

Theilung der Verlassenschaft der verstorbenen Maria Anna geborene Knöpfle und unwiederrufliche Vermögens-Übergabe des Wittwers Johann Georg Ruh Bausers auf dem sogenannten Schweizerhof und die Verpfründung der Taubstummen entmündigten 2 Söhne Joseph und KarlRuh von Zarten 1851/52 für Georg Ruh, ledig und volljährig in Zarten.

Geschehen Zarten den elften März Eintausend acht hundert zwei und fünfzig vor mir denm beeidigten . . . . . . . Notar Alban Glyckherr in Zarten wohnhaft.

Maria Anna geborene Knöpfle Ehefrau des Johann Georg Ruh, Bauers auf dem sogenannten Schweizerhof dahier, ist den 18 ten November 1851 gestorben und hat folgende Kinder zu Erben ihres Vermögens zurückgelassen.

1. Georg Ruh ledig und volljährig dahier 2. Joseph Ruh ledig und volljähjrig dahier, aber Taubstumm 3. Karl Ruh ledig und volljährig aber Taubstumm 4. Philippina Ruh geboren 11 ten Juny 1831 wurde am17 ten Dezemer 1851 Nr. 41294 als Vormund der zwei Taubstummen verpflichtet.

Joseph Steinhart Bauer dahier wurde am 17 ten Dezember 1851 Nr. 41 294 als Unterpfleger der minderjährigen Philippina Ruh verpflichtet.

Die nun getrauten (Schreibfehler = getrennten) Eheleute haben sich den 8 ten Juny 1814 aus dem ledigen Stande verehelicht und den 28 ten Mai 1814 einen Ehevertrag errichtet, woraus hierher Bezug hat:

Art. 3 Es errichten die Hochzeitleut eine allgemeine Gütergesmeinschaft mit Inbegriff des beweglichen und unbeweglichen, gegenwärtigen und zukünftigen Vermögens.

Art. 4 Wenn bei Absterben eines Theils Kinder am Leben sind, so sollte denselben die Vortheilsgerechtigkeit zu dem Hofgut des Hochzeiters zufallen, der überlebende Ehetheil aber berechtigt sein, das ganze Vermögen, folglich auch das Hofgut um den inventarischen Anschlag an sich zu ziehen und die Kinder in Geld auszuweisen, es sollen demnach die aus angehender Ehe zu hoffenden Kinder erst alsdann zu ihrem Vortheil gelangen, wenn beide Eltern gestorben sein oder freiwillig übergeben werden.

Art. 7 Der leztlebende Ehegatte solle befugt sein, einen zweiten Ehegatten zu sich auf das Hofgut aufzunehmen und demselben nicht nur einen Wittwensiz, sondern auch ein Leibgeding zu verschreiben.

Die Verstorbene hat keinen lezten Willen errichtet. Die Siegelanlegung wurde nicht vorgenommen. Auf Ansuchen des Wittwers 57 Jahre alt, bin ich der Distrikts-Notar zum Behuf der vorhabenden Vermögens-Übergabe desselben heute zu dem Vermögensverzeichnis geschritten. Da der Wittwer das zur Übergabe gesetzliche Alter von 63 Jahren noch nicht hat, so erhielt er Nachsichts Bewilligung am 17 ten J#mmer 1852 Amts Nr. 2136. Die Übernehmer sind des gedachten Wittwers 4 Kinder, der Übergeber erklärt, das er keinen lezten Willen errichtet hätte.

Gegenwärtig sind a) Betheiligte

1. Der Wittwer, Übergeber, welcher ernstlich ermahnt wurde, das vorhandene Vermögen getreulich anzuzgeben.

2 Der Sohn Georg Ruh, 3. Der Vormund Joseph Gremmelsbacher, 4. Der Unterpfleger Joseph Steinhart

b) Schätzer

Bürgermeister Andreas Briß, welcher erinnert wurde, alle Sachen nach dem wahren landläufigen Werth anzuschlagen.

c) Familienräthe

1 Mathäus Knöpfle Taglöhner, 2. Johann Georg Steinhart Schneider

d) Zeugen

1. Peter Pfändler Gemeinderath, 2 Lorenz Dengler Gemeinderath alle von hier.

Abgegebene Erklärungen

a) Von dem Wittwer dem Übergeber und

b) Von den Erben und Übernehmer: Sie würden das Nöthige weiter unten folgen lassen. Urkunde wird vorgelegt. Verlassenschafts Abhandlung des verstorbenen Michael Ruh von 1800.



Vermögensverzeichnis Liegenschaften

1) Haus Nr. 21 Ein Blockhaus und eine Blockscheuer unter einem Dach, Wagenschopf und Schweineställe.

2) Waschhaus, 3) Ein Keller Überbau 4) Hausplatz und Hofraite 7 Ruthen

5) Garten ein Morgen, 6) Aker zehn Morgen 3 Viertel 30 Ruthen,

7) Wiesen zwölf Morgen 16 Ruthen, 8) Wald fünf Morgen 3 Viertel 11 Ruthen

Zusammen Zwanzig neun Morgen drei Viertel 4 Ruthen als ein untheilbares Bauerngut angeschlagen zu 5 785 fl Fünftausend Siebenhundert achtzig fünf Gulden

Fahrnisse und Hausrath

Der Weitläufigkeit wegen werden sie nicht besonders angeführt in Summa für 615 fl

Die Schulden werden in 8 Positionen einzeln aufgelistet, meist in Form von geliehenen Darlehen mit einem Gesamtbetrag von 1513 fl 31 x.

Vergleichung

Das Vermögen besagt in Liegenschaften 5785 fl

In Fahrnissen 615 fl

Die Schuld ist 1513 fl

Bleiben nun übrig 4886 fl

Viertausend achthunder achtzig sechs Gulden

Vom reinen Vermögen ad 4886 fl haben nach Art. 3 des Ehevertrags errichteten allgemeinen Gütergemeinschaft der Wittwer und die Kinder jeder Theil die Hälfte zu fordern mit 2443 fl

Oder jeder Theil der 4 Kinder 610 fl

Vom reinen Vermögen ad 4886 fl geht ab

das mütterliche Vermögen für die Kinder mit 2443 fl

Ferner Nothpfennig, welchen der Übergeber auf das Hofgut vorbehaltet: 1286 fl

Rest welcher die reine Übergagssumme ausmacht 1156 fl

Ansprachsrechnung nach dem Willen des Übergebers soll von der reinen Masse jedes seiner Kinder also vom Viertel 289 fl Zwei hundert achtzig neun Gulden erhalten.

Übergabs Vertrag

Vor dem Distrikts Notar in Gegenwart obbenannten zwei Zeugen ist nun der gedachte Übergeber aufgetretten und erklärt bei gesunden Verstand aus freiem Willen durch Vermögens Übergabe vorverzeichnete Vermögens Gegenstände zum Vortheil seiner anwesenden Kinder und Erben wirklich und unwiederruflich sich begeben zu haben und bittet um Urkunde darüber.

Nach vorstehendem Vermögens Verzeichnis habe das übergebene Vermögen nach Abzug der Schulden, väterlichen Vorbehalt und Gleichstellungsgeld einen reinen Wehrt für jeden Übernehmer von 289 fl 11 ½ x.

Hierüber können die Übernehmer vom Tag der Annahme . . . verfügen mit der Auflage . . . .

Da der Übergeben sein ganzes Vermögen bis auf einige Fahrnisse abgegeben hat, so drückt er die Vorsorge für seinen künftigen Unterhalt folgendermaßen bestimmt aus.

1) Hinsichtlich der Wohnung behält er sich zur Benutzung vor das hindere Stüble, die Kammer oben darauf, den hindern Feuerherd in der Küche, den Keller unter dem Stüble, Plaz im Speicher zu einem Kleiderkassten und einen Fruchtkasten zu stellen, Plaz im Stall zu einer Kuh zu stellen, Plaz im Futtergang und auf der Heubühne zum Futter, einen Schweinestall, Plaz zum Speck räuchen und hängen, das Recht ein Schwein und 2 Hühner auf dem Rasen laufen zu lassen, genugsames Stroh in die Strohsäcke und zum Streu, Plaz auf der Tuchbleiche.

2) Hinsichtlich der Kleidung muß der Gutsübernehmer dem Übergeber alle Jahre abgeben 8 Pfund Riesten halb lange, halb kurze. 8 Pfund Kuder

3) Hinsichtlich der Kost, der Übergeber behält nach benannte Güter vor zur Benutzung, welch der Gutsübernehmer zu bauen, zu düngen und die Erzeugnisse heimzuführen hat und zwar:

Ein Krautgartenbett zwölf Schuh in das Quadrat. Ein Bohnenfeld 10 Schuh in das Quadrat,

Kornhalmfeld zu 3 Sester Erdäpfel zu setzen, die obere Briehelmatte, das Obst von einem Apfelbaum, einem Birnen Baum, einem Nußbaum, 2 Zwetschgenbäumen und 2 Kirschenbäumen, alle zur zweiten Wahl.

Im Sommer muß die Kuh des Übergebers mit den Kühen des Übernehmers gefüttert werden. Der Guts Übernehmer hat von heute anfangend nachbenanntes Leibgeding dem Übergeber jährlich in seiner Wohnung abzureichen nämlich:

6 Sester Weizen, 36 Sester Roggen, 20 Sester Haber, 36 Sester Erdäpfel, ein fünf Wochen altes Schweinlein von des Gutsnehmers Mutterschwein zur zweiten Wahl, 30 Pfund geräuchten Speck, ein Schunken, ein Rippstück, eine Wurst von jeder Sorten, ein Pfund Schweineschmalz, genugsammes Salz so lange der Gutsübernehmer den Salzhandel treibt, täglich sieben Wochen lang eine Maaß Milch von den Kühen hinweg, wenn die Kuh des Übergebers keine Milch gibt.

4) Hinsichtlich der Pflege für gesunde und kranke Tage. Der Gutsübernehmer hat das Recht das Kochen, Baken, Waschen etc. zu besorgen in kranken Tagen zu Wachen.

5) Nothpfennig. Der Übergeber behaltet für sich auf das Hofgut 1286 fl 29 x. Eintausend zweihundert achtzig sechs Gulden 29 x vor, woran der Gutsübernehmer auf Verlangen Abschlagszahlungen leisten muß, aber nur mit Quittungen bewiesene Zahlungen sollen gelten.

6) Holz machen und heimführen etc. Der Gutsübernehmer hat dem Übergeber genugsammes Holz zum Kochen, Einheizen und Waschen und genugsamme Spähne zum Licht abzugeben. Ferner muß er das Pferd zum Reiten oder Fahren auf eine Stunde Wegs abgeben, und wenn der Übergeber aqus seiner Wohnung wegzieht, so muß ihm der Gutsübernehmer die Leibgedings-Naturalien auf zwei Stunden Weges nachführen.

7) Der Sterbfall des Übergebers etc. Sollte der Übergeber sterben und eine Wittwe hinterlassen, do hat diese nacdh Art. 7 des Ehevertrags folgenden Wittwensiz unde Leibgeding anzusprechen. Die oben ausgedrükte Wohnung und alle Jahr an Leibgeding acht Sester Roggen, sechs Sester Hber, acht Pfund Anken, zehn Pfung Speck, täglich eine Maß Milch, das Recht vier Sester Erdäpfel alle Jahre in des Bauren Kornhalm zu setzen, das Recht 2 Hühner auf dem Rasen laufen zu lassen, das Recht mit dem Gutsübernehmer zu baken und zu waschen, genugsames Holz zum kochen, einheizen und waschen.

8) Der Bürgermeister schlagt das Leibgeding des Übergebers auf jährliche 130 fl. Einhundert dreißig Gildenan und versichert, daß der Unterhalt des Übergebers durch das Leibgeding und durch den Vorbehalt am Kaptal hinlänglich gesichert sei“.

Die Nebenbedingungen werden in 17 verschiedenen Abschnitten näher bestimmt. Eine größere Zahl ist mit formalen vertraglichen Bestimmungen behaftet. Einige besonders aufschlußreiche Abmachungen, die einen guten Einblick in die früheren Lebensumstände ermöglichen, werden auszugsweise wiedergegeben.

In den Abschnitten 1 – 10 wird die Zufriedenheit der am Vertrag Beteiligten erklärt und weiter:

11) An Fahrnissen erhielt bei der Theilung und Übergabe jedes Kind ein aufgeristet Bett im Anschlag von 5 fl fünf Gulden.

12) Die Tochter Philippina Ruh hat in ihrem ledigen Stande die Herberge im übergebenen Wohnhause und den nötigen Plaz in der Stubenkammer zu einer Bettlade und einem Kasten zu stellen anzusprechen.

16) Der Vormund gibt an, daß seine Mündel ihm nichts schuldig seien.

17) Hinsichtlich der beiden taubstummen entmündigten Söhne Joseph Ruh 28 Jahr alt und Karl Ruh 25 Jahr alt wurde mit Genehmigung des Vormunds des Waisengerichts und des Familienraths und des Familienraths folgende unwiederrufliche Verpfründung mit dem Sohne und Gutsübernehmer Georg Ruh festgesetzt.

1) Hinsichtlich der Wohnung. Georg Ruh als Pfründgeber für sich und seine Erben nimmt seine Brüder Joseph und Karl Ruh als Pfründnehmer von jetzt an für ihre ganze Lebenszeit in sein Haus auf, räumt ihnen zur Wohnung Plaz in der Wohnstube und zum Schlafen Plaz in einer heizbaren Kammer ein, besorgt die nötige Erwärmung und die Ausbesserungen in der Wohnung, stellt ihnen gute Better und besorgt die Wäsche ihres Weißzeugs.

Hinsichtlich der Kleidung schaft der Pfründgeber ihnen den Pfründnehmern die nötige Kleidung nach ihrem bisherigen Stand ohne Ausnahme an und unterhaltet solche im Waschen und Fliken. Hinsichtlich der Kost. Diese wird denjenigen für gleich angenommen, welche der Pfründgeber nach seiner Hausordnung seinen eigenen Familien Gliedern giebt.

Hinsichtlich der Pflege für gesunde und kranke Tage. Der Pfründgeber sorgt für das Zimmerkehren, Bettmachen, für Licht und im Fall einer Krankheit für herbeirufung des Arztes für die verordneten Arzneien, Speisen und andere Mittel, welche vom Arzht für dienlich erachtet werden, auch für einen besondern Abwärter, wenn er es nicht selbst thun mag und wenn die Pfründnehmer sterben, für ordnungsmäßige Beerdigung“.


Zum Schluß wurde die Teilung und Vermögensübergabe in Gegenwart der Zeugen vorgelesen, von den Vertragspartnern genehmigt und unterschrieben.

Vom Landamt in Freiburg wurde die Vermögensübergabe staatspolizeilich und der Verpfründungsvertrag obervormundschaftlich genehmigt am 3. Juli und am 5. August 1852 zum Eintrag in das Grundbuch in Zarten übersandt.