KIRCHZARTEN. Lag es an der Faszination des Mittelalters, die
immer noch viele Menschen erfasst? Oder am lokalen Thema?
Der Vortrag von Heinz Krieg über das Dorf Zarten vom frühen
bis zum hohen Mittelalter zog viele Zuhörer an. Die Große
Stube in der Talvogtei Kirchzarten war bis auf den letzten
Platz besetzt. Es war der abschließende Festvortrag zum
1200-jährigen Jubiläum der Ersterwähnung der Zartener St.
Johanneskapelle im Jahr 816.
Der Kirchliche Förderverein St. Johanneskapelle Zarten, das
Forum für Heimat. geschichte Kirchzarten und die Ökumenische
Erwachsenenbildung Stegen hatten den Abend organisiert. Der
Referent ging zunächst auf die lange Jahre irrtümliche
Zuschreibung Zardunas als Kirchzarten ein. Niemand konnte
sich im 20. Jahrhundert vorstellen, dass der Kleine Ort
einst bedeutender gewesen war als der „große Nachbar“. Erst
die Entdeckung der keltischen Siedlung Im Gewann Rotacker
bei Zarten durch Dr. Heiko Wagner und die eindeutige
Zuschreibung dieser frühen Besiedlung auf das Dorf Zarten
durch Bernhard Mangei änderten die falsche Interpretation.
Krieg erläuterte ausführlich die wenigen
frühmittellterlichen Urkunden, die in Bezug zu Zarten
stehen. Alle wurden vom Kloster St. Gallen gefertigt. Die
Zuhörer bekamen dadurch eine Vorstellung, wie ein
Mittelalterhistoriker eine Quelle erschließt und welche
Schwierigkeiten dabei entstehen können, insbesondere
Datierungsprobleme. Da nicht ein festes Datum angegeben
wurde, wie wir es heute kennen, ist die zeitliche Festlegung
der Dokumente oft Auslegungssache.
Zum Beispiel steht in der ersten Urkunde Zartens von 705 die
Formel „im 14. Regierungsjahr des Herrn Pippin". Gemeint war
damit der Vater Karls des Großen, Pippin der Jüngere. Dessen
Regieungsbeginn ist für heutige Historiker jedoch keineswegs
eindeutig: Ist damit das Jahr der Königswahl 751 gemeint
oder die Salbung durch den Papst 754, durch die die
königliche Herrschaft göttlich legitimiert wurde? Auch die
Urkunde zur Ersterwähnung der St. Johanneskapelle aus dem
Jahr 816 wurde von dem Heimathistoriker Max Weber in den
1960er Jahren falsch oder zumindest voreilig datiert. In dem
Dokument wird lediglich ein Montag im Mai desJahres 816 als
Ausstellungsdatum erwähnt. Weber legte sich auf den 3. Mai
fest
Die wenigen vorliegenden Urkunden bezeichnete Krieg als
„zufällige Überlieferungssplitter“. Damit deutete er auf das
grundlegende Problem für Mittelalterhistoriker: die
fehlenden Quellen. Somit lassen sich über das eigentliche
Leben im mittelalterlichen Zarten und dessen
Erscheinungsbild oder Größe kaum genaue Aussagen treffen,
obwohl sich das vermutlich viele Zuhörer erhofft hatten. Die
Quellen liefern lediglich Spontanaufnahmen. Die Urkunden
wurden nämlich nur dann gefertigt, wenn es Konflikte gab
oder grundlegende Veränderungen im Besitzstand auftraten.
Vor allem die adlige Lebenswelt wurde in ihnen beschrieben =
und das auch noch durch den Filter von Geistlichen. Nur
diese waren aufgrund ihres hohen Bildungsgrades überhaupt in
der Lage, Urkunden aufzusetzen.
Die Zähringer verlagerten die Pfarrkirche nach Kirchzarten
Erst ab dem 11. Jahrhundert, mit dem Beginn des
Hochmittelalters, bessert sich die Quellenlage. Es begann
eine Zeit des Umbruchs: in der mittelalterlichen
Gesellschaft insgesamt und für den Raum Zarten. Vor 1100
verlagerten die hochadligen Zähringer ihr Herrschaftszentrum
in.den nördlichen Breisgau. Ihren Machtanspruch setzten sie
teils auch gegen den Willen des Königs mit militärischer
Härte durch. Unter anderem wurde dabei die Burg Wiesneck
zerstört.
Dieser politisch-kriegerische Einbruch der Zähringer Herzöge
wirkte sich nachhaltig auf den ganzen Raum des
Dreisambeckens und der Region aus. Es kam zu einem Umbruch
in der adligen Welt. Zum Beispiel stiegen die Herren von
Falkenstein aus dem Ministerialendienst der Zähringer zu
einem der einflussreichsten Geschlechter im Breisgau auf.
Für Zarten war der Wandel jedoch geradezu dramatisch. Mit
der Verlagerung der Pfarrkirche nach Kirchzarten wurden dem
bis dahin zentralen Ort des Dreisambeckens wichtige
Einnahmen entzogen - 1125 wurde Kirchzarten in einer
Schlichtungsurkunde erstmals erwähnt. Wie sich dieser
Umbruch genau vollzog und was das für die Menschen
bedeutete, bleibt jedoch unklar. Die Urkunden fehlen.
In seinen Ausführungen setzte Krieg sich immer wieder mit
der für die Geschichte des Dreisambeckens grundlegenden
Dissertation von Bernhard Mangei auseinander. Diese sei für
ihn maßgeblich bei seinen lokalen Studien, sagte er. Doch
einige von dessen Thesen relativiere er aufgrund fehlender
Quellen und zu gewagter Interpretationen.
In den nächsten Jahren wird es noch einige
Neuveröffentlichungen zur Geschichte des Dreisamtals aus der
Abteilung der Landesgeschichte geben. Vor allem der
ehemalige Mitarbeiter des Instituts, Tobie Walther, hat sich
intensiv mit der Burg Wiesneck als wichtigen Herrschaftssitz
befasst und einige neue Erkenntnisse gewonnen. Man darf
gespannt sein.
Dargleff Jahnke