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Zarduna war bedeutender als Kirchzarten
Abschließender Festvortrag von Heinz Krieg über die mittelalterliche Geschichte Zartens zum 1200-jährigen Jubiläum der Ersterwähnung des Orts
Aus:
Badische Zeitung vom Dienstag, 4. Oktober 2016



KIRCHZARTEN. Lag es an der Faszination des Mittelalters, die immer noch viele Menschen erfasst? Oder am lokalen Thema? Der Vortrag von Heinz Krieg über das Dorf Zarten vom frühen bis zum hohen Mittelalter zog viele Zuhörer an. Die Große Stube in der Talvogtei Kirchzarten war bis auf den letzten Platz besetzt. Es war der abschließende Festvortrag zum 1200-jährigen Jubiläum der Ersterwähnung der Zartener St. Johanneskapelle im Jahr 816.

Der Kirchliche Förderverein St. Johanneskapelle Zarten, das Forum für Heimat. geschichte Kirchzarten und die Ökumenische Erwachsenenbildung Stegen hatten den Abend organisiert. Der Referent ging zunächst auf die lange Jahre irrtümliche Zuschreibung Zardunas als Kirchzarten ein. Niemand konnte sich im 20. Jahrhundert vorstellen, dass der Kleine Ort einst bedeutender gewesen war als der „große Nachbar“. Erst die Entdeckung der keltischen Siedlung Im Gewann Rotacker bei Zarten durch Dr. Heiko Wagner und die eindeutige Zuschreibung dieser frühen Besiedlung auf das Dorf Zarten durch Bernhard Mangei änderten die falsche Interpretation.

Krieg erläuterte ausführlich die wenigen frühmittellterlichen Urkunden, die in Bezug zu Zarten stehen. Alle wurden vom Kloster St. Gallen gefertigt. Die Zuhörer bekamen dadurch eine Vorstellung, wie ein Mittelalterhistoriker eine Quelle erschließt und welche Schwierigkeiten dabei entstehen können, insbesondere Datierungsprobleme. Da nicht ein festes Datum angegeben wurde, wie wir es heute kennen, ist die zeitliche Festlegung der Dokumente oft Auslegungssache. 

Zum Beispiel steht in der ersten Urkunde Zartens von 705 die Formel „im 14. Regierungsjahr des Herrn Pippin". Gemeint war damit der Vater Karls des Großen, Pippin der Jüngere. Dessen Regieungsbeginn ist für heutige Historiker jedoch keineswegs eindeutig: Ist damit das Jahr der Königswahl 751 gemeint oder die Salbung durch den Papst 754, durch die die königliche Herrschaft göttlich legitimiert wurde? Auch die Urkunde zur Ersterwähnung der St. Johanneskapelle aus dem Jahr 816 wurde von dem Heimathistoriker Max Weber in den 1960er Jahren falsch oder zumindest voreilig datiert. In dem Dokument wird lediglich ein Montag im Mai desJahres 816 als Ausstellungsdatum erwähnt. Weber legte sich auf den 3. Mai fest 

Die wenigen vorliegenden Urkunden bezeichnete Krieg als „zufällige Überlieferungssplitter“. Damit deutete er auf das grundlegende Problem für Mittelalterhistoriker: die fehlenden Quellen. Somit lassen sich über das eigentliche Leben im mittelalterlichen Zarten und dessen Erscheinungsbild oder Größe kaum genaue Aussagen treffen, obwohl sich das vermutlich viele Zuhörer erhofft hatten. Die Quellen liefern lediglich Spontanaufnahmen. Die Urkunden wurden nämlich nur dann gefertigt, wenn es Konflikte gab oder grundlegende Veränderungen im Besitzstand auftraten. Vor allem die adlige Lebenswelt wurde in ihnen beschrieben = und das auch noch durch den Filter von Geistlichen. Nur diese waren aufgrund ihres hohen Bildungsgrades überhaupt in der Lage, Urkunden aufzusetzen. 

Die Zähringer verlagerten die Pfarrkirche nach Kirchzarten

Erst ab dem 11. Jahrhundert, mit dem Beginn des Hochmittelalters, bessert sich die Quellenlage. Es begann eine Zeit des Umbruchs: in der mittelalterlichen Gesellschaft insgesamt und für den Raum Zarten. Vor 1100 verlagerten die hochadligen Zähringer ihr Herrschaftszentrum in.den nördlichen Breisgau. Ihren Machtanspruch setzten sie teils auch gegen den Willen des Königs mit militärischer Härte durch. Unter anderem wurde dabei die Burg Wiesneck zerstört. 

Dieser politisch-kriegerische Einbruch der Zähringer Herzöge wirkte sich nachhaltig auf den ganzen Raum des Dreisambeckens und der Region aus. Es kam zu einem Umbruch in der adligen Welt. Zum Beispiel stiegen die Herren von Falkenstein aus dem Ministerialendienst der Zähringer zu einem der einflussreichsten Geschlechter im Breisgau auf. Für Zarten war der Wandel jedoch geradezu dramatisch. Mit der Verlagerung der Pfarrkirche nach Kirchzarten wurden dem bis dahin zentralen Ort des Dreisambeckens wichtige Einnahmen entzogen - 1125 wurde Kirchzarten in einer Schlichtungsurkunde erstmals erwähnt. Wie sich dieser Umbruch genau vollzog und was das für die Menschen bedeutete, bleibt jedoch unklar. Die Urkunden fehlen.

In seinen Ausführungen setzte Krieg sich immer wieder mit der für die Geschichte des Dreisambeckens grundlegenden Dissertation von Bernhard Mangei auseinander. Diese sei für ihn maßgeblich bei seinen lokalen Studien, sagte er. Doch einige von dessen Thesen relativiere er aufgrund fehlender Quellen und zu gewagter Interpretationen.

In den nächsten Jahren wird es noch einige Neuveröffentlichungen zur Geschichte des Dreisamtals aus der Abteilung der Landesgeschichte geben. Vor allem der ehemalige Mitarbeiter des Instituts, Tobie Walther, hat sich intensiv mit der Burg Wiesneck als wichtigen Herrschaftssitz befasst und einige neue Erkenntnisse gewonnen. Man darf gespannt sein.                 Dargleff Jahnke