zum Inhaltsverzeichnis

Wittental
25 Jahre Ortsteil von Stegen (1974 - 1999)
Historische Anmerkungen
von Prof. Siegfried Thiel



Heutige Gemeindezusammenschlüsse und Eingemeindungen wie die von Wittental nach Stegen am 1. Juli 1974 sind keine Besonderheit im Ablauf der Geschichte. Schon in früheren Zeiten fanden solche Vereinigungen und Neuorientierungen statt, nicht selten verbunden mit Ärger, Zom und Widerstand. Wir wollen deshalb einen kurzen Blick in die Geschichte werfen, um uns daran zu erinnern, wie es kam, daß Wittental und Attental eine Gemeinde wurden und wie sich diese vor 25 Jahren mit Stegen verband.
Wittental und Attental waren verwaltungsmäßig fast das ganze 2. Jahrtausend lang getrennte Wege gegangen, obwohl sie direkt nebeneinander liegen. Eine eigene Gemeinde aber bilden sie zusammen mit Falkenbühl und Baldenweg erst seit 1813. Als nämlich nach der Gründung Badens die Freiburger Grundherrschaft im Zartner Becken (Dreisamtal) durch die großherzogliche Regierung aufgelöst wurde, übernahm das Großherzogtum Baden dieselbe, löste Attental aus dem bisher zu Freiburg gehörenden Gemeindeverband mit Zarten und vereinigte Wittental und Attental zu einer Gemeinde. Wittental war es schon vorher (ab 1790) durch wiederholtes Drängen gelungen, den Gemeindeverband Zarten zu verlassen und zusammen mit den in der Ebene gelegenen Siedlungen Falkenbühl und Baldenweg eine eigene, wenn auch kleine Gemeinde zu bilden. Wittental und Attental umfaßten damals nicht einmal zwei Handvoll Hofgüter, die zu einer Gemeinde verbunden wurden: Attental mit Rauferhof, Bankscherhof, Hugenhof und Albrechtenhof; Wittental mit Recklehof, Andresenhof, Hannisenhof, Bankenhof, Falkenbühl und Baldenwegerhof, dazu einige Berghäusle und Taglöhnerbehausungen.
Die beiden "neuen“ Ortsteile hatten selbst schon eine lange Entwicklung hinter sich, Das Wittental war schon im 13. Jahrhundert in zwei getrennte Siedlungen unterteilt gewesen: „Witental inferior“ und "Witental superior“, das untere und obere Wittental, wie man sagen kann, wenn die schluchtartige Engstelle hinter Andresen- und Hannisenhof als Trennlinie betrachtet wird.
Das Kloster St.Märgen hatte laut Berain (Guterverzeichnis) von 1260/70 Besitzungen sowohl im "Witental inferior“ als auch im “Witental superior“, wobei die St.Märgener Güter laut Dingrodel (Auflistung von Gütern, Rechten und Pflichten) von 1397 zum Meieramt Zarten gehörten, dessen Ortsherren die Tegelin waren.
1432 wurden beide Siedlungen von den Tegelin an Heinrich von Blumeck zu Kirchzarten verkauft, wobei die damaligen Grenzen Wittentals beschrieben wurde: „Bis zum Eschbach und an die Attentaler Straße.“
Interessant ist, daß im Wittentaler Weistum (Dorfrechtsvertrag) von nur einem „vokt (Vogt) und die Gemeinde ze Widendal in dem vordem und hintem grut“ die Rede ist - eine Zusammenarbeit kann also angenommen werden,
Um 1517 kam Wittental, wahrscheinlich zusammen mit Falkenbühl und Baldenweg, von der Blumeckschen Herrschaft unter die Herrschaft Landeck, auf welche dann Ende des 16. Jahrhunderts die Sickinger folgten. Die roten Kugeln der Sickinger im Wappen von Wittental weisen darauf hin, das rote Kreuz steht für Attentals Verbindung zu Freiburg.
Dieser Hinweis auf die ehemalige Zugehörigkeit Attentals zu Freiburg ist deshalb wichtig, weil sich hier weltgeschichtliche Ereignisse besonders deutlich auf unseren Raum auswirkten. Die vorderösterreichische Herrschaft der Habsburger war um die Jahrhundertwende ( 1797 und 1805) durch die napoleonischen Kriege zu Ende gegangen, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation hatte aufgehört zu bestehen. An dessen Stelle trat nach dem Reichsdeputationshauptschluß von 1806 das Haus Baden und seine großherzogliche Regierung, Diese beschloß, daß Freiburg die Grundherrschaft über das Dreisamtal verlieren und im Zuge dieser Entscheidung das Attental von Freiburg, d.h. vom Gemeindeverband Zarten gelöst und mit Wittental zu einer Gemeinde verbunden werden sollte. Freiburg protestierte gegen die Abtrennung und verwies auf die langen Beziehungen zu Attental.
Attental war ursprünglich ein Besitz der Gründerfamilie des Klosters St.Märgen. Die frühe Verbindung zur Freiburg wird daran deutlich, daß der Abt von St,Märgen 1215 dem Konrad von Adelhausen das Wiesengelände vor dem Eingang des Tales zum Erblehen verlieh. Der Begriff der "Adelhauser Matten“ hat sich im Bewußtsein der Attentäler bis heute erhalten.
Ende des 13. Jahrhunderts hatten die Johanniter und auch Freiburger im Attental Güter von St.Märgen zu Lehen - die Verbindung zu Freiburg wurde noch enger.
1499 erwarb Freiburg das obere Attental aus dem Besitz von St.Peter. Da Freiburg das untere Attental seit 1462 durch den Ankauf der Güter St.Märgens schon weitgehend besaß, war nun das ganze Attental unter den Einfluß von Freiburg gekommen. Die von Freiburg durch den Talvogt in Kirchzarten ausgeübte Macht über große Teile des Zartner Beckens bezog sich nun auf das ganze Attental, das dem Gemeindeverband Zarten zugeordnet wurde. Die Bewohner des Attental empfanden sich in dieser Verbindung mit Zarten aber als Benachteiligte. Reibereien blieben nicht aus. Am Ende des 18. Jahrhunderts (1780) wandte man sich über Deputierte an den Magistrat von Freiburg, um eine Trennung von Zarten zu erreichen, wogegen sich wiederum Zarten wehrte. Mit der Aufhebung der Grundherrschaft Freiburgs durch die großherzogliche Regierung war aber Freiburgs Einfluß dahin, und Attental wurde 1813 mit Wittental zu einer Gemeinde vereinigt, wenn auch mit getrennter Gemarkung und Gemeinderechnung. Der Bürgermeister wurde aus Paritätsgründen abwechselnd gestellt. Dabei war es nicht immer leicht, überhaupt einen Bürgermeister zu bestellen, denn dieser wurde bei jeder Schwierigkeit oder Beanstandung von der Regierung haftbar gemacht. Dies führte z. B. im benachbarten Eschbach dazu, daß sich niemand mehr für das Amt zur Verfügung stellte und lieber eine Geldbuße in Kauf nahm, als das Amt zu übernehmen.
Die Schwierigkeiten beim Zusammenwachsen wirkten weiter. In den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts, einer Zeit mit immer wiederkehrenden Hungersnöten, welche nicht zuletzt die Revolution von 1848 mitbedingten, kam es zum ständigen Streit der beiden Ortsteile, weil man sich nicht über die Verteilung der gemeinsamen Lasten einigen konnte. Vor allem der geplante Schulhausbau führte zu Auseinandersetzungen. Im Attental war schon seit 1770 in einem Privathaus Schule gehalten worden, wobei Freiburg einen Zuschuß leistete. Wittental war zu dieser Zeit in den Schulverband Weiler/Stegen eingegliedert. Sowohl Wittental als auch Stegen boten Plätze für einen Schulhausbau an. Da man sich aber längere Zeit nicht einigen konnte, mußten die Schüler aus Wittental und Attental zeitweilig sogar in die Schule nach Zarten ausweichen. Der Ortsteil Wittental versuchte deshalb immer wieder, vom Vertrag von 1813/14 zurückzutreten und wieder eine selbständige Gemeinde ohne Attental zu bilden. Dies aber scheiterte am Widerstand Attentals.
Erst 1935/36 einigte man sich auf einen Kompromiß und baute an der Verbindungsstraße zwischen beiden Tälern im Fohrenbühl ein neues Schulhaus mit Ratszimmer. Die Kinder von Attental und Wittental lernten sich nun schon auf der gemeinsamen Schulbank besser kennen - ein nicht zu unterschätzendes Element auf dem Weg in eine gemeinsame Zukunft, die sich in den nächsten Jahrzehnten und im nächsten Jahrhundert entwickeln sollte.
Die schnelle politische und gesellschaftliche Entwicklung nach 1945 aber führte zu neuen Überlegungen. Die wachsenden Ansprüche der Bevölkerung an eine gute Infrastruktur, die größere Mobilität, die Entfernungen schrumpfen lies, die Umwandlung von eher landwirtschaftlich bestimmten Dörfern zu" Wohnsiedlungen - all dies ließ die vielen kleinen Gemeindeverwaltungen als überholt erscheinen. So betraf die von der Landesregierung nach 1967 eingeleitete Gemeindereform auch Wittental mit seinen 350 Einwohnern. Aus den Protokollen des Gemeinderates läßt sich der nicht immer einfache Weg ablesen. In seinem Rechenschaftsbericht für das Jahr 1969/70 wies der neu gewählte Bürgermeister Karl Heizmann 1970 darauf hin, welche große Aufgaben angepackt oder noch vor der Gemeinde lagen: Rathausumbau und -sanierung‚ Straßen- und Waldwegebau, Müllbeseitigung und Kanalisation, wobei die Finanzierung der Gemeinde zunehmend Sorge bereitete.
Im Gemeinderat Wittental wurde 1970 über die ersten Informationen zur Gemeinde- und Kreisreform diskutiert, aber noch kein Beschluß gefaßt, da man eine Stellungnahme der Bürgermeister des Dreisamtals abwarten wollte. Die aber konnten sich nicht einigen. Am 25.11.1970 wurde der im Gesetzesentwurf zur Gemeindereform vorgesehenen Zuordnung der Gemeinde Wittental zum Landkreis Freiburg zugestimmt, aber die vorgeschlagene Verbindung der Gemeinde Wittental mit einem Verwaltungszentrum Stegen noch abgelehnt - Wittental wollte selbständig bleiben.
In den darauffolgenden Jahren (1971/72/73) stand die Gemeindereform immer wieder auf der Tagesordnung des Gemeinderats, wobei folgende Grundhaltung des Gemeinderates deutlich wurde: Selbständigkeit ja; Verwaltungsgemeinschaft ja - aber mit wem? Diese Frage blieb offen, wobei Kirchzarten und Stegen als mögliche Partner einer Verwaltungsgemeinschaft genannt wurden. 1973 versuchte die Gemeinde ihre Selbständigkeit dadurch zu erhalten, indem man eine Verwaltungsgemeinschaft mit Kirchzarten anstrebte. Sollte diese nicht möglich sein, wurde eine Eingemeindung nach Kirchzarten überlegt. Die Tatsachen aus Schul- und Kindergartenentwicklung verwiesen aber in eine andere Richtung. Der Besuch des Kindergarten Stegen durch Wittentäler Kinder und die von den Eltern geforderte Einrichtung von Jahrgangsklassen, die in der Wittentäler Schule nicht zu verwirklichen war, schufen Fakten, die nicht zu umgehen waren. Als das Oberschulamt 1972 die Grundschule vorläufig schloß und die Wittentäler Kinder an die Stegener Schule verwies, rückte Stegen als Partner stärker in den Blickpunkt. Auch im Gemeinderat setzte sich diese Haltung durch, nicht zuletzt auch aus infrastrukturellen, wirtschaftlichen und kirchlichen Gründen. Als Stegen im September 1973 selbst auf Wittental zukam und ein entsprechendes Angebot machte, wurde die Gelegenheit wahrgenommen und mit Stegen Verhandlungen über die Eingemeindung begonnen. Dabei war den Gemeinderäten bewußt, daß auch die Aufsichtsbehörde Landratsamt kaum einer anderen Lösung zugestimmt hätte, wie sich an den Akten ablesen läßt.
Die von der Landesregierung für den 20.01.1974 angeordnete Bürgeranhörung erbrachte eine große Mehrheit für die Eingemeindung nach Stegen, die dann am 1.Juli 1974 von den beiden Bürgermeistern Klaus Birkenmaier und Karl Heizmann besiegelt wurde.
Nun ist die Gemeinde Wittental schon seit einem Vierteljahrhundert, 25 Jahre lang, seit dem 1. Juli 1974 ein Ortsteil der Gesamtgemeinde Stegen. Wittental und Attental mit seinen Nebentälern, dazu Falkenbühl und Baldenweg haben sich zusammengefunden und sind nun gleichberechtigte Bürger der Gesamtgemeinde Stegen mit Eschbach und Wittental. Dabei soll es auf absehbare Zeit auch bleiben, wobei die kleinem Ortsteile immer darauf achten werden, ihre Identität nicht zu verlieren und ihre jeweiligen Eigenheiten belebend in die Gesamtgemeinde einzubringen_
Literatur
Haserodt, K.‚ Stülpnagel, W, NoIzen‚ H., Raum, W.: Die Gemeinde Stegen mit Wittental, Amtliche Kreisbeschreibung Freiburg i. Br., Stadt- und Landkreis, Band II/2, Sonderdruck, Freiburg 1974
Haselier, G. (Hrsg.) et al: In Marcha Zardunense, Geographie und Geschichte des Zartner Beckens, Kirchzarten 1966
Wittental, Öffentliche und nichtöffentliche Sitzungen 1970 - 1974, Gemeindearchiv Stegen, CAST/W2 8.