Für die Zukunft gebaut
Einweihung und Übergabe einer „Kleinstschule“ in der
Gemeinde Wittental
Ein Schmuckstück in der Landschaft des Dreisamtals
Breisgauer Nachrichten
Dienstag. 21. Februar 1967
Wittental
Unter großen finanziellen Opfern hat die Gemeinde Wittental, der
Generationen hindurch nur ein Zimmer im Rathaus als Schulraum
zur Verfügung stand, mit dem Bau einer Kleinstschule ihre
katastrophale Schulmisere überwinden können. Aus eigener Kraft
wäre es, der kleinen, 250 Einwohner zählenden Gemeinde nicht
möglich gewesen, die rund 400.000 Mark für den Schulbau und die
Lehrerwohnung aufzubringen. Förderungsmittel aus dem
Schulhausbau-Sonderprogramm des Landes Baden-Württemberg,
Zuschüsse einer Reihe von Behörden und nicht zuletzt die
Fürsprache von Oberschulrat Ramminger vom Staatlichen Schulamt
Freiburg-Land gaben die Voraussetzungen zum Bauen.
Im Gruppenraum der Schule, in die Oberlehrer Eckenfels mit
seinen 24 Schülern am 1. Dezember des vergangenen Jahres
Übersiedeln konnte, halten sich am Samstag die Einwohner von
Wittental und eine große Zahl von prominenten Gästen zur
Einweihung und Übergabe der Schule versammelt. Bürgermeister
Pius Hug würdigte das Ereignis, das weit in die Zukunft wirken
werde, als Meilenstein für die Geschichte des Ortes. Die
Gemeinde sei gut beraten gewesen, als sie die freien Architekten
Poppe, Rudel, Bayha und Kolb mit der Planung und dem Bau der
Schule mit angegliedertem Lehrerwohnhaus betraut habe, In
Gemeinschaftsarbeit als Architektengruppe sei es diesen
Fachleuten gelungen, eine zweckmäßig gestaltete Bildungsstätte
zu schaffen, die sich als Schmuckstück in die Landschaft des
Dreisamtals einfüge.
Als hohe Ehre rechnete es sich Bürgermeister Hug an, als Gäste
begrüßen zu dürfen: den Präsidenten des Oberschulamtes, Dr.
Nunier, Oberschulrat Ramminger und Schulrat Walter vom
Staatlichen Schulamt. Freiburg-Land, Oberregierungsrat
Langensiepen, Bezirksbaumeister Bronner und die Herren Darmmert
und Mattmüller vom Landratsamt, Oberregierungsbaurat Büttner und
Oberregierungslandwirtschaftsrat Mertznich. Grüße galten ferner
dem Bundestagsabgeordneten Dr. Kopf, Direktor Haberer von der
Bezirks-Sparkasse Kirchzarten, sowie einer Reihe von
Bürgermeistern und Schulleitern aus benachbarten Gemeinden.
Begrüßen konnte er auch Oberschulrat a.D. Sorg, den Vorgänger
von Oberlehrer Eckenfels In Wittental.
Der Dank des Bürgermeisters
Der Dank von Bürgermeister Hug galt vor allem der
Landesregierung, dem Oberschulamt, dem Staatlichen Schulamt
Freiburg-Land, dem Landratsamt, dem Staatlichen Liegenschaftsamt
und der Bezirkssparkasse Kirchzarten, die durch finanzielle
Unterstützung und tatkräftige Förderung dem Werk zum Erfolg
verholfen hätten. Zu danken habe er aber auch dem Gemeinderat
der den- Mut aufgebracht und den Weitblick, besessen habe, durch
seinen Beschluß den Schülern eine den heutigen Erfordernissen
entsprechende Bildungsstätte und der Gemeinde ein Zentrum für
das kulturelle Leben gegeben zu haben. Sein Dank gelte ferner
den Baumelstern, Architekten, Handwerkern und Arbeitern und
nicht zuletzt Oberlehrer Eckenfels, der in seiner Eigenschaft
als Ratschreiber die Verhandlungen mit den Behörden geführt und
bei allen Stellen sozusagen die Gelder zusammengebettelt habe.
Heute ist diesem Haus Heil widerfahren.“ Der Seelsorger der
Gemeinde, Pfarrkurat Pater Bruder, legte dieses Lukaswort der
religiösen Weihehandlung zu Grunde und knüpfte daran Worte der
Besinnung. Er mahnte, nicht zu vergessen, daß in einer
christlichen Schule das Wort und Gesetz des Herrn Grundlage
jeder Bildung und Wissensvermittlung sein müsse.
Der Festvortrag
Nach der Schlüsselentgegennahme, begründete Oberlehrer Heinrich
Eckenfels in seinem Festvortrag die Notwendigkeit der neuen
Schule. Dazu bemerkte er unter anderem: Den Forderungen unseres
von Fortschritten in Wissenschaft und Technik bestimmten
Zeitalters könne nur in Bildungsstätten entsprochen werden,
welche die notwendigen Voraussetzungen zur Erreichung der
gesteckten Erziehungs- und Bildungsziele garantieren. Die
zunehmende Automation mit immer komplizierteren.
Produktionsverfahren in der industriellen Fertigung, der Handel
mit seinen internationalen Verflechtungen und die mehr und mehr
mechanisierte und rationalisierte Landwirtschaft böten in
Zukunft nur den geistig geschulten und verantwortungsbewußt
handelnden Menschen eine Chance,
Ein Blick in die Akten des Standesamts zeige, daß die Zahl der
Schüler in den nächsten Jahren rasch anwachse. Auch die
Realisierung der Bebauungspläne, die etwa 25 Bauvorhaben
auswiesen, werde die Zahl der Schüler erhöhen. „Die Gemeinde
mußte also für die Zukunft" planen und durfte nicht warten, bis
der Notstand eingetreten war.” Der Einwand, wozu eine neue
Schule in Wittental, wo doch der Schulentwicklungsplan die
Einrichtung von Zentral- und Nachbarschaftsschulen vorsehe, sei
nicht stichhaltig. Die Gemeinde bejahe die Nachbarschaftsschule,
die den Kindern auf dem Land die gleichen Bildungschancen geben
wolle, wie sie das Kind in der Stadt habe: „Die Grundschule
bleibt aber bestimmt in der Heimatgemeinde; das deutet die
künftige Entwicklung der Gemeinde Wittental an.“
Er sei als Lehrer der Gemeinde Wittental sehr dankbar, daß sie
in Kenntnis der großen Aufgaben, die der Schule von heute und
morgen zufielen, ihr Ja zum Bau gegeben habe. Dieses Ja, das
auch das Lehrerwohnhaus mit einbezogen habe, wiege um so
schweren, wenn man bedenke, daß die kleine Gemeinde zur Zeit
finanziell stark belastet sei durch den Straßenbau, die
Verlegung einer Gemeindewasserleitung und den Bau eines
Abwasserkanals nach Ebnet. Im Namen der Gemeinde und der Schule
habe er eine große Dankesschuld abzutragen an Gemeinderat
Bernhard Scherer und den inzwischen verstorbenen Landwirt Josef
Vogt, die durch Überlassung ihrer Wiesen die Erweiterung des
Schulhofes und die Verlegung der Straße ermöglicht hätten. Sein
persönlicher Dank gelte aber auch Gemeinderechner Otto Walter,
der sich in selbstloser Weise um den. Schulhausbau verdient
gemacht habe.
Dr. Nuniers Ansprache
Dr. Nunier, der Präsident des Oberschulamts, der die Reihe der
Gratulanten anführte, unterstrich die Ausführungen von
Oberlehrer Eckenfels. Der Grundschule, versicherte er,
geite trotz der Schulreform größte Aufmerksamkeit. Wie dringend
die Reform sei, zeige die Tatsache, daß in der Regel nur ein
Fünftel der Gymnasiasten Ihr Ziel, das Abitur, erreichten. Die
drei Schulsäulen Haupt-, Mittelschule und Gymnasium müßten zu
gleichwertigen Bildungsstätten ausgebaut werden. Ein Schritt
dahin sei die geplante Einführung der sechsjährigen Hauptschule.
„Das Geld, das wir für Bildung ausgeben, ist hoch rentierlich“,
meinte Oberschulrat Ramminger, der damit wohl sagen wollte, daß
auch für die Kleinstschule Wittental kein Pfennig nutzlos
investiert wurde. Nicht allein die Schulmisere von Wittental sei
maßgebend gewesen für den Schulausbau, sondern auch die
Erkenntnis, daß das Landkind durch größere Bildungsmöglichkeiten
dem Stadtkind gleichgestellt werden müsse.
Bundestagsabgeordneter Dr. Kopf stellte fest, daß die Schule
gerade nach vor den „Jahren wohlüberiegter Sparsamkeit“ gebaut
worden sei. Die Technik erleichtere unser Leben sehr, steile
aber vermehrte Anforderungen an unsere geistigen Kräfte. Er sehe
eine der Hauptaufgaben der Schule in der Entwicklung und
Förderung der natürlichen Anlagen und Begabungen. Grüße von
Landrat Oswald überbrachte, Oberregierungsrat Langensiepen, der
sich lobend über den sehr glücklich gewählten Standort der
Schule aussprach, die den Blick freigebe auf die
Schwarzwaldberge. Der Stolz über die neue Schule sei berechtigt.
Nicht übersehen werden könne dagegen die große Schuldenlast der
Gemeinde, die der Freude auch die Sorge zugeselle.
Architekt Rudel erwähnte als Sprecher der Architektengruppe 4
das gute Verhältnis das während der relativ kurzen Bauzeit von
neunzehn Monaten zwischen Bauherrschaft und Handwerkern
geherrscht habe. Er fühle sich verpflichtet, vor allem
Oberregierungsbaumeister Büttner und Oberschulrat Ramminger für
ihre Bemühungen zu danken. Zu danken habe er aber den
Handwerkern und Arbeitern für ihre gute Arbeit. Den
Bürgermeister überraschte Architekt Rudel mit einer Spende von
1000 Mark, die er im Auftrag mehrerer Spender übergehe.
Nach der Feier, die vom Musikverein Wittental mit Vorträgen und
von den Schulkindern mit Liedern und Versen mitgestaltet worden
war, konnte die Schule mit ihren drei Klassenzimmern, einem
Gruppenraum, einer Lehrerbücherei, einem Lehrmittelraum und der
Pausenhalle besichtigt werden. In der Pausenhalle fielen die
vielen Blumengrüße und Geschenke ins Auge, mit denen vor allem
die benachbarten Dreisamtalgemeinden ihre Verbundenheit mit
Wittental bekundeten. Mit einem Festessen, zu dem sich die
geladenen Gäste in zwei Gruppen auf die Gasthäuser von Wittental
und Attental verteilten, fand der Tag seinen
Abschluß.
m.m.