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Vor 350 Jahren Zerstörung der Burg Wiesneck im Dreisamtal
Von Paul-René Zander


Aus: "Dreisamtäler" vom 1 September 1994, Seite 8



Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges, im Hochsommer des Jahres 1644, tobte um Freiburg eine wochenlange Schlacht, in der sich schließlich zwei französische Armeen und die Kurbayerische Reichsarmada gegenüberstanden, gewillt, eine kriegsentscheidende Wende und damit den Frieden herbeizuführen. Die Entscheidung ist ihnen nicht gelungen. Die bedeutendsten Feldherren der Zeit, Turenne und Enghien auf der einen sowie Mercy auf der anderen Seite, versuchten sich gegenseitig eine vernichtende Niederlage beizufügen. Am Ende blieb eines der blutigsten Gemetzel der Kriegsgeschichte unentschieden. Für den Breisgau brachte die Schlacht schwere Leiden und die Zerstörung nicht nur der Freiburger Vorstädte, sondern auch der Burg Wiesneck im Dreisamtal sowie der Abtei von St.Peter. Ein bedeutender Gewinn war jedoch die Rückeroberung der Stadt Freiburg für Kaiser und Reich, so daß diese nach dem Westfälischen Frieden habsburgisch geblieben ist.

Als man das Jahr 1644 schrieb, hatte sich der Dreißigjährige Krieg längst auf einen Machtkampf zwischen den Häusern Bourbon und Habsburg um die europäische Vormachtsstellung zugespitzt. Von:einem Religionskrieg konnte keine Rede mehr sein. Als sich der protestantische Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar 1635 auf die Seite Frankreichs geschlagen hatte, war der Bestand des habsburgischen Vorderösterreich zwischen Vogesen und Schwarzwald ernsthaft gefährdet, insbesondere nach dem Fall.der Festung Breisach 1638. Dadurch wurde den Franzosen der Weg ins Reich geöffnet. Freiburg erhielt bereits 1634 eine weimarische Besatzung und mußte 1642 dem französischen König Ludwig XIIl. huldigen. Reich geöffnet. Freiburg erhielt bereits 1634 eine weimarische Besatzung und mußte 1642 dem französischen König Ludwig XIll. huldigen. Um Habsburgs Macht am Oberrhein zu brechen, stieß 1643 eine französisch-weimarische Armee (Herzog Bernhard war bereits 1639 in Neuenburg am Rhein plötzlich gestorben) ins rechtsrheinische Vorderösterreich weiter vor und nahm Überlingen und Rottweil.

Gayling
Heinrich Christoph v. Gayling,
Kurbayerischer Obrist, befehligte im Treffen
von St.Peter am 10. August 1644 die Vorhut der Reiterei
Bild: Gayling-Archiv Ebnet


Bayern fühlt sich bedroht
Nunmehr fühlte sich auch Kurfüst Maximilian I. von Bayern bedroht. Er wird zum neuen Gegner der Franzosen. Zum Oberbefehlshaber der "Kurbayerischen Reichsarmada" wurde der Generalfeldmarschall Freiherr Franz von Mercy, ein gebürtiger Lothringer, der in kaiserliche Dienste getreten war (gefallen 1645 in.der Schlacht von Alerheim), berufen. Mercy ("Mercystraße" in Freiburg) zählt zu den herausragenden Feldherren des Dreißigjährigen Krieges. Sein erster Schlag gegen den Reichsfeind war ein voller Treffer. Am 24. November 1643 vernichtete er.die bei Tuttlingen sorglos in ihrem Winterquartier liegende französisch-weimarische Armee. Die Basis für ein offensives Vorgehen gegen die Franzosen war geschaffen. Mercy wollte jetzt mit aller Macht eine Entscheidung erzwingen, die zum Frieden führte. Dazu stand ihm eine wohlgerüstete Armee von 20 000 Mann zur Verfügung. Unter seinem Oberbefehl standen elf "Regimenter zu Fuß" sowie neun "Regimenter zu Roß" mit mehr als 9700 Pferden. Dazu kam dann noch die Artillerie. Die Kavallerie stand unter dem Kommando des Generals über die Reiterei Freiherr Jan von Werth, eines tollkühnen Feldherrn einfachster Herkunft (gestorben 1652 in Böhmen). Sein Stellvertreter war der Generalwachtmeister der Reiterei, Freiherr Caspar von Mercy, ein Bruder des Feldmarschalls (gefallen am 5. August 1644 am Hölderlebach in der Schlacht am Lorettoberg). Eines der vier Kürassierregimenter befehligte der bayerische Obrist Heinrich Christoph von Gayling, der Stammvater der heutigen Herren von Gayling auf Schloß Ebnet im Dreisamtal (gestorben 1650 in Frankfurt am Main an den Folgen seiner Kriegsverwundungen).

Nach dem Debakel von Tuttlingen suchten die Franzosen ihrerseits einen draufgängerischen Feldherrn. Ihre Wahl fiel auf den als zäh, kaltblütig und skrupellos beschriebenen Henri de La Tour d’Auvergne, Vicomte de Turenne (gefallen 1675 bei Sasbach in der Ortenau), de rein Enkel des niederländischen Freiheitshelden Wilhelm von Oranien war. Aus den Trümmern der weimarischen Armee errichtete er im Oberelsaß die neue "Armee de l´Allemagne" mit 10 000 Mann.

Mercy stößt in den Breisgau vor
Mercy säuberte zuerst das Hinterland von den Franzosen. Im Frühjahr 1644 belagerte er zuerst Überlingen, sodann die Veste Hohentwiel. Turenne stieß unterdessen, quasi als Manöverübung, über Freiburg und St.Märgen am 3. Juni 1644 in den Raum Donaueschingen vor, von wo aus er sich allerdings nach zwei Tagen wieder zurückzog. Mercy reagierte auf diesen Vorstoß eher gemächlich, denn erst zwischen dem 20. und 26. Juni 1644 überquerte er via Neustadt, den Hohlen Graben bei St. Märgen und St.Peter den Schwarzwald. Auf diesem verspäteten Marsch gegen das französisch besetzte Freiburg durch das Iben- und Wagensteigtal bildete die Burg Wiesneck der Herren von Sickingen ein Hindernis. In der Burg lag nämlich eine kleine weimarische Besatzung von dreißig Mann, die überwältigt werden mußte. Eine Zerstörung der Burg fand, wie bisher angenommen, zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht statt. Ob in der Tiefenburg in Ebnet, die das Dreisamtal gegen Freiburg hin abriegelt, ebenfalls ein Kontingent weimarischer Soldaten lag, ist nicht überliefert, ist aber nicht auszuschließen. Obrist von Gayling sah in diesen Junitagen 1644 erstmalig den Ebneter Herrschaftssitz der Herren von Sickingen, den sein Nachkomme Christian von Gayling 1811 erwerben sollte.

32 tägige Belagerung Freiburgs
Mercy begann am Mittwoch, dem 29. Juni 1644 die Belagerung der Stadt Freiburg, die erst am Mittwoch, dem 27. Juli 1644 mit der Kapitulation endete, Turenne lag derweil tatenlos auf dem Batzenberg bei Schallstadt und unternahm nichts zum Entsatz der Stadt. Mercy anderseits zögerte nach seinem Sieg über.die Festung Freiburg, sich mit voller Kraft:auf Turenne zu werfen, Hier zeigten sich nämlich schon erste Schwierigkeiten wegen der geringen Angriffslust seiner Reiterführer, deren Pferdematerial angeblich unzulänglich war. In Wahrheit scheuten sie sich wohl, verlorene Pferde zu eigenen Lasten zu ersetzen, wie Kurfürst Maximilian.dies verlangte.

Die Tatenlosigkeit Mercys gestattete nunmehr Turenne Verstärkungen anrücken zu lassen. Mit einem neuen Oberbefehlshaber kam am 2. August 1644 die 16 000 Mann starke "Armee de France" in der Krozinger Gegend an. Der neue Chef war kein geringerer als Louis de Bourbon-Condé, Herzog von Enghien (gestorben 1686 in Fontainebleau), den man später "Le Grand Condé" nannte. Hiermit war Mercy ein nicht zu unterschätzendes Zweigespann als Gegner erwachsen.

Die Schlacht am Lorettoberg
Enghien befahl ohne Umschweife den sofortigen Angriff auf die Bayerische Reichsarmee, mit der Mercy nun zwischen dem Schönberg und der Dreisam in Stellung lag. Am 3, August 1644, nachmittags um 17.00 Uhr, wurde das Angriffssignal gegeben. Nachdem Mercy sich auf den schwerbefestigten Lorettoberg und die Wonnhalde oberhalb Merzhausen zurückgezogen hatte, setzte Enghien dort am Freitag, dem 5. August 1644 in verschiedenen Wellen zum Sturm an. Die Bayern gerieten in schwere Bedrängnis und mußten sogar abgesessene Dragoner, die am Hölderlebach lagen, in den Kampf werfen. Hierbei fiel im blutigen Nahkampf der Generalwachtmeister Caspar von Mercy, dessen Kommando nun der Obrist von Gayling übernahm. Die Bayern hielten schließlich durch, während die Franzosen verbluteten. Den Ort des Schreckens aber markiert heute noch die 1657 zur Erinnerung an das Gemetzel von Freiburger Bürgern gestiftete Lorettokapelle.

Hans-Helmut Schaufler, der beste Kenner der Schlacht,.der am Jahrestag, dem 5. August 1994 in Wolfenweiler über das Geschehene referierte, kommt zu folgendem Fazit dieser Schlacht: "Bei allem Verständnis für Mercys Schwierigkeiten drängt sich letztlich doch der Schluß auf, daß an jenem 5. August 1644 eine große Chance vertan wurde, die Position des Reichs gegenüber dem äußeren Feind zu festigen und die staatliche Einheit des Oberrheingebietes für die Zukunft zu erhalten". Wie ging es nun aber nach diesem "Unentschieden" weiter?

Die Meuterei der Reiterei
Turenne und Enghien hatten sich nach der Schlacht in das Lager von Uffhausen zurückgezogen und erholten sich dort rasch, ohne nur im geringsten durch Mercy daran gehindert zu werden. Am 9. August waren die Franzosen abmarschbereit und zogen, wie Mercy alsbald feststellte, ins Glottertal. Das bedeutete erneut höchste Alarmstufe, denn diese Operation konnte nur darauf ausgelegt sein, Mercy den Rückweg über den Schwarzwald abzuschneiden. Mercy gab augenblicklich den Befehl zum Abmarsch Richtung St.Peter. Wer dort nämlich als erster ankommen würde, hielt die entscheidende Trumpfkarte in der Hand.

Beim überstürzten Abmarsch aus dem Freiburger Lager am 9. August 1644 führte der Obrist von Gayling mit seinen Kürassieren und Dragonern die. Vorhut an. Er ritt über Ebnet, Stegen und das Eschbachtal auf die Hochfläche von St.Peter. Die restlichen Kolonnen marschierten in der Nacht entweder über Burg und das Ibental, oder über Buchenbach und das Wagensteigtal auf die Höhen. .Im Vorbeimarsch ließ Mercy auf der Burg Wiesneck eine kleine bayerische Besatzung zurück.

Als die Franzosen am 10. August den Sattel oberhalb des Glotter- und Eschbachtals erreichten, sahen sie bereits die mühsam heranrückenden Bayern. Jetzt.war es der in der Armee Turennes dienende baltische Generalmajor der Kavallerie Reinhold von Rosen, der seine Chance , erkannte, die noch nicht formierte Reichsarmee, insbesondere aber den lebenswichtigen Troß in der Flanke zu attackieren. Doch es gelang der Reiterei der Gaylingschen Vorhut, die Rosenschen Schwadronen in das obere Eschbachtal abzudrängen. Als Mercy jedoch den Reitern befahl, Rosens Kavallerie weiter zu verfolgen, meuterten sie! Weder durch Stechen, noch durch Hauen gelang es den Offizieren, die Reiter wieder auf Trab zu bringen. Die Kampfmoral war gebrochen. Das hatte schwerwiegende Folgen. An einen Sieg über die Franzosen war nicht mehr zu denken.

Die durch das Eschbachtal zurückflutende Kavallerie des Generalmajors von Rosen war es wohl, die in der Nacht vom 10. auf den 11. August 1644 die nichtsahnende kleine Besatzung der Burg Wiesneck überrumpelt, die Veste geplündert und beim Abzug in Brand gesetzt hat. Das war der Tag des endgültigen Untergangs der alten Stammburg der Herren-Schnewlin-von-Wiesneck, und des Herrschaftsmittelpunktes ihrer Erben, der Herren von Sickingen, die ihren Sitz daraufhin in die Ebneter Wasserburg verlegt haben.

Mercy und Jan von Werth ordneten aufgrund der Befehlsverweigerung der Reiterei den sofortigen Rückzug über St. Märgen auf die Schanzen am Hohlen Graben an. Pausenlos wurden sie dabei durch Enghien verfolgt. Die Franzosen machten am Hohlen Graben allerdings wieder kehrt, so daß Mercy und seine Reichsarmee mit verlorener Kampfmoral bereits am Abend jenes fatalen 10. August 1644 sicher in Villingen eintraf. Das Wissen, den Feind nun endgültig hinter sich gelassen zu haben, wird den Marsch der Bayern, auch der müden Reiterei, gewiß beflügelt haben, sind es doch von Hohlen Graben bis nach Villingen 70 km! Hätte Mercy jedoch mit kampfbereiten Truppen Enghien aus der strategisch günstigen Position, die ihm die Abtei und das Hochplateau von St.Peter boten, gezielt angreifen und in das Glottertal zurückwerfen können, so hätte er den unentschiedenen Sieg vom Lorettoberg und die vertane Chance von Uffhausen auswetzen können. Nur es sollte nicht sein.

Enghien und Turenne gewährten ihren ungeschlagenen Truppen am 11. August 1644 einen Ruhetag im Kloster von St.Peter. Da ihnen der erbeutete Troß der Bayern zur Verfügung .stand, konnten sie sich einen guten Tag machen. Nebenbei wurde auf den einsam gelegenen Schwarzwaldhöfen der näheren und weiteren Umgebung furagiert und requiriert, dabei manch ein Bauer, der sich widersetzte, niedergemacht.

Es ist tragisch, daß die meuternde bayerische Reiterei ganz unmittelbar. daran Schuld trägt, daß an jenem 11. und 12. August 1644 nicht nur.die Wiesneck, sondern beim Abzug Enghiens und Turennes auch die Abtei St.Peter in Flammen aufgegangen sind. St.Peter entstand zwar neu, die Wiesneck ist aber bis heute eine verwunschene Ruine geblieben. Auch heute gehört sie, wie ehedem, zum Ebneter Besitz.


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