Aus dem Wagensteigtal: Alte Straße und Metzgerbauernhof.
von
Wolfgang Stülpnagel
Schau-ins-Land, 93. Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland Freiburg im Breisgau 1975
Seitdem man die mehr als 200 ha große Fläche zwischen Rotbach und
Wagensteigbach im oberen Teil des Zartener Beckens mit dem von
Ptolamäus genannten antiken Tarodounon gleichsetzt, und besonders
nachdem Professor Ernst Fabricius in der östlichen Umwallung ein nach
den Schwarzwaldhöhen orientiertes Tor ausgegraben hatte, festigte sich
die Überzeugung, daß es von hier aus einen Übergang über das Gebirge
gegeben haben müsse. Als solcher schien sich besonders das
Wagensteigtal anzubieten, während man die felsige, vom Wildwasser
durchbrauste Enge des Höllentals dafür nicht geeignet hielt. Schrieb
man den Kelten von Tarodunum die Benutzung von Saumpfaden zu, so
erwartete man, daß zur Römerzeit eine Fahrstraße angelegt worden sein
müsse. Keltische Siedlungsfunde fehlen auf der Fläche von Tarodunum, so
daß man hier nur eine Art Fluchtburg für Menschen, Vieh und sonstige
Habe vermutet hat, aus römischer Zeit ist ein Gehöft in der Nähe der
Westspitze festgestellt worden. Aus dem Wagensteigtal und seinen
Seitentälern sind kelten- und römerzeitliche Fundstücke nicht bekannt.
Da sonst nichts, vor allem auch kein schriftlicher Hinweis existiert,
der auf eine Straße und einen Straßenübergang an dieser Stelle
hinwiese, kam die römische Archäologie zu dem Schluß, daß eine Straße
hier nicht vorhanden war. Dies bedeutet freilich nicht eine Leugnung
der Existenz von unbefestigten Saumpfaden, die für Mensch und Tier die
Möglichkeit boten, das Gebirge von hier aus nach Osten hin zu
überschreiten. Der Begriff einer Römerstraße jedoch fordert das
Vorhandensein eines festen
steinernen Straßenkörpers, oft wird man auch die Auffindung von
Meilensteinen erwarten. Von beidem wurde durch die Archäologie bisher
nichts festgestellt.
Bei den Einwohnern von Wagensteig jedoch war seit längerem die
Überzeugung lebendig, daß in ihrem Tal eine Römerstraße bestanden habe.
Im Jahre 1964 entdeckte man bei der Ausbaggerung für das Fundament
eines Gebäudes in 3,5-4 m Tiefe eine Steinsatzschicht von ca. 60 cm
Stärke mit Natursteinpflasterung, auf welcher sich eine Kohlenschicht
befunden haben soll. Im Gelände haben Einheimische die Spuren einer
früheren Straße an gewissen Einbuchtungen erkannt (Die folgenden Angaben über Straßenspuren im Gelände werden Herrn Klaus Weber, St. Peter, verdankt.).
Beim Metzgerbauernhof, in dessen unmittelbarer Nähe die erwähnte
Steinsetzung aufgedeckt wurde, soll auf den ersten Blick über ca. 400 m
Länge hin eine z. T. bis in vier Fahrspuren ausgebaute Straßenanlage zu
erkennen sein, wobei man freilich zunächst an eine spätmittelalterliche
Straße denken wird, an jene „Reichsstraße", mit der König Wenzel im
Jahre 1379 den Herzog Leopold III. von Österreich belehnte. Gleich
oberhalb des Metzgerbauernhofs teilen sich die Fahrbahnen, die beiden
linken ziehen in gleichmäßiger Steigung am Nordabhang der „alten Steig"
zur Höhe empor. Wo sie nach einer Geländemulde ins Waldgebiet
eintreten, sind sie im ursprünglichen Zustand erhalten. Bis zu sechs
Meter tief eingeschnitten laufen die beiden Fahrspuren parallel
nebeneinander in einer Schlucht den Berghang entlang. Eine weitere
Straße zieht oberhalb des Metzgerbauernhofs und teilt sich nach ca. 60
m ebenfalls in zwei Fahrspuren, läuft am Südabhang des Herrenbachtals ,
am sog. Heidenbühl, vorbei und hinauf zur Höhe des Kugelackers, wo beide
Spuren sich wieder vereinigen. Während die links am Kugelacker
hinaufziehende Straße noch ziemlich gut erhalten ist, wurden Teile der
rechten Fahrbahn entlang dem Heidenbühl eingeebnet, sind jedoch als
Geländeeinbuchtung noch gut erkennbar. Es dürfte wohl außer Frage sein,
daß es sich hier um eine spätmittelalterliche bzw. frühneuzeitliche
Heer- und Verkehrsstraße handelt. Der Schluß auf eine bereits
römerzeitliche Anlage bleibt ohne Fundierung. Auf dem Kugelacker, wo
sich die Straße erneut in zwei Fahrbahnschluchten teilt, die sich im
weiteren Verlauf in großem Bogen entlang dem Nordhang der alten Steig
kurz vor der Höhe mit den beiden linken Fahrbahnen vereinigen, könnte
der Standplatz der „Letze"
gewesen sein, jenes Verhaus, an dem die Bauern von Wagensteig und der
Spirzen während des dreißigjährigen Krieges (1637) 32 Mann und einen
Offizier der Piccolomini-Kürassiere, die hier durchbrechen wollten,
erschlugen (Kreisbeschreibung Freiburg im Breisgau, Stadtkreis und Landkreis, Bd. II, 1974, S. 1115.).
Im weiteren Verlauf der Straße kommt man auf der alten Steig (auf der
„Wasserseige") zwischen Schweinbrunnen (Schweigbrunnen) und
Herrenbachtal zum sog. Tränkplatzwäldele, und auch hier sind die Spuren
der alten Straße noch gut sichtbar. Wenige hundert Meter weiter, wo
sich die Höhenzüge der alten Steig und der Spirzen vereinigen, befindet
sich von altersher der eigentliche Tränkplatz, jetzt ein Waldstück mit
mehreren noch gut sichtbaren Fahrspuren einer alten Straße. Ob diese
freilich, wie Einheimische glauben, dem Zug einer bereits
römerzeitlichen Anlage folgt, läßt sich bisher durch nichts beweisen,
wenn es freilich auch nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Was die
Steinsetzung beim Metzgerbauernhof betrifft, so wäre vonseiten der
Archäologie zu klären, ob es sich hierbei um eine mittelalterliche
Anlage - auch das Mittelalter kannte steinerne Straßenbefestigungen -
handeln kann oder nicht.
Mit der Straße, auf der die Wagen ihren Weg über die Steig nehmen, wird
vom Volk seit jeher der Name des Tals und der Gemeinde in
Verbindung gebracht. Es gibt jedoch eine ganze Reihe von Siedlungen
allein schon im badischen Land, deren Namen mit „Wagen" zusammengesetzt
sind, ohne daß hier ein Anlaß bestünde, sie mit der Bezeichnung des
Fuhrwerks in Zusammenhang zu bringen. Der Name Wagensteig wird demnach,
wie Wagenstadt und andere Orte, aus der Verbindung mit einem
Personennamen zu deuten sein. Das Wagensteigtal hieß in früherer Zeit
Freudenbach (Fröilenbach, dann Fröidenbach geschrieben). In dem Berain
von St. Märgen vom Anfang des 14. Jahrhunderts werden hier zwei
Meierämter genannt. Das eine reichte von Schweinbrunnen
(Schweigbrunnen) bis nach Wagensteig, das andere von hier bis zum
Dietzenbach. Der Hof, der für das Tal namengebend wurde (schon 1125:
Waginstat), lag zwischen den beiden sanktmärgischen Meierämtern,
offenbar an der Einmündung des Herrenbachs in den Wagensteigbach, dort
also, wo sich jetz der Metzgerbauernhof befindet. Demnach kann dieser
als der alte „hof zu Waginstat" gelten. Es ist die in dem ältesten
Sanktmärger Berain von 1270/80 so genannte „curia Wagenstaig", die zu
dem noch nicht als Meieramt bezeichneten Schweigbrunnen gehörte. Durch
diesen inmitten liegenden Hof wurden die beiden Teile von Freudenbach
getrennt. Der genannte Berain kennt auf Wagensteiger Gemarkung nur
einen einzigen Meierhof, eben die „curia Wagenstaig". Je für sich
werden die Abgaben an das Kloster von den Lehen in Schweinbrunnen als
des einen Teils von Freudenbach verzeichnet, andererseits die im
Meieramt Dietzenbach (Gemarkung Büchenbach) und in Spirzen. Was dem zur
Grundherrschaft von St. Märgen gehörigen Wagensteigtal seine besondere
Bedeutung gab, war die Straße, die zum Turner bzw. zum Hohlen Graben
hinaufführte, Sie wird im Jahre 1310 „der neue Weg" genannt, was
offenbar auf einen Neuausbau, auch auf eine neue Trassierung, zu
beziehen ist. Vom Jahre 1306, also aus derselben Zeit, liegt die erste
Nachricht über den Zoll zu Falkensteig vor, was beweist, daß dieser Weg
damals, und gewiß schon viel früher, ebenfalls seine besondere
Wichtigkeit hatte (Kreisbeschreibung Freiburg, Bd. I, 1965, S. 371).
Doch ist die Falkensteige nicht mit der Höllentalschlucht zu
verwechseln, die ja keine Steige vorstellt, sondern sie ist eine
Umgehung der kaum oder schwer passierbaren Schlucht auf der Seite der
Burg Falkenstein mit einem Zweig nach der Nessellache und Breitnau, mit
dem andern zur Kirche St. Oswald und zur Gemeinde von Steig.
Nachdem Villingen bereits 1326 habsburgisch geworden war, bekam der von
hier ausgehende Straßenzug über den Schwarzwald, der das Wagensteigtal
herunterkam , mit der Erwerbung der Stadt Freiburg für dieses
Herrscherhaus höhere Bedeutung. Es war die, von Freiburg her gesehen,
später so genannte „alte Villinger Landstraße". Im Jahr 1463 erwarb die
Stadt Freiburg die Vogtei über das Kloster St. Märgen sowie „das Tal
Schweinbrunnen und das Tal Wagensteig"; die Einwohner wurden
grundherrlich Freiburger Untertanen. Da auch Zarten und im Jahr 1496
Kirchzarten freiburgisch wurden, kontrollierte die Stadt einen
erheblichen Teil der Straßenverbindung über den Schwarzwald nach
Villingen. Der im Schloß zu Kirchzarten gesessene Freiburger Talvogt
leitete die gesamte Verwaltung. Ein dauerhaft benutzbarer Durchgang
durch die Höllentalschlucht wurde im 18. Jahrhundert durch Österreich
geschaffen. Er diente dem Verkehr aus dem Breisgau nach den
vorderösterreichischen Gebieten in Oberschwaben, Vorarlberg und Tirol,
vor allem auch der Postverbindung dorthin und zurück, und übertraf
schon aus diesem Grunde die Bedeutung der Villinger Straße bei weitem.
Als sanktmärgischer Meierhof und zum Seigut des Klosters gehörend war
der zwischen den Gebieten der beiden alten Meierämter gelegene „Hof zu
Wagensteig", späterer Metzgerbauernhaf, zinsfrei und vogtsteuerfrei,
unterstand also nicht dem Herrenvogt des Klosters, und nahm als ein
„Freihof" auch in freiburgischer Zeit noch eine besondere Stellung ein.
Die „curia Wagenstaig", Meierhof des Amtes Schweigbrunnen, finden wir,
wie bereits erwähnt, ausdrücklich als solche genannt in dem ältesten
erhaltenen Sankt-märger Berain von 1270/80. Als „der Hof zu Wagensteig"
wird das Anwesen auch in den Berainen des 14. Jahrhunderts erwähnt.
Gewiß ist dasselbe älter als die erste schriftliche Nennung besagt,
doch läßt sich Weiteres natürlich nicht angeben. Gern möchte man
annehmen, daß bereits in der Zeit der Gründung des Klosters St. Märgen
(1118/20) eine Siedlung bzw. auch ein Hof an dieser Stelle, wo der
Aufgang durch das Herrenbachtal abzweigt, vorhanden gewesen ist. Eine
Projektion in noch frühere Zeiten, wie man dies am Ort selbst gern tun
möchte, bleibt der Phantasie unverwehrt. Die Forschung aber muß sich an
greifbare Unterlagen halten.
Herr Oskar Hog von Wagensteig hat die Besitzer auf dem Metzgerbauerhof
samt ihren Familienangehörigen und familiären Zusammenhängen seit dem
Jahre 1502 aus Berainen und Kirchenbüchern mit großem Fleiß
zusammengestellt. Schon im 14. Jahrhundert wird hier, auf dem Hof zu
Freudenbach, das mit Wagensteig gleichgesetzt wird, ein Bauer Johann
der Jüngere erwähnt. Seit 1502 folgen einander als Lehensträger auf dem
sog. „Freyen Hoff" zu Wagensteig rasch wechselnde Namen, zuerst Jacob
Wirbstein, dann Oswald Schoch und Cuntz Schoch, danach Hanns Dengler
und endlich nach dem Berain der Talvogtei von 1578 Andreas Wucherer,
aus dessen Besitz Hanns Ambß das Lehen erwarb. Sein Nachfolger
Metzgerbauernhof, erbaut anno 1655 von Hans Tritscheler (nach
Bauinschrift am Haus)