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Aus:
Öffentliche und private Erinnerung an den Ersten Weltkrieg 
Eine historische Spurensuche im Dreisamtal und im Hochschwarzwald    
Michael Becht 
Aus: Badische Heimat 3/2014

Der Erste Weltkrieg spielt im kollektiven Gedächtnis der Deutschen bis heute eine eher untergeordnete Rolle und stand hierzulande trotz seiner kaum zu unterschätzenden historischen  Folgen immer im Schatten des Zweiten Weltkriegs. Damit steht Deutschland im auffälligen Gegensatz zu seinem Nachbarland Frankreich, wo der Erste Weltkrieg (»La Grande Guerre«) stets als der bedeutendere der beiden Weltkriege galt und dementsprechend die öffentliche Erinnerung an ihn deutlich ausgeprägter ist. Dennoch kann der aufmerksame Betrachter auch heute  noch, 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs immer wieder auf einzelne Erinnerungsspuren an diesen »Jahrhundertkrieg« (Jens Essen) stoßen. So sind hier zunächst die zahlreichen  Kriegerdenkmäler auf den Friedhöfen oder öffentlichen Plätzen der Gemeinden und Städte  zu nennen, die nach 1918 errichtet wurden und bei denen angesichts der ungeheuren Opferzahlen im Unterschied zu älteren Denkmälern sowohl das Motiv der Heldenehrung als auch  des Totengedenkens anzutreffen sind. Überdies verdienen aber auch die vereinzelt anzutreffenden Denkmäler Beachtung, die der privaten Erinnerungskultur zuzuordnen sind und die  uns in Gestalt von Grabmälern, Wegkreuzen oder anderen Zeugnissen im öffentlichen Raum  begegnen. Der Beitrag will ausgewählte öffentliche (Kriegerdenkmäler) und private Denkmäler (wie z. B. die Vogesenkapelle bei St. Peter oder einzelne Grabmäler oder Wegkreuze) an den  Ersten Weltkrieg aus dem Gebiet des Dreisamtals und des angrenzenden Hochschwarzwalds  sichtbar machen und ihre Geschichte freilegen. Anhand von ausgewählten Erinnerungsorten  soll so in einem relativ eng umgrenzten geographischen Raum aufgezeigt werden, wie dieses  weltgeschichtliche Ereignis in vergleichsweise unscheinbaren und häufig kaum mehr beachteten Zeugnissen unserer Lebenswelt seinen bleibenden Niederschlag gefunden hat. Der Aufsatz  beabsichtigt auch einen Beitrag dazu zu leisten, den Blick der Leserinnen und Leser für solche  noch immer anzutreffenden Denkmäler des Ersten Weltkriegs zu schärfen und sie im Jubiläumsjahr 2014 in neuer Weise wahrzunehmen.

»Der Erste Weltkrieg ist in der Erinnerung der Deutschen weit zurückgetreten und wird. verdeckt durch die noch größere Katastrophe des Zweiten Weltkrieges. Die unvergleichlichen Schrecken von Vernichtungskrieg, Holocaust, Bombenkrieg und den ersten Atombomben wirkten wie ein Schleier des Grauens, der jeden weiteren Blick zurück verhinderte. Im Schatten des Zweiten Weltkrieges konnte ein intensiveres Verständnis der »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts< kaum gedeihen«.1 Diese Einschätzung von Hans Ottomeyer, die er vor zehn Jahren anlässlich einer Ausstellung des Deutschen Historischen Museums zum Gedenken an die 90-jährige Wiederkehr des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs getroffen hat, kann wohl im Großen und Ganzen auch heute noch Gültigkeit beanspruchen. So bemerkte kürzlich der Historiker Gerd Krumeich, die Deutschen könnten dieses Krieges nicht gedenken, weil ihre Erinnerung an den Ersten Weltkrieg »völlig zugeschüttet« sei.2 Damit stehe Deutschland im auffälligen Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wie Belgien, England, Frankreich, Irland und Schottland, wo die Erinnerung an diesen Krieg viel lebendiger sei. »La Grande Guerre« oder »The Great War« gehöre dort »zum Kernbestand ihrer Geschichte« und bilde ein »Fundament ihrer nationalen und individuellen Identität«.3 

Dennoch kann der aufmerksame Betrachter auch heute noch auf Erinnerungsspuren an diesen »Jahrhundertkrieg« (Jens Essen) stoßen, der als europäischer Epochenbruch den Lauf der Geschichte im 20. Jahrhundert entscheidend bestimmt hat. Es sind hier zunächst die zahlreichen Kriegerdenkmäler auf den Friedhöfen oder öffentlichen Plätzen der Gemeinden und Städte zu nennen, die nach dem Kriegsende in Deutschland in großer Zahl entstanden sind. Die gerade den frühen Denkmälern eigene »große typologisch[e] und stilistisch[e] Bandbreite« ist nach Einschätzung von Sabine Behrenbeck nicht nur Ausdruck der »Zersplitterung der politischen Kultur« der Weimarer Republik, sondern auch der »fundamentale[n] Verunsicherung der Gesellschaft« angesichts der ungeheuren Opferzahlen und der Niederlage.4 Vor allem in den ersten Nachkriegsjahren wurden viele Denkmäler errichtet, die unter dem »frischen Eindruck der Verlusterfahrungen« die Trauer der Angehörigen betonten und primär auf die Tröstung der Hinterbliebenen ausgerichtet waren. Sie zeichnen sich vielfach durch die Verwendung christlicher Motive aus, die dem Kriegstod eine gewisse Legitimation und religiöse Verklärung verleihen sollten.5 Erst gegen Ende der 1920er-Jahre kamen parallel mit dem Verblassen der Trauererfahrungen der Hinterbliebenen und dem Erstarken rechter politischer Gruppierungen verstärkt Mahnmale mit einer heroisierenden Formensprache auf. Neben diesen offiziellen Mahnmalen verdienen aber auch die uns in Gestalt von Grabmälern, Wegkreuzen oder anderen Zeugnissen im öffentlichen Raum begegnenden Denkmäler besondere Beachtung, die der privaten Erinnerungskultur zuzuordnen sind und die Verbundenheit der Angehörigen mit ihren Toten zum Ausdruck bringen. Der vorliegende Beitrag will am Beispiel des Dreisamtals und des angrenzenden Hochschwarzwalds ausgewählte Kriegerdenkmäler und private Erinnerungszeugnisse an den Ersten Weltkrieg sichtbar machen und die mit ihnen verbundene Geschichte freilegen. Anhand von ausgewählten Erinnerungsorten soll so in einem relativ eng umgrenzten geografischen Raum aufgezeigt werden, wie dieses weltgeschichtliche Ereignis in vergleichsweise unscheinbaren und häufig kaum mehr beachteten Zeugnissen unserer Lebenswelt seinen bleibenden Niederschlag gefunden hat.

Kirchzarten
Auf dem Kirchhof der kath. Pfarrkirche in Kirchzarten, das seit Jahrhunderten den Mittelpunkt des Dreisamtals bildet, steht ein auffällig großes Kriegerdenkmal aus hellem Granit. Es erinnert an die 100 Gefallenen des Ersten Weltkriegs, die aus den damals selbständigen Gemeinden Burg, Dietenbach, Kirchzarten, Neuhäuser, Stegen, Wittental und Zarten stammten. Von den 180 Soldaten aus Kirchzarten, das im Jahr 1910 1151 Einwohner zählte, kehrten 37 Männer nicht mehr aus dem Krieg zurück. Die Initiative zur Errichtung eines Gefallenendenkmals ging im November 1923 vom örtlichen Kriegerverein aus, die dann von der politischen Gemeinde aus und wurde dann von der politischen Gemeinde aufgegriffen.6 Nachdem auch die anderen, zum damaligen Kirchspiel Kirchzarten gehörenden Gemeinden ihre Bereitschaft zur Errichtung eines solchen Denkmals erklärt hatten, wählte man aus verschiedenen Entwürfen den des Freiburger Bildhauers Hugo Franz Knittel (1888-1958) aus, der einer in Freiburg ansässigen Bildhauerfamilie entstammte. Knittel hatte sich im Jahr 1915 als Kriegsfreiwilliger gemeldet, wurde aber später aus gesundheitlichen Gründen aus dem Militärdienst wieder entlassen. Im Verlauf des Ersten Weltkriegs konzentrierte er sich auf die Schaffung von Kriegerdenkmälern, bei denen er sich bemühte, »gleichermaßen den mannhaften Geist des deutschen Soldaten wie das religiöse Moment« zum Ausdruck zu bringen.7 Gerade aber einige seiner in späteren Jahren geschaffenen Werke fallen durch ihre aggressive und martialisch anmutende Formensprache auf und geben bis heute Anlass zur Diskussion. Zur Finanzierung des Denkmals, dessen Kosten sich auf 5350 Rentenmark beliefen, wurden auch Haussammlungen veranstaltet, die sich aber aufgrund der inflationsbedingten Notlage vieler Bürger schwierig gestalteten. Bei der Grundsteinlegung im Juni 1924 wurde dem Denkmal eine Urkunde beigelegt, die von dem damals 217 Kriegsteilnehmer zählenden Kriegerverein verfasst worden war. Darin wurde mit patriotischen Worten der »im Kriege Deutschlands gegen die Welt 1914/1918« Gefallenen gedacht, die »gehorsam dem Gesetze und getreu ihrem Fahneneide« ihr Leben »für ihr deutsches Vaterland« gelassen hätten. Am 6. Juli 1924 konnte die feierliche Einweihung erfolgen, an der sich zahlreiche Vereine beteiligten und die mit einem Festgottesdienst eröffnet wurde.

Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs der Pfarrei Kirchzarten 

Richten wir einen Blick auf das Denkmal selbst, das aus mehreren Teilen besteht und insgesamt etwa sechs Meter hoch ist. Auf drei Stufen aus Granit erhebt sich auf einem kubusförmigen Sockel ein Obelisk, der einen Engel trägt. Kubus und Obelisk sind Teil der klassizistischen Formensprache, die in der Zeit der Weimarer Republik beliebt war und auch auf Denkmälern weite Verbreitung fand.8 Auf der zentralen, zur Dorfmitte hin ausgerichteten Südseite des Sockels ist ein sterbender Soldat in voller Montur abgebildet, der sich mit der linken Hand an die Brust fasst und dem der kniende Christus einen Kelch reicht. Darüber steht ein Satz aus Offb 14,13 (Selig sind die Toten, die im Herrn sterben«). Auf der Rückseite des Sockels befindet sich kein Relief, sondern zwei biblische Inschriften, die wie folgt lauten: »Sie waren bereit, für Gesetz und Vaterland zu sterben« (2 Makk 8,21) und »Ihr Andenken erlischt nicht, und ihr Name wird wiederholt von Geschlecht zu Geschlecht« (Sir 39,13). Auf den beiden Sockelseiten auf der Westund Ostseite ist jeweils eine Kartusche zu sehen, die einen Stahlhelm in einem Lorbeerkranz zeigt, hinter dem sich zwei Schwerter kreuzen. Über dem Sockel erhebt sich der Obelisk, auf dessen vier Seiten jeweils die Inschrift »Den Gefallenen des Weltkrieges die dankbare[n] Gemeinde[n]« und die Namen der aus der jeweiligen Gemeinde Gefallenen zu lesen sind. Der Obelisk wird von einem Engel überragt, der auf einer Halbkugel steht und dessen Haupt sich leicht herabneigt. In seiner Rechten trägt er einen Siegeskranz aus Bronze, in der Linken einen Palmzweig. Das Denkmal vereinigt ikonografisch profane und christliche Motive. Letztere begegnen uns zunächst in dem Engel, der das Denkmal krönt, und seinem Palmzweig, der den den Toten zuteil gewordenen Frieden symbolisiert. Überdies ist hier auch die im Sockelrelief dargestellte Figur des Christus zu nennen. Christus ist hier nicht wie in vielen anderen Fällen als Gekreuzigter, als Segnender oder als Auferstehender, sondern als Tröster dargestellt, der dem Sterbenden einen Kelch reicht. Die dargestellte Geste ist nicht nur als ein Labsal des dürstenden Soldaten zu verstehen, sondern kann auch vor dem Hintergrund des Abendmahlsgeschehens gedeutet werden. Dort ist das für die anderen vergossene Blut des Herrn Symbol einer neuen und bleibenden Gemeinschaft mit ihm. Die christliche Ausrichtung des Denkmals wird auch in den Bibelversen auf der Sockelrückseite erkennbar, die den Überlebenden Trost zusprechen sollen. Das Denkmal unterstreicht das Pflichtbewusstsein der Toten, die ihr Leben einer höheren Sache geopfert haben und »im Herrn« gestorben sind. Daher ruhen sie in seinem Frieden und dürfen sich des bleibenden Gedenkens gewiss sein. Neben dieser der christlichen Ikonografie entnommenen Elemente bedient sich das Mahnmal auch des historistischen Formen- und Motivschatzes und lässt Ansätze einer Heroisierung und Idealisierung des Soldatentods erkennen: Dafür stehen die Darstellung des verwundeten bzw. sterbenden Kriegers und der Engel, der den Gefallenen gleichsam symbolisch den Lorbeerkranz überreicht. Das Kriegerdenkmal ist aber nicht das einzige Zeugnis, das in Kirchzarten im öffentlichen Raum an den Ersten Weltkrieg erinnert. Denn auf dem hinter der Kirche gelegenen Friedhof befinden sich auch einige Grabsteine, die an gefallene Kriegsteilnehmer erinnern. Dabei verdient ein Grabstein, der aus schwarzem Granit gefertigt ist, aufgrund seiner aufwendigen Gestaltung besondere Beachtung. So ist die schon etwas verwitterte Grabinschrift nicht wie üblich direkt auf dem Grabstein angebracht, sondern auf einer kleineren Platte, die schräg an den Stein angelehnt ist. Sie ist insofern ungewöhnlich, als sie nicht nur den Namen und das Geburts- und Todesdatum des Toten nennt, sondern auch weitere Angaben zu dessen Todesumständen macht. Die Inschrift lautet wie folgt: »Hier ruht in Gott Alois Bach Leutnant der Reserve Inf. Reg 113, Ritter des Eisernen Kreuzes II. Kl, geb. den 6. Oktober 1892. Den Heldentod erlitten in der Sommeschlacht durch ein französisches MaschinengewehrGeschoss am 11. Oktober 1916. Seine irdische Hülle wurde am 8. März 1917 der heimatlichen Erde übergeben. Ruhe sanft!« Der etwa ein Meter hohe Grabstein ist mit einem Eisernen Kreuz aus Metall verziert, das von einem in den Stein gemeißelten, gekreuzten Lorbeer- und Eichenzweig umgeben ist. Auf dem Stein liegt eine bronzene Pickelhaube, unter der ein Degen mit Portepee sowie ein Eichenlaub, das v.a. nach der Reichsgründung 1871 ein in Politik und Militär verbreitetes öffentliches Symbol war, hervorragen. Aufgrund des Helmbeschlags, der einen Greif mit Schwert und Wappenschild in den Vordertatzen und den Wahlspruch »Mit Gott für Fürst und Vaterland« zeigt, ist erkennbar, dass die Pickelhaube einem badischen Soldaten gehört.

Die Gestaltung des Grabsteins und seine Symbolik stehen in einem eigenartigen Gegensatz zu der Realität des Kriegstods, auf den er Bezug nimmt: Rufen die aus dem 19. Jhdt. stammende und sich mit Fortgangs des Krieges zunehmend als militärisch untauglich erweisende Pickelhaube und der Offiziersdegen die Vorstellung von einem Kriegsgeschehen wach, das von Ehre, Heldenmut, Pflichtbewusstsein und Ritterlichkeit gekennzeichnet ist, so stehen die Begriffe »Somme« und »Maschinengewehr« für die Frontwirklichkeit eines hochtechnisierten Kriegs, in dem diese überkommenen soldatischen Tugenden in den mörderischen Materialschlachten und Grabenkämpfen ad absurdum geführt wurden. Denn angesichts der verheerenden Wirkungen des massiven Trommelfeuers, denen die Soldaten in ihren Stellungen weithin passiv und ohnmächtig ausgesetzt waren, verloren die bisher tradierten Bilder des Soldatentods ihre Überzeugungskraft. Nicht zuletzt auch durch die gestiegene Zahl der Vermissten und der vielen nicht mehr identifizierbaren Toten, verlor der Soldatentod »auch äußerlich seine Würde«.9 Wer war dieser Alois Bach, dem ein so aufwändiger Grabstein errichtet wurde?

Grabstein für Alois Bach auf dem alten Friedhof in Kirchzarten

  Dank der im Generallandesarchiv Karlsruhe noch erhaltenen Personalakten sind wir in der Lage, uns ein etwas genaueres Bild von seiner Person und seinen letzten Lebensmonaten zu machen.10 Alois Bach wurde am 6. Oktober 1892 als Sohn von Josef und Amalia Bach in Delkhofen auf dem Großen Heuberg geboren, das damals zum württembergischen Oberamt Spaichingen gehörte. Sein Vater war Baumeister von Beruf und lebte mit seiner Familie in Kirchzarten. Bach, dessen Mutter zum Zeitpunkt des Kriegsbeginns bereits verstorben war, hatte noch sechs Schwestern. Nach dem Besuch der Oberrealschule und Gewerbeschule in Freiburg i. Br. absolvierte er eine Ausbildung an der 1878 gegründeten Großherzoglich Badischen Baugewerkeschule dem späteren Badischen Staatstechnikum -, die er als Architekt verließ. Beim Kriegsausbruch arbeitete er als Bauführer in einem Baugeschäft im nahe gelegenen Hinterzarten und verdiente monatlich 150 Mark. Schon am 5. August meldete sich Bach wie Zehntausende seiner Altersgenossen als Kriegsfreiwilliger beim 1. Ersatz-Bataillon des 5. Badischen Infanterie-Regiments Nr. 113, das in Freiburg i. Br. stationiert war. Im November 1914 wurde er zur 7. Kompanie dieses Regiments versetzt. In der folgenden Zeit hatte sich Bach offensichtlich militärisch bewährt laut Kriegsstammrolle war auch seine Führung »sehr gut« -, so dass er nach Ablegen der entsprechenden Prüfung am 11. Dezember 1915 zum Unteroffizier ernannt wurde. Am 29. Juli 1916 erfolgte dann seine Beförderung zum Vizefeldwebel, womit er zum Reserveoffiziersanwärter wurde und den Offiziersdegen mit Portepee führte. Was erlebte er aber in diesen Verwendungen? Auch darüber geben uns die Archivdokumente Auskunft, in denen die Gefechte in summarischer Form aufgeführt sind, an denen seine Einheit und er beteiligt waren. So nahm er zunächst vom November 1914 bis zum Mai 1915 an den beiden verlustreichen Flandern-Schlachten teil. Anschließend erlebte er vom 9. Mai bis 1. Juli 1915 die Frühjahrsschlacht bei La Bassee und Arras, mit der das französische Oberkommando die erstarrte Frontlinie aufzubrechen versuchte. Die auch unter dem Namen Lorettoschlacht bekannte Offensive gilt heute als eine der für den Ersten Weltkrieg typischen, ergebnislos verlaufenen Schlachten, an deren Ende geringe Geländegewinne Verlusten in Höhe von 60 000 Soldaten gegenüberstanden. Anschließend war Bachs Einheit in den Stellungskämpfen in der Champagne eingesetzt. Dort wurde er am 25. September im Verlauf der sog. Herbstschlacht nördlich Souain verwundet, da seine Stellung verschüttet wurde und er Quetschungen im Bauch und an den Beinen erlitt. Daraufhin wurde Bach für fünf Tage in das Militärlazarett in Sedan gebracht und anschließend in das Reserve-Lazarett Schloss Erlangen verlegt, wo er bis zum 14. Oktober verblieb. Nach seiner anschließenden Versetzung zum 1. ErsatzBataillon des Infanterie-Regiments Nr. 113 kehrte er im März 1916 wieder an die Westfront zurück, wo er wiederum in der Champagne eingesetzt wurde. Vom 16. April bis 8. Juli 1916 besuchte Bach einen Ofiziersanwärterlehrgang in Le Chesne in den Ardennen. Die letzte Etappe seines Lebensweges stellte sein Einsatz in der Schlacht an der Somme dar, die mit über einer Million getöteten, verwundeten und vermissten Soldaten als die verlustreichste Schlacht des Ersten Weltkriegs gilt. In ihrem Verlauf wurde Bach noch am 11. September 1916 mit dem Eisernen Kreuz 2.Klasse ausgezeichnet, fand aber bereits einen Monat später den Tod: Am 11. Oktober erhielt Alois Bach um 3.30 Uhr morgens nördlich von Peronne, möglicherweise bei einem Angriff oder einem Spähtruppunternehmen, einen Bauchschuss, an dessen Folgen er verstarb.11 Er wurde daraufhin zunächst provisorisch am Mont St. Quentin begraben und danach auf dem Militärfriedhof von Le Vergnier bei Roisel in der Picardie bestattet. Etwa zwei Wochen später erfolgte noch eine weitere Anerkennung seiner militärischen Leistungen, indem er postum zum Leutnant d.R. befördert wurde. Es war gewiss die Trauer um den einzigen Sohn und Bruder, dessen vielversprechendes Leben ein so jähes Ende gefunden hatte, die seine Familie bewog, ihn in die Heimat überführen zu lassen, um ihn endgültig in Kirchzarten zu bestatten.

St.Peter 
Im Jahr 1910 hatte das auf einem Plateau zwischen Thurner und Kandel gelegene und damals zum Amt Freiburg gehörende Dorf St. Peter 1390 Einwohner. Im Verlauf der fünf Kriegsjahre wurden 271 Männer zum Kriegsdienst eingezogen, wie aus einer Gedenktafel im Rathaus hervorgeht.12 Unterhalb der Klosterkirche liegt der Friedhof des Ortes, an dessen Nordseite sich eine offene Gedenkkapelle befindet. Die Kapelle wurde bereits im Jahr 1921/22 von der Gemeinde errichtet und erinnert an die 63 Soldaten aus St. Peter, die im Ersten Weltkrieg gefallen oder an ihren Kriegsverletzungen gestorben sind. Über dem Eingang ist eine Art Torbogen mit einer Widmungsinschrift für die in den beiden Weltkriegen »gefallenen Krieger]« der Gemeinde sichtbar. Darüber ist im Giebelfeld der Kapelle ein großes Eisernes Kreuz aus Holz angebracht. In der Kapelle befindet sich ein geschnitzter Altar mit einem Kruzifix und einer Figurengruppe sowie an den Seitenwänden Gedenktafeln mit den Namen der Toten. Die vor dem Kreuz stehende Figurengruppe zeigt einen knienden Engel, der einen sterbenden Soldaten in den Armen hält. Auf der gegenüberliegenden Seite stehen zwei Männer in weiten Gewändern, von denen einer auf den Soldaten zeigt. Der Engel legt dem Betrachter die Vorstellung vom Geborgensein der Toten nahe. Die Ausgestaltung des Altarraums erfolgte durch die Eberle'sche Kunstwerkstätte Gebr. Mezger in Überlingen unter Beratung durch den damaligen Regens des Erzbischöflichen Priesterseminars, Dr. Josef Ries.13
Kriegerdenkmal auf dem Friedhof von
St.Peter

Die 1871 von Josef Eberle gegründete und von den Gebrüdern Eugen und Victor Mezger weitergeführte Werkstätte trat vor dem Ersten Weltkrieg im südwestdeutschen Raum durch zahlreiche Kirchenausstattungen im Geist des Historismus hervor. Nachdem in der Nachkriegszeit die Nachfrage nach Kirchenausstattungsstücken aufgrund der Geldknappheit zum Erliegen gekommen war, brachte die Werksstätte eine ganze Reihe von Gedächtnismalen für Gefallene hervor.14 Solche Deutungen des Kriegstods durch die Kreuzigung Christi sind v.a. in Süddeutschland anzutreffen. Meinhold Lurz deutet die »nachträgliche Verherrlichung des Kriegstods durch seine Analogie zum Kreuzestod Christi« als Versuch, den trauernden Angehörigen »durch den Verweis auf Christus« Trost zu spenden und dem millionenfachen Soldatentod trotz der militärischen Niederlage einen Sinn zuzusprechen.15

Vogesenkapelle bei St. Peter 

Ein weiteres Zeugnis der privaten Erinnerung begegnet einem in Gestalt der Vogesenkapelle, die am Höhenweg zwischen St. Peter und St. Märgen in einer Waldlichtung liegt. Die auf 1015 Meter Höhe gelegene, schindelgedeckte Kapelle befindet sich an der höchsten Stelle des Reinerhofs und kann als Inbegriff einer Schwarzwaldkapelle gelten. An der Kapelle deutet nur der über dem Türsturz sichtbare graue Stahlhelm aus Holz darauf hin, dass hier ein Bezug zu einem Krieg besteht. Ihr Name hat nichts mit einem vielleicht zu vermutenden Vogesenblick zu tun, sondern mit einem Gelübde des früheren Hofbesitzers Leopold Hättich (1881-1966), das in  einer kleinen Tafel im Vorraum der Kapelle geschildert wird.16 Demnach war Hättich an der Vogesenfront in der Gegend des Hartmannsweiler Kopfes im Einsatz, wo v.a. im Jahr 1915 schwere Kämpfe stattfanden und rund 30000 Deutsche und Franzosen den Tod fanden. In diesem Winter blickte er auf seinem Beobachtungsstand mit dem Fernglas über die Rheinebene auf den Schwarzwald, wo er zwischen dem Kapfenberg und dem Kandel den oberhalb seines Hofes gelegenen Weidberg erkannte. Angesichts des Schreckens der Kriegsereignisse, die im Oberelsass auch die Zivilbevölkerung traf, gelobte er, auf dem Weidberg eine Kapelle zu bauen, falls seine Heimat vom Krieg verschont bliebe und er gesund heimkehrte. Hättich löste sein Versprechen im Jahr 1938 ein. Da die Kapelle ohne eine Baugenehmigung errichtet worden war, wurde er angezeigt. Die Anzeige zog aber keine ernsthaften Konsequenzen nach sich, so dass die kleine Kapelle auch heute noch die Spaziergänger und Wanderer an die Geschehnisse im Ersten Weltkrieg erinnert. Wer war dieser Kapellenstifter und was hat er im Lauf dieses Krieges erlebt?

Der vom Gerngroßhof in St. Peter stammende Leopold Hättich wurde am 22. Oktober 1881 geboren und heiratete 1913 die Hoftochter des Reinerhofs, Pauline Rombach (1893-1965). Noch im selben Jahr wurde das erste von acht Kindern geboren.17 Am 22. Oktober 1902 wurde Hättich zu dem in Mühlhausen i.E. stationierten 4. Badischen Infanterie-Regiment Nr. 112 »Prinz Wilhelm« zum Militärdienst eingezogen.18 Nach einem Jahr und elf Monaten wurde er am 22 September 1904 im Rang eines Gefreiten zur Reserve entlassen. Wenige Tage nach der Mobilmachung wurde Hättich am 5. August 1914 zur 11. Kompanie des Landwehr-Infanterie-Regiments Nr. 110 einberufen, das bereits am 2. August in Freiburg i. Br. und Müllheim aufgestellt worden war und wenige Tage später unter dem Befehl der 55. Landwehr-Brigade elsässischen Boden betrat. Hättichs Einheit war zunächst an der zweiten Schlacht bei Mühlhausen am 19. August beteiligt, bei der es den Deutschen unter großen Verlusten gelang, die ins Oberelsass eingedrungenen französischen Truppen zurückzuwerfen: Allein an diesem Tag hatte sein Regiment 356 Mann an Verlusten zu beklagen.19 Darauf folgten bis zum Dezember 1914 Gefechte im Sundgau und im Hirzbacher Wald, wo die Frontlinie für einige Zeit verlief. Das Jahr 1915 begann für seine Einheit mit verlustreichen Kämpfen in dem an der Ostflanke der Vogesen gelegenen Ort Sennheim, der dabei fast vollständig zerstört wurde, und in Oberburnhaupt.20 Hättich blieb bis zum Januar 1917 in den Stellungskämpfen im Oberelsass im Einsatz. Danach wurde seine Einheit in das Frontgebiet von Verdun verlegt und nahm bis zum Herbst 1918 an den Kämpfen bei Ronvaux-Saulx und Verdun sowie im St. Mihiel-Bogen und in der Woevre-Ebene teil, wo das amerikanische Expeditionskorps erstmals eine selbstständig geführte und erfolgreich verlaufende Offensive unternahm. Zuletzt kämpfte sein Regiment im Gebiet der westlich der Mosel gelegenen Höhen. Nach dem Waffenstillstand am 11. November 1918 trat es mit 96 Offizieren, 2765 Mann und 195 Pferden den Rückmarsch an, der durch Lothringen, das Saarland und die Pfalz führte.21 Am 2. Dezember überquerte das Regiment den Rhein und erreichte kurz darauf Heidelberg, wo es aufgelöst und seine Soldaten nach Hause entlassen wurden. In dieser mehr als vierjährigen Regimentsgeschichte hatte sich Leopold Hättich offensichtlich bewährt, wie aus seinen Personalakten hervorgeht. Denn im Mai 1916 wurde er mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet und im März 1917 zum Unteroffizier befördert. Da er sich bei verschiedenen Patrouillengängen und Stellungskämpfen als »mutige[r] und tapfere[r] Soldalt] gezeigt« hatte, wurde ihm im Dezember 1917 die »Karl Friedrich-Militär-Verdienstmedaille« in Silber verliehen.22 Nachdem Lepold Hättich noch 50 Mark Entlassungsund 15 Mark Marschgeld erhalten hatte, wurde er im Rang eines Sergeanten aus dem Militärdienst entlassen und konnte auf seinen Hof zurückkehren, auf dem mittlerweile zwei weitere seiner Kinder geboren worden waren. Hättich wurde nach dem Krieg, in dem er zwei Brüder in Russland verlor, Vorsitzender des örtlichen Bauernvereins und gründete im Jahr 1920 eine landwirtschaftliche Ein- und Verkaufsgenossenschaft, deren Vorsitzender er bis 1948 war. Von 1946-1953 wirkte Leopold Hättich als Gemeinderat und starb am 8. Juli 1966 in St. Peter.
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Erinnerung und Gemeinschaft 
Der vorliegende Beitrag hat anhand von ausgewählten Beispielen, denen sich unschwer noch andere hinzufügen ließen, aufzuzeigen versucht, dass sich auch heute noch viele Erinnerungsmale an den Ersten Weltkrieg im öffentlichen Raum befinden, die uns dieses Geschehen und die Reaktionen der Zeitgenossen vergegenwärtigen können. Bei den behandelten Kriegerdenkmälern handelt es sich um relativ frühe Zeugnisse der Nachkriegszeit, die alle noch mehr oder weniger stark von christlichen Motiven gekennzeichnet sind. Dennoch finden wir in ihrer Gestaltung und Botschaft spürbare Unterschiede: Die beiden Denkmäler in St. Peter und Waldau sind stark religiös geprägt und rücken trotz der Verwendung traditioneller Attribute wie Eisernes Kreuz, Lorbeerkranz, Schwert und Stahlhelm das Motiv der Trauer um die Gefallenen und die Mahnung des Gedenkens klar in den Vordergrund. Gerade das Waldauer Mahnmal lässt keinen Gedanken der Heroisierung aufkommen, und seine auf dem Sockel erkennbare militärische Symbolik wirkt in ihrer stellenweise verniedlichenden Darstellung angesichts der übergroßen Pieta und der durch sie symbolisierten Trauer sogar etwas hilflos. Dagegen treten bei dem Kirchzartener Mahnmal neben den ebenfalls vorhandenen religiösen Momenten die heroisierenden Elemente deutlicher hervor. Dieser Unterschied zwischen den Denkmälern ist wohl in erster Linie auf die jeweiligen Künstler und deren geistige Orientierung zurückzuführen: Hier die Gebrüder Mezger, deren Werkstatt durch historistische Kirchenausstattungen hervorgetreten war und sich eher notgedrungen dem Bereich der Gedächtnismale zugewendet hatte, dort der nationalistisch orientierte Bildhauer Hugo Franz Knittel, der sich auch aus innerer Überzeugung und teilweise unter Inkaufnahme finanzieller Nachteile auf die Schaffung von Ehrendenkmälern spezialisiert hatte. Gerade aber bei diesem Mahnmal wird das Bedürfnis nach  einer Sinngebung des Soldatentods, der angesichts des Massensterbens in diesem Krieg für viele Zeitgenossen nicht mehr erkennbar war, besonders augenfällig. Denn »der Tod von Hundertausenden auf wenigen Quadratkilometern Erde, die umkämpft wurden, hinterließ einen Begründungszusammenhang, der mit überkommenen Bildern und Begriffen schwer einzulösen war«.32 So unterstreichen die auf der Rückseite angebrachten Bibelverse das Pflichtbewusstsein der Gefallenen, die »für Gesetz und Vaterland« gestorben seien und an deren Name daher »von Geschlecht zu Geschlecht« erinnert werde. In gewisser Hinsicht formuliert auch das Kirchzartener Mahnmal eine Art »Identifikationsgebot«, das Reinhart Koselleck einmal wie folgt beschrieben hat: »Die Toten verkörpern eine vorbildliche Haltung, sie starben für eine Aufgabe, mit der sich die Überlebenden im Einklang befinden sollen, um die Gefallenen nicht umsonst gefallen sein zu lassen«.33 Ungeachtet dieser ikonografischen Detailunterschiede dokumentieren alle drei Denkmäler mit ihren mehr oder weniger umfangreichen Namenslisten deutlich, wie hoch der Blutzoll war, den dieser Krieg den europäischen Völkern abverlangte. Die Tatsache, dass allein in Deutschland 2,9% der Bevölkerung im Weltkrieg als Soldaten gefallen war, stellte die Opferzahlen bisheriger Kriege in den Schatten und übte auf die Nachkriegsgesellschaft eine traumatisierende Wirkung aus.

Das Motiv der Trauer begegnet einem v.a. auch in den privaten untersuchten Erinnerungszeugnissen, anhand derer das Schicksal von drei Soldaten nachgezeichnet werden konnte. Während Alois Bach und Stefan Wehrle nicht mehr aus dem Krieg heimkehrten ein Schicksal, das sie mit 62 677 gefallenen oder gestorbenen Kriegsteilnehmers Badens teilten -, hat Leopold Hättich den Krieg überlebt.34 Gerade diese privaten Erinnerungsspuren sind insofern besonders wertvoll, als sie die menschliche Dimension des Geschehens vielfach eindrücklicher veranschaulichen können, als dies den ofliziellen Denkmälern möglich ist. Überdies wird an ihnen ablesbar, wie die Hinterbliebenen den Verlust ihrer Angehörigen und die Überlebenden das im Krieg Erlebte zu bewältigen versuchten. Die Mahnmale für Alois Bach und Stefan Wehrle bringen je auf ihre Weise die Trauer um den einzigen Sohn bzw. den Ehemann und Vater von vier Kindern zum Ausdruck. Bei dem Grabmal für Bach finden künstlerische Attribute des traditionellen Gefallenenkults Verwendung, die zu einer Heroisierung und Verklärung des Soldatentods neigen. Doch gerade in der außergewöhnlichen Schilderung der dramatischen Todesumstände auf der Grabinschrift wird der Versuch der Hinterbliebenen erkennbar, »Hilfslosigkeit durch Pathos zu kompensieren« eine Beobachtung, die man bei vielen Denkmälern des Ersten Weltkriegs machen kann.35 Hingegen versinnbildlicht das Gedenkkreuz für Stefan Wehrle mit seiner schlichten Inschrift, das in seiner heutigen Form von einem großen zeitlichen Abstand aus auf das Geschehene zurückblickt, »nur« noch den Schmerz und die Trauer der Hinterbliebenen, die auch der heutige Betrachter noch erahnen kann. Seine Eindrücklichkeit gewinnt das Denkmal aus dem Umstand, dass es eine Abschiedsszene eines Ehepaares vergegenwärtigt. Zugleich erinnert das Gedenkkreuz einen endgültigen Abschied, da den Eheleuten kein Wiedersehen vergönnt war. Schließlich enthält die Vogesenkapelle bei St. Peter noch eine weitere Facette in diesem Erinnerungsspektrum. Es ist das Motiv der Dankbarkeit für das Verschontbleiben der Heimat und die persönliche Rettung aus dem Krieg. Gerade  an dem Umstand, dass es mehr als 20 Jahre dauerte, bis Leopold Hättich im Schatten des schon heraufziehenden Zweiten Weltkriegs sein Versprechen einlöste, wird erkennbar, wie lebendig seine Erinnerung an diese Geschehnisse war, die sich gegen das Vergessen stemmte.

Im Epilog des Romans »Aus großer Zeit«, in dem Walter Kempowski die Erlebnisse eines Rostocker Bürgersohns in der Kaiserzeit und im Ersten Weltkrieg thematisiert, wird auch der Rückmarsch seiner Einheit durch Köln geschildert. Die Bevölkerung säumt die Straßen und betrachtet die vorbeimarschierenden Soldaten. Nicht wenige der Passanten verfolgen das Geschehen mit Tränen in den Augen. Der Roman schließt mit folgenden Sätzen: »Da sind denn auch die jungen Mädchen, denen es immer wieder aus den Augen hervorbricht, und: drasch-drasch-drasch-drasch, die Soldaten mit wildem Gesicht: Nicht, dass sie tot sind, all die Kameraden, ist der Schmerz, sondern, daß man sie vergessen wird. Trotz aller Monumente«.36 

Sind die Toten des Ersten Weltkriegs und der Schmerz der um sie Trauernden vergessen? Haben sie noch irgendetwas mit uns und unserer Geschichte zu tun? Ist die Erinnerung an sie und ihre im Krieg gemachten Erlebnisse und Erfahrungen trotz der nach wie vor anzutreffenden Denkmäler erloschen? Das Jubiläumsjahr 2014, in dem in ganz Europa der 100. Wiederkehr des Beginns des Ersten Weltkriegs gedacht wird, lädt uns dazu ein, unseren Blick für die auch in unserer unmittelbaren Lebensumgebung noch immer anzutreffenden Denkmäler und Spuren dieses Jahrhundertereignisses zu schärfen, sie in neuer Weise wahrzunehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. In der Vergegenwärtigung der Geschichte und der menschlichen Schicksale, auf die diese Zeugnisse verweisen, und im Gewahrwerden der Fragen, die sie uns stellen, würden wir Teil einer Erinnerungsgemeinschaft, die viele Länder in und außerhalb Europas umspannt und diese miteinander verbindet. Es ist gerade dieser Schatz der Erinnerungen an eine gemeinsam erlebte und durchlittene Geschichte, der den Europäern nach den Schrecken zweier Weltkriege Wege zu einem neuen Miteinander eröffnet hat und auf den das in unseren Tagen vielfach herausgeforderte und um seine innere Akzeptanz ringende europäische Projekt wohl kaum verzichten kann.

Anmerkungen
1 Hans Ottomeyer: Vorwort. In: Der Weltkrieg, 1914-1918, Ereignis und Erinnerung. Im Auftrag des Deutschen Historischen Museums hg. v. Rainer Rother. Berlin 2004, S. 12f., hier: S. 12. Für wertvolle Hinweise danke ich Martin Hättich (St. Peter), Manfred Hennhöfer (Karlsruhe), Egon Schwär (Waldau) und Gerhard Wehrle (Waldau) vielmals. 
2 Gerd Krumeich: »Wir haben keine Erinnerung«: Der Historiker Gerd Krumeich zu Schwierigkeiten im Umgang mit dem Ersten Weltkrieg. In: Der Sonntag (Freiburg) v. 9. März 2014, S. 9. 
3 Gerd Krumeich: Der Hass verdrängte das Gedenken: Warum es in Deutschland keine lebendige Erinnerung an den Ersten Weltkrieg mehr gibt im Gegensatz zu unseren Nachbarländern. In: Badische Zeitung v. 17. April 2014, S. 11. 
4 Sabine Behrenbeck: [Art.] »Denkmal«. In: Gerhard Hirschfeld u.a. (Hg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Paderborn 2003, S. 430-433, hier: S. 432. 
5 Ebd.; vgl. auch Meinhold Lurz: Kriegerdenkmäler in Deutschland. Bd. 4: Weimarer Republik. Heidelberg 1985, S. 221. 
6 Vgl. im Folgenden die entsprechenden Dokumente im Gemeindearchiv Kirchzarten IX, 1429 (Militärund Kriegssachen, Errichtung eines Kriegerdenkmals). 
7 Heinz Spath: Bildhauer Hugo Knittel. o.]. Beispiele von Knittels Schaffen sind die Mahnmale in Furtwangen, Glottertal, Haslach im Kinzigtal,  \ oo  10  11  12  13  14  15 16  17  18  19  20 21 22 23  24  25  Kehl, Köndringen, Münster (Elsass), Murg, Oppenau und Todtnau. 
8 Vgl. Lurz 1985, S. 136-146. 
9 Wolfgang J. Mommsen: Bürgerstolz und Weltmachtstreben: Deutschland unter Wilhelm II. 1890 bis 1918. Berlin 1995, S. 732. 
10 Vgl. Kriegsstammrolle von Alois Bach: Generallandesarchiv Karlsruhe (im Weiteren: GLA) 456 E 293.
11 Das 5. Badische Infanterie-Regiment Nr. 113, das in Friedenszeiten eine Stärke von 3390 Mann besaß, hatte im Verlauf des Krieges insgesamt 8993 Tote, Vermisste und Verwundete zu beklagen. Das 5. Badische Infanterie-Regiment Nr. 113 im Weltkriege 1914/18. Bearb. nach den amtlichen Kriegstagebüchern unter Mitwirkung des Reichsarchivs. Hg. v. Verein der Offiziere des ehemaligen 5. Badischen Infanterie-Regiments Nr. 113, Oldenburg 1925, S. 111.
12 Vgl. Klaus Weber: St. Peter im Wandel der Zeit. St. Peter 1992, S. 202. 
13 Vgl. Josef Läufer: Pfarreichronik der Pfarrei St. Peter: Beitrag zur 900-Jahr-Feier 1993. Freiburg 1992, S. 258. 
14 Vgl. Yvonne Herzig: Süddeutsche sakrale Skulptur im Historismus: die Eberle’sche Kunstwerkstätte Gebr. Mezger. Petersberg 2001, S. 21. 
15 Lurz 1985, S. 222. 
16 Vgl. Fritz Hockenjos: Wäldergeschichten: Aus dem Herrgottswinkel des Schwarzwalds. Freiburg 1980, S. 81-83. 
17 Vgl. Klaus Weber: Höfechronik von St. Peter. Zeichn. v. Franz Metzger. 2 Bde. St. Peter 1997/98, hier: Bd. 2, S. 616 u. 627-628. 
18 Vgl. Kriegsstammrolle von Leopold Hättich: GLA 456 C 3063 (lfd. Nr. 162). 
19 Vgl. Karlheinz Deisenroth: Oberelsaß und südliche Vogesen. Hamburg 2000 (Militärgeschichtlicher Reiseführer), S. 48; Ernst von Waldthausen: Das Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 110 im Weltkrieg 1914 bis 1918. Freiburg 1936, S. 12. 
20 Vgl. ebd., S. 54f. 
21 Vgl. Waldthausen 1936, S. 175-178.
22 Vgl. GLA 233 Ordensverleihungen 10118 (Jahrgang 1917).
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32 Reinhart Koselleck: Kriegerdenkmale als Identifikationsstiftungen der Überlebenden. In: Odo Marquard/Karlheinz Stierle (Hg.): Identität. München 1979, S. 255-276, hier: S. 272 f.
33 Vgl. ebd., S. 262. 
34 Statistisches Jahrbuch für das Land Baden. Hg. v. Badischen Statistischen Landesamt. Jahrgang 1930, Karlsruhe 1930, S. 39. 
35 Koselleck 1979, S. 272. 
36 Walter Kempowski: Aus großer Zeit. Hamburg 1978, S. 447 f.