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Der Offenburger Maler Otto Vittali 
1872-1959

eine Zeit lang Mieter im Schloß Weiler in Stegen

Otto Vittali 1872-1959

Alter Wellenmeister 
aus dem Dreisamtal

Schwarzwälderin 
aus dem Dreisamtal


Wer alte Literaturgeschichten durchblättert, ist erstaunt und entsetzt, daß die meisten Dichter und Schriftsteller, die einst ihre Zeit bewegten, der Vergessenheit anheim gefallen sind und schon der nächsten Generation schon gar nichts mehr bedeuten. Das gleiche tragische Schicksal des Vergessenwerdens wird den bildenden Künstlern zuteil, da der Geschmacksumschlag in der Kunst wie bei der Mode beängstigend schnell vor sich geht. Wenige nur gelangen hinauf. Sie stehen eine Weile im Rampenlicht des Ruhms und versinken dann wieder im Dunkel. Schneller denn je scheint die Abwertung der Kunst in der Gegenwart zu sein, wo geistige Umwälzungen von Weltausmaß alle Werte umwerfen. Verwirrende und nervenzerstörende Kunst wird in Musik und Malerei zum Teil mit raffinierter Reklame an die kritiklos gewordenen Menschen mit ungehemmtem Hochmut gegen die alten Meister herangetragen und als höchste Vollendung gepriesen. Doch „verachtet mir die Meister nicht und ehret ihre Kunst“.!
Diese Gedanken bewegten mich, als ich bei meinem Freund Dr. Erich Vittali in Baden-Baden Einblick in das reiche Schaffen des Kunstmalers Otto Vittali gewann, der im Jahre 1958 in Offenburg im Alter von 86 Jahren starb.
Der Künstler wurde am 11. August 1872 als Sohn des Otto Leopold Vittali in Offenburg geboren. Seine Vorfahren waren 1804 aus Bellano, Provinz Como, eingewandert. Otto Vittali studierte an den Kunstschulen in Karlsruhe und München und arbeitete später im Atelier von Professor Linnemann in Frankfurt a. O. auf dem Gebiet der Glasmalerei, um seine Fertigkeiten zur Übernahme der väterlichen Glasmalerei in Offenburg zu vervollkommnen. Nach einer Studienreise nach Amerika machte sich der junge Glasmaler in Berlin selbständig, wo er auf Grund seines überragenden Könnens vom Kaiserhaus bedeutende Aufträge erhielt. Als Kirchenmaler zur Anerkennung gelangt, führte er sieben große Kirchenfenster im Auftrag der Kaiserin aus, von denen sich noch einige großartige Aquarellskizzen im Nachlaß befinden. Im Auftrag Kaiser Willhelms II. malte der Künstler die Bilder für die Himmelfahrtskirche auf dem Ölberg zu Jerusalem. 
Eine edelsteingeschmückte goldene Nadel und ein persönliches Handschreiben des Kaisers erinnern noch an jene erfolgreiche Zeit.
Großes Aufsehen erregten auch die lebensgroßen Figuren des Künstlers im Mosaikfries an der Gartenfassade des Hotel Adlon in Berlin, bei dessen Erbauung Vittali als künstlerischer Beirat mitwirkte.
1910 weilte er zu keramischen Studien in Paris. Die von ihm zusammen mit dem Kgl. Baurat Leibnitz und Kommerzienrat Stangen in Berlin gegründete Vitra-Gesellschaft stellte die neuartigen Vittali-Gläser und Fayencen mit Metalldekoren her, die den Kunstmarkt der Vorkriegszeit mit edlen Erzeugnissen bereicherte. Einige der herrlichen Glasarbeiten sind noch im Besitz des Sohnes. Kurz vor Ausbruch des Krieges beschäftigte sich der auch technisch hochbegabte Könner mit der Erfindung einer Maschine zur Herstellung von Autotypie-Tiefdruckrastern. Im Jahre 1914 arbeitete der erste Raster 2X2m in Berlin.
Der Ausbruch des Krieges unterbrach diese hoffnungsvolle Entwicklung, Vittali wurde Soldat. Als Artillerieoffizier erfand er eine graphische Flugbahntabelle, die „Vittali- Flugbahntabelle“, die die schwierigen artilleristischen Berechnungen überflüssig machte und die im 1. Weltkriegheer offiziell eingeführt wurde. Als Führer eines Schallmesstrupps bei der Garde-Kavallerie-Division in Pinsk hatte der Künstler Zeit und Gelegenheit, sich der Portrait- und Landschaftsmalerei zuzuwenden. Er porträtiert Fürstlichkeiten, Generäle und Typen aus dem polnischen Volksleben. Er schuf vor allem eindrucksvolle Bilder der weiten polnisch-russischen Landschaft, von denen noch einige schöne Aquarelle im Familienbesitz sind.
In den Notzeiten nach dem Krieg entstanden Radierungen, Original-Steinzeichnungen, Exlibris und Buchillustrationen und zum Broterwerb auch technische und Reklamezeichnungen für verschiedene große Firmen.
Bald wendete sich der Heimatfreund seiner geliebten badischen Heimat zu, die er in großen Gemälden verherrlichte. Lange Zeit lebte er mit seiner Familie auf Schloß Stegen bei Freiburg und später in Kirchzarten, wo die schönen Bilder aus dem Markgräflerland (Kirchgang), das Freiburger Münster, die Winterlandschaft von Saig, St.Peter und viele andere entstanden sind. Hier schuf er auch Portrait von Freiburger Industriellen (Mez und Tscheulin), Pfarrern und Rechtsanwälten. Auch in Offenburger Bürgerhäusern hängen viele wertvolle Bilder von bedeutenden Offenburgern, auch das reizende Kinderbildnis der Tochter eines Rechtsanwaltes. Nicht vergessen seien die großen Wandmalereien in der ehemaligen Ihlenfeldkaserne in Offenburg: ein Straßenbild aus Altenheim und die Darstellung der alten Reichstadt Offenburg aus dem Jahre 1163.
Daß Vittali auch als Malerpoet herrlich wirken konnte, beweißt seine „Rosenwunderdarstellung“ aus dem Leben der heiligen Elisabeth. In diese Gruppe zählen auch der Wanderer am See, Schicksal, St. Konrad, die ziehenden Kraniche über arkadischer Landschaft, aufziehende Gewitter im Schwarzwald und viele andere. Besonders eindrucksvoll ist ein stimmungsgeladenes herbstliches Parkbild, das heute die kunsterfüllte Wohnung seines Sohnes Dr. Vittali schmückt.
Voll Wehmut betrachtet man des toten Meisters Palette und die feingeordneten Pinsel und Malgeräte. Nur die peinlichste Ordnung ermöglichte des Künstlers ungeheures Schaffen. Er führte Buch über seine Arbeiten. Bis zum Jahre 1953 zählte er 1593 gemalte Bilder und 689 Porträts, nicht gerechnet die unzähligen Aquarelle und Skizzen und das reiche Werk der Glasmalerei.
Menschlich besonders nahe und leibenswürdig tritt uns der geniale Künstler in seinen Gäste- und Trinkbüchern entgegen, in denen sich die Freunde mit übermütigen Versen und lustigen Zeichnungen in der Art von Wilhelm Busch verulkten. In vollen Bechern schäumte hier das Leben. Man versteht, daß dieser vollblütige Mensch nicht in die dürre Abstraktion der Kunst versinken konnte.
Die Badische Heimat hat sich als treuer Ekkhart der echten Volkswerte erwiesen. Sie sollte auch den heimgegangenen Künstler Otto Vittali in ihre Ehrenhalle aufnehmen. Die Werte des Gemüts und die Verherrlichung der badischen Landschaft, die er uns zeigt, dürfen der Nachwelt nicht verloren gehen.

Von Erwin Schneider, Pforzheim
in: Badische Heimat. Ekkhart. Jahrbuch für das Badner Land 1961, Seite 101-105

.....Auch die Kunstszene wurde "gesäubert“. Auf der Offenburger Herbstmesse, bei der traditionell Künstler der Ortenau ihre Werke zeigen konnten, beschlagnahmte die Polizei am 2. Oktober 1933 mehrere Gemälde. Die NS-Presse polemisierte insbesondere gegen die "bolschewistische-Kunst“ des Malers Tell Geckls, der seitdem nicht mehr ausstellen durfte. Ein von Geck gemaltes Porträt des Offenburger SPD-Stadtrats und Ehrenbürgers Georg Monsch wurde aus dem Städtischen Museum wieder entfernt. Auf der folgenden "Braunen Offenburger Herbstmesse“ 1934 wurden nur noch Arbeiten parteikonformer Künstler ausgestellt. Zu diesen zahlte der Maler Otto Vittali, dessen Bilder den künstlerischen Vorstellungen der Partei voll entsprachen.......
Im Frühjahr 1932 fanden sich Tell Geck, Gretel Haas-Gerber und Hermann Sprauer mit den Architekten Wallraff und Klem zur "Arbeitsgemeinschaft für bildende Kunst“ zusammen und stellten noch im Oktober desselben Jahres gemeinsam auf der Offenburger Herbstmesse aus. Hatten dort seit 1929 Sonderausstellungen der Werke einzelner Künstler stattgefunden, so war 1932 erstmals eine Schau zu sehen, die das Schaffen nahezu aller Offenburger Künstler in zwei Gruppen mit selbständigen Abteilungen zusammenfassen und einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machen sollte. Während der eine Teil der Ausstellung, u.a. mit Werken von Otto Vittali, Emil Brischle, Peter Valentin sen. und jun. und Jörg Wolf, konventionell gestaltet war, präsentierte sich die Ausstellung der Arbeitsgemeinschaft als Neuheit und Besonderheit. Die Initiatoren wollten mit ihrem kunstpolitisch engagierten und kunstpädagogisch geprägten Konzept neue Wege in der Vermittlung von Kunst und künstlerischer Tätigkeit beschreiten - mit dem Ziel, das Interesse des Publikums zu wecken und so langfristig auch die bedrückende wirtschaftliche Situation der bildenden Künstler zu verbessern. Dem Betrachter sollten mit Beispielen und erklärenden Texten Einblicke in die Entstehung von Kunstwerken und in das Schaffen des Künstlers ermöglicht werden, um auf diese Weise das Verständnis der breiten Volksschichten für die Kunst fördern. Die Reaktionen reichten von wohlwollendem Interesse und Zustimmung bis hin zu Befremden und Ablehnung. Wurden die jungen Künstler von Heinrich Berl im "Offenburger Tageblatt“ sogleich als "Doktrinär“,  die Erklärungen und Belehrung auf Kosten des Malerischen überbetonten, abgelehnt und an den Rand gerückt, stellte Hanns Reich gerade dieses lehrhafte Element als unverzichtbar dar. Er erkannte in der progressiven Gegenwartskunst, die abrückte von Kategorien wie Schönheit und Gefallen, den Versuch ”unsere Zeit mit den Mitteln der Kunst zu bewältigen“. Das Badische Kultusministerium belohnte Tell Gecks Verdienste an der neuartigen Schau mit einem Stipendium.
Die ergeizigen Zukunftspläne der Arbeitsgemeinschaft wurde schon im folgenden Jahr durchkreuzt. Angesichts ihrer angespannten finanziellen Situation sahen sich die jungen Künstler nicht mehr in der Lage ihr Ausstellunggkonzept so wie geplant weiterzuverfolgen. Weitaus einschnediender aber war, dass im Oktober ein Teil ihrer auf der Herbstmesse ausgestellten Arbeiten auf Initiative des Offenburger Kampfbundes für deutsche Kultur als "entartet“ abgehängt wurden, darunter Gretel Haas-Gerbers "Hütemädchen“; wegen "Verächtlichmachung des Bauernstandes“. Die polizeiliche Aktion wurde begleitet von entwürdigenden Diffanierungen der betroffenen Kunstler in der nationalsozialistischen Presse. Unter der Überschrift "Schluss mit bolschewistischer >Kunst<!“ wurde Tell Geck im "Führer“ sogar namentlich erwähnt und persönlich scharf angegriffen“. Zwei Tage später beteiligte sich auch der Offenburger Maler Otto Vittali "im Auftrag der Offenburger Künstler“ öffentlich an dieser Kampagne. Eine Mitwirkung seiner Person oder anderer Künstlerkollegen an der Abhängung wies er von sich, gleichwohl aber versäumte er es nicht, seine Verachtung für die Arbeiten Gecks und Sprauers zum Ausdruck zu bringen,  indem er befand, dass ihre "Gebilde gegen jedes ästhetische Empfinden verstoßend erscheinen“. Vittali selbst stellte sich auf die künstlerischen Vorgaben des neuen Regimes offensichtlich Problemlos ein, zeichneten sich seine Werke, darunter Portaits und heimatliche Landschaftsidyllen, doch schon vor 1933 durch Objekttreue und eine unproblematische Sicht der Motive aus. Auf der Herbstmesse 1933 belegten dann Arbeiten wie "Der Dolchstoß“ und  "Hitler“, welche Richtung Vittali eingeschlagen hatte. Eines der späteren Gemälde zeigte den NS-Diktator gar als „aufgehende Sonne über Offenburg“.......

Aus:
Klaus Eisele und  Joachim Scholtyseck (Hg.)
Offenburg 1919 – 1949.
Zwischen Demokratie und Diktatur
UVK Verlagsgesellschaft mbH
Seite 361-362