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Töpfer, Schmiede, Münzmeister
Nachweise spätkeltischen Handwerks in Tarodunum,
Gde. Kirchzarten, Kreis Breisgau-Hochschwarzwald

Holger Wendling
aus: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2005, Seiten 107-110 - Theiss Verlag



Neben anderen spätkeltischen Siedlungsstellen des Oberrheingebietes in Basel, Breisach oder Riegel a. K. ist die unbefestigte mittel- und spätlatenezeitliche Großsiedlung Tarodunum [Kirchzarten-Zarten „Rotacker“] nun bereits seit annähernd zwei Jahrzehnten Ort vornehmlich prospektorischer Untersuchungen. Bisherigen punktuellen Ausgrabungen schlossen sich 2005 weitere archäologische Maßnahmen des Instituts für Ur- und  Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Eberhard-Karls-Universität Tübingen unter Leitung von Prof. M.K. H. Eggert an, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wurden. Im zentralen Bereich der Siedlungsfläche sollten mehrere durch geomagnetische Verfahren eruierte und durch Bohrstockanalysen verifizierte Anomalien des geologischen Untergrundes auf ihre anthropogene Herkunft und die etwaige Art des Befundes hin untersucht werden. Zu diesem Zweck wurden insgesamt sieben Grabungsflächen angelegt, in denen neben einem reichhaltigen Fundinventar auch verschiedene Befunde und Straten aufgedeckt werden konnten.

Spätkeltische oder römische Wegetrasse?
Im südlichen Bereich der Siedlungsfläche wurden Teile einer Steinkonzentration aus bis zu kopfgroßen Flusskieseln ergraben, die teilweise bis 0.1 m unter der Humusoberfläche anstanden. Die Breite der vermutlich linear Ost-West verlaufenden, im Querprofil leicht gewölbt erscheinenden Steinanhäufung beträgt mindestens 4–4,5m. Anzahl und Qualität der zwischen den Steinen eingelagerten Funde mittelalterlich-neuzeitliches Material beschränkte sich auf den überlagernden Humushorizont könnten für eine mögliche spätlatenezeitliche Ablagerung, etwa als Unterbau eines Weges, sprechen. Trotz des bisherigen Fehlens kaiserzeitlicher Funde ist auch eine Deutung als römischer Straßenkörper möglich: Die Struktur liegt in der Verlängerung eines gepflasterten Straßenabschnitts, der in den 1930er Jahren innerhalb der weiter östlich gelegenen latenezeitlichen Befestigung in etwa gleicher Flucht nachgewiesen wurde. Er wird als Teilstück einer den Schwarzwald querenden römischen Trasse interpretiert.

Eisenzeitiche Kulturschicht
Der unterhalb der Steinfläche anzutreffende und in anderen Grabungsflächen auf die Ackerkrume folgende mittelbraune Lehmhorizont kann aufgrund der eingelagerten Funde, unter denen besonders viele Amphorenfragmente der Form Dressel 1A auffallen, als mittel- bis spätlatenezeitliche Kulturschicht angesprochen werden. Sie liegt mit einer Mächtigkeit von ca.0.3m dem anstehenden pleistozanen Schotterniveau bzw. dessen rötlichbraunem, stark kiesdurchsetztem lehmigem Verwitterungshorizont auf. Teilweise sind späteisenzeitliche Gruben in diese Kulturschicht eingetieft, so dass möglicherweise von einer älteren Siedlungsphase ausgegangen werden kann. Die aus der Schicht geborgenen Kleinfunde decken das gängige Spektrum spätkeltischer Siedlungsfunde ab: Neben Fragmenten eiserner und bronzener Fibeln, einem eisernen Gürtelhaken sowie bronzenen und gläsernen Armringfragmenten (Abb.90] verdienen mehrere Bruchstücke von Handdrehmühlen aus Buntsandstein Beachtung.


Abb‚90 - Kirchzarten - Zarten, Tarodunum. Fragmente von  Bronze- und Glasarmringen sowie bronzener und eisener Fibeln (Dm. des oberen Bronzerings ca 7 cm)
Abb‚91 - Kirchzarten - Zarten, Tarodunum. Detailansicht einer mit zahlreichen Keramikfragmenten und Fehlbränden verfüllte Grube im Zentrum der Siedlung.

 
Töpferei im Zentrum
Neben dem ergrabenen Schichtkomplex gelang überdies der archäologische Nachweis unterschiedlicher Grubenstrukturen, die sich bereits als Anomalien im geomagnetischen Bild abgezeichnet hatten. Im Zentrum der Siedlung konnte ein Grubenkomplex ausgegraben werden, dessen Oberfläche unmittelbar unterhalb des Humushorizontes zutage trat. In mehrere unregelmäßig angeordnete. ca.0,3 m tiefe, flach wannenförmige Eintiefungen war ein reichhaltiges keramisches Inventar eingelagert, aus dem besonders einige großscherbige, annähernd vollständig erhaltene Flaschen und Töpfe geglätteter Feinkeramik hervorstechen (Abb. 91]. Neben zahlreichen weiteren Fragmenten weiß und rot bemalter Feinkeramik und grobkeramischer kammstrich- und grübchenverzierter Kochtöpfe fallen besonders einige Scherben von Graphittontöpfen auf, die möglicherweise aus dem ostkeltischen Raum importiert wurden.
Von besonderer Bedeutung sind jedoch verzogene und verformte, blasige und während des Brandes gerissene Keramikfragmente, die Fehlbrände einer spätlatenezeitlichen Tonwarenproduktion darstellen. Hiermit ist erstmals ein direkter Nachweis eines Töpfereibetriebes in Tarodunum gelungen; ein zugehöriger Ofen konnte nicht lokalisiert werden, ist jedoch im direkten Umfeld der Abfallgrube für Ausschussware, mithin im Zentrum der Siedlung zu vermuten.

Buntmetall- und Eisenverarbeitung
Am südlichen Rand der Siedlung wurde eine grob rechteckige Grube mit flacher Sohle und steilen Wänden aufgedeckt, die mit dunkelbraunem, teilweise stark holzkohlehaltigem fettig-humosem Lehm verfüllt war. Sie ließ sich besonders im oberen Grubenbereich nur schwer von der angrenzenden lehmigen Kulturschicht unterscheiden, in die die Grube ca. 0,4 m, bis oberhalb des anstehenden Verwitterungshorizontes, eingetieft worden war. In der Verfüllung fanden sich zahlreiche Reste metallverarbeitender Aktivitäten: Bronzegussreste und Bronzeblechfragmente. Fragmente von Düsenöffnungen einer Schmiedeesse, verschlackte Teile eines wohl als Düsenziegel zu interpretierenden Objektes sowie mehr als 4kg Schmiedeschlacke. Sie sind Zeichen vielfältiger Arbeitsprozesse und ein weiterer Beleg der Verknüpfung spätkeltischer Eisen- und Buntmetallverarbeitung.

Münzguss
Der Großteil der in der diesjährigen Kampagne geborgenen sieben Fundmünzen stammt aus der bereits angesprochenen Kulturschicht in Grabungsflächen im südlichen Bereich der Siedlung (Abb. 92). Lediglich eine Sequanerpotinmünze Typ l.B wurde nur wenig westlich der Töpfergrube geborgen. Die übrigen Münzen stellen Vertreter eines bislang in Tarodunum nicht nachgewiesenen Typs dar, der jedoch in der einige Kilometer nordwestlich gelegenen Großsiedlung von Riegel a. K. mehrfach belegt ist. Es handelt sich um große, leicht schüsselförmige Kupfermünzen, die ein nur sehr flaues Münzbild aufweisen. Die Vorderseite zeigt einen nach links gerichteten, stark stilisierten Kopf, rückseitig erscheinen Kombinationen kleiner Bögen oder Torques und Dreiwirbel. Die Münzen stellen unedle Imitate goldener keltischer Statere dar und sind möglicherweise auf das Vorbild der so genannten Philippou-Statere zurückzuführen. Diese lassen sich wiederum von einem makedonischen Original des vierten Jahrhunderts v. Chr. ableiten.
Die Herstellung dieser Philippou-Statere ist in Tarodunum durch Reste der gesamten Produktionskette nachgewiesen. Im Bereich des durch diese Oberflächenfunde anzunehmenden Standortes einer Münzwerkstatt wurde 2005 ein kleines Fragment einer aus sandigem, wohl ungebranntem Tonmaterial bestehenden Gussform geborgen (Abb.93). In diese Form war noch der bereits in seiner endgültigen Größe ausgegossene Münzrohling eingelagert, der in einem zweiten Arbeitsschritt geprägt werden sollte. Mit dem Fund aus Tarodunum ist der bislang fehlende Nachweis des Münzgusses in einer üblicherweise meist verlorenen Sand- oder Sand/Ton- Form erbracht, der der meist nicht hinreichend zu belegenden Argumentation um die Herstellungstechnik gegossener keltischer Münzen ein wichtiges Indiz beisteuert.


Abb‚92 - Kirchzarten - Zarten, Tarodunum. Schüsselförmige Kupfermünzen und Sequanerpotin (rechts ober)
Abb‚93 - Kirchzarten - Zarten, Tarodunum. Fragmente eines Münzrohlings in einer Gussform mit sandiger Matrix

Den Pächtern der Grundstücke, den Herren W. Andris und R. Steinhart, sei für ihr Interesse, Entgegenkommen und ihre tatkräftige Unterstützung sehr herzlich gedankt. Die Gemeinde Kirchzarten leistete wiederum vorzügliche logistische Hilfe. Für die makroskopische Begutachtung der Schlacken, die Münzanalysen und wertvolle Hinweise und Diskussionen gilt mein Dank A. Burkhardt, R. Dehn, G. Gassmann und H. Wagner.
Holger Wendling

Literaturhinweise
A. Bräuning u. a.‚ Kelten an Hoch- und Oberrhein. Führer arch. Denkmäler Baden-Württemberg 24 (Stuttgart 2005); G. Kraft/R. Halter. Römische Gebäude im Gebiet von Tarodunum (Gemarkung Burg A. Freiburg i. Br.]. Bad. Fundber. 13, 1937, 100-114; H.Wendling. Arch. Ausgr. BadenWürttemberg 2004, 107-110.