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Die angebliche Römerstadt Tarodunon bei Freiburg
Von Karl Christ,
Ziegelhausen

Aus: Mein Heimatland, 12. Jahrgang. Heft 1, Februar 1925, Seiten 18-19


Der griechische Astronom und Geograph Ptolemäus aus Alexandrien gibt um 140 n. Chr. eine aus römischen Kriegs- und Reiseberichten geschöpfte Zusammenstellung angeblicher Städte, meistens wohl nur, außer einzelnen Wallburgen und dergleichen, kleine Orte mit Eigennamen oder Etappen auf Handelsstraßen in Germanien zwischen Rhein und Donau unter Beifügung ihrer vermeintlichen Länge- und Breitegrade. So wenig aber auf diese Bestimmungen zu geben ist, sind auch seine Schreibungen der Ortsnamen zuverlässig. Im südlichen Landstrich,  nördlich der Donau vom Rhein her nennt er II, 11 § 15 eine Reihe meistens unbekannter Orte, beginnend mit der in griechischen Buchstaben geschriebenen ..... TAPOΔOYNON worin der griechische Buchstabe P (= lateinisch R) vielleicht mißverstanden ist für lateinisch P und die von Ptolemäus gar nicht erwähnte Kelten- und Römerstadt Lopodunum, mittelalterlich Lobdenburg, dann Loudenburg, jetzt Ladenburg am untern Neckar gemeint wäre. Da Tarodunon auch zusammengesetzt ist mit keltisch dumm, Burg, so könnte es auch die eines gewissen Taros oder auch Tavros, keltisch eigentlich Stier = lateinisch taurus, bedeuten und etwa zu Offenburg, einer Römerstätte zu suchen sein. Darauf folgen bei Ptolemäus die arae Flaviae, die wohl von Flavianus Domitianus genannten Altäre, jetzt Rottweil. Dann steht der gänzlich verschriebene und seiner Lage nach falsch angesetzte Ort Riusiava, wahrscheinlich statt Biricianis der Peutinger Tafel und jetzt Weißenburg in Mittelfanken. Weit vorher sollte aber kommen der wieder durchaus verschriebene Ort Alkimoennis, worunter die nicht von Ptolemäus genannte Hauptstadt des Grenzlandes Sumaloceunis, Rotenburg im Sulchgau bei Tübingen zu verstehen ist. Hält man dazu die falsche Verlegung des Gebirges Abnoba, nach römischen Inschriften des Schwarzwaldes, etwa vom Taunus bis gegen die Lippe zu, während die Alpen (II, 11 § 5) als mit Schwarzwald und der rauhen Alb zusammenhängend betrachtet werden, so zeigen diese Angaben zur Genüge wie wenig diesem ägyptischen Kartenmacher zu trauen ist.
Auch die Gradeinteilungen des Ptolemäus, die man aber erst auf die modernen Messungen reduzieren muß, stimmen gewöhnlich nicht. Die Donauquellen sollen indessen nach ihm auf dem 30. Längegrad und bei 46 Grad und 20 Minuten Breite gelegen sein, Tarodunon bei 28o 20´ Länge und 47o 50 Breite, also etwa 2 Grad westlich und über einen nördlich von den Donauquellen. Diese liegen auf dem heutigen 48. Breitegrad wie so ziemlich auch das im hinteren Dreisamtal bestehende Dorf Zarten, das seit Leichtlen (1822) für Tarodunum gilt trotz seiner vom Rheintal mit seinen größeren keltisch-römischen Orten entfernten Lage und selbst ohne namhafte römische Altertümer, wie sie ein Oppidum ergeben würde. Wäre ein solches hier gelegen, so würde es wohl von der Dreisam etwa Trigisamum genannt worden sein. Wie der Treisen oder Trasen, Nebenfluß der mittleren Donau, führt sie wahrscheinlich einen schon rätischen Beinamen Trigisama. Davon scheint auch die römische Militärstation Trigesimum castellum latinisiert worden zu sein, das schon im Nibelungenlied genannte Treisenmuren, der jetzige Marktort Treismauer im Erzstift Salzburg. Unwahrscheinlich ist, daß einer der verschiedenen kleinen Quellbäche der Dreisam einen besonderen Namen gehabt habe, nämlich Taros, wie ein Nebenfluß des Padus, des Po in Oberitalien hieß und woher zunächst Hinterzarten genannt worden wäre. Dieser, auch Zarten hinter der Straß genannte Ort, wo schon 1350 eine Liebfrauenkapelle »in der Zarten« bestand, gehörte, wie das abwärts an der Falkensteig gelegene Dorf Zarten vor der Straß, zur ausgedehnten Pfarrei Kirchzarten, die das ganze fruchtbare Zartener Tal umfaßte, die seit 765 genannte Marcha Zardunensis. Den Namen möchte ich betrachten als entstanden aus ze antun, d. h. zu den Arten, Ackerländern, gemäß der Einteilung bei Dreifelderwirtschaft in erste, zweite und dritte Art, oder Winter-, Sommer- und Brachfeld, also abzuleiten von altniedersächsisch ardon, althochdeutsch artou, bebauen, auch bewohnen.
Die Reste einer Umwallung mit dem Heidengraben zwischen den Zuflüssen der Dreisam auf dem 1451 genannten Burgfeld (Mone, Badische Urgeschichte II, 31) deuten auf einen vorgeschichtlichen Ringwall am Heerweg vom Rheintal über den Schwarzwald nach Schwaben. Übrigens könnten sie auch den Burgfrieden der Burg Wißneck mit dem Weiler Burg bezeichnet haben. Die dortigen gesegneten Fluren vor dem natürlichen Tor der Dreisam, dem Hirschsprung, heißen wie das dortige alte Wirtshaus Himmelreich als Gegensatz zur Felsenschlucht der Hölle, die freilich nichts mit den Schrecknissen der Unterwelt zu tun hat, sondern eine Hohle, den durchführenden Hohlweg bedeutet. Zur Vermeidung des Engpasses bei der Falkensteig wurde dieser durch die von Freiburg herziehende Heerstraße gegen Norden umgangen, das Tal der Wagensteige hinauf, wo schon 1125 ein »Waginstat", d. h. Raststätte für Fuhren erwähnt wird, später auch eine »Hochstraß«. Aus solchen Namen kann man aber nicht immer, wie Mone, Badische Urgeschichte I, S. 143 Nr. 59 u· 60 u. S. 167 tut, auf Römerstraßen schließen. Irrig ist auch seine Herleitung (ebenda II, S. 17) der Burg Zähringen bei Freiburg von Tarodunum wonach Professor Hermann Wirth in der Alemannia von 1910, S. 81, hier sogar den städtischen Mittelpunkt einer römischen sogenannten civitas sucht, d. h. eines Verwaltungsgebietes, wozu die Ansiedelungen der ganzen Gegend als vici gehört hätten. Der runde Turm der Burg ist aber überhaupt nur mittelalterlich und sie selbst ist genannt von dem unten daran gelegenen gleichnamigen Dorf, den auch solche bei Ulm und in der Schweiz führen. Die Ortsnamen auf ingen gehen auf Personennamen im Dativ Pluralis zurück. So stammen die Leute von Zaringen, wie das den Mooswald östlich begrenzende Dorf 1008 heißt, wohl von einem Besiedler namens Zahar, soviel wie Greiner bedeutend. Oder auch von einem altdeutschen Mannesnamen Zarjo, d. h. Zehrer.