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Baugeschichte der Schule für Gehörlose - des BBZ in Stegen

BBZ
BZ, 5. April 1968
Startzeichen für Schulzentrum Stegen 
Erster Abschnitt: Gehörlosenschule — Schwerhörigenschule darf hoffen 
(r) Waldkirch. Die Staatliche Schwerhörigenschule in Waldkirch im Elztal hatte gestern, Donnerstag, hohen Besuch. Die Gattin des Ministerpräsidetnen Dr. Filbinger ließ sich bei einem Besuch über die Unterbringung und über die Tätigkeit dieser Staatlichen Schule unterrichten und wurde dort herzlich begrüßt. Dabei zeigte die staatliche Hochbauverwaltung zum ersten Mal das Modell der Bauten, die sie für die Staatliche Gehörlosenschule Waldshut und.die Staatliche Schwerhörigenschule in Waldkirch als Bildungszentrum für hörgeschädigte Kinder und Jugendliche auf Gemarkung Stegen im Dreisamtal und damit als Kern für ein Bildungszentrum für gehörlose und schwerhörige Kinder geplant hat. In diesem Zentrum sollen die Kinder soweit gebracht werden, daß sie sich im Leben so weit als möglich selbständig behaupten und eine für sie befriedigende Lebensaufgabe finden. Die Freiburger Hals-Nasen-Ohren-Klinik soll mit ihren besonderen Erfahrungen für die Untersuchung u Behandlung von Hörgeschädigten ärztlich helfen.

Das Objekt in Stegen stand zunächst gar nicht auf der Liste der dringlichen Bauvorhaben des Landes. Die Verwirklichung schien deshalb in weite Ferne gerückt, bis eines Tages Finanzminister Angstmann und Abgeordneter Dufner für dieses Projekt eintraten, nachdem sie die provisorische Unterbringung der Gehörlosenschule mit ihrem Heim in Waldshut kennengelernt hatten. Auf Grund eines Landtagsbeschlusses soll nun im kommenden Spätjahr der erste Abschnitt. des Projekts Stegen zunächst für die Gehörlosenschule verwirklicht werden.

Es wäre nun nicht nur im Interesse der betroffenen Kinder und Jugendlichen, sondern auch im Sinne der Verwirklichung des ganzen Projekts und der Wirtschaftlichkeit des Betriebs, wenn im Anschluß an den ersten Bauabschnitt für die Gehörlosenschule in Waldshut auch der zweite Bauabschnitt für die Schwerhörigenschule in Waldkirch auf Gemarkung Stegen begonnen werden könnte, zumal da auch die Schwerhörigenschule in Waldkirch in ähnlichen Nöten schwebt wie die Schule in Waldshut. Der Besuch von Frau Filbinger hat hier Hoffnungen geweckt. 

Beide Schulen sind heute mit dem Land als Bauherr und Träger der Schulen froh darüber, daß es vor einigen Jahren bereits gelungen war, ein Gelände von etwa zwölf Hektar auf Gemarkung Stegen zu einem Durchschnittspreis von etwas über 17 Mark für staatliche Bauvorhaben zu erwerben. Damals hatte dieser Preis eine scharfe Diskussion selbst im Landtag ausgelöst. Heute, da das Dreisamtal zu einem Bauinteressengebiet ersten Ranges geworden ist, ist man dem Beamten dankbar, der damals dieses Objekt in der Hand behalten hat. Es liegt genau richtig zur Schul- und Universitätsstadt Freiburg.

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BBZ
BZ 6.10.1969
Über 500 warten auf ihre Schule Richtfest am Zentrum für Hörgeschädigte in Stegen
Stegen. Der Bauplatz auf der Großmatte auf Gemarkung Stegen war im Nu zum Festplatz unter wehenden Fahnen geworden, als am Freitag der Zimmermann den Richtspruch am Neubau für die Staatliche Schwerhörigenschule und damit für die bis jetzt entstandenen Bauten für das Zentrum der Erziehung hörgeschädigter Kinder und Jugendlichen im Landesbezirk Südbaden sagte. Für die Staatliche Schwerhörigenschule und Staatliche Gehörlosenschule und die Eltern der Kinder war dieser Anlaß zu einem Fest geworden, bei dem sich beide Schulen begegneten. Aus Waldkirch und vom Hochrhein waren die Schulen mit ihren Betreuern zum Richtfest gekommen. Die Staatliche Schwerhörigenschule Waldkirch hatte zu diesem Fest eine Sondernummer ihrer Schulzeitung herausgebracht.  Mit Vergnügen betrachteten die Gäste des Richtfestes in Stegen und später im Kolpinghaus Freiburg diese Schulzeitung mit den phantasievollen Zeichnungen der Kinder. Unter den Gästen bei diesem Richtfest an erster Stelle begrüßt wurden die Schirmherrin des Projekts, die Gattin des Ministerpräsidenten Dr. Filbinger, mit Oberfinanzpräsident Dr. Bolder und Regierungspräsident Dr. Person und zahlreiche Vertreter der Behörden, unter denen sich auch der Freiburger Landrat Dr. Schill befand. Die staatliche Forstverwaltung hatte einen Vertreter geschickt, damit er sich davon überzeuge, daß auch bei diesem. Projekt unter flachen Dächern sinnvoll Holz verwendet wird.  Der Leiter des Staatlichen Hochbauamts Freiburg, Baudirektor Erwin Heine, meinte bei seiner Ansprache zum Richtfest, er sollte seine Rede eigentlich in fünf Sprachen halten, damit ihn die Angehörigen von fünf Nationen verstehen, die am Bau gearbeitet haben. Im Laufe der nächsten Jahre würden hier 600 Menschen neuen Lebensraum und neue Aufgaben finden. Wie sehr sie darauf warten, hätten die Bauleute an dem ungewöhnlichen Mitgehen der Lehrer und der Eltern mit dem Wachsen dieses Projekts in Stegen verspürt. Heine dankte vor allem der Planungsgruppe aus seinem Hochbauamt mit Heiner Gierich, Jochen Heil, Günter Willert und Franz Wiedensohler.   Als zuständiger Referent beim Kultusministerium erinnerte Ministerialrat Katein daran, daß die Anfänge dieses Projekts bereits 1958 in Freiburg-Günterstal zu suchen sind, als Professor Dr. Fritz Zöllner, der Direktor der Freiburger Hals-Nasen-Ohrenklinik, den Anfang mit der Betreuung hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher machte und mit seinen Bemühungen das Vertrauen der Eltern dieser Kinder gewann, die in früheren Jahren oftmals buchstäblich vor der Öffentlichkeit versteckt wurden. Jetzt aber müßten noch weiterführende Einrichtungen für diese Kinder wie eine Realschule und ein Gymnasium geschaffen werden, damit die Hörgeschädigten auch zur Hochschulreife gelangen können. Vor allem aber seien wichtig eine frühe Erfassung und Betreuung der hörgeschädigten Kinder, soweit sie als solche erkannt sind, damit sie zunächst einmal behandelt werden.  Regierungspräsident Dr. Person erinnerte mit andern dankbar.an den früheren Finanzminister Angstmann, der dieses Projekt Stegen aus dem „Massengrab der dem Sparwillen des Landes zum Opfer gefallenen Projekte“ geholt hat. Es gibt viele hör- und sprachbehinderte Kinder, stellte Professor Zöllner fest. Seine Klinik habe einmal bei einer Untersuchung eines Bezirks feststellen können, daß ihr Anteil bis zu einem Prozent geht. Es handle sich in vielen Fällen um intelligente Kinder, bei denen jeder Hörrest mobilisiert werden muß, um sie später in die Lage zu versetzen, ihr Leben selbst zu meistern. \  Die Bewohner von Stegen, vorab ihr Bürgermeister, waren beeindruckt von der Vorfreude der Kinder und ihrer Eltern auf ihr Dorf, das nun in großen Schritten vorwärtskommt. Die Struktur der Gemeinde Stegen aber wird durch dieses Projekt gewandelt.

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BBZ
BZ 22.8.1970
Stegen — Quelle der Hoffnung und Ansporn
Schulzentrum und Wohnheim für hör- und sprachbehinderte Kinder. Erster Bauabschnitt bis zum Oktober bezugsfertig
Stegen (Kreis Freiburg). Das im Bau befindliche Schulzentrum für hör- und sprachbehinderte Kinder in Stegen bei Freiburg ist so weit gediehen, daß der erste Bauabschnitt bis zum 1. Oktober dieses Jahres bezugsfertig wird. Für über 200 Kinder öffnet sich dann ein Schulheim, das beispielhaft für die Bundesrepublik ist. Das gesamte projekt umfasst drei Bauabschnitte. Der zweite Bauabschnitt ist bereits im Bau; mit dem dritten kann begonnen werden, sobald das Land die benötigten Gelder freigegeben hat. Nach seinem Ausbau wird das Zentrum in Stegen über 500 Kinder aufnehmen können, das ist der größte Teil der in Südbaden lebenden gehörlosen und schwerhörigen Kinder. Die bestehenden provisorischen Einrichtungen in Waldkirch (Breisgau) und Waldshut werden aufgelöst.

Was in Stegen vom Land Baden-Württemberg gebaut wird, ist beispielhaft für die Bundesrepublik, Das Schulzentrum wird eine Ganztagsschule mit Fünftagewoche sein, durchlässig für alle Schularten. Es wird keine Anstaltserziehung mehr geben. Das neue Wort heißt „familiengerechte Erziehung“. In den sieben Schülerwohnheimen, die bereits fertisgestellt sind, werden jeweils zwei Familiengruppen mit je sechzehn Kindern leben, die von zwei Erzieherinnen betreut werden. Ihre Wohnung umfaßt eine geräumige Teeküche mit allen elektrischen Geräten einer modernen Küche und einem sechzehn Quadratmeter großen Eßraum. Das Essen kommt von der Zentralküche und wird in der Familiengruppe angerichtet. Der große Wohnraum, behaglich eingerichtet, öffnet sich zu einem Balkon, Fernseher, Tonbandgerät, Radio und Plattenspieler sind vorgesehen. Nebenan liegen für je vier Schüler die Schlafzimmer. Es gibt keine übereinanderstehenden Betten mehr. Über jedem Bett ist ein Bücherbrett und eine Leselampe angebracht. Die weißgekachelten Waschräume enthalten für je zwei Kinder ein Waschbecken mit eigenem Spiegel, eine abgeteilte Dusche, Handtuchhalter und Regale für die Toilettensachen, ein Fußwaschbecken und als optisches Signal eine Teihe Farbkacheln, die in allen Waschräumen verschiedenfarbig sind. Außerdem haben alle Wohnungen einen künstlerischen Beitrag: Keramiken oder Farb- und Formkompositionen; in einer Ecke steht eine Metallplastik. 

Aus der großen Stille heraus 
Besonderer Wert wurde auf die Einrichtung der Wohnungen der Erzieherinnen gelegt. Die Räume sind sehr gut möbliert, jede Wohnung hat eigenen Fernseh- und Telefonanschluß, für zwei Wohnungen gibt es ein Bad. Die Erzieherinnen bezahlen bei voller Verpflegung monatlich etwas mehr als hundert Mark dafür. Daß trotzdem noch nicht alle Stellen besetzt sind, spricht für sich. Es gehört wohl etwas mehr dazu, als im Beruf nur einen Job zu sehen, mit Kindern zu leben, welche ihre Sprachbehinderungen überwinden wollen, welche die Fähigkeit des Hörens über die Hilfsmittel der Technik erst erlernen.

Erzieherinnen und Lehrer bemühen sich, die in fast jedem, auch dem gehörlosen Kind noch vorhandenen Reste an Hörvermögen für die Bildung weitestgehend zu nutzen. Vielhöranlagen und individuelle Hörgeräte sind die technischen Hilfsmittel. Durch sie werden die Kinder befähigt, Rundfunk-. und Fernsehsendungen zu verstehen, werden sie vor der Stummheit bewahrt, werden sie erst Menschen, die denken und formulieren können.

Man muß es erlebt haben, um es ganz zu verstehen, was es bedeutet, aus der großen Stille des Nichthörens, des Schwerhörens Schritt für Schritt, herausgeführt zu werden: zum Hören von Worten, zum Erfassen Ihres Sinngehaltes, zum Nachsprechen. Nur wer hört, kann die Sprache lernen, So ist größter Wert auf die Ausstattung der Schulzimmer gelegt

Audio-visueller Unterricht
Zwei viergeschossige Baukörper und die Aula sind durch die Pausenhalle verbunden, für die ein Freiburger Künstler einen buntbemalten Kubusbrunnen geschaffen hat. Je vier Klassenzimmer befinden sich auf einem Stockwerk, jedes wird besonderen akustischen Forderungen gerecht. Teppichboder und eine abgehängte Akustikdecke, Lochbausteine an der Rückwand dämpfen jeden überflüssigen Lärm. 

Die Schüler sitzen im Halbkreis an Spezialmöbeln um die Vielhöranlage mit ihrer drahtlosen Verstärkeranlage. Der Lehrer sitzt am Schaltpult, jeder Schüler hat einen Kopfhören. Vom Klassenzimmer aus führt eine Tür in einen Nebenraum, der für Gruppenarbeit und  Einzeltherapie verwendet wird. Kein Pausenzeichen wird ertönen. Ein optisches Zeichen leuchtet an der Wand auf. Die Aula mit ihren Glaswänden bezieht den nahe gelegenen Wald in den Raum ein. An der holzverkleideten Rückseite hängt eine Box, die alle visuellen Medien enthält. .

Neben dem Lehrerzimmer gibt es Aufenthaltsräume für die externen Schüler, im Untergeschoß ist eine Anlage (Hydrotherapie), in der  unter ärztlicher Anleitung mehrfachbehinderte Kinder gekräftigt und behandelt werden ‚können. Selbstverständlich sind Umkleideräume und ein Ruheraum, daneben aber auch ein Aggressionsraum, in dem sich seelisch Belastete abreagieren können. Eine gut eingerichtete Lehrküche und Werkräume fehlen nicht.

Schwimmbecken und Hubboden
Das Lehrschwimmbecken unter der Turnhalle ist das Prunkstück. Darüber schreibt ein Kind nach einem Besuch in Stegen:. „In ‚Stegen können die ganz kleinen Kinder im ganzen Schwimmbecken herumplanschen. Das Wasser ist nur 30 Zentimeter tief. Die guten Schwimmer können aber auch alles im Becken machen. Brustschwimmen, Rückenschwimmen, Kraulen, Delphin, Tauchen, sogar Startsprünge sind möglich. Das Wasser ist nämlich 1,90 Meter tief. Wie ist das möglich? In Stegen sind die Schwimmilehrer Zauberer. Sie drücken auf einen Knopf, dann leuchtet ein Signal auf. Alle  Schüler müssen die Schwimmhalle verlassen. Wenn sie zurückkommen, ist das Wasser im Becken höher oder tiefer als vorher. Warum?  Wenn die Lehrer auf den Knopf drücken, dann hebt oder senkt sich der Boden des Schwimmbeckens. Solch ein Boden heißt Hubboden.“

Ein fünfgeschossiges Personalwohnheim hat zwei Hausmeisterwohnungen und 35 Personalzimmer sowie auf allen Etagen eine Teeküche. Von der ‚Dachterrasse genießt man einen unvergleichlichen Blick auf das Dreisamtal und  die umrahmenden Berge: Schauinsland, Feldberg und Hinterwaldkopf; im Westen sind die Hochbauten von Freiburg zu sehen. Unmittelbar neben dem Heim liegen zwei Sportplätze, ein Rasen- und ein Hartplatz. Die Küche ist so groß konzipiert, daß nach der Fertigstellung aller Bauten das Essen für 700 Menschen zubereitet werden kann. Eine Kantine, durch eine Schiebetür mit einer Pergola verbunden, ist fertiggestellt und wartet auf die Einrichtung. Tiefkühlräume sind im Keller, dazu eine Großwaschküche, Bügel- und Nähzimmer. Der Verwaltungsbau umfaßt auch die Untersuchungszimmer für die Aufnahme, die Station, wo fachpädagogische, psychologische und fachärztliche Untersuchungen stattfinden und die Kinder in Zusammenarbeit mit der Hals- Nasen - Ohrenklinik in Freiburg ständig überwacht werden. Allein für die zahnärztliche Behandlung der Schüler wurde ein Behandlungsraum eingerichtet, der halbtags besetzt sein wird. Von großer Wichtigkeit sind die Hörprüfräume.

Der Bauherr des Schulzentrums ist das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Kultusministerium und seinen Referenten Dr. Katein. Die Ausführung der Bauten ist dem Hochbauamt I. mit seinem Leiter, Baudirektor Heine. übertragen. Die Planung leitet Dipl. Ing. Gierich. Sie zusammen haben für Stegen ein Konzept entwickelt, in dem die Kinder, ihre Heimeltern und die Lehrer und Ärzte alles vorfinden, was benötigt wird, damit von der Natur vernachlässigte junge Menschen lernen, ihre geistigen Kräfte voll zu entwickeln.

Stegen. In der Normalschule, aber auch in der Sonderschule für Lernbehinderte kann das schwerhörige Kind nicht den Erfordernissen entsprechend unterrichtet werden. Es braucht nicht nur zur Entwicklung seiner Intelligenz seine Spezialschule. Hörgeschädigte nehmen die akustischen Eindrücke verzerrt und entstellt wahr und sprechen daher auch völlig falsch. Es versteht sich von selbst, daß in der Normalschule, wo es versagen muß, seelische Schäden entstehen, die kaum wiedergutgemacht werden können. Von etwa 20.000 schwerhörigen Schülern in der Bundesrepublik werden nur etwa 3000 in Spezialschulen unterrichtet.

BBZ_Plan
Der Lageplan des Schulzentrums Stegen.
Der Bauabschnitt I wird bis zum Oktober fertig. Er umfaßt die Verwaltung und Beratungsstelle (1), das Wirtschaftsgebäude mit Großküche (2), die Turnhalle mit Lehrschwimmbecken und Gymnastikräumen (3), Sportplätze (4), das Personalwohnheim (5), die Gehörlosen- und Sprachbehindertenschule (6) und einen Teil der Schülerwohnheime (8). Die Schwerhörigenschule (7) und weitere Schülerwohnheime werden im zweiten Bauabschnitt errichtet. Die dritte Bauetappe schließlich umfaßt Kindergärten (9). 



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BBZ
BZ 1975
Eine kleine Stadt für Hörgeschädigte 
Die Bildungsstätte Stegen erfüllt europäische Maßstäbe — Heim, Schule und Wissenschaft Hand in Hand 
(r) Stegen. Er sei stolz darauf, daß es Baden-Württemberg möglich war, das modernste Zentrum für Hörgeschädigte in der Bundesrepublik aufzubauen, erklärte Freitag nachmittag Ministerpräsident Dr. Hans Filbinger bei der Einweihung der Neubauten der staatlichen Gehörlosen- und Schwerhörigenschule Stegen im Dreisamtal. Als eine der schönsten Bildungsstätten in unserem Land, die heute schon europäische Maßstäbe erfüllen kann, bezeichnete Kultusminister Professor Hahn die neue Anlage im Dreisamtal, eine kleine Stadt für insgesamt vielleicht 700 Seelen.
Beim Bau dieser kleinen Stadt sind für jedes hörgeschädigte Kind, das hier erzogen werden soll, rund 52.000 Mark aufgewendet worden. Das ist ein verhältnismäßig kleiner Betrag im Hinblick auf das, was hier bei der Erziehung hörgeschädigter Kinder und ihrer Eingliederung in unsere Gesellschaft geleistet wird. 

Gleiche Chancen wie andere Kinder 
Wie der Ministerpräsident sagte, ist jetzt ein hoher Prozentsatz lernbehinderter und körperlich behinderter Menschen in unserem Land eingeschult. Die Behinderten sollten die gleichen Chancen haben wie andere Kinder. Dies dürfte unserer Gesellschaft nicht gleichgültig sein. Dr. Filbinger sprach in diesem Augenblick voller Achtung von den Leistungen der Wohlfahrtsorganisationen für die Hilfsbedürftigen. Er dankte besonders dem Schulleiter, Direktor Tiefenbacher, und allen Lehrkräften, die hier eine Aufbauarbeit von grundsätzlicher Bedeutung geleistet hätten und weiter leisteten. 

Der Vertreter des am Kommen verhinderten Finanzministers berichtete, daß bis jetzt über 72 Millionen Mark für die Sonderschulen in unserem Land aufgewendet worden sind. Die Heimsonderschulen seien nicht nur Bildungseinrichtungen für Behinderte, sondern auch Anstalten, in denen Behinderte heimisch werden können. 

Sehbehinderte nach Waldkirch 
Kultusminister Hahn nannte die Schule in Stegen repräsentativ für unsere Anstrengungen für die Behinderten. In aller Stille geschehe vieles für die Schwächsten in unserer Gemeinschaft, für die Bildungsschwachen sowohl als auch für die körperlich Behinderten  und die Sprechbehinderten. Noch nie habe man in der Geschichte des Sonderschulwesens einen solchen Aufbruch erlebt wie heute. Stegen sei ein Modell für diese Anstrengungen. 

Der Kultusminister teilte noch mit, daß nach dem Auszug der Schwerhörigenschüler aus Waldkirch nach Stegen, der noch im Laufe dieses Jahres stattfinden wird, die freigewordenen Anlagen in Waldkirch Sehbehinderte aufnehmen sollen. Auch damit könne man einen bedeutsamen Schritt weiterkommen. Es würden ferner Versuche unternommen, Körperbehinderte und Verhaltensgestörte in unsere Gemeinschaft einzugliedern. Es müßten aber noch große Anstrengungen unternommen werden, um alle Betroffenen durch eine entsprechende Einrichtung und Schulung das Gefühl der Sicherheit für den Weg durchs Leben zu geben. 

Der Kultusminister begrüßte unter den Anwesenden besonders herzlich den geistichen Vater des Hörgeschädigtenzentrums Stegen, den früheren Direktor der Freiburger Hals- Nasen-Ohren-Klinik Professor Dr. Fritz Zirner. Der durch Krankheit am Besuch der Feier verhinderten Gattin des Ministerpräsidenten, der das Projekt Stegen besonders am Herzen liegt, ließen Kinder Blumen überbringen.

Noch ein Bauabschnitt 
Auf die Bauvorhaben in Stegen, die jetzt übergeben worden sind, wird ein weiterer Bauabschnitt mit einem Volumen von Millionen Mark folgen. Er enthält Einrichtungen für die vorschulische Erziehung gehörloser und hörgeschädigter Kinder. Diese v schulische Erziehung wird wichtig für den künftigen Erfolg des Zentrums Stegen sein. 

Die Besucher der Feier erhielten eine keine Festschrift mit den Baudaten der kleinen Stadt im Dreisamtal. In unserer heutigen Beilage „Gestern und heute“ finden uns Leser einen Bericht darüber, wie in Stegen an und mit hörgeschädigten Kindern gearbeitet wird.



Großbaustelle Gehörlosenschule 1969/70
zusammengestellt und fotografiert von Fridolin Hensler

Der staatlich geforderte Neubau einer Gehörlosenschule hat die Erschließung von Bauland und die bauliche Entwicklung in Stegen sehr beschleunigt. Sowohl die traditionsreiche Gehörlosenschule in Waldshut als auch die 1961 entstandene Schwerhörigenschule in Waldkirch waren als Provisorien gedacht und in äußerst schwierigen Gebäulichkeiten untergebracht. Die Zusammenlegung beider Schulen in Stegen war seit längerer Zeit gefordert und geplant. Die Probleme der langwierigen Raumplanung für eine moderne Schule mit Internat sollen hier nicht ausgeführt werden. Als die Bauplatzfrage und die Planung abgeschlossen war, wurde im Herbst 1968 mit den Erdarbeiten begonnen.

BBZ
                Bauplatz 1968
Das vorliegende Foto wurde von der Zartener Straße bei Oberleien her mit Blick in Richtung Wittental auf das Gelände des heutigen Bildungszentrums am 30. Oktober 1968 aufgenommen. (Foto als Dia F. Hensler)


Im folgenden Jahr gingen die Erschließung und die Bauarbeiten zügig voran. Das Großprojekt war in 3 Bauabschnitten geplant. Mit dem ersten Bauabschnitt wurde neben zwei Schulgebäuden auch mehrere der zweigeschossigen Internatshäuser, die Verwaltung, die Küche und die Sporthalle mit Schwimmbad und ein Personalhochhaus fertiggestellt. Zum Richtfest am 3. Oktober 1969 waren nicht nur die Bauhandwerker mit den Bauherren vom Kultusministerium und dem Staatl. Hochbauamt, sondern auch Schüler mit ihren Lehrern aus Waldshut und Waldkirch angereist.

Ein Jahr später konnte am 1. Oktober 1970 der Unterricht in der Staatl. Schwerhörigen- und Gehörlosenschule in Stegen aufgenommen werden. Für die Lehrkräfte war seinerzeit in Stegen kein Wohnraum verfügbar. Sie suchten im Umland eine Wohnung oder entschlossen sich zum Bau eines Hauses im Angebot der Wohnbaugesellschaften, die in Stegen tätig waren oder in den Nachbarorten wie beispielsweise in Eschbach oder Ibental. Einige Lehrkräfte blieben in Freiburg oder siedelten sich dort an.

Um 1970 war landesweit überall rege Bautätigkeit. Der Bau der Gehörlosenschule wurde aber staatlicherseits mit höchster Dringlichkeit vorangetrieben. Die Fertigstellung des ersten Bauabschnitts mit der nötigen Infrastruktur wurde auf 1. Oktober 1970 bestimmt und die Umzugsvorbereitungen der Gehörlosenschule in Waldshut und der Schwerhörigenschule in Waldkirch liefen im Sommer 1970 auf vollen Touren.

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Die oben stehende Luftaufnahme wurde im Juli 1970 von Fridolin Hensler als Dia aufgenommen und befindet sich jetzt im Gemeindearchiv in Stegen.


Die weiteren noch fälligen Bauarbeiten für den 2. Bauabschnitt mit einem Schulhaus und mehreren Internatsgebäuden und danach der Bau der drei Bungalows für den Kindergarten nahmen bis zur Fertigstellung 3 Jahre in Anspruch.. Erst danach konnten großflächigen Außenanlagen gestaltet werden, die das Gelände des heutigen Bildungs- und Beratungszentrums als Parkanlage erscheinen lassen.

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                1974
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BBZ 1995
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