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Stegen 1848/49
eine aufregende Zeit in den heutigen Teilorten
Heimatgeschichtlicher Rückblick auf die Revolutionszeit
Fridolin Hensler, Kirchzarten im Juni 2013

veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors



Die Revolutionszeit 1848/49 in den Teilorten der heutigen Gemeinde Stegen
mit folgenden Themen:

Warum machen die denn eine Revolution ?
Die Bürgerwehr in Wittental 1849
Die gesetzliche Grundlage der Bürgerwehr
Die Ausrüstung der Bürgerwehr in Stegen 1849
Ausverkauf der Revolution
Kein Bürger, der zur Umsturzpartei gehörte




Warum machen die denn eine Revolution ?

Der Begriff „Revolution“ wird heute in vielerlei Veränderungen der Technik, der Arbeitswelt, der Medizin und auch der sozialen Neuordnung verwendet und hat den ursprünglichen Beigeschmack seiner Entstehung in der Französischen Revolution von 1789 abgestreift. Die Bezeichnung der Wortführer für eine demokratische Ordnung für die  im Mittelalter verwurzelten Fürstenstaaten mit „Revolutionspartei“ oder „Umsturzpartei“ erinnerte an das Schreckgespenst der sinnlosen Zerstörungen und die massenhaften Hinrichtungen durch die Guillotine während der Französischen Revolution und sollte die Bürger einschüchtern

Die damalige Gesellschaft war geistig noch nicht genügend reif für die Annahme einer demokratischen Neuordnung und den Wortführern fehlte die Möglichkeit einer weitgestreuten und raschen Information über die angestrebten Ziele und die jeweiligen Ereignisse wie es heute durch Telekommunikation, die Presse und das Fernsehen möglich ist. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, daß eine sicherlich nicht angeordnete Ergebenheitsbekundung auf der Innenseite des Umschlages der als Buch gebundenen Jahresrechnung  von Stegen 1850 eingeklebt ist im Wortlaut:

„Der Landesherr hat ein Recht von seinen Untertanen  zu fordern, daß ein jeder derselben die bürgerlichen Gesetze willig befolge, denn wenn nicht alle Bürger eines Staates sich den Gesetzen unterwerfen und ihnen Gehorsam leisten, so kann der Landesherr seine Untertanen nicht bei ihren Menschenrechten.
              Eschbach, im Monat April 1852
                           Wilhelmine Hug“


Viele Dorfbewohner, die 1848/49 wie in Stegen und Eschbach in zerstreut liegenden Gehöften lebten und ihrer landwirtschaftlichen Arbeit nachgingen,  wußten also kaum etwas oder waren zumindest nicht überzeugt von den verkündeten Zielen der Revolution, die damals an der Herrschaft der deutschen Fürstenstaaten und den Privilegien der Grundherren rüttelte.

Man war dressiert als Untertan, früher der Grafen von Kageneck und nun des Großherzogs im fernen Karlsruhe. Die Mehrheit der Zeitgenossen konnte sich nichts vorstellen unter einer demokratischen Staatsverfassung, die auf Meinungsfreiheit, auf der freien Wahl von Volksvertretern, auf Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit beruhte. Und eine Regierung durch Volksvertretern bestimmt, der auch die Polizei und das Militär unterstellt sein sollte, war völlig unvorstellbar.

Die Allgemeinbildung und die Informationsmöglichkeiten waren zu gering, deshalb konnte die Idee der Revolution nicht in die Köpfe gelangen. Die Verbreitung von Nachrichten war, anders als heute, nur sehr langsam möglich. Wortgewandte Redner waren selten. In Kirchzarten war es vor allem Karl Reber, der als Wortführer der revolutionären Bewegung bekannt wurde. Er war auch Mitglied des „Volksvereins“ (Kirchz. S. 413), der in Stegen keine Anhänger fand.

Im Bericht der Ortsbereisung von Stegen am 7. August 1850 wird dann auch noch der damalige Fortunawirt Lorenz Risterer als Rädelsführer genannt. In Stegen und Eschbach waren die revolutionären Vorstellungen  noch  unverständlich. Weder Lehrer noch der Pfarrer in Kirchzarten und Eschbach hatten sich öffentlich dazu geäußert. Bei Pfarrer Engler in Eschbach war es auch kein Wunder. Von ihm wird im amtlichen Bericht der Ortsbereisung von Eschbach am 11. Juni 1851 berichtet:            (STAF  702/1 Nr. 4267)

„Ein bedeutender Uebelstand ist die an Taubheit gränzende Harthörigkeit des Pfarrers Engler. Bei der Beichte bedient er sich eines Horns“.

Mit dem „Horn“ ist anscheinend ein Hörrohr gemeint, das als Schalltrichter die Verständigung bei Schwerhörigkeit erleichtern konnte.

Der „Volksverein“ verbreitete die Ideen der republikanischen Staatsform mit parlamentarischer Verfassung wie sie heute im Grundgesetz der Bundesrepublik verankert  und unbestritten anerkannt sind. In Stegen gab es nach amtlichem Bericht der Ortsbereisung keine Mitglieder des Volksvereins. In vielen Ortschaften im Bodenseegebiet und im Hegau wurden zahlreiche Mitglieder später namentlich genannt in den Berichten der Ortsbereisungen, die in der Zeit nach 1850 durch den Bezirksamtmann durchgeführt wurden.

Es ist durchaus glaubhaft, daß  der damalige Bürgermeister Jakob Laule mit den Gemeinderäten Märtin, Föhr und Pfister nur unter dem Druck der Einschüchterung der provisorischen revolutionären Befehlshaber die Beschaffung der Ausrüstung für das 1. Aufgebot der „Bürgerwehr“ finanzieren ließ. Seine Unterschrift und die des damaligen Gemeinderats befinden sich auf  dem Schuldschein über 300 fl des Bärenwirts Georg Hauser in Freiburg vom 20. Juni 1849. Mit diesem Geld wurden Waffen und Ausrüstung für die aus Stegen aufgebotene Mannschaft gekauft.

Belege dieser Käufe sind in der Jahresrechnung der Gemeinde 1850 erhalten. Über den Verbleib der gekauften Gewehre habe ich keine Informationen gefunden. Andere Stücke der Ausrüstung blieben anscheinend im Besitz der Gemeinde und wurden später versteigert.

 Die Bürgerwehr in Wittental 1849

Die gärende demokratische Bewegung mit dem Ziel einer konstituierenden deutschen Nationalversammlung in Frankfurt a.M. hatte zugleich auch die allgemeine Volksbewaffnung gefordert. Im Großherzogtum Baden wurde deshalb im Staats- und Regierungsblatt XX mit Datum vom 3. April 1848 die Einrichtung einer Bürgerwehr in jeder Gemeinde angeordnet. In über 50 Artikeln wird deren Aufgabe, deren Bildung und Ausrüstung den einzelnen Gemeinden übertragen.

Im Lauf der Revolution 1848/49 haben diese Bürgerwehren örtlich sehr unterschiedliche Entwicklungen genommen und nur wenige Spuren hinterlassen. Auch in den früheren Gemeinden, den heutigen  Teilorten von Stegen, sind nur einzelne Hinweise auf die Existenz der damaligen kommunalen Bürgerwehr zu finden.

Allgemeine Bemerkungen zu der Tätigkeit der Bürgerwehren, die offiziell 1851 durch das Gesetz im Staats- und Regierungsblatt XXI am 19. März 1851 aufgehoben wurde, findet man in den Berichten über die Ortsbereisungen des Amtsvorstandes in den Jahren nach 1850.

In Eschbach werden  nur die am 11. Juni 1851 festgestellten  Schulden auf die Revolution zurückgeführt, wenn es heißt:
„Solche entstunden erst mit etwa 700 Gulden seit den letzten Aufständen“.

In Statistischen Notizen über die Gemeinde Eschbach unter Ziffer Nr. XIII wird 1853 beim einem Vermögensstand von 4 435 fl festgestellt, daß 700 fl Gemeindeschulden bestehen  und „eine neue Schuld von den Kosten für die Unterdrückung des Maiaufstandes, welche Schuld im  Betrag von 900 fl nach dem Geseze vom 30. März 1850 R.Bl. Nr 17 zu tilgen ist“.

Die Gemeinderechnungen, die in der früheren Gemeinde Stegen und Wittental über die Zeit der Revolutionsjahre um 1850 weitere Hinweise enthalten, sind leider in Eschbach nicht vorhanden. Es wäre natürlich sehr wissenswert, wozu die 700 Gulden in Eschbach seinerzeit verwendet wurden.

Die Gemeinderechnung von Wittental ist deshalb besonders aufschlußreich weil dabei auch die Namen des ersten Aufgebotes angeführt sind, die als Ausrüstung einmal in der Gemeinderechnung als „Blouson“, in der Rechnung vom 22. Juni 1849 des Händlers Franz Schmitt in Freiburg als „Bußhemter“ bezeichnet, als Bekleidung erhielten. Auf der Rechnung, in der ein Einzelpreis dieser Bekleidungsstücke von 1 fl 18 x notiert ist, werden auch die 12 Namen der in Wittental im Juni 1949 aufgebotenen Bürgerwehr genannt, nämlich:
Karl Andris, Peder Huck, Innaz Lauli, Martin Mayer, Markus Schweitzer, Georg Huck, Kaspar Müller, Georg Fehr, Falendin Sauter, Joseph Walter, Peter Sauder und Georg Janz.

Noch  eindrucksvoller ist jedoch der Beleg Nr. 39 in der Gemeinderechnung für das Jahr 1849.

Forderungs Zettel
Karl Andris in Wittenthal fordert an die Gemeinde daselbst das Instruktoren Geld welches mir von der Manschaft vom ersten Aufgebot vom lehren zu gut hat es sind 18 Tag und pro Tag
24 x macht 7 Gulden 12 Kreuzer / sage Sieben Gulden zwölf Kreuzer
Obige Sieben Gulden zwelf Kreuzer welche auf die Gemeindskasse Wittenthal und Atttenthal in Ausgab ekretirt.

Attenthal u. Wittenthal den 29 te Juny 1849

Rthsch  Hermann   
BM. Bank
GR Raufer
    “  Moltz
    “  Steinhart

Vom Gemeindsrechner Mayer richtig  erhalten

                      Karl Andris           (Unterschrift)

Bei den in Wittental erhaltenen Belegen ist nicht so sehr die Summe der Ausgaben, vielmehr aber der Nachweis, daß die Bürgerwehr in Wittental nicht nur auf dem Papier stand, sondern auch dabei war, sich in disziplinierter Ordnung zu ertüchtigen. Wenn die Gemeinde diesen Karl Andris 18 Tage lang für seine Instruktionsarbeit mit täglich 24 x bezahlte, mußte ohne Zweifel auch die Gemeinde vom Sinn dieser Einrichtung und den Maßnahmen überzeugt gewesen sein.

Welche Qualifikation Karl Andris hatte für seine Aufgabe als Instrukteur der Wittentäler Bürgerwehr ist mir  nicht bekannt. Möglicherweise hatte er bereits seine Militärpflicht erfüllt und war deshalb in der Lage, seine Altersgenossen mit militärischen Maßnahmen vertraut zu machen. Oskar Steinhart konnte in Erfahrung bringen, daß Karl Andris ein Sohn von Johann Andris ist. Im General-Steuer-Cataster der Gemeinderechnung Wittental 1846 wird dieser Johann Andris als Spielmanns Sohn und mit einem Alter von 65 Jahren aufgeführt.

Nach gesetzlicher Vorschrift vom 3. April 1848 bestimmte Artikel 51 das erste Aufgebot folgendermaßen:
„Das erste Aufgebot besteht aus allen Unverheirateten und Witwern ohne Kinder, welche das 30. Lebensjahr nicht überschritten haben“.

In der Ortsbereisung von Wittental am 16. August 1850 wird vermerkt:
„Die Bürgerschaft war auch während der Revolution ruhig und nahm keinen Antheil an dem Freischarenzug. Indessen wurde die Gemeinde durch die Drohungen der revolutionären Beamten genöthigt, das erste Aufgebot zu errichten; es war 12 Mann stark, aber nicht armirt, mußte aber vor dem Civilcommissair in Freiburg erscheinen und erhielt daselbst Waffen, weil die Gemeinde keine anschaffte. Diese Waffen lieferten sie später an die Preußen aus“.

Diese amtliche Feststellung deckt sich mit dem Beleg der Gemeinderechnung Wittental 1848/49, derzufolge der Bürgermeister zusammen mit dem Ratschreiber in Freiburg unterwegs waren, um mit den früheren Amtsstellen und auch mit der damals provisorischen revolutionären Kommandostelle über die verlangte noch fehlende Ausrüstung der Wittentäler Bürgerwehr zu verhandeln.

Dabei wird für die  revolutionäre provisorische Amtsstelle des Zivilkommissärs, die nach der Niederschlagung des auch 1949 dann als „Maiaufstand“  betitelt worden war, auch der danach übliche Ausdruck „Schreckensherrschaft“ verwendet. Im Wortlaut dieses Schreibens an das Landamt mit der Bitte um Anerkennung für ein Tagegeld:

                                       „Großh. Wohllöbl. Landamt !
Rathschreiber Josef Hermann von Attenthal bittet um die gefällige Dekretur der Ganggebühren nach Freiburg den 22 t Juny d.J. mit dem Bürgermeister zum Großh. Landamt wie auch zu der Schrekkensherrschaft das Ausrüsten der Bürgerwehr abzuleitten 1 fl  12 x
             Attenthal den 26 t August 1849
                       Rathschreiber Hermann

Die Richtigkeit attestirt
Wittenthal am obigen Bürgermeister Bank
                                    Gemeinderath Steinhart“

Der Beleg ist am 1. Sept.1949 in Freiburg vom Großh. Landamt als gültig für die Gemeinderechnung anerkannt mit der Unterschrift des Amtsvorstandes Jagerschmid, der sicher hocherfreut über das für ihn vorbildliche Verhalten dieser Gemeindebeamten war.


                                            ------------------------

In Stegen wird in der Ortsbereisung vom 7. August 1850 über die revolutionäre Entwicklung vermeldet:
„Die hiesigen Bürger sind ruhige, der gesezlichen Ordnung zugethane Leute, obgleich dieselben im Laufe des vorigen Jahres durch den entwichenen Fortunawirth Lorenz Riesterer und Geometer Carl Reber verdorben wurden und sich in die revolutionären Bewegungen heinein reißen ließen, so haben sie doch die schädlichen Folgen bald davon eingesehen, sind ganz von ihren früheren Bestrebungen    abgekommen und zum Gehorsam und zur Ruhe zurük gekehrt“.

Die vermutete stimmungsmäßige Situation der Stegener Bewohner habe ich zu schildern versucht unter der Überschrift  „Warum machen denn die eine Revolution?“.

Über die angeschaffte Ausrüstung für die aufgestellte Bürgerwehr in Stegen sind allerdings einige Unterlagen erhalten in der Stegener  Gemeinderechnung 1849. Die allgemeine Situation ist mit „Die Ausrüstung der Bürgerwehr in Stegen 1849“ näher beschrieben.

In einem Beitrag unter der Überschrift „Ausverkauf der Revolution“ habe ich die Belege über die Beschaffung von Gewehren, Tornistern und anderen Gegenständen näher bezeichnet.

Die entschuldigende Erklärung für das Verhalten der Stegener Gemeinde während der Revolutionsjahre ist ein einem Schreiben mit Datum vom 19. Juni 1850 an das Landamt in Freiburg zu lesen unter dem Vermerk:
         „Der Aufwand für Mobilmachung und Einübung des Bürgerwehr 1 te Aufgebots
                                                                          in der Gemeinde Stegen betr“.



Zur Orientierung nachfolgend auszugsweise einen Überblick über die gesetzliche Situation der Bürgerwehr 1848/49.

Errichtung einer Bürgerwehr
Staats- u. Regierungs-Blatt 1848  XX  3. April 1848

                                                        Art. 1
In jeder Gemeinde des Großherzogtums besteht eine Bürgerwehr

                                                        Art. 2
Der Bürgerwehr liegt die Verteidigung des Landes, der Verfassung und der durch die Gesetze gesicherten Rechte und Freiheit gegen inneren und äußeren Feind ob.

                                                      Art. 27
Die Wahl der Anführer geschieht unter Leitung des Bürgermeisters mit Zuziehung des Ratschreibers und zweier Mitglieder der Bürgerwehr als Urkundspersonen.

                                                       Art. 37
.  .  .  .  .  .  bis zur regelmäßigen Bewaffnung können vorhandene Jagd- oder andere Gewehre, Piken oder Sensen dienen.
                                                       Art. 41
Die Ausrüstungsgegenstände, welche von der Gemeinde angeschafft werden, bleiben deren Eigentum.
                                                       Art. 51        (drei Aufgebote)
                                                
Das erste Aufgebot besteht aus allen Unverheirateten und Witwern ohne Kinder, welche das 30. Lebensjahr nicht überschritten haben.

Das zweite Aufgebot besteht aus Unverheirateten und Witwern ohne Kinder vom 30. bis zum 45. Lebensjahr und aus den Verheirateten bis zum 30. Lebensjahr.

Das letzte Aufgebot umfaßt alle übrigen Wehrmänner vom 21. Jahr bis 55. Lebensjahr.

                                               -----------------------------

                                      Bürgerwehr aufgehoben

In der Verordnung Nr. XXI vom 19. März 1851 wird das Gesetz vom 1. April 1848 die Errichtung der Bürgerwehr im Großherzogtum betreffend aufgehoben mit folgender Begründung:

„In Erwägung, daß über Gesetzeskraft der deutschen Grundrechte bei unseren Staatsbehörden verschiedene Ansichten bestehen, und dadurch eine Bestimmung hierüber geboten ist, haben wir nach Anhörung unseres Staatsministeriums beschlossen und verordnen wie folgt:
 „Den in unseren Reg. Blättern Nr. II und XXIX vom Jahr w1849 zur Kenntnis gebrachten  Grundrechte ist keine rechtliche Wirksamkeit beizulegen“.
Gegeben zu Carlsruhe in unserem Staatsministerium.
                      5. Mai 1851
                                            Leopold“.                                                    



Die Ausrüstung der Bürgerwehr in Stegen 1849

Nur widerstrebend hatte sich die Gemeinde Stegen zur Finanzierung der Ausrüstung der von dem provisorischen revolutionären Kommissar geforderten Bürgerwehr als „erstes Aufgebot“  bewegen lassen. Die näheren Umstände, unter denen diese Anschaffung von Gewehren und weiteren „Effekten“ geschah, sind an anderer Stelle in einem Protokoll vom 19. Juni 1850 geschildert.

Da der Gemeinderechner normalerweise nicht über einen größeren Vorrat verfügte, mußte die
Gemeinde für den Kauf der verlangten Ausrüstung, die nur gegen Barzahlung zu erhalten war, einen Geldgeber finden. Für die Gemeinde Stegen stellte der Bärenwirt Georg Hauser in Freiburg nach Unterzeichnung eines Schuldscheins mit vierteljährlicher Kündigung bei 5 % Verzinsung 300 Gulden zur Verfügung. Der Schuldschein vom 20. Juni 1849 ist vom Bürgermeister Laule und den 3 Gemeinderäten Märtin, Föhr und Pfister unterzeichnet.

Von der Beschaffung der Ausrüstungsgegenstände für die „Bürgerwehr“ sind verschiedne Originalbelege erhalten.

Ein Empfangsschein vom 21. Juni 1849 aus Basel mit nicht lesbarer Unterschrift des Händlers belegt den Kauf von 14 neuen Perkussionsgewehren durch die Gemeine Stegen mit einem Einzelpreis von 18 fl 30 x. Ein weiterer Artikel, dessen Bezeichnung ich nicht genau lesen kann, wird mit 3 fl 44 x dazu geliefert. Gesamtrechnung 262 fl 44 x. Über den Verbleib dieser Gewehre habe ich keine Informationen gefunden. Wenn solche nach Stegen geliefert wurden, sind sie dort unbenützt in die Hände der einrückenden „Reichstruppen“ gefallen, welche aus benachbarten „Staaten“ aus Hessen oder dem Königreich Württemberg einrückten, nachdem die großherzoglich-badischen Truppen ihre Waffen ablegen mußten, weil sie sich teilweise  den „Aufrührern“ angeschlossen hatten.

           Von einigen anderen Ausrüstungsteilen sind ebenfalls noch Kaufbelege erhalten.
Eine Quittung aus Freiburg mit Datum 22. Juni 1849 unterschrieben von Anton Wehrle bezeugt, daß Bürgermeister Laule von Stegen für 13 graue Hüte 19 fl 30 x bezahlt hat.

Ein anderes vorgedrucktes Rechnungsformular v. J.D. Bartenstein mit Datum 20. Juni 1849 ist ebenfalls mit einem Betrag von 19 fl 30 x quittiert für  13 Stück Wehrmannshemden.

Eine formlose Rechnung aus Freiburg den 20. Juni 1849 mit Unterschrift des Händlers Ignaz Keller ist quittiert mit 18 fl für „12 Dornister geliefert à 1 fl 30 x“ 
für die Wohllöbl. Gemeinde Stegen“.
 
Tornister waren in früherer Zeit, auch noch im 1. Weltkrieg und zu Beginn des 2. Weltkrieges das Standardgepäck eines Soldaten mit dem unentbehrlichen Inhalt im Kampfeinsatz. Es war eine Art Rucksack, innen mit einem Holzrahmen, in dem genau vorgeschriebene Bekleidung wie Leibwäsche, Schuhe, Socken, Notproviant verstaut werden konnten. Der Tornister war geschützt mit einer überhängenden Abdeckung aus Rindfell, auf welchem das Kochgeschirr befestigt werden konnte. Wolldecke und eine Zeltbahn waren auf dem Tornister festzuschnallen.

Während des 2. Weltkrieges habe ich 1943 beim RAD (Reichsarbeitsdienst) selbst noch einen Tornister getragen und das Packen exerziermäßig gelernt und geübt. Die Beschaffenheit von Tornistern anno 1849 ist mir jedoch unbekannt. Jedenfalls müssen diese „Dornister“ alltagstauglich gewesen sein, denn sie fanden bei einer späteren Versteigerung Abnehmer.

Beilage Nr. 137 der Gemeinderechnung auf einem vorgedruckten Formular des Melchior Trescher , Blecharbeiter bestätigt den Empfang von 14 fl 18 x
für „Batronentaschen“ à 1 fl 6 x
Die Rechnung aus Freiburg mit Datum 20. Juni 1849 ist für die Gemeinde Stegen ausgestellt.

Eine weitere Rechnung aus Freiburg auf liniertem Papier ausgestellt noch einmal von Ignaz Keller Händler für die Wohllöbl. Gemeinde Stegen ist quittiert am 22. Juni 1849 für 8 fl
für folgende Artikel:
                  2 Welsche Hemder à 1 fl 48 x   ---     3 fl  36 x
                  Eine Patrondasch                       ---     1     48
                  Ein Dornister                               ---      1     48
                  2 Gurtell   à 24 x                                        48 x

Als Beilage Nr. 135 der Gemeindrechnung Stegen 1850 finden wir dann noch auf einem vorgedruckten Rechnungsformular von Maximilian Metzger, Kaiserstraße 524 in Freiburg
13 lederne Gürtel à 18 x quittiert mit 3 fl 54 x


Ausverkauf der Revolution

Nur wenige Wochen dauerte das lodernde Feuer der Revolution 1849 nach der erneuten Erhebung, die in der Amtsprache als Maiaufstand geführt wurde, im Dreisamtal. Die Zusammenhänge mit der überregionalen politischen Entwicklung in den einzelnen Gebieten und den Bemühungen um die Schaffung eines deutschen Kaiserreiches durch die erste Deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche in Frankfurt mit dem Ziel einer Reichsverfassung sollen hier nicht weiter ausgeführt werden. Die spezielle Situation in der Gemeinde Stegen mit der verlangten Ausrüstung für eine Bürgerwehr, (offensichtlich für 13 Mann) soll in diesem Bericht skizziert werden.

Die Ereignisse im Dreisamtal waren im Mai 1849 durch die Verbrüderung der Bürgerwehren mit den Soldaten vom 2. Infantrie Regiment in Freiburg in einem „patriotischen Soldatenverein“ mit dem Hofgerichtsadvokat Karl Rotteck als Fanal für andere Landesteile verstanden worden. In großer Eile wurde nun versucht, größere bewaffnete revolutionäre  Verbände aufzustellen. Der Großherzog hatte zwar fluchtartig die Residenz in Karlsruhe und das Land verlassen jedoch  vor allem in Preußen um Hilfe gebeten. Es mußte deshalb mit militärischer Gegenwehr gerechnet werden.

In Rastatt waren große Teile der dortigen Garnison zu den Revolutionären übergelaufen. In Freiburg forderte die provisorische revolutionäre Regierung am 20. Mai 1949 die allgemeine Volksbewaffnung und dafür von den Bürgermeistern der umliegenden Gemeinden die Aufstellung und Bewaffnung einer Bürgerwehr. Auch in Stegen erging diese Anweisung an die Gemeinde unter Strafandrohung bei Befehlsverweigerung. Flüssige Geldmittel fehlten jedoch in der Gemeindekasse.

Aus diesem Grund wurden am 20. Juni 1849 beim Bärenwirt in Freiburg 300 Gulden geliehen und in den nächsten 2 Tagen 13 Gewehre in Basel, Hemden, Hüte, „Dornister“ (Rucksäcke), Gürtel und Patronentaschen in Freiburg angeschafft. Diese Ausrüstungsgegenstände sind aber offensichtlich nicht in die Hände der aufgebotenen Bürgerwehr gekommen, denn mit Ausnahme der Gewehre wurden die angeführten Dinge bei einer Versteigerung durch die Gemeinde verkauft.

Das Versteigerungsprotokoll vom  21. Januar 1850 zeigt in namentlicher Liste die verkauften Gegenstände, die Käufer und den jeweiligen Preis. Diese Aufstellung ist als Beilage Nr. 30 Teil der Gemeinderechnung 1850/51, wonach beispielsweise:

Mathias Heitzler  1 Stück „Wesch“ (in der Originalrechnung als „Wehrmannshemd“ à 1 fl 30 x bezeichnet) für 21 x erhielt.
Joseph Föhr ersteigerte einen Hut, der beim Einkauf 1 fl 30 x kostete für 38 x.
Xaver Laule erstand einen Gurt für 6 x, vormaliger Einkaufspreis 18 x.
Johann Hummel bekam einen „Dornister“, der im Einkauf  1 fl 30x kostete für 20 x.
Von den Patronentaschen, die à 1 fl 6 x eingekauft wurden, bekam Johan Zäringer eine davon für 6 x.

Die Gesamtausgaben für die Ausrüstung der Bürgerwehr in Stegen waren 345 fl 56 x.

Der Einkauf der Gewehre hatte die  größte Summe benötigt mit 262 fl. Diese fielen aber vermutlich der Beschlagnahme zum Opfer. Dafür gab es allerdings keine Entschädigung.
Durch die Versteigerung der Gegenstände am 21. Januar 1850 kamen lediglich 15 fl 20 x  zurück in die Gemeindekasse.


Kein Bürger, der zur Umsturzpartei gehörte

Im Vergleich mit anderen Landesteilen war die Begeisterung und die Teilnahme bei der revolutionären Bewegung im Dreisamtal, besonders auch in Stegen, sehr gering. Auch die am 7. August  1850 durchgeführte amtliche Ortsbereisung schildert eine  ruhige politische Lage mit den Worten:
„Die hiesigen Bürger sind ruhige, der gesezlichen Ordnung zugethane Leute, obgleich dieselben im Laufe des vorigen Jahres durch den entwichenen Fortunawirth Lorenz Riesterer und Geometer Carl Reber verdorben wurden und sich in die revolutionären Bewegungen hinein reißen ließen, so haben sie doch die schädlichen Folgen bald davon eingesehen, sind ganz von ihren früheren Bestrebungen abgekommen und zum Gehorsam und zur Ruhe zurük gekehrt.      (STAF 702/1 Nr. 4370 S. 1)

Vielerorts wurden einzelne Personen wegen ihrer revolutionären Haltung anschließend strafrechtlich verfolgt. Das war in  Stegen nicht der Fall. Der damalige Bürgermeister Laule wurde allerdings aus seinem Amt entfernt, aber sonst nicht weiter zur Rechenschaft gezogen. Die von der Gemeinde bezahlten Kosten für die revolutionäre Ausrüstung mit Gewehren, Tornistern usw. wurden aber noch kritisch untersucht, um haushaltstechnisch eine befriedigende Lösung zu finden. In diesen Bemühungen ist das Protokoll vom 19. Juni 1850 zu verstehen, das mit der Unterschrift des Bürgermeisters und des Gemeinderates an die Rechnungprüfungsstelle (Revisiorat) des Landamtes in Freiburg übergeben wurde.
(Gemeinderechnung Stegen  1849)

„Großh. Wohllöbl. Landamts Revisiorat !
Der Aufwand für Mobilmachung und Einübung des Bürgerwehr 1 te Aufgebots in der Gemeinde Stegen betr.

Laut § 20 der Revisionsbemerkungen zur Gemeinderechnung pro 1849 sind wir beauftragt, Zeit und Umstände anzugeben, unter welchen die Waffen  p p  angeschafft wurde und nachzuweisen, daß man  diese Gegenstände durch Zwang usw angeschafft habe.

       Die Zeit in welcher wir diese Waffen herbeizuschaffen genöthigt wurde, war, als die Revolutionsmänner die Regierungsgewalt und alle hohe Staatsstellen an sich gerissen, und alles Recht nach ihrem Willen umgekehrt hatten. Die Zeit, in der dem Bürger die schönste Freiheit auf dem Papier gegeben wurde, wo er aber jeder Schurke, der sich Ansehen und Einfluß zu verschaffen wußte, pünktlichen Gehorsam leisten musste, wenn er nicht das Gröbste befürchten wollte.

Daß die Ortsvorgesetzten zur Anschaffung aller dieser Gegenstände gezwungen waren, braucht, wie wir glauben,  fast nicht bewiesen zu werden.

Sobald von den sogenannten Volksmännern alle Staatsordnung niedergeworfen war, kam sogleich von dem damaligen Regierungsdirektor (?)  von Freiburg der Auftrag zur ungesäumten Ausrüstung der Bürgerwehr  I. Aufgebots. Man suchte sich diese Lasten zu ersparen und wandte sich 7 mal an den damaligen Minister ? L. Brentano selbst, allein man erhielt  gar keine Antwort nur die Aufträge vom obigen Regierungsdirektor  wurden immer schärfer, ebenso von dem sogenannten Oberkommissär Heunisch. Einmal wurde den Ortsvorgesetzten „schwere Strafe“ angedroht, wenn diese Gegenständ nicht schleunigst angeschafft werden.
 
Ein andersmal wurde dem Bürgermeister sogar gedroht, man lasse ihn binden und durch die Gendarmen einführen  u.s.w.

Was war nun zu befürchten unter „Schwerer Straf?“ Und was hätte nicht von diesen Schreckensmännern der Bürgermeister zu gewärtigen gehabt ? Man hat sich jedoch nicht ohne Mühe hinausgewunden, so lange es nur immer möglich war.

Nachdem man aber da und dort Exekution von Freischärlern einlegte und man dazu noch hörte, an verschiedenen Orten auch Todesstrafe drohte, so konnte man sich in der so geringen Entfernung von Freiburg, wo dazumal das sauberste Gesindel jeden guten Bürger dressirte, nicht mehr lange zurükziehen. Und da endlich sogar das Standrecht angedroht wurde, und die ganze Gemeinde  höchst ungebetene Besuche befürchtete, wozu noch das gräflich v. Kagenecksche Schloß neue Gelüste rege machte, hielt mans für besser, dem Drange der Noth, wie es so viele gethan, nachzugeben, und das Verlangte endlich herbeizuschaffen.
 
Wie es in dem gräfl. Kageneckschen Schloß dahier zu gieng, ist allbekannt und so wäre es der ganzen Gemeinde aufgewartet worden. Daß es nun gerathener war, etwas freiwillig, in Gezwungenheit, hinzugeben als sich gänzlich in Lebensgefahr ausrauben zu lassen, ist gewiß ausgemacht.

Hat man sogar nach einem Gemeinderath gefeiert, und demselben mit gefälltem Gewehr nachgesetzt, der die Räuber nicht höflich genug ersuchte, ein junges Pferd stehen zu lassen und nicht zu rauben, was für ein Unglück hätte entstehen können, wenn die Gemeind geplündert worden wäre ?

Aus dem Angeführten geht zur Genüge hervor, daß die Anschaffung aller dieser Gegenstände nicht im Entferntesten aus freiem Antrieb geschah, umsomehr da in der ganzen Gemeinde kein Bürger ist, der zur Umsturzpartei gehörte – und man ersucht daher ein Wohllöbl. Landamts  Revisorat gehorsamst beim Großh. Landamte wohlgefälligst beantragen zu wollen, daß die Beträge wegen Anschaffung der Bürgerwehrgeräthschaften  in die Gemeinderechnung aufgenommen werden dürfen.

               Stegen, den 19 ten Juni 1850
Der Gem. Rath
Bürgster  Andris
T. Märtin
G. Rath Föhr
G. Rath Pfister
Rathschrbr   Wagner“

Die Preußen im Land

Die Errichtung der Bürgerwehren in kommunaler Verantwortung war im April 1848 angeordnet worden. Als sie dann von der demokratisch-republikanisch gesinnten provisorischen Regierung im Dreisamtal im Juni 1849 aufgeboten wurden, waren sie  mit ihrer Ausrüstung und Bewaffnung und ohne Ausbildung bei fehlender Kommandostruktur kein Hindernis gegen die von den Fürstenstaaten gebildete „Reichsarmee“.

In Freiburg hatten preußische Soldaten kampflos die Macht übernommen und damit die frühere Staatsordnung unter preußischem Schutz wieder hergestellt. Vom Landamt Freiburg aus mit dem bisherigen Amtsvorstand Jagerschmid ergingen nun die weiteren Befehle an die Gemeinden, die zu den Kosten der militärischen Maßnahmen der Reichsarmee herangezogen wurden.

Mit Datum vom 9. Juli 1849 finden wir das nachfolgende Schreiben:

„An den Gemeinderath zu Wittenthal mit Attenthal
Die dem Landamt Freiburgf angesezte Lieferung zur  Verpflegung der königlich Preußischen Operations Armee am Rhein betreffend.
Von dem Erlaß Großh. Kreis Regierung als Kreis Verpflegamt vom 7 Juli d.J. empfangt der Gemeinderath eine Abschrift mit dem Anhang, dass nach der getroffenen Surepartition die Gemeinde Wittenthal nach Verhältnis des  Gesamt-Steuerkapitals des Landamtsbezirks ad 19 987 720 fl in dem Bezirke zugewiesenen 9000 fl  Militärverpflegungskosten den Betrag von 68 fl 5 x bei persönlicher Verantwortlichkeit des Gemeinderaths und bei Vermeidung militärischer Execution der Gemeinde binnen drei Tagen an die Großh. Oberrheinkreis Regierung Kreis Verpfleg Amt gegen Schein abzuliefern, oder unter den angezeigten Bestimmungen Lebensmittel und Fourage in das errrichtete Hauptverpflegungs-Magazin dahier abzugeben hat.
                      Freiburg den 8 te Juli 1849
                           Großh. Landamt
                                Jagerschmid“

Die Bürgerwehren, die auf gesetzlicher Grundlage vom 1. April 1848 gebildet worden waren und in Berufung auf die Grundrechte des deutschen Volkes (im Januar 1849 durch die Nationalversammlung in Frankfurt verkündet) im Mai 1849 auch im Dreisamtal aufgeboten wurden, wurden 1851 durch Gesetz aufgehoben.

Durch ausgeweitete polizeiliche Überwachung, Beschränkung der Pressefreiheit und durch zahlreiche Absetzungen von Bürgermeistern und Gemeinderäten versuchte man, die Ideen der freiheitlich demokratischen Bewegung zu ersticken. Unter der Rubrik „Maiaufstand“ wurden den Gemeinden in den nachfolgenden Jahren erhebliche Kosten aufgebürdet.

Die Berichte der verschiedenen Ortsbereisungen aus der Zeit nach 1850 geben Zeugnis davon. Die politische Stimmungslage der besuchten Gemeinden  wird eigens angeführt. In den früheren Teilorten  war aber offensichtlich nichts von „republikanscher Wühlarbeit“ zu verspüren, wie sie andernorts  im Hegau und Bodenseegebiet sich teilweise bemerkbar machte.