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Inhaltsverzeichnis
St. Wilhelm - Die Geschichte eines Schwarzwaldtales
Aus dem Buch von Hans Bührer - 1924
I.
DER SCHAUPLATZ
Vieltausend Menschen machen sich alljährlich auf, den König der Schwarzwaldberge, den Feldberg mit seinem breiten Rücken und seiner runden Kuppe, zu besteigen. Von der Zinne des aus mächtigen Steinblöcken gefügten Turmes schweift dann das Auge über zahllose Bergkuppen hin bis
zum fernen Horizonte, wo Himmel und Erde sich zu berühren scheinen. Und
haben wir uns satt gesehen an dem bezaubernden Anblick der silbern
glänzenden Schweizerberge oder an dem in bläulichen Dunst eingehüllten
Wasgenwalde, dann kehrt das Auge vielleicht zurück, auch in der Nähe
beschaulich zu verweilen. Mehrere Täler sehen wir am Abhänge des
ungeschlachten Riesen ihren Ursprung nehmen. Unter diesen liegt das
nach Nordwesten gegen den Schauinsland ziehende offen vor unseren
Augen. Eine muldenartige Vertiefung, vom Volksmund sehr bezeichnend
„Napf" genannt, bildet den Anfang des etwa eine Wegstunde langen Tales.
Zahllose Wässerlein rinnen von allen Seiten zwischen moosigen Felsen
und uralten Bäumen nieder. Grüne Matten geben der von hohen Bergen wie
von Mauern eingeschlossenen Schlucht ein freundliches Aussehen. Die
Talsohle erweitert sich nach und nach und gibt Raum für spärlichen
Anbau. Kaum vermag die Sonne über den hohen Berg ins enge Tal
hineinzuschauen. Dann aber blinken die kleinen Fensterscheiben der alten, an den Bergwänden und im Tal zerstreut liegenden Bauerngehöfte, und die Schindeldächer, von Regenguß und Sonnenschein gebleicht, glänzen hell. Wo
schweift dann das Auge über zahllose Bergkuppen hin bis im Westen der
massige Block des Erzkastens den Weg sperrt, vereinigt sich der Talbach
mit dem Buselbach, früher Husel- oder auch Haselbach genannt, und bildet mit ihm zusammen die „üble Brugga". Durch das „Klemm" hat diese sich eine kaum einige Meter breite Schlucht gesägt, tosend stürzen die Wasser über hemmende Felsblöcke. Unter den Leuten der Gegend nennt man diesen Ort „des Teufels Bachkuchi"; es soll da auch nicht ganz geheuer sein, wenn man sich nach
reichlichem Abendtrunk zwischen dunklen Felsen und finstern Tannen um
die mitternächtige Stunde talauf wandert. In raschem Laufe eilt der
Bach dann Oberried und weiter der Dreisam zu.
Nicht alle, die da oben auf dem Feldberg stehen, kennen den Namen dieses einsamen Hochtales, und gar gering ist die Zahl derer, die von seinen wechselvollen Schicksalen wisssen. Und doch ging auch hier die Geschichte nicht spurlos vorüber. Die folgenden Zeilen wollen versuchen, uns in diese einzuführen.
II.
ERSTE KUNDE
Die erste
verläßliche Kunde von unserer Heimat verdanken wir den Römern. Diese
begannen zur Zeit der Geburt Christi von Gallien (Frankreich) aus über
den Rhein nach Norden und Osten vorzudringen und ihre Macht in diesen
von Kelten bewohnten Gegenden zu befestigen. So entstand als eine der
ältesten römischen Siedlungen im Breisgau das Kastell BRISIACIUM, das
heutige Breisach, an der Südwestecke des Kaiserstuhles (38 v. Cr.
erstmals erwähnt). Von hier aus suchten sie den gefürchteten
Schwarzwald (der NIGRA SYLVA der Römer) und seine noch wilden Bewohner
unter ihre Botmäßigkeit zu bringen. Zum Schutze gegen räuberische
Überfälle und zur Sicherung ihrer Heerstraßen wurden vorgeschobene
Posten angelegt und befestigt. Auch in unserer Nähe entstand eine
solche römische Siedlung - TARODUNUM, das heutige Zarten. Funde von
Münzen und römischen Bildwerken haben diese Ansicht bestätigt.
TARODUNUM war vermutlich sogar keltischen Ursprungs. Die Siedlung lag
östlich des heutigen Dorfes Zarten in dem vom Höllenbach und
Wagensteigbach gebildeten Winkel. Jedoch ist der Name Zarten
zweifelsohne aus TARODUNUM entstanden. Wenngleich die Römer als fremde
Eindringlinge betrachtet und später auch vertrieben wurden, müssen wir
dennoch anerkennen, daß ihre Herrschaft in mancher Hinsicht segensreich
war für unser Land. Ihnen verdanken wir den Anbau von edlem Obst, Wein,
Gemüse, die Einführung des Getreides, Bau von Straßen und Brücken,
Anlage der warmen Bäder sf. Allerdings ist es wenig wahrscheinlich, das
sie von TARODUNUM im Kirchzartner Tal aus in die Unwegsamen
Waldschluchten hinaufstiegen. (Die da und dort
auftauchende Meinung, es hätte einen Römerpfad von Zarten und durch das
Oberrieder Tal und Hofsgrund (vielleicht nach Badenweiler oder ins
Wiesental) geführt, ist bislang weder durch Funde noch Urkunden
erhärtet und wohl als irrig zu verwerfen. Der alte Saumpfad wurde
wahrscheinlich erst nach Entdeckung der Silber- und Blelgruben
angelegt. Dagegen führte ein Römerpfad von Zarten durch Wagensteiger
Tal über den Schwarzwald bis nach Konstanz)
So blieb auch unser Tal das bis dahin wohl noch von keines Menschen Fuß
betreten war, vor dem rauhen Schritt der römischen Kriegerhorden
verschont. Dichter Urwald stieg vom Talgrund hinauf bis an die Gipfel
der Berge. Darin klang nicht Axt noch Säge; nur das Summen der wilden
Bienen, der heisere Schrei der Raubvögel und das Hämmern des Spechtes
klangen durch das Rauschen der Baumwipfel. Kam ein Sturmwind
dahergebraust, so sanken die vom Alter morschen Stämme in das Grab, das
auch ihre Wiege gewesen war. In finsteren Felsenhöhlen hauste noch der
Bär; auch Wolf und Luchs streiften hungrig und beutesuchend und durch
den Tann. Brach der frühe Abend herein, dann trat das scheu Reh,
vorsichtig äugend, zwischen dunklen Waldbäumen hervor, um am klären
Quell zu trinken, und der stolze Hirsch äste auf den saftigen
Bergwiesen. Wıe heute, so plätscherte und rauschte auch damals das
muntere Bächlein durch Wald und Bergmatten zu Tal, von flinken
rotgetüpfelten Forellen und dem einsiedlerischen Krebs belebt. Wohl
hemmten stürzende Urwaldriesen oder mächtige Gneis- und Granitblöcke
manchmal seinen Lauf, doch halfen die Gewitterregen des Sommers und die
Schmelzwasser des Frühlings alle Hinternisse beseitigen. Über allem
aber standen in schweigendem Ernst und majestätischer Ruhe die gewaltigen Berghäupter - ohne Namen noch, wie auch das Tal, das sie umschlossen - und schauten gelassen auf Werden und Vergehen zu ihren Füßen.
Wir wissen nicht, wer der erste Mensch war, der in unser Tal kam, wann dies geschah und nicht, was ihn heraufführte.
Als
die Wanderungen germanischer Völkerscharen nach Süden - auf der Suche
nach neuen Wohnsitzen - immer ungestümer einsetzten, mußten die Römer
auch aus unseren Gauen weichen. Die zurückbleibenden keltischen
Ansiedler wurden Leibeigene der Alemannen, die sich in den eroberten
Gebieten seßhaft machten. Die römischen Kastelle wurden zerstört, ihre
mit Mühe angelegten Pflanzungen verwüstet und das Christentum, das da
und dort bescheidene Anfänge gezeitigt hatte, wieder ausgerottet. Doch
entstanden an jenen von den Römern gewählten Plätzen meist wieder
alemannische Siedlungen, wie wir es sowohl bei Breisach, als auch in
Zarten sehen. Unsere germanischen Vorfahren liebten aber die Freiheit
über alles und hausten deshalb nur in Einzelgehöften. So mögen
frühzeitig die an den fruchtbaren und vor Überschwemmungen geschützten
Hängen des Kirchzartener Tales liegenden Höfe erstanden sein. Später
wurden diese zu Dorfgemeinden zusammengefaßt, und so hören wir lange, ehe St.Wilhelm bewohnt war, von einer Gemeinde Oberried (Die erste urkundliche Erwähnung der Gemeinde Oberried fällt zwar in spätere Zeit (1252), doch sind Einzelgehöfte ohne Zweifel viel älter.)
Die Bauern von Oberried kamen nun auf der Suche nach geeigneten Weidplätzen für ihr zahlreiches Vieh gewiß auch
in das schier undurchdringliche Waldtal, wo grüne Bergwiesen mit
würzigen Kräutern ihnen sehr willkommen waren. Gerade die prachtvolle
und ausgedehnte Weide mag später auch den Anlaß zur ersten Besiedlung
gegeben haben. Öfters auch klang das Jagdhorn und das wilde Bellen der
Hunde durch den Wald, an Fels und Berg ein vielfaches Echo weckend. Wie
mag das Wild angstvoll den unbekannten Tönen gelauscht haben! Lange
widerhallte das Tal von Jagdrufen und dem triumphierenden Schrei
glücklicher Schützen, bis sich das jagdbare Getier in die höchsten und
entlegensten Forste zurückzog sich für Speer und Pfeil kein lohnend
Ziel mehr fand. Noch einen anderen Gast sah das stille Waldtal in den
Sommermonaten. Hier oben wuchs das schönste und beste Holz, stattliche
Tannen und Buchen standen hier und gingen ungenutzt zugrunde. (
Holzabfuhr war unmöglich, da ein fahrbarer Weg fehlte. Vor 100-150
Jahren wurde das Brennholz die Brugga hinabgeflößt. Das heutige
Talsträßlein wurde erst 1876-1881 gebaut.) Da kam der Köhler und schlug
seine armselige Hütte auf am gischtigen Waldbach oder hoch droben am
Feldberg. Wenn an hellen Sommertagen die klare Luft unbeweglich stand,
sah man wohl eine dünne Rauchsäule an der Stelle kerzengerade in die
Höhe steigen, wo er seinem rußigen Gewerbe oblag. Alle diese Besucher
aber wandten dem öden Winkel den Rücken, sobald der frühe und strenge
Winter hereinbrach. Es vergingen noch Jahrhunderte, ehe ein ganz Kühner
es wagte, hier sich dauernd niederzulassen, allen Widerwärtigkeiten des
Ortes und des Klimas zum Trotz.
Zu
Beginn des 13. Jahrhunderts erst vernehmen wir Kunde von einem Meierhof
im „Zinken des Feldberges", und St.Wilhelm erhielt damit seine erste
bleibende Wohnstätte.
Im
6. und 7. Jahrhundert kamen aus Irland und England fromme Männer,
sogenannte Glaubensboten, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten die
noch heidnischen Bewohner unseres Landes für das Christentum zu
gewinnen. Unter den von ihnen gegründeten Klöstern erlangten besonders
Reichenau am Bodensee (Pirmin), Säckingen (Fridolin) und
St.Gallen in der Schweiz (Gallus) große Bedeutung in religiöser,
wirtschaftlicher und ganz besonders auch politischer Hinsicht. Die
Klöster wurden Grundherren wie der landsäßige Adel und wetteiferten in
der Ausdehnung und Erweiterung ihres Besitzes mit demselben. Auf solche
Weise erwarb das Benediktinerstift St.Gallen die Zardumer
Markgrafschaft, zu welcher auch die Gegend um Oberried gehörte. (Die
Markgrafschaft Zarten kam teilweise i. J. 765, ein weiterer Teil 817
und endlich gänzlich 856 an St.Gallen) Diese Markgrafschaft wurde, da
das Stift als Grundherr seine Güter unmöglich selbst bewirtschaften
konnte, als Lehen an die Grafen von Thengen gegeben. Zu Anfang des 13.
Jahrhunderts
bauten diese Herren an der alten Steig, die von Kirchzarten durchs
Oberrieder Tal und St.Wilhelm nach Todtnauberg und Todtnau führte, in
der Nähe des heutigen vorderen Meierhofes eine Burg mit einem festen,
aus Quadern gefügten Turm. (Diese meist unbekannte Burg wird erwähnt in
alten Freiburger Urkunden; Poinsignon (Wüstungen im Breisgau) nennt sie
im Zusammenhang mit der Wilhelmitengeschichte während des
Dreißigjährigen Krieges, ebenso J. Bader, Badenia (1844). Eine
neuerliche Erwähnung von St.Wilhelm als Burg findet sich in dem Werke
von Heilig: „Aus Freiburgs Vergangenheit und Gegenwart." Doch geschieht
es da im Zusammenhange mit dem Silberbergbau (siehe Kapitel V)) Es läßt
sich heute nicht mehr feststellen, welchen Zwecken Diese meist
unbekannte Burg wird erwähnt in alten Freiburger Urkunden; Poinsignon
(Wüstungen im Breisgau) nennt sie im Zusammenhang mit der
Wilhelmitengeschichte während des Dreißigjährigen Krieges, ebenso J.
Bader, Badenia (1844). Eine neuerliche Erwähnung von St.Wilhelm als
Burg findet sich in dem Werke von Heilig: „Aus Freiburgs Vergangenheit
und Gegenwart." Doch geschieht es da im Zusammenhange mit dem
Silberbergbau (siehe Kapitel V) dieser Turm diente. Von einem tiefen
Graben umgeben, der den Zugang beschwerlich machte, war es vielleicht
ein Kerker, in dem treulose Untertanen oder Kriegsgefangene einem wenig
beneidenswerten Schicksal entgegensahen. (So der Chronist)
Wahrscheinlicher ist die Annahme, daß er als Zufluchtsstätte diente bei
räuberischen Überfällen, Fehden oder in unsicheren Kriegszeiten. Die
Burg zerfiel jedoch bald, und auch der feste Turm konnte den Stürmen
des Dreißigjährigen Krieges nicht standhalten. Vor 100 Jahren waren
noch Trümmer und Reste dieses Bollwerkes zu sehen, die jüngste Zeit hat
auch diese letzten stummen Zeugen einer wechselreichen Vergangenheit
hinweggefegt.
Merkwürdigerweise
sollte der tiefe Graben ein höheres Älter erreichen als der von ihm
eingeschlossene steinerne Turm. Er diente nämlich Jahrhunderte hindurch
dem später in der Nähe erbauten Kloster als Fischweiher. Der „vordere
Meier“ hatte neben anderen Lehenspflichten auch die Aufgabe, diesen
Fischweiher zu besorgen. (Aus einem Lehensbrief 1731: „ ... daß Er, der
Mayer ... nit weniger zur dem weyer öfters, damit jederzeit genuegsamb
Wasser darinne, od auch nıt zuvill, und also die Fisch ausbrechen und
davon schwömmen möchten, sehen solle . also ...") Reste desselben haben
sich bis auf den heutigen Tag erhalten. Zu beiden Seiten des Weges, der
auf den Meierhof führte, liegt eine sumpfige Wiese, die bei anhaltendem
Regenwetter völlig überschwemmt ist, und wo einst die Klosterforellen
als Fastenspeise gezüchtet wurden, quaken jetzt in warmen
Frühlingsnächten die Frösche.
Hinter diesem Sumpfe, wo der Turm einsam stand, erhebt sich ein Hügel.
Es ist ein Schutt und Geröllhaufen, den vor vielen, vielen tausend
Jahren, als der Schwarzwald auch im Sommer einen Schnee- und Eismantel
trug, der Feldberggletscher nach und nach durch das Tal schob. An der
Stelle, wo der gewaltige Eisstrom abschmolz, blieb der Schutt liegen
und bildete zuletzt eine ansehnliche Erhöhung. (Näheres darüber in den
Monatsblättern des Badischen Schwarzwaldvereins 1919) Man nennt dies in
der Sprache der Gelehrten „Endmoräne".
Dieser Hügel, der wohl an der breitesten und sonnigsten Stelle unseres Tales liegt, sollte mehr erleben als seine weit größeren und höheren Vettern, die von allen Seiten mitleidig lächelnd auf ihren winzigen Nachbarn herniederschauten.
Bewohner des Oberrieder Tales, die als Hirten, Holzfäller
und Jäger den beschwerlichen Weg in das hochgelegene Felsen- und
Waldtal machten, brachten eine Sage über eine sonderbare Erscheinungen
in Umlauf. Eine alte Chronik berichtet darüber also: Auf jenem Hügel,
hinter welchem die verlassene Burg stand, seien oft Wunderdinge zu
vernehmen. Glockengeläute tönte lieblich durchs Tal, helle Lichter
erschienen und verschwanden wieder. (Um das Jahr 1300 von einem
Klosterbruder, der den Ursprung des Klosters beschrieb, erzählt.)
Die
oben erwähnten Grafen von Thengen, die diesen Bezirk als Lehen besaßen,
hörten von dieser Sage. Besonders Rudolph von Thengen, dermalen
Domprobst zu Straßburg, nahm sich der Sache an und ruhte nicht, bis auf
der bezeichneten Stelle ein Gotteshaus sich erhob. Auf sein Zureden
verzichteten seine Brüder Nikolaus und Konrad, sowie sein Vater auf
einen Teil ihres Oberrieder Lehens zugunsten der Klosterjungfrauen in
Günterstal. Der Lehnsherr - der Abt von St. Gallen - erklärte sich mit
dieser Übergabe unter der Bedingung einverstanden, daß allda ein
Klösterlein gebaut werde. Diese Stiftung geschah im Jahre 1236. In die
neuerrichtete Klosterzelle zogen einige Nonnen aus dem
Zisterzienserkloster Günterstal, das dort schon 15 Jahre bestand. Um
ihnen die Versetzung ihrer Wohnung in ein so rauhes Tal angenehmer zu
machen, schenkten die Herren von Thengen den dort oben gelegenen
„Meyerhof mit Wald und Feld diesem jungfräulichen Vereine".
Wir
fragen uns heute erstaunt, warum gerade eine solche Wildnis zur
Neugründung eines Klosters gewählt wurde. Kann man doch allenthalben
feststellen, daß gerade die Klöster sonst an möglichst günstigen
Stellen erbaut wurden. Eine Erklärung finden wir vielleicht, wenn wir
einen Blick auf die großen Ereignisse und Geistesströmungen jener Zeit
werfen. Damals herrschte in Deutschland das hohenstaufische
Kaisergeschlecht. Sein Ruhm und seine Größe, sein Glanz und seine
Herrlichkeit übertrafen alles bisher Dagewesene.vDieser hohe und edle Sinn pflanzte sich fort im Volke, dasvallenthalben zu großen Taten sich drängte. Hand in Handvdamit ging eine gewaltige Erneuerung des religiösen Sınnes, hervorgerufen durch die Kreuzzüge. Jene Begeisterung, mit der Hunderttausende zum Heiligen Grabe gepilgert, äußerte sich auch in der Heimat in einem Anwachsen der Orden und einem nie gesehenen Andrange zu denselben. So begreifen wir, daß das Bestreben, in Klöstern und Einsiedeleien unter schwersten persönlichen Opfern ein gottgefälliges Leben zu führen, manchmal gerade die wildesten und unzulänglichsten Orte wählen ließ.
In jenen bewegten Tagen also zogen fromme Jungfrauen in die unbetretene
Einöde, doch - sagt der Chronist - warfen sie beim Abschied einen
sehnsuchtsvollen Blick nach der liebgewordenen Heimat zurück. Unheimlich genug mag es ihnen vorgekommen sein in dieser Talwildnis, zwischen Bach, Wald und Felsen, fernab von menschlichen Siedlungen und ohne ritterlichen Schutz in Zeiten der Not und Gefahr. Oft
schreckten sie aus nächtlicher Ruhe empor, wenn der hohle Ruf des
Waldkauzes oder in bitterkalten Winternächten das heisere Bellen der
Füchse an ihr Ohr drang. Dazu kamen Naturereignisse seltsamer Art, die
sie nicht erklären konnten, und die deshalb ihr Gemüt noch mehr
beschwerten. So lesen wir aus dem Jahre 1238: In diesem Jahre wurde die
Sonne so sehr verfinstert an einem Tage, daß alles dunkel wie mitten in
der Nacht schien.
Bedenkt
man überdies, daß zu jener Zeit hier oben außer spärlichem Sommerkorn
und etwas Hafer nichts angebaut wurde (Die heute fast ausschließlich
angebaute Kartoffel kam bekanntlich erst im 16. Jahrhundert nach
Europa) (und auch nichts gedieh), sondern daß sämtliche Lebensmittel
auf Saumtieren, meist Mauleseln, über gefahr- und mühevolle Pfade
herbeigeschafft werden mußten, was im langdauernden Winter oft zur
Unmöglichkeit wurde, bedenkt man ferner, daß die zarten Nonnen den
Unbilden des äußerst harten und schneereichen Winters in diesen Höhen
nicht gewachsen waren, so verstehen wir, das endlich die weibliche
Schwäche diesen vielfachen Hindernissen der neuen Heimat weichen mußte.
Sie kehrten deshalb auf Anordnung ihrer Ordensobern wieder nach
Günterstal zurück. Sechs Jahre hatte das Glöckchen vom Klosterkirchlein
durchs Tal geklungen, nun wurde es wieder still, öde und einsam am
Feldberg.
III
DAS WILHELMITENKLOSTER
In der Zwischenzeit war das Tal mit den umliegenden
Wildnissen an andere Lehensträger übergegangen. Wir finden kurz nach
1240 die Herren Schnewlin von Freiburg und die Ritter von Munzingen im
Besitze dieses Lehensgutes. Durch diese erfuhren die Mönche eines
fernen Klosters, die Wilhelmiten-Brüder zu Hagenau im Elsaß, von der
verlassenen Stätte. Gern ergriff der noch junge Orden, der in der
starken religiösen Stimmung jener Tage reichen Zuwachs fand, die
Gelegenheit, hier eine neue Niederlassung zu gründen. So wurde die
verwaiste Stätte um Pfingsten des Jahres 1252 neu bezogen und ihrem
ursprünglichen Zwecke wieder dienstbar gemacht. In feierlichem Zuge
pilgerten vier Klosterbrüder mit dem notwendigsten Gefolge an der
rauschenden Brugga hinauf über die hoch im Gebirge liegende Brücke
(daher „Hohe Brücke") in das zerklüftete Feldberger Tal. Mutig hatten sie sich aufgemacht, in jener Abgeschiedenheit ein gottgefälliges Leben zu führen, das verlassene Kirchlein und die Klosterzelle wieder wohnlich einzurichten, zu vergrößern und zu verschönern. Sie nannten diesen neuen Zweig ihres Ordens „Marienkrone", ein Zeichen ihrer großen Marienverehrung. Die Lehensherren vermehrten das Eigentum der frommen Brüder, indem sie ihnen Besitzungen in Oberried, Verlinsbach und den Wald im jetzigen St.Wilhelm dem Huselbach nach bis auf den „Steinwäller" (Steinwasen) schenkten, also den heutigen Holder- und Glaserschlag.
Von
diesen Bewohnern, den Wilhelmiten-Ordensgeistlichen, erhielt das Tal,
das sich von Feldberges Wipfel herabsendet, aus Klüften sich
entwickelt, den jetzigen Namen
„SANKT WILHELM"
Wie die
Günterstäler Klosterfrauen, so spürten aber auch die Wilhelmitenbrüder
gar bald, welche Mühsal und Beschwerden ein Aufenthalt in jenen von der
Natur so wenig begünstigten Höhen mit sich bringt. Innere und äußere
Hemmnisse verschiedenster Art stellten die junge Siedlung und ihre
Bewohner auf eine harte Probe. Im Deutschen Reiche herrschten trostlose
Zustände. Die Macht des Kaisers war zu einem Schatten herabgesunken,
worauf dann dien„kaiserlose, die schreckliche Zeit" folgte, in der fast
zwanzig Jahre lang Deutschland ganz ohne Oberhaupt war. Fürsten und
Adel, Ritter und Herren hielten sich an kein Gesetz und kein Recht
mehr. Jeder schaltete und waltete nach eigenem Belieben und Ermessen.
Nur das Recht des Stärkeren galt, das Faustrecht. Besonders schlimm
trieben es die Ritter, die auf den zahlreich im Lande zerstreut
liegenden festen Burgen hausten. Ihrem Gelübde, Treue dem Landesherren
zu halten, Witwen und Waisen zu schützen, ihre Ritterehre rein und
unbedeckt zu wahren, waren sie völlig untreu geworden. Ja, sie sanken
zu rechten Wegelagerern herab, aus dem Ritter wurde ein Räuber. Sie
waren der Schrecken des Wanderers. Aus dem Hinterhalte brachen sie
plötzlich hervor, überfielen mit Vorliebe Kaufleute und plünderten sie
so aus, „daß man auch mit einer Pechfackel keinen Heller mehr hätte
finden mögen".
Auch
das Wilhelmitenkloster im Walde hatte einen solchen Nachbar, den Ritter
von der „wilden Snevesburg", der sich oft genug gewaltsame Eingriffe in
das stille Leben der frommen Brüder gestattete.(Näheres darüber im
Kapitel IV.)
Doch, wird man fragen, wozu diese allbekannten Tatsachen anführen? Was haben sie mit unseren Brüdern im Walde zu tun?
Gewiß
hatten sie unter diesen Zuständen, die ihr hartes Los noch
verschlimmerten, ebenso sehr zu leiden wie das Volk in andern deutschen
Gauen. Nicht umsonst hat der Chronist all die Unbill und Beschwerden so
sorgfältig aufgezeichnet. Besonders das Jahr 1258 scheint unheilvoll
gewesen zu sein. Wir lesen darüber: „Dieses Jahr war den Bewohnern sehr
widrig. Es fiel der Winter ein vor der Weinlese, man brachte gefrorene
Trauben unter die Kelter; daher entstand eine Teuerung, die nebst der
alles durchdringenden Kälte den Bewohnern des Wilhelmer Tales und
Waldes äußerst hart fiel. Nebst dem waren diese Jahre stürmisch,
allenthalben Krieg, Aufruhr, Verschwörung, Teuerung, Mißwuchs,
Hungersnot, Räubereien, Feuersbrünste ist." Wirklich, eine wenig
erfreuliche Zusammenstellung. Wer wundert sich heute, da wir noch unter
den nämlichen klimatischer Verhältnissen leiden, daß die Mönche darnach
trachteten, ihre Wohnung in eine mildere Gegend zu verlegen? Sie
suchten und fanden eine neue Heimat in der aufblühende Stadt Freiburg,
die auch für die Heranbildung ihrer jungen Leute bessere Gelegenheit
fanden. Unterstützt wurden sie in diesem Vorhaben durch reiche Spenden
edler Wohltäter, unter denen besonders eine Adelheid von Attental
rühmend hervorgehoben wird. So kam es, daß die Klosterzelle „Maria
Cron" um 1262/63 wieder öde und leer stand, und das „unbewirtbare Tal
zu zweimal wegen seiner Ungeschlachtheit verlassen ward.
Dieser
Zustand dauerte jedoch nicht lange. Schon nach drei Jahren trieb es
einen der Brüder, die vordem „im Walde" gewesen, wieder zurück in die
beschauliche Einsamkeit. Eıne heftige Begierde hatte ihn erfaßt, an die
verlassene Stätte zurückzukehren und seinen Mut von keiner noch so
großen Beschwerde schwächen zu lassen. Johann von Urberg war der
furchtlose Mann, und auch der Name des ihn begleitenden tapferen
Laienbruders (Burkhard) ist uns überliefert worden. Mit Erlaubnis ihrer
Vorgesetzten zogen die beiden mit noch einigen Brüdern, deren Namen uns
nicht erhalten geblieben, wieder in das Waldklösterlein hinauf. 1266
wurde St.Wilhelm so von neuem besetzt.(Es bestanden also nunmehr zwei
Wilhelmitenkloster, das zu Freiburg und jenes im Walde)
Trotz
Armut und Not harrten sie aus. Johann von Urberg lebte noch volle 40
Jahre, versah die Stelle eines Priors und wurde nach seinem Tode (1306)
auch auf dem kleinen Friedhof bei der Klosterkirche begraben. Gerade in
diese Zeit, da Johann von Urberg Prior war, fallen für unser Kloster
bedeutsame Ereignisse. Durch Schenkungen edler Männer, besonders der
Herren von Schnewlin, Munzingen und Falkenstein, wurde der größten Not
gesteuert, ja mit der Zeit ein Wohlstand erreicht. Das Kloster erwarb
Besitzungen in Kappel, Oberried, die Ritte (das heutige Hofsgrund) und
den Wald Erlibach (Erlenbach). Viele edle und fromme Jünglinge fühlten
sich aus Liebe zu Gott und der Abgeschiedenheit von allen irdischen
Sorgen hingezogen zu „Mariä Cron", der Einsiedelei im stillen Waldtal
hinter Oberried.
Auch
die politischen Verhältnisse im Reiche hatten sich wieder gebessert,
seit im Jahre 1273 Rudolf von Habsburg, Herr von Österreich und im
Breisgau, zum gewählt worden war. Rühmend gedenkt der Chronist dieses
vortrefflichen Mannes und seiner Tugenden. Rudolf verschaffte dem
Rechte wieder Geltung, stellte die innere und äußere Ordnung im
Deutschen Reiche wieder her und machte vor allem dem Raubritterunwesen
ein Ende. „Der Wahre Adel fügt keinem Menschen Unrecht zu, kein Mensch
ist adelig, welcher die Armen bedrückt und die Gerechtigkeit verletzt" war sein Ausspruch.
Unter
wechselnden Schicksalen bestand das Klösterlein im Wilhelmstale noch
über 200 Jahre. Urkunden aus dem 14. und 15. Jahrhundert erzählen von
Schenkungen und Käufen der Wilhelmiten aus der näheren und weiteren
Umgebung Oberrieds. Durch tatkräftige Männer geleitet und von mächtigen
Herren beschützt, übte es eine segensreiche Wirkung aus. Der beim
Kloster befindliche Meierhof wurde erweitert und so vergrößert, daß über
100 Stück Vieh darin untergebracht werden konnten. In dieser Zeit wurde
auch der sogenannte „hintere Meierhof" gebaut, und nach und nach
siedelten sich einige wenige Kolonisten an, die Wiesen, Weid und Wald
vom Kloster käuflich erwarben. Es waren also freie Bauern, die sich im
Bannkreise desselben niederließen. Der Wald wurde zurückgedrängt und große Flächen für den Anbau gewonnen.
Auch
nach außen hin genoß das Stift im Walde hohes Ansehen. Das Haus
Oesterreiche, d. h. die Habsburger (Seit 1368 war Freiburg und der
Breisgau österreichisch) nahmen es in persönlichen Schutz und gewährten
ihm vielerlei Hilfe und Unterstützung. Der Prior wurde sogar in die
Reihe der kaiserlichen Hofkapläne aufgenommen.(Mitte des 15.
Jahrhunderts)
Allein
es fehlte auch nicht an harten Schicksalsschlägen, die den Brüdern im
Walde mehr als einmal Hab und Gut zu vernichten drohten. Die
schlimmsten derselben waren die allenthalben in Deutschland wütende
Hungersnot vom Jahr 1345, die sich gerade hier, wo man fast
ausschließlich auf Zufuhr von Lebensmitteln angewiesen war und ist,
besonders empfindlich bemerkbar machte, und der dann noch verheerende
Seuchen folgten, ferner ein großer Brand, durch welchen Kirche, Kloster
und die andern Gebäude in Schutt und gelegt wurden. (Durch milde Gaben,
Schenkungen und Frohnden war es möglich, das Kloster bald wieder
aufzubauen)
Schon öfter
hatten sich mit dem Bruderhaus der Wilhelmiten in Freiburg
Zwistigkeiten ergeben. Man wollte den „Oberriedern", wie sie genannt
wurden, auch vorwerfen, daß ihr Ordensleben lässig geworden, daß sie zu
unrecht ein selbständiges und unabhängiges Priorat gegründet, daß
vielmehr beide Klöster nur einen gemeinschaftlichen Konvent und Prior
haben sollten. Wirklich kam aus diesen und ähnlichen Gründen im Jahre
1507 die Wiedervereinigung in dem Sinne zustande, daß das Priorat
St.Wilhelm aufgehoben und das Kloster Marienkrone mit all seinen Gütern
dem Freiburger Hause einverleibt wurde. Damit war der Untergang des
einst so berühmten Stiftes besiegelt. Nur wenige Brüder waren
zurückgeblieben, hauptsächlich der Seelsorge und des Gottesdienstes
wegen. Sie versuchten zwar das Kloster zu
halten, aber das Schicksal war ihnen nicht hold. Eine Feuersbrunst
vernichtete 1523 wiederum große Teile des Klosters, auch waren die
wertvollsten Habseligkeiten nach Freiburg gewandert. Im Dreißigjährigen
Krieg ging auch noch das Wenige, was sich in St.Wilhelm befand, restlos
verloren. Dieser Krieg, der den deutschen Gauen so namenloses Elend
brachte, bereitete auch den beiden Wilhelmitenklöstern ein unrühmliches
Ende. Vor den raubenden, plündernden und mordenden Söldnerscharen
flohen die Brüder in alle Winde, Kloster und Kirche dem Verfalle
überlassend.
Die Freiburger Wilhelmiten flüchteten anfänglich mit ihren Wertsachen
und ihrem Archive nach St.Wilhelm und verbargen sich in dem Turm der
alten Burg. Aber den Schweden wurde die Sache
verraten, sie eilten hinauf plünderten Turm, Kloster und Meierhof und
schleppten fort, was ihnen des Mitnehmen Wert schien. Darauf zündeten
sie alles an, so daß - leider unter anderem auch all die wertvollen
alten Urkunden ein Raub der Flammen wurden. Aber während in den Jahren
1645 - 1651 das Freiburger Haus wieder hergestellt wurde, blieb jenes
im Walde eine Ruine. Nur die Kirche stand noch und wurde, wenn auch
schon baufällig, einige Male des Jahres zum Gottesdienst benutzt.
Noch
einmal, im Jahre 1682, erlebte das halbzerfallenemund fast ganz
vergessene Mauerwerk des früheren Wald-Klosters und mit ihm das sonst
so stille Feldbergtal aufregende Tage. Die Raubkriege des ehrgeizigen
Franzosenkönigs Ludwıg XIV. führten seine Heere auch in den Breisgau;
Freiburg wurde französisch, und den Wilhelmiten mutete man zu, samt
ihren Besitzungen zu Kappel, Oberried und Hofsgrund zur französischen
Krone zu schwören. (Hauptsächlich auch aus strategischen Gründen; denn
im Besitze
dieser Ortschaften war es den Franzosen möglich, ihre Truppen bis auf
die Höhen des Schwarzwaldes vorzuschieben und die Stellungen der
Österreicher zu bedrohen) Sie wiesen jedoch dies Ansinnen weit von sich
und blieben dem angestammten österreichischen Kaiserhause treu. Das zog
ihnen aber die Rache der feindlichen Bedrücker zu. Mit harten Steuern
belastet, mit Austreibung bedroht, der Wohnung und fast aller
Lebensnotwendigkeiten beraubt beschloß der damalige Prior Hefelin, die
ungastliche Stätte zu verlassen. Wohl versprach ihm der Kaiser „Schutz
und Schirm, Verspruch und Geleit", allein wo sollten sie in diesen
unsicheren Tagen ein Unterkommen finden? Mutlos fast und traurigen
Gemütes verließen sie Freiburg, und unwillkürlich lenkten sich ihre
Schritte der längst verlassenen früheren Heimat St.Wilhelm zu. Sie
hofften auch, in dieser Waldwildnis vor etwaigen Nachstellungen ihrer
Bedrücker (Sowohl die Franzosen, als auch die Stadt Freiburg waren den
Wilhelmiten ob ihres Wegzuges feind) sicher zu sein. Allein das war
falsch gehofft. Kaum hatten sie sich in dem baufälligen Mauerwerk
notdürftig eingerichtet und die gröbsten Schäden ausgebessert, als die
Franzosen, durch nichtswürdige Verräter geführt (!) (Freiburger) die
Mönche in ihrem „Nest" auszuheben kamen. Erschreckt flohen die Brüder
bei dieser Nachricht in die Berge, in abgelegenen Bauerngehöften
Unterschlupf suchend, um wenigstens das nackte Leben zu retten. Als die
Franzosen kamen, fanden sie das Nest zwar leer, aber um so schlimmer
hausten sie in der Wohnung und den umliegenden Höfen. Wieder schlug die
feurige Lohe aus den Klostermauern gen Himmel, dem Meierhofe daneben
ging es nicht besser. Die am Wege liegenden Gehöfte wurden
ausgeplündert; wo die Bewohner sich widersetzten, wurden sie
niedergeschlagen oder verschleppt. Ebenso hausten sie in Oberried. Die
Wilhelmiten-Ordensbrüder siedelten sich dann endgültig zu Oberried im
Dorfe an. (Das Oberrieder Kloster ist 1684-87 erbaut.)
Armselig
und verlassen stand nun das sonst so stolze Kirchlein auf dem Hügel.
Einige Male des Jahres kam ein Pater von Oberried, die hl. Messe zu
lesen und den Bewohnern des Feldberger Zinkens die Sakramente zu
spenden. Dieser Zustand dauerte über 100 Jahre. Noch im Jahre 1807, als
ein Unterförster das Klosteranwesen zu St.Wilhelm kaufen wollte, um
daselbst ein Forsthaus zu bauen, wurde es ihm verwehrt mit dem Hinweis:
„daß das in
Frage stehende Wilhelmiten-Kirchlein für die dem Tale zerstreut
liegenden und von der Pfarrkirche zu Oberried zwei Stunden weit
entfernten Unterthanen unumgänglich nötig ist, weil eines Theils kranke
und alte Leute, deren Kräfte die Benutzung der Pfarrkirche nicht mehr
erlauben, zu gewissen Zeiten des Jahres in demselben ihre Beicht
verrichten, das Abendmahl empfangen und der Messe beiwohnen, andern
Theils aber auch durch das auf dieser Kapelle sich befindende Glöckchen
zur Morgen-, Mittag- und Abendandacht gelitten und bei Todtfällen das Zeichen hierwegen gegeben wird." (Nach den Akten aus dem Badischen Landesarchiv)
Leider
ist auch diese schöne Sitte, wie so viele aus alten Tagen, mit dem
Kirchlein untergegangen im Hasten und Jagen unseres aufgeklärten
Zeitalters.
Mit
zunehmendem Verfall wurde auch dieser zeitweilige Gottesdienst
eingestellt. Die Bauern holten von den einstürzenden Mauern, was sie
für Bauzwecke verwenden konnten. So verschwand der einst von edlen und
frommen Menschen bewohnte Bau völlig vom Erdboden, auch uns an die
eigene Vergänglichkeit und Hinfälligkeit mahnend.
Doch
wenn auch das Kloster und seine Mönche verschwunden sind, leben sie
doch weiter in Sagen und Geschichten der Talbewohner. Es wurde und wird
mit Hartnäckigkeit unter den Leuten des Tales der Glaube bewahrt, daß
ein unterirdischer Gang durch den „Kirchenbühl" (So heißt der Hügel,
auf dem das Kloster stand, im Volksmunde) gehe, der irgendwo in der
Nähe des Baches ins Freie führe. Darin hätten sich die Mönche in Zeiten
der Gefahr mit ihren Kostbarkeiten und Kirchenschätzen verborgen.
Als
der Meierhof - den älteren Leuten als „'s alt Hus" noch gut in
Erinnerung - baufällig geworden, wurde an der Stelle des früheren
Klosters ein neuer stattlicher Steinbau errichtet und später auf den
Grundmauern der ehemaligen Klosterkirche ein Ökonomiegebäude dazu.
Dadurch verschwand auch die Kapelle, die lange Jahrzehnte den
Kirchenbühl schmückte und die Stelle des ehemaligen Wilhelmitenklosters
bezeichnete. Die Suche nach Überresten von
den klösterlichen Gebäuden hatte wenig Erfolg. Nur drei kreisrunde aus
Sandstein gehauene Kellerfenster am vorderen Meierhof sind bestimmt als
solche anzusprechen. Es sind die letzten stummen Zeugen vergangener
Herrlichkeit.
IV.
DIE WILDE SCHNEEBURG
Der
Wanderer, der auf der Straße von Oberried der Paßhöhe des Notschrei und
dem gewerbereichen Wiesentale zustrebt, erblickt etwa eine halbe Stunde
hinter erstgenanntem Ort zur linken Hand über dem von Wald und grünen
Matten eingeschlossenen Schneeberghof eine jäh ansteigende, wild
zerklüftete Felsengruppe. Auf diesem nur von einer Seite zugänglichen
Schroffen erhob sich einst eine Burg, die „wildun Snevsburg" genannt.
Wir besitzen keinerlei Angaben darüber, wann und von wem diese Feste
erbaut worden ist. Der Name „Snevs-" oder „Schnewesburg" läßt darauf
schließen, daß das begüterte und angesehene Freiburger Rittergeschlecht
der Schnewelin der Erbauer war. Die Schnewelin besaßen u. a. schon um
die Mitte des 13. Jahrhundert ansehnliche Güter in der Gegend von
Oberried, das heutige St. Wilhelm und Hofsgrund. Es ist deshalb nicht
unwahrscheinlich, daß sie inmitten dieser Besitzungen eine Zwingburg
anlegten. Die Entstehungszeit fällt vermutlich in die Mitte oder zweite
Hälfte des 13. Jahrhunderts. Gegen Ende des Jahrhunderts finden wir den
„alten Kolman" und zu Anfang des 14. Jahrhunderts seine beiden Söhne
Wilhelm und Heinrich als Herren der Burg. Die „Kolmannen" waren ein den
Schnewlin nahe verwandtes GeschIecht. (In einer alten Freiburger
Privat-Urkunde vom 3. Februar 1291 wird unter verschiedenen
Mitgliedern der Familie Schnewlin auch ein „her Dolman" erwähnt, Wir
lesen auch (a. a. O.) von einem Johannes Colman (von Endingen) und
einem Cuonrat Colman zu Freiburg i.Br.) Jedoch scheint das edle
Brüderpaar sehr von der damaligen Seuche des Raubrittertums angesteckt
gewesen zu sein. In
junkerlichem Übermut verübten sie noch boshafte Streiche, um der
mächtigen Nachbarin, der Stadt Freiburg, zu zeigen, daß sie auf ihrem
Felsennest sich vor nichts und niemanden fürchten. Auch die
Wilhelmiten-Brüder hatten öfters Grund, sich über ihren Nachbar zu
beklagen. Wenn sie mit Lebensmitteln, Mehl, Wein oder eingezogenen
Lehenszinsen das Bruggatal aufwärtszogen, brachen die Strauchritter aus
dem Hinterhalt hervor, nahmen ihnen alles ab, jagten die armen Brüder
mit leeren Händen davon und machten sich hinterher gar noch lustig über
sie. Diese Plage wurde so schlimm, daß die frommen Brüder auf Umwegen
über den darnach benannten „Pfaffenweg (über die Ochsenläger) - nach
der Stadt gehen mußten. Mit der Bürgerschaft zu Freiburg lebten sie
jahrelang in Fehde. Als die tollen Streiche der Junker zu arg wurden,
setzte die Stadt kurzerhand einen derselben, dessen sie gerade habhaft
werden konnte, zu Freiburg in den Turm. Der andere setzte dafür einen
angesehenen Freiburger Bürger gefangen, der sich unvorsichtigerweise in
seinen Bann gewagt hatte, und es gelang ihm, seinen Bruder im
Tauschwege frei zu bekommen. So wurde das Verhältnis zwischen den
beiden Parteien, von denen keine ganz ohne Schuld war, immer
gespannter. Als aber die beiden Brüder Kolman wieder einmal zwei Bürger
der Stadt - „Walthers Son von Buochheim und Liebekinden den Juden" -
gefangen auf ihre Felsenburg schleppten, beschloss man im Rate der
Stadt den vielfachen Reibereien und Räubereien ein gründliches Ende zu
bereiten. Ein Versuch den Streit güqtlich bezulegen, schlug fehl. Da
Schloß die Stadt mit mehreren Rittern einen Bund gegen die „Brüder
Kolmanen“ (Urkunde vom 24. September 1314) Und einige Tage zog ein
riesiger Haufe im Morgennebel hinauf durch das Tal der wilden Brugga,
kletterte zwischen Geröll und Gestrüpp zum Gefällstein empor und schloß
die Burg ein. So vielfacher Übermacht gegenüber war Widerstand
aussichtslos, und als durch die mit Schleudern in die Burg geworfenen
Steine ein Mann der Besatzung getötet worden, übergaben sich die
übrigen. Die Eroberer schleppten fort, was sie auf dem Felsennest
fanden, statteten auch dem ganz in der Nähe liegenden Bauhof, der
„Gefällmatten" einen Besuch ab wo sie ebenfalls nicht allzu sanft
auftraten. (In St.Wilhelm und Oberried erzählt man, die Burg sei durch
Verrat einer Magd in Feindeshand gelangt; nach anderer Darstellung soll
der Ritter durch einen Kanonenschuß von der gegenüberliegenden Bergwand
aus getötet worden sein. Beide Darstellungen gehören in das Reich der
Fabel. Gegen erstere sprechen die Urkunden, die zweite ist überhaupt
unmöglich, da damals das Pulver bei uns noch nicht bekannt war) Einige
Tage später zogen die Freiburger wieder zur Schneeburg hinauf, aber
diesmal mit Brecheisen und anderen Zerstörungswerkzeugen. Sie machten
die Burg dem Erdboden gleich. Kein Stein blieb auf dem andern. Auch das
in der Stadt gelegene Haus der Kolmannen wurde zerstört. In Freiburg
wurde dann ein hochnotpeinliches Gericht abgehalten, das Schuld und
Sühne in diesem Streite feststellen sollte. Aber siehe da! Es stellte
sich heraus, daß die Gebrüder Kolman bei ihren häufigen Fehden mit der
Stadt gar nicht so sehr im Unrecht gewesen, daß vielmehr die
Hauptschuld an dem „hochgebietenden, wohlweisen" Rat der Stadt gelegen
hatte. Die Burg war zwar völlig zerstört und blieb es auch, allein der
sonst angerichtete Schaden wurde den Kolmannen vergütet. Die Eroberer
hatten nämlich Mehl, Wein und Harnische erbeutet, auch zwei Kühe und
einen „mul" (Maulesel) mitgenommen. Selbst für den getöteten Knecht
mußten sie einen Ersatzmann stellen. Der Streit zog sich dann noch mehrere Jahrzehnte hin, bis endlich die Stadt Freiburg dem Wilhelm Colman (Sein Bruder Heinrich war inzwischen gestorben) die zur Burg gehörenden Güter abkaufte. Der Austrag fand am 15. Dezember 1355 statt. Es heißt da urkundlich: „Wilhelm Colman, ein ritter, burger zuo Keisersberg, tun kunt, allen . . . in der mißehelli, so was zwischen den weisen und bescheiden lüten, dem burgermeister, dem
rate und den burgern zu Friburg im Brisgöw einsite, von der burg wegen,
die da hieße die wildun Snewesburg und der güter so dar zu gehörent,
und min und des vorgenanten meines bruoders seligen waren . . . da vergihe ich offenlich an disen gegenwertigen briefe, das ich darumb umb all dinge mit inen lieplich und guotlich verrihtet und versünet bin . . .
Die
Stadt ließ den zur Burg gehörenden Bann neu aussteinen und verkaufte
den Gefällmattehof sowie den Schneeberghof an ortsansässige Bauern.
(Mir vorliegende alte Kaufbriefe aus den Jahren 1613, 1667, 1703 und
1739 beginnen deshalb alle: „Im Namen und an Statt der gestrengen
Edlen, Vesten, Ehrenvesten, Hochundwohlgelehrten, Fürsichtigen, Erßamen
und weyßen Herren Burgermeister und Rat der Löblichen Statt Freyburg im
Preißgouw . . . 1613 verkaufte Christian Kremsch „in dem wilden
Schneeberg" die Gefällmatte mit „Hauß, Hoff, Ackher und Matten, wuen
und weidt" an seinen Tochtermann Mathis Albrecht um 400 Gulden. Im
Besitze dieser Familie blieb die Gefällmatte etwa 150 Jahre. Zur Zeit
der Lostrennung St.Wilhelms von Oberrıed (1824) war sie in Händen des
Joseph Wehrle. Kein Gut unserer Gemeinde ist so oft verkauft worden,
wie die Gefällmatte. Vor nicht allzu langer Zeıt ging sie nun in den
Besitz des Domänenärars über) So kommt es, daß man heute noch im
Schneeberger Bezirk große, behauene Grenzsteine findet mit dem Wappen
der Stadt Freiburg.
Von dem Räuberschloß selbst sind nur ganz spärliche Trümmer erhalten geblieben. Einige Felsstücke, an denen
Mörtel festgebacken ist, ein paar behauene Steine mit eisernen Bändern
findet man gelegentlich zwischen trotzigen Felszacken, überwuchert von
Farnkräutern und niederem Gestrüpp und mit grünem Moos und Flechten
überzogen. Auch hier ein Bild von der Vergänglichkeit allen
Menschenwerkes. An die wilde Schneeburg erinnert noch der Name des am
Fuße des Felsens liegenden Schneeberghofes. Dieser, früher im Besitze
einer Familie Riesterer, gelangte dann an einen reichen Freiburger
Bürger namens Weiß, der denselben zu einem prachtvollen Sommersitz
ausbaute. Nach dessen Tode kaufte das Domänenärar das Besitztum.
Wohl
ist die „wilde Schneeburg" untergegangen, doch ihre einstigen Bewohner
müssen - wie die Sage erzählt - noch nach dem Tode „geistweis umgehen"
für ihre zu Lebzeiten verübten Freveltaten. Auch haben junge Leute, die
unter Lebensgefahr am „Räuberschloßfelsen" oder am „Zuckerhut"
herumkletterten, schon öfters zwischen den Felsspalten Truhen und
Kisten voll glänzender Golddukaten in der Sonne schimmern gesehen.
Hatten sie sich aber dann mühsam bis zu dem schimmernden Golde
hingezwängt, so war die lockende Beute verschwunden, und nur nackte
Felsen starrten ihnen entgegen. Ein Sonntagskind vielleicht könnte die
verborgenen Schätze heben und den ruhelosen Geist erlösen.
V.
DER SILBERBERGBAU
Die Geschichte
unseres Tales wäre zum mindesten unvollständıg, wollte man den einst
blühenden Bergbau unerwähnt lassen. Es ist bekannt, daß im ganzen
Schwarzwald seit dem frühen Mittelalter Silber- und Bleigruben
bestanden. (Daneben wurden auch vereinzelt Zink, Kupfer, Nickel u. a.
gefunden, doch waren diese Vorkommen von untergeordneter Bedeutung) Ob
der Bergbau jedoch auf die Römer zurückzuführen ist, ist mehr als
unwahrscheinlich. Jedenfalls stammen die ältesten Zeugnisse darüber aus
dem 11. Jahrhundert. Ergiebige Erzgänge fanden sich im Münstertal und
bei Todtnau im hinteren Wiesental. Aus dem Jahre 1276 meldet eine alte
Chronik, daß der Bergbau zu Todtnau „eine schwere Menge Erz abwarf".
Solche Nachrichten verbreiteten sich natürlich rasch, und eine endlose
Zahl geldhungriger Schatzgräber strömte darauf in das Feldberger
Erzgebiet. Man muß hierbei unwillkürlich an die Aufsehen erregenden
Meldungen unserer Tage von den amerikanischen Gold- und den
afrikanischen Diamantfeldern denken. Die Menschheit war, ist und bleibt
in dieser Hinsicht immer die nämliche, wie ehemals gilt auch heute noch
Goethes Wort „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles. Ach, wir
Armen." Überall begann man nun zu schürfen und zu graben. Auch in
St.Wilhelm blieben diese Versuche nicht aus. Die wichtigsten Erze, die
man - hier und anderwärts im Schwarzwalde - abbaute, waren geschwefelte
silber- und bleihaltige Mineralien. An mehreren Stellen unseres Tales
wurde soviel Erz gefunden, daß ein regelrechte Bergbau sich zu lohnen
versprach. Alsbald ging man daran, Stollen in den Berg zu treiben. Dies
geschah, soweit wir es heute noch feststellen können, im Kammendobel an
der Feldberghalde, (Maria-Theresia-Stollen) auf der Katzensteig
(St.Benediktstollen) und am Silbereckle (Bonifazius-Stollen) unter dem
Erlenbach. Gerade der Name des letzteren erinnert uns an die dort im
Betriebe gewesenen Silbergruben.(Auch im Tiefenbach befand sich ein
Bergwerk, doch liegt dies schon auf Oberrieder Gemarkung. Ein anderer
Stollen, der aber sehr bald wieder aufgegeben wurde, befand sich im
Holderschlag)
Durch
die Bergknappen erfuhr die Bevölkerung unseres Tales reichen Zuwachs.
Als die Nonnen von Günterstal auf Befürwortung der Grafen von Thengen
ihre schöne Heimat mit dem rauhen, unwirtlichen Felsentale
vertauschten, schenkten ihnen diese Gönner einen Meierhof mit Wald und
Feld daselbst. Dieser Hof ist also die erste in der Geschichte erwähnte
Siedlung unseres Tales (1236). Als nun gegen Ende des 13. Jahrhunderts
der Zustrom von Bergleuten einsetzte, wuchs die Zahl der Bewohner sehr
rasch. Die Knappen bauten sich in der Nähe ihrer Gruben kleine
Häuschen, deren Reste meist heute noch zu finden sind. So führt uns z.
B. ein
Spaziergang an der Sommerhalde des St.Wilhelmer Tales in halber Höhe
der Bergwand zu einigen deutlich erkennbaren Grundmauerresten. Mitten
im Walde, der nun auch längst wieder Besitz ergriffen hat von dieser
Stelle, standen hier die Häuser der Knappen, die einst am Silbereckle
droben ihrem gefahrvollen Berufe nachgingen. Der Platz heißt auch heute
noch „auf der Grube". Ahnungsvoll stehen wir vor dem zerfallenden
Gemäuer, aus und zwischen welchem mächtige Tannen himmelwärts streben.
Wie das Silber in den Bergen, so sind auch die Menschen und ihre
Wohnungen verschwunden aus unserem Tale.
Doch
kehren wir zur Geschichte zurück. Neben dem Kloster und seinen
Meierhöfen war also der Silberbergbau eine starke wirtschaftliche Macht
geworden. Die Bergleute vertrugen sich jedoch nicht sonderlich mit
ihren klösterlichen Nachbarn. Einesteils erkannten die Knappen das
Kloster, trotzdem es Grundherr war, nicht als ihren Gerichtsstand,
sondern unterstellten sich dem eigens für sie geschaffenen Bergrecht
(Im frühen Mittelalter hatte der Grundherr auch die Gerichtsbarkeit);
andernteils hatte das Kloster häufig Grund zur.Klage, daß die Bergleute
den Wald verwüsteten. Das hier gewonnene Erz wurde nicht an Ort und
Stelle ausgeschmolzen. Vermutlich wanderte es in die Freiburger Münze.
Doch wäre es in jenen immerhin unsicheren Zeiten gewagt gewesen, viel
Silbererz bei den Gruben aufzuhäufen. Man baute
deshalb an unzugänglichen Stellen feste Burgen und Türme, wie eine
solche auch in St.Wilhelm stand. Hier wurde das Erz gesammelt und dann
erst in größeren Mengen zur Schmelzstätte geführt (nach Hofrat Dr. Fr.
Pfaff).
Da
Silber sozusagen das einzige Edelmetall jener Tage war - Gold wurde nur
selten und nirgends in abbauwürdiger Menge gefunden - und auch das Blei
im Haushalt viel mehr Verwendung fand als heute, standen diese beiden
Metalle hoch im Preise. Nur daraus ist es zu erklären, daß die
schwachen Erzgänge verfolgt und ausgebeutet wurden. Eine große
Bedeutung jedoch hat der Bergbau bei uns nicht erreicht; meist kam kaum
das darauf verwendete Geld wieder heraus. Als bei tieferem Eindringen
in den Berg die Schwierigkeiten sich mehrten, als zudem nach der
Entdeckung Amerikas Edelmetalle (Gold und Silber) in ungeahnten Mengen
zu uns herüberkamen, war über unsere Gruben das Todesurteil gesprochen.
Wo sich vereinzelt noch Bergwerke erhalten hatten, bereitete ihnen der
alles vernichtende Dreißigjährige Krieg ein rasches Ende. Die Knappen
verließen die
Gruben und gingen unter die Soldaten; es dünkte ihnen leichter, durch
Raub und Plünderungen Gold und Silber zu erwerben, denn durch gefahr-
und mühevolle Arbeit. Die beutegierige Räuberbanden, die aus der
verkommenen Soldateska hervorging, warfen sich natürlich auch auf die
Bergwerke und Schmelzöfen, wo oft genug Silber und Blei in Mengen
verborgen lag. Ein Bericht aus jenen grauenvollen Tagen besagt, daß die
Franzosen und Schweden wie Wilde im Breisgau und seinen entlegensten
Tälern hausten.
So
lag der Bergbau bei uns dann lange Jahrzehnte darnieder. Erst zu Beginn
des 18. Jahrhunderts begann man auch im St.Wilhelmstale, die
halbverschütteten Gruben wieder in Betrieb zu setzen. Zwar blieb jene
am Silbereckle gänzlich liegen, da kein Silber mehr zu finden war;
dagegen wurde im Kamendobel und auf der Katzensteig wieder eifrig
geschürft. Mit Eisen und Schlegel, aber auch mit der Wünschelrute in
der Hand war der Bergmann damals keine unbekannte Gestalt. Nahezu
hundert Jahre wurde mit bald mehr, bald weniger Erfolg an den
obengenannten Stollen gearbeitet. Aber die Leute büßten Tausende ein an
den „alt-verlegenen Gruben", der Ertrag ging immer mehr zurück. Mit
Aufhebung der Klöster und Übergang des Bodens an den badischen Staat
(1806) wurde der Bergbau gänzlich eingestellt
und das Freiburger Bergamt aufgehoben. Die meisten Knappen wanderten
nach Gegenden aus, wo der Bergbau noch blühte (Böhmen, Sachsen); einige
aber blieben hier und wurden Landwirte und Taglöhner. Daraus erklärt
sich auch, daß St.Wilhelm vor etwa 150 Jahren bedeutend mehr Einwohner
zählte als heute.
Die
verlassenen Gruben sind alle noch zu erkennen, und es gewährt einen
eigenen Reiz, diesen Denkmälern vergangener Zeit nachzuspüren. Sehr
deutlich sichtbar ist noch der St.Benedikt-Stollen auf der Katzensteig,
westlich des Mooshofes, zwischen den Felsen am sogenannten „tiefen
Moos". Vor einigen Jahrzehnten noch konnte man den Stollen ein Stück
weit in den Berg hinein verfolgen. Den Hirtenbuben war er ein bekannter
und beliebter Unterschlupf; doch hat auch hier der Zahn der Zeit seine
Wirkung getan. Der Eingang ist jetzt (1916) fast gänzlich verschüttet.
Da
man früher nur mit beschränkten Hilfsmitteln die obersten Gänge
ausbeutete, ist es nicht ausgeschlossen, daß bei genügend
kapitalkräftiger Unterstützung und mit modernen Maschinen der Bergbau
bei uns - wie auch anderwärts im Schwarzwald - wieder auflebt und dem
trotzigen Felsen seine Schätze abgerungen werden.
VI.
DIE TRENNUNG VON OBERRIED
In den
alten Urkunden wird unser Tal häufig mit dem Namen „Oberried"
bezeichnet, da es ja nur ein Teil jener Gemeinde war. Auch die
Wilhelmiten, die von hier aus nach Freiburg zogen, hießen dort
allgemein „die Oberrieder". (z. B. in den Erblehenbriefen über die
Wittenbacher Weide ausjdem Anfang des 17. Jahrhunderts) Trotz der
jahrhundertelangen Verbindung mit dieser Gemeinde nahm St. Wilhelm
immer eine besondere Stellung ein. Wir müssen hier zunächst einen
kleinen geschichtlichen Rückblick einfügen.
Ursprünglich
gab es Gemeinden (oder wie sie ehedem hießen: Vogteien) im heutigen
Sinne nicht. Die ersten Niederlassungen, Meierhöfe und dergleichen,
unterstanden einem adeligen Herrn oder gehörten einem Kloster. Dieser
„Grundherr" übte auch die Gerichtsbarkeit aus. So haben wir ja (in
Kapitel II) gehört, daß ursprünglich St.Gallen im Besitz der Gegend um
Oberried war. Andere Grundherren in unserer Gegend waren die Ritter
Schnewelin, von Munzingen und Falkensteig. Im frühen Mittelalter schon
kam dann die Bildung abgegrenzter Gemeinden zustande. Da St.Wilhelm
aber ausschließlich dem Kloster gehörte, bildete es eine eigene
Gemarkung und erkannte das Gotteshaus als Herrn und Richter an. Solange
das Kloster bestand, bildete dieses also nicht nur den religiösen,
sondern auch wirtschaftlichen und hauptsächlich politischen
Mittelpunkt. Durch Einkauf wurde die Mehrzahl der Güter, mit Ausnahme
der dem Kloster gehörigen Meierhöfe, (Diese waren dem Kloster
zehntpflichtig. Ein Beispiel: Anno 1701 wurde einem Andreas Thoma, von
Oberried gebürtig, der vordere Hof zu St.Wilhelm, den er schon einige
Zeit lehensweise besaß, auf weitere 3 Jahre verliehen gegen folgende
jährliche Zinsen: 100 Gulden baren Geldes, 100 Pfund Ankhen, 50 weiße
und 50 Gaißkäslein, Pflicht der Instandhaltung des Hofgebäudes, der
Aecker und Matten. Außerdem mußte er Feld- und Waldhut für das Kloster
besorgen und den Fischweiher instandhalten. Zu Ostern hatte er ein
„Gitzlein" und im Herbst einen Rehbock zu liefern. Im Tiefenbach mußte
er aus dem Klosterwald 15 Klafter Holz machen und an die Straße setzen.
Dem Klosterknecht hatte er jederzeit sein Roß zum Vorspann zu geben.
Baute er Frucht an, so erhielt das Kloster den Zehnten davon. Zusammen
mit dem Kappeler Meier hatte er die Viehhütten im Erlenbach und am
Feldberg zu unterhalten. Dazu kamen noch einige kleinere Auflagen!)
„Frey, ledig, eigen, nach herren recht". Mit Aufhebung der Kirchengüter
(1806) wurde auch hierin alles anders. Die Bürger zu St.Wilhelm wurden
dem Oberrieder Vogte unterstellt, mußten vor allem helfen, die Lasten
und Kontributionen Oberrieds zu tragen. (Die Kriegsjahre der
napoleonischen Zeit lasteten schwer auf dem Breisgau.) Letzteres fiel
den Bürgern von St.Wilhelm um so schwerer, als sie an den reichen
Einkünften Oberrieds aus dessen Gemeindewald keinerlei Anteil hatten.
Ebensowenig hatten sie bestimmenden Einfluß auf die Verrechnung und
Verteilung der Umlagen. Mißtrauen keimte auf und vergiftete das vordem
friedliche Verhältnis der Bürger untereinander. Um dem ewigen Hader und
Zwist ein Ende zu machen, sah man nur den einen Ausweg, sich von
Oberried unabhängig zu machen.
Im
Oktober 1817 erschienen aus diesem Grunde drei Bürger von St.Wilhelm
vor dem Großh. Landamt Freiburg und erklärten: „Ihre Gemeinde, welche
bisher zur Vogtei Oberried gehöre, wünsche von Oberried getrennt und
zumeiner eigenen Gemeinde erhoben zu werden." Als Gründe werden
angeführt:
1.
Sie haben mit den Oberriedern keine eigentliche Gemeinschaft als den
Kirchgang, der eine Gemeindeverbindung nicht notwendig mache; es seien
weder Kapitalien noch sonstige Gemeindevermögen vorhanden, woran man
ihnen Anteile zugestehe; sie haben also auch keinen Nutzen von dieser
Gemeindsverbindung.
2.
Auch in dem Wald seien sie voneinander geschieden, indem die Oberrieder
in der Abteilung mit der Herrschaft ihren eigenen Gemeindswald bekommen
haben, sie, die St.Wilhelmer, aber aus den herrschaftlichen Waldungen
daselbst beholziget werden.
3.
St.Wilhelm hat wie Oberried eine eigene Schule, und da höheren Auftrags
zufolge in St.Wilhelm nun ein eigenes Schulhaus gebaut werden müsse,
(vollendet 1820) trage es auch diese Lasten allein.
4. Die im Orte bestehenden vierundzwanzig Haushaltungen genügen zur Bildung einer eigenen Gemeinde.
5. Durch die Trennung solle der beständige Hader beider Gemeinden beseitigt werden.
Auf
Befragen erklärten Vertreter Oberrieds, daß sie gegen die Bildung einer
Vogtei St.Wilhelm nichts einzuwenden hätten, nur machten sie
verschiedene Vorbehalte der Hinsicht, daß St.Wilhelm zu gewissen Lasten
und Frohnden auch künftig beigezogen vollendet 1820. werden sollte.
Dieses
Gesuch blieb aus nicht zu ergründenden Ursachen unerledigt liegen. Im
Sommer 1821 trat St.Wilhelm deshalb wieder mit dem gleichen Antrag
hervor. Das Kreisdirektorium Freiburg wies ihn jedoch kurzerhand ab,
„damkein Grund zur Trennung vorhanden sei". Aber man ließ sich deshalb
noch lange nicht entmutigen. In einem neuerlichen Gesuche vom Januar
1822 wird ausführlich dargelegt, warum die Trennung gewünscht wird.
Sehr treffend heißt es darin, daß mit der Abweisung durch das
Kreisdirektoríum die Schwierigkeiten noch lange nicht behoben seien!
Bei so tatkräftigem Vorgehen konnte der Erfolg auch nicht ausbleiben.
Diesmal nahm die Regierung in Karlsruhe sich der Sache an.
Sie ließ eine genaue Untersuchung anstellen und sich Bericht erstatten.
In diesem Bericht wird hauptsächlich auf die große Entfernung, die
eigene Gemarkung und eigene Schule, ferner auf das getrennte
Gemeindevermögen hingewiesen. Auch der unseligen Gemeinderechnung, die
wohl diemgrößte Schuld am Bruderstreite trug, wird gebührend gedacht.
Unterdessen hatte man in Oberried eine behördlicherseits anberaumte
Versammlung abgehalten, in welcher sämtliche Bürger beider Gemeinden
ihre persönliche Meinung zu der Frage der Trennung beider Gemeinden
äußerten. Das Ergebnis war geradezu überwältigend. Von allen
abgegebenen Stimmen sprachen sich nur 4 (von Oberried) gegen, die
übrigen sämtlich für die Trennung aus. Besonders bemerkenswert ist, daß
St.Wilhelm, wie wohl niemals früher oder später, einig und geschlossen auf dem Plane erschien. Die so tapfer für ihre Selbständigkeit eintretenden Bürger St.Wihelms waren:
Joseph Schweizer, auf dem Steinwasen,
Joseph Zängerle, auf dem Wolfshof,
Michael Zängerle,
Christian Klingele,
Andreas Zängerle,
Martin Wolf,
Joseph Festel,
Melchior Weber,
Georg Gassenschmid,
Joseph Weber,
Wilhelm Weber,
Michael Wießler,
Andreas Klingele, Mooshof,
Andreas Staiert,
Andreas Festel,
Joseph Lorenz, Bauer,
Joseph Lorenz, Taglöhner,
Christian Lorenz,
Mathias Schweizer,
Blasius Klingele,
Jakob Wolf,
Joseph Schweizer.
Ein so einmütig
geäußerter Wille mußte auch zum Ziele führen. Unter Würdigung aller
oben angeführten Gründe entschied das Staatsministerium, „daß unter
Beibehaltung des Kirchspielverbandes die bürgerliche Einwohnerschaft zu
St.Wilhelm von der Vogtei Oberried getrennt und ihr gestattet werde,
sich zu einer Dorfgemeinde mit eigenem Gericht und eigener Gemarkung
nach den bestehenden Gesetzen zu konstituieren". (Beschlossen zu
Karlsruhe im Großh. Staatsministerium den 19. August 1824.)
In Ausführung dieses Erlasses begab sich das Landamt Freiburg am
28. OKTOBER 1824
nach Oberried, um die Konstituierung der
VOGTEI ST.WILHELM
festzusetzen.
Nach geeignetem Vortrag über Aufgaben und Wirkungskreis des Ortsgerichtes wurde im einzelnen bestimmt:
Die
Gemarkung blieb in der Hauptsache bestehen, wie sie aus den Zeiten des
Wilhelmiten-Klosters überkommen war. Allein hierzu wurde nun auch der
Schneeberg mit der Gefällmatte geschlagen, die vordem eine eigene, zu
Freiburg gehörige Gemarkung bildeten. (Siehe Kapitel IV. Ehemals
Eigentum der Colman auf der wilden Schneeburg.) Die Grenzen der
neugebildeten Gemarkungen waren und sind heute noch folgende:
gegen Osten am Zastler Bann auf der höchsten Höhe (Hochfahrn - Toter Mann - Feldberg) ;
gegen Mittag von der höchsten Höhe des Feldberges an der Todtnauer Grenze her (über Stübenwasen, Wittenbacher Höhe, Hirschkopf), bis an den Hofsgrunder Bann;
gegen Abend an die Hofsgrunder Grenze (Schwarzenbach, Roßboden, Steinwasen);
gegen Mitternacht an die Gemarkung Oberried.
Da
diese letztere Grenze noch nicht ausgesteint war, wurde sie genau
festgelegt und in den folgenden Jahren durch Grenzsteine genau
bezeichnet. Sie führt vom Steinwasen auf den sogenannten Sessel, von
dort hinab zur hohen Brücke, dem Bache entlang bis zum vorderen
Schneeberg, endlich über den Gefällstein hinauf auf den Hochfahrn.
2. Die
Gemeinderechnung wird künftig für jede Gemeinde gesondert geführt.
Oberried hat an St.Wilhelm weder etwas zu leisten noch zu fordern.
3. Straßen: Jede nun abgesonderte Vogtei unterhält in ihrer Gemarkung Straßen, Brücken und Wege auf eigene Kosten.
4. Bei der nun folgenden Wahl des Ortsgerichtes wurden als Amtspersonen durch Stimmenmehrheit gewählt:
a) als Vogt (Bürgermeister): Joseph Lorenz,
b) als Gemeindsverrechner: Mathias Schweizer,
c) als Gerichtsmann: Joseph Schweizer, Meier.
5. Zum Geríchtsschreiber (Ratschreiber) und zugleich Steuererheber wurde der Schullehrer Joseph Weber, Bühlbauer, vorgeschlagen und ernannt.
6.
Forstordnung. Die bisher in herrschaftlichen Waldungen Holzberechtigten
haben auch fernerhin ihren Holzbedarf daselbst anzusprechen. Außerdem
steht ihnen in den Waldungen und Blößen das Weidrecht zu.
Des
weiteren wurde bestimmt, daß die Schulkinder vom Schneeberg und der
Gefällmatte wie bisher nach Oberried zur Schule sollten, da der Weg
nach St.Wilhelm im Winter oft nicht gangbar sei.
Dadurch war nun
die neue Vogtei und Gemeinde gebildet, das lange ersehnte und tapfer
erfochten Ziel erreicht. Die Bürger sammelten sich um ihr neugewähltes
Oberhaupt, dessen Wahl nach Landessitte gebührend gefeiert wurde. Als
sie endlich beim Morgengrauen im feuchtkalten Herbstnebel heimwärts
schritten, da dämmerte in ihnen die Erkenntnis, daß der Tag ein
bedeutender gewesen in der Geschichte ihrer Heimat. Und als dann die
Morgensonne sieghaft über dem Feldberge erschien und die grauen Nebel
zerstreute, da ward ihnen zur Gewißheit, daß Freiheit und
Unabhängigkeit nun auch ihr Anteil waren.
VII.
DIE GEGENWART
Nicht
lange sollte die junge Vogtei sich eines sorglosen Friedens erfreuen.
Diesmal entstand der Brand im eigenen Hause. Schon bei Abschluß des
Protokolls über die Trennung von Oberried wird in punkto Forstrecht
darauf hingewiesen, daß Oberried eigene Gemeindswaldungen besitzt, die
St.Wilhelmer Bürger aber aus den dortigen Herrschaftswaldungen
beholziget werden. Dieses Beholzigungsrecht und das damit verbundene
Weidrecht hatte der Staat bei der Säkularisation anerkennen müssen. Es
erstreckte sich auf sämtliches Brenn-, Bau-, Licht-, Säg-, Hag- und
Schindelholz, soviel der einzelne für seine privaten Zwecke bedurfte.
Dieses Recht, das auch die Klosteruntertanen von Oberried, Kappel und
Hofsgrund in den dortigen Klosterwaldungen zu beanspruchen hatten,
stand aber in St.Wilhelm seit alters nur 18 Bürgern und dem Schullehrer
zu. Mit den übrigen Höfen verhielt es sich so: Der älteste Hof des
Tales, der Kloster-Meierhof, war später in zwei und zuletzt in vier
Teile geteilt worden.(Der vordere Hof blieb ungeteilt, befand sich in
den 30er Jahren im Besitz des Melchior Weber; der hintere Hof wurde in
drei Teile geteilt unter Joseph Schweizer, Jakob Wolf und Franz Wolf.)
Mit den Klosterwaldungen waren auch die Meierhöfe „herrschaftlich"
geworden, und der Staat verkaufte im Jänner 1808 die beiden Meierhöfe
zu St.Wilhelm an Freiherrn von Neveu mit der Bedingung: „Der Käufer
entsagt ausdrücklich und feierlich allen Ansprüchen auf die
herrschaftlichen Waldungen oder wie immer geartete unentgeltliche
Holzabgabe ...“ (Dieser Kaufbrief ist in mehrfacher Hinsicht von
Interesse. Es heißt darin u. a.: Die Großh. Rentkammer verkauft die
zwei vormals zum Priorat Oberried gehörigen Meierhöfe nebst Zugehörungen als
Weiher und Kirche, sodann 92 Jauchert 213 Ruthen Matten, und 634
Jauchert 36 Ruthen Viehweide. Unter dieser Viehweíde sind 279 Jauchert
auf dem Feldberg eingerechnet, woran der Kappeler Hofbeständer zur
Hälfte Anteil hat. Außerdem haben die Katzensteiger, Wíttenbacher (und
andere) an gewissen Weidbezirken ein Mitweidredıt. Ferner stehe dem
Meier zu St.Wilhelm am Erlenbach das Weidredıt zum dreizehnten Teile zu
nach dem Vertrage vom 14. Jänner 1737. Der Kaufschilling betrug 12 000
Gulden.)
Die
drei übrigen Höfe, die auch keine Holz- und Weidrechte besaßen, waren
der vordere und hintere Schneeberg sowie die Gefällmatte. Diese hatten
ja vor 1824 nicht zu St.Wilhelm an Freiherrn von Neveu mit der
Bedingung: aber zu der freiburgischen Talvogtei Kirchzarten. Sie
besaßen auch - laut Kaufurkunde - eigene Waldungen.
Da
dieses Holzrecht, mit dem auch das Weidrecbt für soviel Vieh, als sie
wintern konnten, verbunden war, natürlich den Waldnutzen erheblich
schmälerte und eine geordnete Forstwirtschaft unmöglich machte, war dem
Forstfiskus sehr viel daran gelegen, diese Berechtigungen abzulösen. Aus
diesem Grunde wurden mit Oberried (1815), Kappel und Hofsgrund Verträge
abgeschlossen, wodurch den dortigen Gemeinden entsprechende Waldgebiete
abgetreten wurden. Im Jahre 1831 ging der Forstfiskus (Großh. Direktion
der Forstdomänen und Bergwerke) nun daran, auch in St.Wilhelm das
Beholzigungsrecht abzulösen. Am 5. Oktober 1831 kam so ein
Ablösungsvertrag mit den berechtigten Bürgern dahin zustande, wonach
jedem derselben ein seinem Bedarfe angemessenes Stück Wald und eine
seinem Viehstande entsprechende Weídfläche zugeteilt werden sollte. Die
wichtigsten Bestimmungen lauten:
1. Die in
den herrschaftlichen Waldungen holz- und weidberechtigten Einwohner von
St. Wilhelm verzichten für ewige Zeiten auf dieses Recht.
2. Von der
Herrschaft wird ihnen dafür in der Nähe ihrer Wohnungen soviel Wald
abgetreten, als zur Deckung ihres Holzbedarfes nötig ist.
3.
Ebenfalls abgetreten werden soviel Weidflächen, als zur Erhaltung des
Viehstandes, der überwintert werden kann, notwendig ist.
4. Jagd und Fischerei auf dem abgetretenen Boden verbleibt der Herrschaft.
5.
Einschließlich den für die Schule zu liefernden 6 Klafter beträgt der
jährliche Bedarf an Sog-, Bau- und Brennholz 187 Klafter.
6. Der Viehstand der Berechtigten, der für die Ablösung von Weidflächen in Betracht kommt, beträgt 152 Stück.
Zum
Schlusse erklärten die 18 Bürger, daß sie nicht als Vertreter der
Gemeinde, sondern in Ausübung eines privaten Rechtes diesen Vertrag
abschließen.
Gerade
dieser Schlußsatz wirbelte in dem sonst so friedlichen Tale viel Staub
auf. Zunächst erhielt der Vertrag nicht die notwendige
obervormundschaftliche Genehmigung und wurde somit nicht rechtskräftig.
Ehe jene erteilt werden könne, müsse nachgewiesen werden, „ob die
Holzberechtigung ein Eigentum der Gemeinde oder Eigentum der Bauern
ist.() Ein vor Amt geladener Ausschuß der St.Wilhelme - Vogt,
Gerichtsmann und Lehrer - sprach sich dahin aus, daß die Berechtigung
nur 18 Bürgern zukomme. Von Seiter der Regierungsbehörde (des
Dreisam-Kreises) wurde aber dieses Privatrecht der Bauern nicht anerkannt, da hier dieselben Verhältnisse vorlägen wie bei Oberried. Eine Bestätigung obigen Vertrages könne nur erfolgen, wenn die Gemeinde St.Wilhelm als Kontrahentin erscheine und der abzutretende Wald Gemeindeeigentum würde. Damit war die Sache für diesmal erledigt; die Bauern bekamen ihr Holz wie früher aus den herrschaftlichen Waldungen angewiesen.
Im Frühjahr 1836 wurde in St.Wilhelm Gerichtstag abgehalten und bei dieser Gelegenheit kam auch die Waldabteilung wieder zur Sprache. Aber auch jetzt stießen die Meinungen wieder hart aufeinander. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln erstrebten die Verwaltungsbehörden die Bildung eines Gemeíndewaldes. Dem widersetzten sich jedoch die holzberechtigten Bürger zu St.Wilhelm mit folgenden Gründen:
Die weid- und holzberechtigten Bürger zu St.Wilhelm sind noch willens, daß die Ausgleichung mit der Herrschaft nach dem früher (1831) geschlossenen Vertrag vor sich gehe, jedoch nur in dem Fall, wenn die ihnen zufallende Waldung und Weid als Privateigentum behandelt und angesehen werde. Denn die Berechtigung beruht ausdrücklich nur auf 18 Bürgern, welche nicht allein in Bauern, sondern auch aus Taglöhnern und kleinen Gutsbesitzern bestehen. Die beiden herrschaftlichen Meierhöfe wurden mit dem ausdrücklichen Geding verkauft, daß die Käufer kein Beholzigungsrecht hätten, die Weide wurde ihnen besonders angewiesen. Außerdem wurden sie der Drittelspflicht (Alte Abgabe, siehe Seite 39.) enthoben, während die übrigen Güter drittelspflichtig blieben. Ferner wurde 1824 bei Bildung der Gemeinde der Schneeberg und die Gefällmatte zugeteilt, die wie die Meier unberücksichtigt bleiben. Da die 18 Bürger nur Holz bzw. Wald und Weide für ihre eigene Notdurft zugeetilt bekommen, können sie nicht zugeben, daß ihr Anteil als Gemeindegut behandelt werde. Unterstützt wurden diese holzberechtigten Bürger St.Wilhelms durch den Forstfiskus, der einerseits auf diese Art natürlich viel wohlfeiler davonkam, als wenn er sämtlichen Bürgern ein Holzrecht zugestand, andernteils aber auch an Hand alter Urkunden nachweisen konnte, daß die Berechtigung für Weide und Holz tatsächlich privater Natur war.
„Wenngleich die Einwohner St.Wilhelms vor 1824 zu Oberried gehörten - wie Vörlinsbach, Geroldstal, Kappel und Hofsgrund auch - so bestanden hier doch wesentlich andere Verhältnisse. Oberrieds Holzanspruch gründet sich auf den Dingrodel (Schriftstücke, in welchen die Rechte einer Gemeinde zusammengestellt sind) von 1510. Die meisten Niederlassungen im St.Wilhelmstale entstanden aber erst im Laufe des 17. Jahrhunderts (1702 waren es deren elf), so daß für sie die neue blasianische Waldordnung von 1727 bzw. die Verordnung über die Verteilung der Viehweide von anno 1711 gilt. Bei Niederlassung neuer Ansiedler oder Verkauf von Grundstücken wurden solche Rechte dem Einzelnen bewilligt. Da das Holzrecht dieser Bürger aus einer Zeit stammt, da eine Gemeinde St.Wilhelm noch gar nicht existierte, ist es ein Unding, daraus ein Gemeinderecht machen zu wollen." So der Forstfiskus.
Ohne sich in weitere umständliche Verhandlungen und Schreibereien einzulassen, schloß im Mai 1838 der Forstfiskus mit den 18 Bauern ab, auf Grund des schon 7 Jahre früher entworfenen und nun im einzelnen genau ausgeführten Vertrages. Um die Sache aber noch verwickelter zu machen, traten nun die vom Holzbezug ausgeschlossenen Bürger klagend gegen die Berechtigten auf um auch ihrerseits Waldbesitz zu erlangen. Die Verwaltungsbehörde verlangte, daß der roter Strafandrohung vom Gemeinderat St. Wilhelm, im Grundbuch eingetragene Abtretungsvertrag als ungültig gelöscht werde. Dagegen lief eine Beschwerde an das Ministerium ein - so wurde endlos und durch alle Instanzen hin und wieder gestritten. Mehrere Jahre zog sich der Rechtsstreit hin, Akten häuften sich zu Stöíšen, es flossen Ströme von - Tinte, unendlich viel Scharfsinn wurde aufgewendet zur Klärung der Streitfrage - „hie Privatwald", „hie Gemeindswald" war das Feldgeschrei. Im Jahre 1845 endlich, als die Gerichte den 1838 zwischen dem Forstfiskus und den 18 Berechtigten abgeschlossenen Vertrag in letzter Instanz als zu Recht bestehend erkannt hatten, beruhigten sich die Gemüter, und die Gemeinde konnte sich friedlicher Arbeit widmen. Zur selben Zeit wurden auch die alten Abgaben, die noch aus den früheren Jahrhunderten auf den Gütern lasteten, abgekauft. Dazu gehörten insbesondere Bodenzins, Fastnachtshenne, Frohntage, der Drittel und der Zehnten. Darunter war der Drittel die härteste. So oft ein Hof in andere Hände überging, mußte früher ein Drittel des Wertes als Kaufsteuer an die Herrschaft abgeführt werden.
Still und verborgen schlief St.Wilhelm den Dornröschenschlaf, selten nur drang eine Kunde aus der fernen Welt ins einsame Bergtal. Jahrein, jahraus rauschte der Bach sein eintönig Lied, folgten sich die Jahreszeiten im ewig gleichen Kreise. Menschen kamen und verschwanden wie die Jahre, die aus unbekannten Tiefen auftauchen, um nach kurzem, erstaunten Aufblicken wieder ins große Meer der Vergangenheit hinabzusinken.
Erst das alles umwälzende neue Jahrhundert drang mit schrillem Ton auch in das abgelegene St.Wilhelmstal. Der große Krieg sah auch die Söhne unseres Waldtales an des Landes Marken, um zu Heim und Herd, Weib und Kind zu schützen. In treuer Pflichterfüllung standen sie und gaben ihr Blut dahin für eine bessere Zukunft. Die Namen derer, die aus dem mörderischen Völkerringen nicht mehr zu uns zurückkehrten, sind diese:
Wilhelm Geng
Johann Riesterer
Alfons Kreutz
Hermann Schneider
Adolf Lorenz
Adolf Schweizer
Friedrich Lorenz
Joseph Schweizer
Daß ihr Leben nicht umsonst hingegeben, daß aus dem vergossenen Blute eine heilige Saat reife, das sei - allem über unser armes Vaterland hereingebrochenen Elend zum Trotz - die hohe Aufgabe des heranwachsenden Geschlechtes, der Treuschwur der deutschen Jugend. Wir wollen nicht verzagen, stets fest und treu zusammenstehen und aufrecht uns"res Weges gehn, dann wird's auch wieder tagen. Die jüngste Zeit hat auch unserm sonst so einsamen Bergtale den Charakter der Abgeschiedenheit genommen. Durch eine staatliche Kraftwagenlinie mit der Breisgauperle verbunden, durch Telefon und Telegraf an die weite Welt angeschlossen und durch elektrische Anlagen mit den Bequemlichkeiten der Gegenwart ausgestattet, hat es auch für eingefleischte Stadtmenschen seine Schrecken verloren. Es mutet uns heute sonderbar an, wenn wir aus dem Jahre 1830 von einem Beamten lesen (Akten der Oberforstkommission) „ . . . welchen das traurige Los getroffen, entfernt von der zivilisierten Menschheit in Sankt Wilhelm wohnen zu müssen . . . "
Auch der immer mehr wachsende Sinn für die Schönheit und Erhabenheit einer wilden, schroffen Gebirgsgegend führt unserem Tale manchen Besucher zu, der, so er mit offenen Augen wandert, diese Berge und Wälder und Felsen, diese grünen Matten und die rauschenden Bächlein nicht so leicht vergessen wird. Die Bewohner des Tales selbst, die in harter Frohn dem steinigen Boden einen kärglichen Ertrag abringen, sie halten mit der Zähigkeit des deutschen Bauern fest an der ererbten Scholle. Und will der Mut im schweren Daseinskampf einmal versinken, dann blicken sie auf zu den mächtigen Berghäuptern, die das Tal rings umsäumen und die seit Jahrtausenden allen Stürmen trotzen. Dann quillt neue Kraft und frischer Mut aus dem nie versiegenden Born der ewig Jungen
HEIMAT.