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Die Schicksale der ehemaligen Abtei St. Märgen im breisgauischen Schwarzwalde.
von Josef Bader.
Freiburger Diöcesan-Archiv Band 2, 1867, Seite 211-278

Zwischen dem Feldberge und dem Kandel, welche hinterhalb Freiburg die Ostgränze des schönen Breisgaues beherrschen, bildet die Schneeschleife des Gebirges einen Halbkreis, dessen hoher Bogen das Wassergebiet der oberen Treisam umschließt. Dieser muntere Bergbach entspringt an der Halde des Turners und holen Grabens, bewässert zunächst das Thal der Wagensteige (
Fälschlich wird die Rotach, welche das Höllenthal bewässert als Quellenbach der Treisam angenommen; denn diese fließt durch die Wagensteige (Steiga vallis) herab und hieß ehedem bis gegen Wiieseneck hin der Freudenbach. Vergl. über den wahren Ursprung der Treisaiii die Badenia (nene Folge) II, 236), nimmt sodann im Zartener Thale etliche anderen Bergwasser auf und vereinigt sich endlich bei Riegel mit der Glotter und Elzach.

Auf den Höhen aber, wo die Treisam und die Glotter entstehen, ligen die Orte S.Peter und S.Märgen in der geringen Entfernung einer starken Wegstunde von einander. Dieselben verdanken, wie schon die Namen errathen lassen, ehemaligen Klöstern ihren Ursprung, denn dort bestund ein Benedictiner- und hier ein Augustinerstift. Beide waren in den Zeiten der Zäringer gegründet und wurden durch die Säcularisation im Beginn unseres Jahrhunderts aufgelöst. Ihre verschiedenartigen Schicksale führen zu einer interessanten Vergleichung.

Wenn oft einzelne Menschen, schon in der Wiege vom Unglücke heimgesucht, zeitlebens unablässig verfolgt und nach jeder Aufraffung wieder nieder gedrückt werden, während anderen ein beinahe ungetrübtes Dasein gegönnt ist, so erscheint auch bei ganzen Geschlechtern und Körperschaften dieses ungleiche Geschick. Namentlich zeigt sich dasselbe in der Geschichte unserer ehemaligen Klöster.

Es gab darunter solche, deren mehrhundertjähriges Leben einem in geordnetem Bette ruhig anwachsenden und dahinziehenden Flusse gleicht. Ein derartiges Bild bietet uns die Abtei S.Peter dar, während das Nachbarstift derselben zu S.Märgen in seinen Geschicken einem Bergbache zu vergleichen ist, welcher in ungeregeltem Laufe trübe Wellen wirft, bald reißend dahinstürzt, bald gewaltsam gehemmt stille steht und bis zum Vertrocknen abnimmt.

Ich habe daher die Geschichte dieser beiden Abteien zum Gegenstande einer eingehenderen Darstellung gemacht und theile zunächst diejenige von S.Märgen in den folgenden Blättern mit. Um aber dem Leser einen Fingerzeig nach den Ursachen des so verschiedenartigen Geistes und Glückes der zwei Nachbarstifte zu geben, ist ein kurzer Riickblick in die ältere Geschichte Alemanniens nöthig.

Nachdem das römische Weltreich gestürzt war, walteten jenseits der Alpen die Ostgothen, während diesseits derselben die Franken und die Alemannen - zwei in ihrem Wesen sehr verschieden geartete Germanenstämme, um den Vorrang stritten. Die Schlacht von Zülpich (496) entschied für die ersteren durch den Muth der gallischen Christen. König Klodewig und seine Nachfolger bedienten sich nun fortan der christlichen Kirche und Geistlichkeit, um ihre Herrschaft zu erweitern und zu befestigen. Ueberall verschafften sie den fränkischen Heiligen (
Wie dem hl. Remigius, Hilarius, Nazarius u. s. w. Gegen diese mußte z. B. die schwäbisch-alemannische Patronin Verena ziemlich in den Hintergrund treten) eine überwiegende Geltung, überall gründeten oder förderten sie Stifte und Klöster im Interesse ihrer herrschsüchtigen Politik (So ließen sie, um nur eines Falles zu erwähnen, dem ächtalemannischen Kloster S.·Gallen gegenüber durch den hl. Pirmin in ihrem Geiste das Stift Reichenau gründen und einrichten); denn ein tiefgewurzelter Trieb ihrer Stammesnatur drängte sie unaufhörlich darnach, über Gallien und Germanien die oberste Gewalt zu erringen. Die von König Dieterich dem Ostgothen gezogene Gränzscheide zwischen Franken und Alemannien (Also eine Demarkations-Linie in Deutschland schon am Ende des 5ten Jahrhunderts! ) wurde bald überschritten und letzteres mußte sich endlich nothgedrungen der fränkischen Oberherrschaft fügen.

Das schwäbisch-alemannische Herzogtum im Südwesten Deutschlands, welches sich vom Lechflusse bis an die Vogesen, und vom großen Murharde zwischen Rems und Kocher bis zum S. Gotthard in den helvetischen Alpen ausbreitete, war aber selbst den karolingischen Königen noch zu mächtig und gefährlich; daher schafften sie nicht allein die herzogliche Würde daselbst ab und ließen das weitgedehnte Land durch königliche Kammerboten verwalten, sondern suchten auch, dasselbe und die Kraft seiner Stämme dadurch zu trennen und zn schwächen, daß sie vom Norden her die fränkischen Grafengeschlechter von Kalw, von Sulz und von Hohenberg, wie vom Süden her die rhätischen Häuser von Bregenz, von Buchhorn, Heiligenberg und Zollern, als mächtige Keile zwischen den alemannischen und schwäbischen Theil hineinschoben um deren engere Verbindung für die Zukunft zu verhindern (
Für die Zukunft wurde diese Trennung wirklich zur Grundlage der Theilung des Landes zwischen den Zäringern und Hohenstaufern ).

Die Besitzungen und Herrschaftsrechte der genannten Grafenhäuser erstreckten sich vom nördlichen Ende des Schwarzwaldes (bei Pforzheim) über die Höhen und Thäler dieses Gebirges bis hinauf an die Treisam (bei Freiburg), wie vom Bodensee (bei Bregenz) über den Argen- und Linzgau und durch die Baar bis an den Neckar (bei Tübingen). Dieselben durchschnitten also das altzäringische Gebiet seiner ganzen Länge nach, was ein schlagendes Licht auf die systematische Unterdrückung wirft, womit das fränkische Königshaus die Nachkömmlinge der alten Alemannen-Herzoge zu beseitigen strebte (
Immer deutlicher stellt sich’s heraus, daß die Ahnen der Zäringer jene alten schwäbisch-alemannisehen Volksherzoge waren, welche der gewaltthätigen Politik der Pipine zum Opfer fielen).

Die Zäringer sahen sich endlich genöthigt, aus ihrer ursprünglichen Heimat im Herzen von Schwaben (zu Teck und Lindburg) nach Alemannien überzusiedeln und im Breisgaue ihren Hof auszuschlagen. Dieses geschah unter Berchtold II, welcher sich das zerstörte Römercastell auf der Höhe hinter Zäringen (
Die rörnische Anlage dieses Platzes, wo man einen großen Theil des Breisgaues überblickt, ist nicht zu verkennen. ) zum Burgsitz einrichtete und sein Familienstift S.Peter zu Weil (unter Teck) in die Nachbarschaft des neuen Wohnortes verlegte (Prima fundatio monasterii s· Petri facta est Wilhelmii in Wirtenbergia anno 1030 à Bezelino, patre Bertholdi I ducis Zaringiae, à Bertholdo II duca autem et Gebhardo episcopo, frateribus, in Silvam nigram transfertur monasterium anno 1091 et eoclesia ibidem dedicatur anno 1093. P. Baumeisters Notizen, Handschr.), damit die zäringischen Fürsten daselbst fortan ihre Grabsiätte fänden. So entstand im Jahre 1091 die Benedictiner Abtei S.Peter, dritthalb Stunden hinter der Burg Zäringen, am südlichen Abhange des Kandel, über dem Thale des Eschbaches, durch welches wahrscheiiilich ein alter Römerweg nach der Hochstraße führte (Der alte Heerweg von der Wagensteige nach der Baar heißt zwischen dem holen Graben und Waldau jetzt noch » die Hochstraße«, und die Gegend nördlich davon »hinter der Straß«), deren Spuren man vom holen Graben bis in’s Simonswälder Thal hinüber verfolgen kann.

Ausfallend erscheint es nun, daß kaum 25 Jahre nach dieser Klostergründung ein Glied des hohenbergischen Geschlechtes der zäringischen Benedietiner-Abtei ein Chorherrensiift des Augustiner Ordens, das Kloster S.Märgen (
Bis in´s 15te Jahrhundert schreiben die Urkunden immer Marien-Zell, cella s. Mariae; der Volksmund aber verwandelte den Namen in »Märjen-Zell«, woraus sich das jetzige S.Märgen gebildet), an die Seite setzte; doppelt auffallend, da sich eine feindliche Stellung der beiden Gotteshäuser zu einander gleich anfangs kund gab und eine freundliche erst in späterer Zeit eintrat, als die Zäringer längst zu Grabe gegangen und die Hohenberger aus der Gegend geschieden waren.

Auch anderwärts (wie wir oben angedeutet) wiederholt sich die Erscheinung, daß schon sehr frühe Gotteshäusern von strenger Regelzucht und entschiedener Anhänglichkeit an den heimatlichen Geist andere entgegen gesetzt wurden, welche einer freieren Lebensweise und Weltanschauung huldigten. Bewahrte nun das Gotteshaus S.Peter in diesem Sinne getreulichst die kirchliche und politische Richtung seiner Stifter, so verfielen die Chorherren unserer Marien-Zelle durch ihre laxere Regel und die losere Einrichtung ihrer Anstalt allmählig einer Verweltlichung welche ihnen in den Streitigkeiten zwischen Thron und Altar eine klüglerische Zweideutigkeit (wenn keine schlimmeren Schritte) nicht verwerflich erscheinen ließ.

In diesem Unterschiede aber lag eine Mitursache des so verschiedenen inneren Lebens und äußeren Geschickes der beiden Nachbarstifte. Kaum ein Gotteshaus auf weithin erfreute sich einer so ruhigen und geregelten Entwickelung, wie S.Peter; und kaum ein anderes hatte solche Gefahren, Leiden, Unfälle und Verluste zu erdulden, wie S.Märgen, von seiner Gründung bis zu seiner Aufhebung, durch einen Zeitraum von beinahe sieben Jahrhunderten! Dasselbe kann uns daher als besonderes Beispiel einer vom hartnäckigsten Mißgeschicke verfolgten Klostergemeinschaft gelten.

Kehren wir aber zu der Oertlichkeit von S.Märgen zurück. Das jetzige neben dem ehemaligen Klostergebäude entstandene Dorf bildet mit 12 benachbarten Weilern und Einzelhöfen eine bürgerliche und kirchliche Gemeinde von 1700 katholischen Bewohnern. Der Ort ligt bedeutend hoch (2966" über der Meeresfläche), ganz frei und deßhalb den Winden sehr ausgesetzt, seitdem der alte schützende Hochwald in seinem Rücken verschwand. Um so mehr überrascht die weite Fernsicht, welche er gewährt. Gegen Nordwest stellen sich S.Peter und der Koloß des Kandel dar; gegen Osten ist die Aussicht durch die Waldhöhen der Wild-Gutach geschlossen; gegen Süden erblickt man den Turner, den Farenberg, die Weißtannenhöhe und das Haupt des Feldberges; gegen Westen endlich eröffnet sich dem staunenden Auge das ganze herrliche Amphitheater des Treisam-Gebietes mit dem Garten von Freiburg, sodann die Ebene des Breisgaues, der Kaiserstul, der Rhein, das Elsaß, die Kette der Vogesenl

Diese hohe, völlig entblößte Lage von S.Märgen führt aber eine rauhe Luft mit sich und ein mageres Erdreich Grundbirnen, Haber und Mischelfrucht sind fast das Einzige, was daselbst gedeiht. Die Bewohner rnußten sich daher auf die Viehzucht, den Holzhandel und die Uhrenmacherei verlegen. Ohne die uralte Ansiedelung der Mönche von Maria-Zell würden heute noch viele Strecken als unbebaute Haidefelder daliegen. Denn haben auch manche Klöster sich den Ruhm geistiger Beförderung nicht erworben, so bleibt ihnen doch das Verdienst, den Anbau abgelegener Wildnisse unmittelbar oder mittelbar begründet und gefördert zu haben.

Zwar bestund auch im hinteren Treisamthale, wo man heute noch die Spuren des großen keltisch-römischen Schirmortes Tarodunum bemerkt, schon unter den Römern eine bedeutende Cultur; auf die benachbarten Waldhöhen drang dieselbe jedoch nicht. Nur einzelne Wege und Straßen durchzogen die wilde Gebirgsgegend, zuweilen von einem Thurme oder Castelle bewacht Eine solche Befestigung rnochte der Turner sein, an der großen Heerstraße von Breisach (mons Brisiacus) über Zarten und durch die Wagensteige nach Bräunlingen (Brigobannis), welche auch im Mittelalter der Hauptweg aus dem Breisgaue nach Schwaben war (
Noch jetzt heißt die Höhe der Wasserscheide über welche die Straße führt, der Schwabenstutz, wie diese selber die Hochstraße, wodurch bestätigt wird, daß hier der römifche Heerweg von Tarodunum nach Brigobannis sich hingezogen). Denn die alten Römerwege wurden nach der Eroberung des Landes von den Deutschen um so lieber wieder benüzt, da diese damals noch nichts vom Straßenbaue verstunden; und unsere ersten Klostergründer suchten solche Wege wohl gerne auf, und errichteten ihre Gotteshäuser wohl häufig an alten Römerstättem um feste Zugänge und behauene Bausteine zu haben. So mögen auch die Kirchen von S.Peter und S.Märgen auf römischen Grundmauern ruhen; aber Anbau des Bodens fanden die ersten dortigen Mönche auf ihrem rauhen Bergrücken sicherlich keinen vor.

Zu der Gegend von S.Märgen berührten sich im eilften und folgenden Jahrhundert´ zäringische, hohenbergische nnd sanctgallische Besitzungen Das Stift S. Gallen zählte schon seit den karolingischen Zeiten ansehnliche Güter im Breisgau, besonders in den fruchtbaren, keltisch-römische Cultur bergenden Gefilden von Ebringen und Kirchzarten. Denn vom »Hirnmelreiche« an, über die Wildnisse am Nordabhange des Erzkastens und durch das Haxtenthal (
Das liebliche Thalgelände zwischen dem schwarzwäldischen Illenberge und dem Schünberge heißt hinter Merzhausen das Haxtenthal, woraus der Volksmund sein »Hexenthäle« gemacht hat, und weiterhin das Schneckenländlein, wahrscheinlich wegen der Menge von Schnecken in diesem üppigen Bereiche. Sollte hiemit das (jetzt abgebrochene) Schneckenthor und die alte Schneckenvorstadt zu Freiburg, welche nach dieser Gegend gekehrt waren, etwa zusammenhängen? ) bis zum Schünberge dehnten sich dieselben aus, und die Wilmars-Zelle am Melinbach’ (jetzt S. Ulrich) war ohne Zweifel eine sanctgallische Pflanzung (Vergleiche bei Wartmann Urk. von S. Gall» l, 48, 158 und II, 47, 186.).

Das breisgauische Grundbesitztum der Zäringer erstreckte sich vornehmlich von den Höhen hinter S.Peter über das Wassergebiet der Glotter, umfaßte somit besonders auch das fruchtbare Vorhügelgelände des Roßkopfes, von Freiburg über Herdern und Zäringen bis zum Wild- und Föhrenthale. Nördlich gränzten an dieses Gebiet die Freiherren von Schwarzenberg, westlich die von Usenberg und südlich die von Röteln, entschieden die drei bedeutendsten Dynastenhäuser im Breisgau, über dessen verschiedene Gebiete aber die Herzoge und ihr hachbergischer Nebenast die Iandesfürstliche Hohheit besaßen (
Ausführlicher behandelt diesen Gegenstand meine Schrift über die breisgauIschen Landstände, in der Einleitung und S. 62 f.).

Das fränkische Grafengeschlecht von Hohenberg war im Breisgan ebenfalls ansehnlich begütert. Seine dasigen Besitzungen erstreckten sich von der Gränze der Baar über die Berg- und Thalgegenden der Herrschaft Triberg, bis in die herrliche Ebene des Treisamthales. Auf den Höhen zwischen dem Kandel und Farenberge schieden sich also das zäringische und hohenbergische Gebiet, während unten im Lande noch einzelne Besitzungen der Hohenberger zwischen dem Familiengute der Zäringer lagen. Hiezu gehörten vornehmlich die Burg und Herrschaft Wieseneck, das Attenthal, die Dörfer Zarten, Ebnet und Merdingen, ein Fronhof zu Thiengen und Güter zu Endingen (
Schmid, Gesch. der Grafen von Zollern-Hohenberg (Stuttg. 1862), S. 37, 377 und 597. Urkunden, S. 26, 106, 580, 604.).
 
Die Ahnen dieses Grafengeschlechtes stammten sicherlich aus Franken her, denn ihre Hausfarbe war die fränkisches (
Wie bei den Grafen von Kalw und Sulz roth und weis; (Silber). Es stellt sich heraus, dasß die ältesten Grafen- und Freiherrengeschlechter meist die Farben ihres Volksstammes geführt).  Sie pflegten sich, nach ihrem jeweiligen Aufenthalte, bald von der Burg Hohenberg in Schwaben, bald von der Veste Wieseneck in Alemannien zu benennen; starben aber frühe schon aus und vererbten ihre Besitzungen an einen Ast der Grafen von Zollern oder Haigerloch, welcher fortan den hohenbergischen Namen führte und während der zweiten Hälfte des 15ten Jahrhunderts erlosch (An eine gemeinsame männliche Abstammung der Geschlechter von Zollern und von Hohenberg glaube ich vorerst nicht, denn abgesehen davon, daß sie ganz verschiedene Hausfarben führten, so bestunden nach einer Urkunde von 1158 bei Ussermann, episcop. Wirceb. cod. prob. nr. 43 (vergl. Stälin, wirtemb Gesch. II, 400 f) neben den frühesten Zollern auch fränkische Grafen von Hohenberg; und die Urkunde von 1250, welche den Grafen Burghart im Texte de Hohenberg, im Siegel aber de Zolre nennt, dürfte darauf hinweisen , daß sein Vater oder Großvater durch die Hand einer hohenbergischen Erbtochter die Veste und Herrschaft Hohenberg erworben habe). Noch im Jahre 1096 hauste ein Hohenberger des alten Geschlechtes zu Wieseneck, Graf Albrecht, der Bruder des Stifters von S.Märgen (Unter den Zeugen einer Urkunde des Klosters Allerheiligen zu Schafhausen von 1096 erscheinen Adalbertus comes de Wiseneggi, Bruno frater eius, und Andere. Dieses Document veröffentlichte Pfarrer Fiala im Urkund. I, 249. Ich behalte mir vor, diese urkundliche Spur gelegentlich weiter zu verfolgen).
 
Dieser leztere aber war der straßburgische Dompropst Bruno, ein eifriger Anhänger des Kaisers Heinrich V, durch dessen Gunst er später die einflußreiche Stelle eines kaiserlichen Kanzlers erhielt und im Jahre 1123 an die Stelle des gestürzteit Bischofs Kuno zu Straßburg erhoben ward. Nach dem Tode seines hohen Gönners aber hatte er viele Kränkungen und Verfolgungeu zu erleiden und mußte endlich der bischöflichen Würde entsagen.

Von den Besitzungen der hohenbergischen Familie hatte Bruno einen Theil der Herrschaft Wieseneck geerbt, was vermuthen läßt, daß jener Graf Albrecht der lezte weltliche Sprosse des älteren Geschlechtes war. Das neuere verfolgte getreulich dessen Fußstapfen; denn die Zollern gehörten zur Widerpart der Welfen und Zäringer. Diesem Umstande entsprach es daher, wenn das hohenbergische Erbgut im Breisgau dazu verwendet wurde, der jungen geistlichen Anstalt zu S.Peter eine andere entgegen zu setzen. Es handelte sich ja bei jeder politischen oder kirchlichen Partei darum, den eigenen Einfluß möglichst zu erweitern und denjenigen des Gegners zu schwächen oder im Schache zu halten. Und zu diesem Zwecke dienten nach den damaligen Verhältnissen besonders auch die Stifte und Klöster, sowohl durch ihre Schulen, als durch ihr Ansehen unter dem Volke.

So mochte die Stiftung des Klosters S.Peter durch die Zäringer - zunächst an der Gränze seines breisgauischen Erbgutes, in Bruno und den Seinigen den Gedanken erweckt haben, daselbst ebenfalls ein Gotteshaus zu errichten und es dem damals in Aufnahme gekommenen Orden der augustinischeii Chorherren (
Die Canonici regulares s. Augustini sahen diesen Kirchnevater als ihren Stifter an, erhielten aber erst durch die Kirchenversammlung von 1063 eine Art von Regel, welche ihre geistlichen Bekenner zunächst zur Entsagung des Eigentums und zum gemeinschaftlichen Leben verpflichten.) zu übergeben, welche den Benedictinern wenig zugethan waren. Hiezu veranlaßte ihn Bischof Richwin von Toul; denn dieser Prälat, welcher im Jahre 1114 einer Versammlung zu Straßburg wegen des Investiturstreites beigewohnt, stund als eifriger Anhänger des Kaisers mit Bruno auf vertrautem Fuße, und empfahl ihm eine Anzahl von Augustiner Mönchen aus Lothringen zur Bevölkerung seiner neu zu errichtenden Klosteranstalt.

Propst Bruno erbaute dieselbe um das Jahr 1118, in der Ehre der heiligen Jungfrau, auf seinem ,,eigenen Grunde und Boden", und bewidmete sie mit Ländereien und Einkünften seines umligenden Besitztums. Dieses Widumgut bestand vornehmlich aus etlichen Hofgütern im Zartener Thale und einer weiten Wildnis im Gebirge. Die ersten Mönche konnten hinlänglich davon leben, und für den Unterhalt ihres Zuwachses wurde das nächstgelegene Land urbar gemacht.

Die neue geistliche Pflanzung wollte aber keinen gedeihlichen Fortgang gewinnen. Die aus Lothringen herbei gezogenen Mönche ertrugen das rauhe Klima des Schwarzwaldes nicht; einige von ihnen starben bald dahin, und die übrigen geriethen mit den deutschen Brüdern wegen Verschiedenheit der Sprache und Sitten in Mißverständnisse und gehässige Parteiung. Deßhalb entflohen von diesen einige aus dem Kloster  brachten dasselbe so in Verruf, daß sich kein Landeskind mehr darein wollte aufnehmen lassen.

Die wenigen noch vorhandenen Chorherren waren kränklich oder ermattet und vermochten bei solchen Uebelständen ihrer Ordensregel und ihrem Gottesdienste nicht mehr gehörig nachzukommen. Gegenseitiges Mißtrauen hielt die Gemüther aus einander und der Vorsteher Dietrich fühlte selber, wie wenig er im Stande sei, das Regiment der verkommenen Anstalt länger zu behaupten.

Hiezu karnen noch erbitterte Gränz- und Zehentstreitigkeiten mit dem Kloster S.Peter  der sanctgallischen Kirche zu Zarten. Bei dem Charakter der Gegend und den damaligen Wildnissen darin, wo Waidgänge bestunden und Neubrüche angelegt wurden, waren solche Irrungen fast unvermeidlich und um so schwerer zu heben, als die betheiligten Lehenbauern einander gegenseitig in so leidenschaftlicher Weise bekämpften, daß es nicht selten zu Ueberfällen, zu Verwundungen, zu Mord und Todschlag führte (
Baumeister, annal. monast. s. Petri, Handschr. I, 64. .

Die Rückwirkung dieser bitteren Feindschaften auf die arme, in sich selber entzweite Marien-Zelle läßt sich denken. Dem kaum gegründeten Kloster drohte sichtbar eine nahe Auflösung, daher der gute Propst in seiner Verzweiflung hierüber kein anderes Mittel der Rettung mehr sah, als sich dem zäringischen Nachbarstift in die Arme zu werfen. Er wendete sich in einem flehentlichen Klag- und Bittschreiben an den Bischof Ulrich zu Constanz  gieng denselben an, er möge doch die Marien-Zelle der Leitung des Abtes zu S.Peter übergeben, welcher sich derselben bisher als ein hilfreicher Vater angenommen.

Die Sanctpetriner hätten diese Gelegenheit, das bedrängte Gotteshaus unter ihre Obhut zu bekommen  dergestalt den so nahe gelegenen Rivalen in einen Schützling zu verwandeln, wohl gerne benützt. Der Bischof jedoch vermied diesen Schritt, indem er die Sache in die eigene Hand nahm. Ulrich gehörte ja selber dem Augustiner Orden an und war ein so eifriger Verehrer und Förderer desselben, daß er nicht allein den augustinischen Habit beibehielt, sondern in der Nähe von Constanz ebenfalls ein solches Kloster stiftete. Auch deutet Manches auf nähere Beziehungen zwischen ihm und dem Propste Bruno hin, welche auf die Errichtung des Gotteshauses S.Märgen wohl nicht ohne Einfluß mögen gewesen sein.
 
Bischof Ulrich stammte aus dem schwäbischen Grafenhause von Dillingen und gehörte, wie Bruno, anfangs entschieden zur kaiserlichen Partei. Heinrich V. hatte ihn 1110 nach dem Hingange des Bischofs Gebhard von Zäringen zur bischöflichen Würde ernannt, Papst Paschalis aber bestätigte ihn nie darin. Erst dessen Nachfolger Gelasius that es im Jahre 1118, worauf sich der kluge Prälat bald ausweichend, bald vermittelnd, unangefochten zwischen Papst und Kaiser zu halten wußte, bis die Versöhnung beider durch das Wormser Concordat von 1122 erfolgte. Er wirkte nun fortan sehr friedlich und wohlthätig in seinem Sprengel, und ließ sich die Vereinigung streitiger Verhältnisse der Kirchen und Klöster besonders angelegen sein, was ihm ein gerechtes Lob auch bei seiner Widerpart erwarb (
Daselbst, S. 112 bis 124. Sodann Fickler, Bisch. Odalrich II von Const. Mannh 1856. Mit einem Anhange von Regesten.).

So nahm sich Ulrich aus eigenem Triebe und auf die inständigen Bitten ihres Stifters der Marienzelle nunmehr mit allem Eifer an. Vor Allem schickte er die lotharingischen Brüder wieder in ihr Vaterland zurück (
Das Schreiben, womit er sie dem Primicerius Albero von Metz zurückschickte, theilt ebenfalls Neugart mit, S. 50. ) und besetzte das Kloster mit lauter einheimischen, denen in dem Chorherrn Otto ein kluger und kräftiger Vorsteher gesetzt ward. Alsdann suchte er jene Gränz- und Zehentstreitigkeiten zu schlichten, welche zwischen den sanctmärgischen, sanctgallischen und sauctpeterschen Bauern bisher zu den leidenschaftlichsten Ausbrüchen und Verfolgungen geführt.

In Gegenwart des Propstes Bruno, des Herzogs Berchtold und anderer Herren wurde S.Peter bestimmt, gegen zwei ihm zu überlassende Lehen das streitige Gelände bis zur Wasserscheide des Gebirges, zwischen dem Burgstalle von Wieseneck und dem Simonswalde freundnachbarlich an S.Märgen abzutreten (
Die Vergleichs-Urkunde darüber, ut expulsa omni controversia diabolicarum insidarium vera pax inter eos firmarectur, ist vom 2ten August 1121 und steht bei Schöpflin, hist. Baden. V, 61. Die Gränzbestimmung lautet: Per crepidinem montis a diruto castro Wisenecge usque ad magnam vallem, in cuius extremo s. Margarethae Silvacensis monasteriurn situm est. Im Jahre 1112 hieß es noch (in einer sanctpeter’schen Gränzbestimmung, bei Leichtlin, die Zäring S. 76): Usque at castrum dictum Wisenegge etc. Wenn die Burg also nach dieser Zeit gebrochen wurde, so geschah es unter dem Grafen Albrecht oder seinem Nachfolger Konrad von Hohenberg). Mit dem Abte von S. Gallen aber wurde, unter Zustimmung des Schirmvogts Konrad von Hohenberg, die Vereinbarung getroffen, daß die Pfarrkirche zu Zarten nicht in der ganzen Umgegend, wie sie behauptete, sondern nur bis an’s Gebirge (wo die Wagensteige beginnt) zehentberechtigt sei, während weiter über Berg und Thal hin der Marien-Zelle von allen altbebauten Grundstücken und allen Neubrüchen der Zehenten gebühren solle, wofür dieselbe den heiligen Gall mit einem Hofgute vom Werthe dreier Lehen zu entschädigen habe (Dieser Vergleich von 1125 (ohne nähere Zeitbestimmnug) über das diutinum litigium pro decimis, quae quo pertinerent ex confinio terminorum, findet sich bei Dümge, S. 128. Der Aussdruck darin: Usque ad locum, qui Waginstat vocatur, ist nicht auf Wagenstatt im untern Breisgau zu beziehen, sondern auf eine alte Vorspannstätte am Eingange der Wagensteige. Diese hieß Steiga vallis, que dicitur Froidenbach. Vergl. die oberrheim Zeitschr. II, 338. Freudenbach nannte man also das Wasser dieser Thalschlucht, welches den Anfang der Treisam bildet.).

Nachdem dergestalt die schreiendsteii Uebelstände entfernt und das Klosterwesen wieder geordnet worden, veranlaßte der Stifter Bruno den Abt und Convent, sich in den unmittelbaren Schutz des heiligen Stules zu begeben. Dieselben wendeten sich daher nach Rom und baten dort um die päpstliche Bestätigung, Freiung und Beschirmung der neu erstandenen Marien-Zelle. Papst Honorius II zauderte nicht, diesem Wunsche entsprechend, sie in tutelam apostolicae sedis auszunehmen, durch folgende Bulle (
Die Bulle ist in extenso abgedruckt bei Schreiber l, 213) vom 27sten November 1125.

,,Euere Bitte gerne gewährend, empfangen wir Euch euer Gotteshaus hiemit in den unmittelbaren Schutz und Schirm des apostolischen Stules. Wir bestätigen die Regelzucht, wozu ihr euch bekennt, und verbieten einem Jeglichen, nach abgelegter Profeß noch etwas Eigenes zu besitzen, oder ohne Wissen und Willen des Abtes das Kloster zu verlassen. Kein folgender Vorsteher soll anders bestellt werden, als durch die gesetzliche und ungezwungene Wahl der Conventbrüder, und ebenso soll der Abt den Schirmvogt frei zu wählen haben mit Rath und Beistand seiner Religiosen. Sie mögen einen Mann suchen, welcher mächtig und tauglich genug ist, die Besitzungen und Freiheiten des Gotteshauses zu beschirmen. Vernachlässigt ein Vogt seine Pflicht, oder überschreitet er sie, so kann das Kloster einen tauglicheren und getreueren an seine Stelle setzen. Die Ordinationen der Priester und die Weihung der Altäre oder Kirchen habt ihr von dem Bischofe euerer Diözese zu empfangen Hätte derselbe aber die Gunst des apostolischen Stules verloren, so habt ihr einen andern getreu katholischen Vorsteher um diese Dinge anzugehen. Sollte das Gotteshaus durch Blutvergießen, durch Rauferei oder anderes der Art entweiht worden sein, so darf euer Gottesdienst nicht anders unterbleiben, als in Folge eines gemeinen über das ganze Kirchspiel verhängten Interdicts. Von eueren Neubrüchen und Viehzüchten soll euch der Zehente ruhig und ungeschmälert zu Theil werden, und weder Bischof noch Schirmvogt euch darin beirren. Wir gewähren euerer Kirche auch das freie Begräbniß in soweit, daß Jeglicher, dessen letzter Wille es war, bei euch zur Ruhe darf bestattet werden, wenn er nicht im Banne gestorben. Endlich bestätigen wir euch alle Güter und Einkünfte, welche ihr bereits besitzet, oder noch gewinnen werdet, auf daß sie euerem Gotteshause stets sicher und unverkümmert verbleiben mögen."

Hiernit war das Nöthigste gethan, um die Marien-Zelle wieder herzustellen und in Aufnahme zu bringen. Man ersieht deutlich, wie ernstlich diese Wiederherstellung dem Bischof Ulrich am Herzen lag. Welche politischen Gründe dabei etwa rnitgewirkt haben mögen, müssen wir dahin gestellt sein lassen. Jedenfalls ist der edelfeste, thätige Kirchenfürst als zweiter Stifter von S.Märgen zu betrachten. Dafür knüpfte das Schicksal auch dessen letzte Stunden an das Kind seiner väterlichen Pflege. Denn als er im Jahre 1127 auf der Rückkehr vom Reichstage zu Worms zu Maria-Zell gelegentlich Einkehre nahm, ergriff ihn daselbst seine Krankheit, das fallende Weh, unter so heftigen Erschütterungen, daß der geschwächte Körper ihr nicht länger zu widerstehen vermochte (
Die Petershauser Chronik bei Mone, bad. Quellensammlung 1, 157. Vergl. auch Neugart II, 123 und Fickler, Bischof Ulrich, S. 42.).

Bischof Ulrich verschied am 27sten August genannten Jahres nach einer 16jährigen Verwaltung des großen Constanzer Bischofssprengels, ,,welcher seine lange Ruhe in den damaligen Zeitwirren nur der Klugheit und Mäßigung seines Vorstehers verdankte." Sein Leichnam wurde nach Constanz gebracht  im Chore des Münsters daselbst feierlich zur Erde bestattet.

Der Gründer indessen unserer Marien-Zelle überlebte ihren Wiederhersteller noch längere Zeit. Propst Bruno hatte im Jahre 1123 den Bischofsstul von Straßburg erhalten, in den damaligen politischen und kirchlichen Wirren jedoch einem begütistigten Gegner weichen mnssen. Zwar verhalf ihm die Kaiserin Richenza zu seiner Wiedereinsetzung; er sah sich aber am Hochstifte »von Schlangen und Scorpionen umgeben« und dankte deßhalb im Jahre 1131 freiwillig ab. Diese Verfolgungen, welche ihn verhinderten, für S.Märgen nach dessen Stiftung noch weiter zu sorgen, waren unverdient; denn die Geschichte spendet dem tief gekränkten Prålaten das Lob eines frommen, rechtschaffenen thätigen Mannes (
Willimann, epise. Argent. S. 223. Vergl. auch Strobels Gesch. d. Elsaßes I, 357)

Die Marien-Zelle bewahrte ihrem Gründer nicht allein durch die feierliche Begehung seines Jahrtages ein dankbares Gedächtnis, sondern auch in ihrem Convent-Siegel ein bildliches Andenken von sprechendem Gepräge. Es stellt dasselbe unsern Bruno dar, wie er ehrerbietig vor der heiligen Jungfrau knieet ihr, über seinem Familienschilde hin, die neugestiftete Kirche entgegenhält, sie ihrem himmlischen Schutze empfehlend. Neben diesem Bilde lesen wir die einfachen Worte: Bruno de Hohenberg, fundator (Das Siegel ist abgebildet bei Märker, hohenzoll. Forschungen, S. 96.)

Nach dem Hingange des Bischafs Ulrich brach jener von ihm vermittelte Gränzstreit zwischen dem Stift S.Peter und unserer Marien-Zelle abermals aus, wobei sich die beiderseitigen Klosterleute lange Zeit noch leidenschaftlicher verfolgten und schädigten. Dieser Streit wurde endlich im Jahre 1136, da beide Gotteshäuser im unmittelbaren Schutze des heiligen Stules stunden, durch den päpstlichen Cardinal-Legaten Dietwin unter Zugrundelegung des Vergleiches von 1121 dahin geschlichtet, daß S.Märgen vier Lehen nebst einem Gütlein zu Gottenheim an die Sanctpetriner abtrat, wogegen ihm diese die streitigen Gränzen bis an die Schneeschleife des Gebirgs vom Burgstalle Wieseneck über das Sommereck, den Zwerenberg, den Kapf, den Hochtopf und Kandel hinaus überließen (
Dieser Vergleich steht abgedruckt bei Dümge, reg. Bad. S. 129. Darin heißt es, den Streit der beiden Klöster, habe er, derselbe früher in Gegenwart und unter Vermittlung, entschieden, mit einer neu hinzugefügten Bestimmung für alle Zukunft geschlichtet und abgethan. Archiv. II)

Den ersten zwei Vorstehern zu Mariazell, dem Dieterich und Otto, folgten bis zum Schlusse des 13ten Jahrhunderts als Nachweser zunächst ein Hartmann und ein völlig Unbekannter, sodann Konrad l, Werner I, Konrad Il und Peter I. Unter diesen Aebten (
In der Beantwortung mehrerer von dem Augustiner Chorherrn Zungge aus Steiermark an den Ordensgenossen zu S.Märgen gestellten Fragen wird auch eine Series Abbatum von dort an den Fragesteller mitgetheilt, welche das einzige Schriftstück dieser Gattung unter den noch vorgefundenen sanctmärkischen Archivalien ist. Etwas abweichend von den Angaben über die ersten Aebte dieser Series fügt ein beigefügter Zedel folgende auf: Otto abbas 1115, Hartmanns 1154.  interea aliqui desiderantur 1202, Conradus I circsa 1253. Wernerus 1263. arbiter inter Walden et Fridenweiler 1265. Conradus II circa 1293, Petrus l anno 1297 et post eum Dietmarus 1315)) von welchen sich keine weiterert Nachrichten mehr vorfinden, gewann das Kloster theils durch Ankäufe und Tausch, theils durch die Vermächtnisse frommer Wohltäter schon sehr reichliche Güter und Einkünfte in der Nähe und Ferne.

Die erste bedeutendere Erwerbung war jene der Kirche von Hüfingen in der Baar. Wann und von wem dieselbe erworben wurde, ist unbekannt; aber schon 1182 einverleibte sie Bischof Hermann zu Constanz dem Kloster, das heißt, er gestattete ihm, die dortige Pfarrstelle mit einem seiner Chor-Herren zu besetzen und ihre Einkünfte für sich allein zu beziehen, um seine Verhältnisse zu verbessern (pro necessitatum suarum elevatione et pro temporalibus subsidiis). Diese Einverleibung bestätigte hernach 1215 Papst Junocenz III mit den übrigen Besitzungen der Marien-Zelle, welcher er sugleich den Schutz des apostolischen Stules erneuerte.(
Beide päpstlichen Bullen stehen abgedruckt in Petri Suev.eccles. S. 234. Ueber das sanctmärgische Besitztum zu Hüffingen und wie vom Kloster während des großen Zwischenreiches abgekommen sein mochte, vergl. Badenia (neue Folge) II, 507 flg)

 Bald darauf erwarb das Gotteshaus auch die Kirche zu Waltershofen im Breisgau, welche ihm Papst Gregor IX im Jahre 1236 bestätigte. Es ist aber ebenfalls nicht bekannt, wann und wie diese Erwerbnug geschah; nur stellt sich heraus, daß auch noch weitere Güter und Rechte in besagtem Dorfe nebst der Gerichtsherrlichteit über dasselbe schon sehr frühe sanctmärgisch waren.

Um die Mitte des 13ten Jahrhunderts vermachte der Pfarrer zu Ballrechten dem Gotteshause seine Güter zu Mengen, welche hernach der Bruder  desselben, obwohl er Bürgers zu Freiburg war, verrgeblich ais sein gesetztliches Erbe ansprach. Und im Jahre 1271 erkaufte Abt Werner I. das große hohenbergiscbe Hofgut zu Thiengen, welches Frau Gertrud ihrem Gemahle, dem Grafen Rudolf von Habsburg, als Mitgift zugebracht, um 200 Mark an das Gotteshaus.

Die wichtigste Erwerbung während des 13ten Jahrhunderts war aber das Dorf Merdingen, welches durch eine Reihe von Schenkungen Verkäufe nach und nach mit Gericht und Herrlichkeit gänzlich in die Hände der Marien-Zelle gedieh, nachdem ihnen Güter und  Gilten daselbst schon vom Stifter Bruno vermacht worden (
Scbon 1253 wurde eine Ordnung zwischen dem Kloster S.Märgen und der Gemeinde Merdingen über gegenseitige Rechte Schuldigkeiten festgesetzt; sodann sind über Erwerbung verschiedener  Güterstücke mehrere Urkunden von 1250, 1270, 1272 und 1280 vorhanden.)

Nach einer Beschreibung aus der zweiten Hälfte jenes Jahrhunderts besaß unser Gottenhaus zunächst in seiner· Umgegend damals folgende Gütter Zinse: Im Schweinbrunnen 40 Lehen, 4 Wiesen und eine Mühle; in der Spirznach, und im Dietzenbach eine Maierei und 20 Leben; sodann zu Wieseneck, im Witten- und Attenthale zusammen 12 Leben; zu Burg einen Hof, 9 Leben und 3 Wiesen; zu Zarten einen Maierhof, 12 Höfe, 20 Lehen, 30 Wiesen und den Burgwald; zu Geroldsthal und Buchenreute 20 Leben; endlich unbekannte Lehen mit 3 Wiesen, einer Scheuer und einem Walde.  Von diesen Höfen und Gütern bezog das Kloster an Zinsen, Gilten und Diensten jährlich 388 Habers 10 Mutte Roggens, 179 Hüner, 60 Käse, 107 Pfunde Geldes und 64 Fuhr und Handfronen.

Vom Besthaupte, von der Drittelspflicht und anderen Lasten der Leibeigenschaft geschieht in diesem Beschriebe keine Erwähnung, daher läßt der Ausdruck »Lehen« um so mehr vermuthen, daß die Besitzer der sanctmärgischen Klostergüter größtentheils freigeborene Leute waren, wie es deren von jeher im Treisamthale überhaupt sehr viele gegeben. Die Vogtsteuer aber hatten die meisten zu entrichten; dagegen erfreuten sich die leibeigenen Bauern, welche auf dem eigentümlichen Widemgute des Gotteshauses saßen, die s. g. Salleute, der völligen Freiheit von dieser Steuer. Da nun die Herren Schirmvögte dieselbe öfters verdoppelten oder verdreifachten, so muße die Unvogtbarkeit solcher Güter Leute ein wesentlicher Vortheil sein, weßhalb sich S.Märgen für die Erhaltung der Vogtfreiheit seiner Salgüter auch emsigst besorgt zeigte.

Auf sein inständiges Ansuchen ertheilte Graf Albrecht von Hohenberg, als Schirmherr des Klosters, demselben im Jahre 1267 eine Bestätigungsurkunde (
Abgedruckt bei Schmid, Gesch. der Grafen von Hohenb. II, 26.), worin er für sich und seine Nachkommen gelobte, die Marien-Zelle ,,mit Abt, Convent, Leuten und Gütern auch fernerhin, wie bisher, ungestört in Ruhe und Frieden zu belassen« Diesem Gelöbnisse fügte er bei: »Auch sollen die Salleute von S.Märgen weder uns, noch irgend Jemanden mit Leib oder Gut verbindlich sein, da dieselben in allen Sachen und Diensten dem Kloster angehören, welches sie nach seinem Gefallen an Leib und Gut gebrauchen und hoch oder nieder schatzen mag, wie es gerecht und billig ist.«

Ebenso vorsichtig hatten es die Marien-Zeller veranlasst, daß der Graf durch diese Urkunde auch für den Fall eines Verkaufes der Schirmvogtei die nöthigen Bestimmungen traf. Denn er sagt darin weiter: »Würden wir aber unsere Rechte an dem Gotteshaus vergaben, verkaufen oder versetzen, so soll der neue Besitzer der Schirmvogtei dasselbe mit seinen Leuten und Gütern in allen seinen Rechten ungeschmälert verbleiben lassen, wie unsere Vorfahren und wir es bisher gethan. Wenn aber dieses nicht geschieht und das Gotteshaus beeinträchtigt wird, so mögen der Abt und Convent einen andern frommen, getreuen und weisen Mann zu ihrem Vogte erwählen, ohne irgend Jemands Widerrede und Irrung, in Kraft der Freiheit, welche ihnen vom römischen Stule verliehen worden.«

Die Maria-Zeller, indem sie diese Urkunde sich verschafften, hatten richtig vorausgesehen, daß ihre Schirmvogtei bald in andere Hände gelangen werde, was ihnen als eine peinliche Veränderung erscheinen mußte, nachdem ihr Gotteshaus von den Nachkommen seiner Stifter allezeit väterlich behandelt worden. Mit erschrockenem Herzen mochten Abt Konrad und sein Convent die Kunde vernehmen, daß Graf Albrecht ihre Schirmvogtei zu veräußern beabsichtige. Es kam im Jahre1293 auch wirklich zum Verkauf derselben, indem er die Burg und Herrschaft Wieseneck, an welcher sie haftete, dem freiburgischen Patrizier Burghard Turner für 1200 Marken Silbers zu eigen überließ (
Daselbst, S. 106).

Die Familie der Turner stammte von einem Edelsitze bei dem alten Römerthurme auf der Höhe dieses Namens her, was wohl eine Ursache des Verkaufes der Herrschaft und Schirmvogtei an dieselbe sein mochte. Die Herrschaft Wieseneck aber bestund in der Burg daselbst, in den Gütern und Leuten, Gerichten und Rechten in Freudenbach, Zarten und Merdingen, nebst etlichen anderen Besitzungen im Breisgau, und in der Schirm-  oder Kastenvogtei über die Marien-Zelle. Der Abt und Convent des Gotteshauses konnten nicht anders, als in den Verkauf einzuwilligen, und erwählten den Käufer, da es ihnen vortheilhaft schien, zu ihrem neuen Schirmherrn, Wahrscheinlich in Berücksichtigung seines biedern, rechtliebenden Charakters. Leider jedoch gelangten sie nach 23 Jahren in eine desto schlimmere Hand.

Diese Veränderung geschah unter Dietmar von Hundsweiler, dem Nachweser des Abtes Peter. Derselbe stammte wahrscheinlich von der edleknechtischen Familie ab, deren Burgsitz sich bei dem zürich-gauischen Dorfe Hünweil befand. Seine Schwester Sophia war die Ehewirtin des breisgauischen Ritters Hermann von Weißweiler, welcher kurz vor seinem Hingange alles Gut, was ihm zu Wellingen zugehörte, seinen beiden Schwägern, dem Abte und dessen Bruder Werner, wahrscheinlich für eine Bürgschaftleitsung, verschrieb. Denn seine Wittwe mit ihren Kindern fand sich wegen der ihr hinterlassenen Schulden im Jahre 1311 bemüßiget, die verschriebenen Güter (alle Höfe und Aecker nebst einein Recht an der Mühle) für 160 Marken Silbers an die Marien-Zelle zu verkaufen (
Urkunden von 1308 und 1311. Das Sigel der erstern zeigt einen Spitzschild mit einem Schregbalken, darauf drei s. g. Eisenhütlein, und ist umschrieben: S. DONL WERNHERI. DE. HVNNEWILR. Das andere des Herrnann von Weißweil hat als Wappenbild einen Steinbockskopf; die Umschrift kann nicht mehr gelesen werden). Hierauf erwarb das Kloster für 9 Pfund auch die im Wettinger Banne gelegenen Güterstücke des Ritters Ludwig von Staufen (Nach einer Urkunde von 1315, mit dem Sigel der Verkaufer, welches aber nicht die gewöhnlichen drei Kelche (oder Staufe) enthält, sondern einen Schregbalken und einen Würfel in der linken Ecke). Der Abt aber erbaute und begabte im Thurme seiner Klosterkirche eine eigene Kapelle, deren Einweihung im Jahre 1316 stattfand.

Man ersieht hieraus, wie S.Märgen unter dem Abte Dietmar anfieng, wieder in gedeihliche Aufnahme zu kommen; das Mißgeschick des Gottenhauses aber führte jetzt eine Veränderung herbei, wetche in ihren traurigen Folgen das Glück desselben auf eine ganze Lebensdauer hinaus grausam zerstörte. Die Herrschaft Wieseneck gieng nämlich um´s Jahr 1318 von der turnerischen Familie erblich an die freiburgischen Patrizier Schnewelin über 3, deren Habsucht das Vogteirecht dergestalt auszudehnen suchte, daß ein erbitterter Streithandel zwischen den Maria-Zellern und ihrem neuen Schirmvogte entstund.

Der schlimme Einfluß davon zeigte sich schon damals in einer Geldnoth, wodurch Abt und Convent sich genöthigt sahen, einen jährlichen Zins von 30 Mutten Roggens ab ihrem Hofgute zu Waltershofen um 40 Marken Silbers an einen Freiburger Bürger auf Wiederlösung zu verkaufen (
Hierüber habe ich keine urkundliche Nachricht; P. Adam alter schreibt: ist endlich solche aberkaufte Vogtei von dem Thurner-Geschlecht erblich verfallen auf die Schnewelin von Wieseneck, und weilen solche in den Briefen mehrmalen Castenvögt genannt  werden, so möchle wohl verum jus advocatiae ihnen per liberam electionem aufgetragen worden seyn.
Urkunde, gegeben an E. Martinstage 1318. )

Der päpstliche Schutzbrief von 1125 hatte dem Kloster zwar die freie Wahl seines Schirm- und Kastenvogtes gewährt; es blieben aber, wie bei den meisten Gotteshäusern, auch zu S.Märgen die Nachkömmlinge oder Blutsverwandten des Stifters erblich im Besitze des Schirmamtes, was im Grunde nichts anderes war, als die Fortsetzung der Gerichts- und oberherrlichen Gewalt über die dem Kloster verwidmeten Güter, wie die stifterische Familie solche bisher besessen. Jene Bestimmung bezog sich also wahrscheinlich nur auf den Fall, wenn ein Vogt vom Geschlechte der Hohenberger durch frevlerischen Mißbrauch der Vogtei dieselbe einbüßen würde.

So lange das sanctmärgische Schirmamt aber beim hohenbergischen Hause verblieb, wurde dasselbe meist in gerechter billiger Weise ausgeübt (
Dies geht aus allen betreffenden Urkunden hervor. Es zeigt sich auch anderwärts, daß Klöster, so lange sie unter der Schirmvogtei der Nachkömmlinge ihrer Stifter stunden, gut oder wenigstens leidlich behandelt wurden). Dass änderte sich jedoch, nachdem es in fremde Hände überrgegangen. Denn jetzt traten für unser Gotteshaus all’ die Drangsale, welche in beinahe jeder Klostergeschichte eine hervortretende Erscheinung bilden, die Folgen der Zerwürfnisse zwischen Schutzherr und Schützling, noch in besonders hohen Grade ein.

Die Familie der Schnewelin, durch deren gewaltthätiges Treiben für unsere Marien-Zelle diese traurige Veränderung herbeigeführt worden, stammte höchst wahrscheinlich von einem schwäbischen Dienstmanne ab, welcher mit Graf Egeno von Urach, dem Schwager und Erben des letzten Herzogs von Zäringen nach Freiburg gekommen und daselbst (nach dem Laute der stådtischen Verfassung) in das Bürgergerecht eingetreten. Vom Glücke in seltener Weise begünstigt, gelangten diese Patrizier nicht allein zu vorherrschendem Einflusse in der Stadt, wo dieselben das Schultheißen- und Bürgermeisteramt öfters bekleideten, sondern auch auswärts, im umliegenden Breisgau, wo sie bald eine ansehliche Reihe von Schlössern, Dörfern, Vogteien und Gerichtsbarkeiten erwarben.

Schon zu Anfang des 14ten Jahrhunderts finden wir die Schnewelin in mehreren Aesten und Zweigen durch´s Land verbreitet, im Besitze eines besonders grossen Geldvermögens und zahlreicher Güter. Dieselben spielten längere Zeit eine erste Rolle unter dem breisgauischen Ritteradel; zeigten aber sehr unritterlich den Uebermuth glücklicher Emporkömmlinge und begünstigter Parteigenossen. Von keinem Geschlechte des adelreichen Breisgaues wurden so zähe und anhaltend solche Unfugen und Gewaltstreiche verübt, wie von ihnen, weshalb sie als sprechendstes Beispiel ihrer Gattung diene
n (der (neuen) Badenia I, 245 habe ich eine Schilderung der schnewelin´schen Familie zu schildern versucht.).

Der neue Vogt Johann Schnewelin wollte sein Vogteirecht auch über die Salgüter des Klosters ausüben; denn er behauptete, daß ihm dasselbe über sämmtliche sanctmärgischen Besitzungen im Breisgau gebühre. Die Marien-Zeller stützten sich in diesem Streite auf den unzweideutigen Wortlaut (
"Ouch ist damit zewissen, daz dess Gotzhuses lüte, die man nämet die Selelüte, weder vns (dem Grafen) noch keiner leye menschen verbunden sint, noch in künftiger zit, in dehein wege ze dienen, weder mit libe noch mit guot (also weder steuern noch fronen dürfen), won die selben lüte von rechte sint und zuo-gehörent dem Abbt vnd Conuent.") ihrer Urkunde von 1267 und ließen sich ein Schiedsgericht gefallen, welches in dem freiburgischen Stadtschuldheißen Konrad Dieterich Schnewelin-Bärenlapp und seinem Bruder Johann Schnewelin-Gresser bestund, deren Ritterehre ihnen als die beste Bürgschaft eines gerechten und billigen Spruches gelten mochte. Dieses Vertrauen wurde jedoch bitter getäuscht; denn die beiden Schiedmänner liessen sich von Familieninteressen leiten, überschritten formam compromissi, indem sie die Rechte des Gotteshauses nicht gehörig erhoben, und ertheilten einen ihren Vettern günstigen Spruch.

Abt und Convent protestiersten feierlich gegen denselben und wendeten sich an den hl. Stul, unter dessen besondern Schutz ihr Kloster von jeher gestellt war. Papst Johann XXII. erklärte sofort in einer Bnlle vom 27sten Mai 1220 die schnewelin´sche Entscheidung für ungültig (
Die Bulle (dat. Avinione VI. Kal. Junii) überträgt dem Abte von Roth diese Ungültigkeits-Erklärung) und die Klosterherren suchten ein neues Schiedsgericht zur Schlichtung der streitigen Punkte zu erlangen.

Ritter Johann aber, ein leidenschaftlicher, auf seine Gunst bei dem Grafen von Freiburg pochender Mann, wies nicht allein jede Verständigung zurüch, sondern behandelte das Gotteshaus mit einer so rücksichtslosen Bosheit, daß er, anstatt sein defensor, mit Recht sein offensor genannt wurde. Es hatte ganz das Ansehen, als wolle der Schirmvogt der Marien-Zelle sich zum Herrn des Klostergutes machen und solches seinem Familienbesitztum einverleiben, wie es früher und später viele Kastenvögte mit ihren Gotteshäusern versucht haben.

Der Schnewelin verwendete von der fahrenden Habe des Klosters zu seinem Gebrauche, was ihm beliebte. Die sanctmärgischen Salgüter wurden wegen seines gewaltthätigen Zudranges verlassen und lagen öde; die verliehenen Höfe und Grundstücke aber betrachtete er als sein Eigentum, bezog die Zinse und Abgaben davon und legte den Inhabern derselben so schwere Steuern und Dienste auf, daß die armen Leute es kaum zu ertragen vermochten.

Den Abt und Convent selber behandelte der Vogt nicht allein auf´s frechste und gröbste, sondern verkürzte solche auch in ihrem Einkommen dergestalt, daß es ihnen nicht mehr möglich war, der Regelpflicht und dem Gottesdienste noch ferner nachzukommen. In dieser ,,pharaonischen Knechtschaft" mußten sich die Armen endlich zu dem verzweifelten Schritte entschließen, das Kloster zu verlassen, um nur ihr Leben davon zu tragen. Nachdem dieselben den Kirchenschmuck, die Bücher und anderes Dergleichen bei benachbarten Gotteshäusern in Sicherheit gebracht, wanderten sie aus, zogen im Elende umher und erbettelten sich da und dort ihre Nahrung und Unterkunft.

Das Klostergebäude blieb völlig leer und verlassen; Alles stund offen, die Kirche, der Speise- und Schlafsaal, die Küche und der Keller. Keine Menschensele belebte die öden, zerfallenden Räume; im Kirchenchore und um den Hochaltar wucherte Unkraut empor, und Spinnen, Kröten und Nattern nisteten darin.

Zwei Jahre giengen über diesen bejammernswerthen Zustand hin und nirgends wollte sich eine Hilfe zeigen. Da endlich erbarmte sich der Abt des Nachbarstifts S.Peter der verlassenen Marien-Zelle und ihrer umherirrenden Söhne. Er berichtete die ganze Trauergeschichte in lebhaften Farben an den Papst nach Avignon, und beschwor denselben, doch zur Wiederherstellung des beraubten entvölkerten Klosters seine mächtige Hand zu reichen, und die schnewelin´schen Frevel zu bestrafen, zur Abschreckung Anderer von der Nachahmung eines so bösen Beispiels. (Das Schreiben ist vom 8. März 1322. Der Abt (Gottfried von Löschbach, ein geborner Freiburger, wie Baumeister I, 141 angibt). In Folge dieses Schreibens übertrug Johann XXll. die Untersuchung der Sache und die Verhörung beider Theile abermals dem Prälaten von Roth und dem Propste von Oeningen, damit der Schnewelin, wenn die Anklage gegen ihn sich bewahrheiten sollte, zur Gebühr gebracht oder mit dem Kirchenbanne belegt werde.

Derselbe erschien aber auf keine an ihn ergangene Vorladung, sondern fuhr mit verstocktem Herzen in seinen Verfolgungen der Marien-Zeller noch rücksichtsloser fort, daher der Kirchenbann denn wirklich über ihn ausgesprochen ward. Jedoch auch dieses brachte ihn noch immer nicht zur Besinnung. Erst als der Papst den Ausspruch bestätigt und befohlen hatte (
In einer Bulle von: 5. Dezember 1323 an den Bischof von Constanz. Es heißt darin, der Bann gegen Schnewelin sei ausgesprochen worden. Gehe derselbe innerhalb eines Monates, nachdem ihm die Sentenz eröffnet worden, nicht in sich, so soll der Bischof ihn als excommunicatum publicae nunciare et ab aliis per omnia loca nunciari facere ac ab omnibus arctius evitari), den Bann an allen Sonn-und Feiertagen unter Glockengeläute und bei brennenden Kerzen in allen Kirchen öffentlich zu verkündigen - erst jetzt konnten der verfolgte Abt und Convent, welche inzwischen wieder nach S.Märgen zurückgekehrt, die geforderte Genugthuung erlangen.

Der Schnewelin verschwand damals vom Schauplatze; es schwebt völliges Dunkel über dem Ausgange desselben. Starb er eines natürlichen Todes oder als Opfer der Kirchenstrafe? Man hat keine Nachricht darüber; nur das ist bekannt, daß jener freibugische Schuldheiß Schnewelin, welcher mit seinem Vetter Johann den parteiischen Spruch von 1320 gethan, im Jahre 1329 der Marien-Zelle zu seinem und seiner Vorderen Seelenheile den Kirchensatz zu Haslach vermachte (
Urkunde vom Donnerstag nach S. Ambros (6.April 1329), uonach der Sneweli von Wisenegge, ein Ritter von Friburg, die Kilche vnd den Kilchensatz zue Hasela bi Friburg ze einem almensen luterlich durch got vnd ze siner vnd siner Vordern seelenheil", dem Kloster znu eigen vermacht, mit dem Anfügen, daß demselben Dasjenige zufallen solle, was die Kirchengefälle über die eongrua des Priesters jährlich ertragen. Bischof Rudolf von Constanz hatte dem strenno militi Snewelino de Wisenegge, magistro einium oppidi Friburgensis, unterm 19. März gestattet, diese Schenkung zu machen), was er "vielleicht pro recompensatione illati damni gethan."

Inzwischen hatte auch Abt Dietmar, der hartgeprüfte Mann, sein wechselvolles Leben beschlossen und den Conventherren Johannes zum Nachfolger erhalten. Dieser rnachte im Jahre 1332 "zum nothdürftigen Nutzen und Frommen seines Gotteshauses, um größeren Schaden von demselben abzuwenden", bei dem freiburgischen Edelknechte Konrad Kolman ein Anleihen von 190 Markert Silbers auf 10 Jahre gegen einen Zins von 19 Marken aus den jährlichen Klostergefällen, wofür dem Darleiher die sanctmärgischen Höfe und Güter zu Thiengen, Medingen, Attenthal, Zarten, Dietenbach, Geroldsthal, Bickenreute, Burg, Kolbach, Freundenbach, Schweinbrunnen, Erlenbach und Spirznach verpfändet wurden. Solche Geldaufnahme und Verschreibung geschah "mit Verlaub der Herren Vögte des Gotteshauses", worunter Johann der Gresser und Johann der Turner zu verstehen, welche dem gleichnamigen Sohne des im Banne gewesenen Schirrnvogtes Johann Schnewelin von Wieseneck als Vormünder gesetzt waren (
Der Kaufbrief ist gegeben zu S.Märgen; am Samstag vor M. Verkündigung (21.März) 1332. Nach Verfluß der 10 Jahre wurde die gleiche Verpfändung (mit Ausnahme von Merdingen) wieder auf diese Frist an den freiburgischen Bürger Johann Malterer gemacht).

Dem Abte Johann I folgte als Vorsteher der Marien-Zelle um´s Jahr 1340 Konrad II, welcher sich die Rückbringung der dem Kloster bisher entfremdeten Güter zur hauptsächlichen Aufgabe gemacht zu haben scheint. Auf sein emsiges Betreiben wurden zwischen 1339 und 1354 von den Päpsten Benedict Xl und Urban V wiederholte Cornmissionen zur Untersuchung dieser Angelegenheit ernannt und dem Schirmvogte mit dem Kirchenbanne gedroht. Der Sohn trieb es aber, wie es sein Vater getrieben; er kümmerte sich wenig um solche Androhungen, sondern gieng darauf aus, den Marien-Zellern einen für seine Absicht günstigen Vertrag abzuzwingen. Zur Erreichung dieses Zieles schien ihm auch eine offenbare Gewaltthat nicht verwerflich.

Ritter Johann versammelte eines Tages seine Getreuen und befahl ihnen, das Kloster mit gewaffneter Hand zu überfallen, Abt und Convent festzunehmen und sie nach Wiesenerk zu bringen. Diesen Auftrag vollführten die Beordneten ziemlich genau; es wurden der Abt Konrad und die Chorherren Werner von Weißweiler, Johann von Ungersheim und Johann von Ratpoldsweiler ergriffen, nach der Burg abgeführt und dort in einen Thurm gesperrt, um sie gefügig und kirre zu machen. Der gewaltthätige Vogt täuschte sich aber; die Gefangenen ließen sich keineswegs zu dem verlangten Vertrage herbei, während die päpstlichen Commissarien in dieser Sache auch ihre Schritte thaten.

Nach etlichen Monaten sah sich der Schnewelin in die Lage versetzt, die Standhaften wieder frei zu geben; doch zwang er ihnen zuvor noch eine Urfehde ab, worin sie eidlich geloben mußten, über das Geschehene nirgendwo gegen ihn Klage zu erheben. Der Abt seine Schicksalsgenossen erlangten aber vom Papste die völlige Entbindung von diesem gewaltthåtig erpreßteti Eide und betraten sofort den Rechtsweg gegen den Vogt und seine Helfer. Clemens VI beauftragte den Propst von Zurzach, die Sache zu untersuchen im Falle wirklicher Schuldhaftigkeit der Angeklagten dieselben mit dem Kirchenbanne zu verfolgen, bis sie reuig geworden, den Klägern genug gethan sich um Schuldvergebung an den apostolischen Stul gewendet. (
Bulle des Papstes vom 21. März 1347 (dat. Avinione, XII Kai. Aprilis pont. n. anno V). Clemens erzählt darin aus den ihm zugegangenen Berichten). Zugleich erhielt S.Märgen auch die päpstliche Bestätigung aller seiner bisher erlangten Privilegien, Jndulgenzen und Freiheiten und Rechte (Bullen vom 14. März und 30. April 1347. Die eine davon hat Peter, Suev. eccl. S. 235).

Da bedachte sich Ritter Johann endlich eines Bessern. Er ließ sich zu einem Schiedsgerichte herbei, welches im Sommer 1348 zusammentrat und einen Friedensvergleich beider Theile auf 6 Jahre erzweckte, wornach der Abt bewirken sollte, daß Herr Johann und seine Helfer des über sie »von der Gefängnis wegen« verhängten Bannes entledigt werden, er dagegen eidlich zu geloben hatte, dem Gotteshause einen Theil der entrissenen Güter wieder anheimzustellen (
Urkunden über den Schiedspruch und über den abgeschlossenen Vergleich. Die Schiedleute waren (von des Klosters Seite) der Ritter Sigfried Schuldheiß und Herr Wernlein von Limburg, (von Schnewelins Seite) der Bürgermeister Hanmann Schnewelin und der Schuldheiß Johann Schnewelin zu Freiburg, beide Ritter; Obmann aber oder ,,gemeiner Fünftmann", der Ammeister Peter Schwarber von Straßburg).

Kaum aber war die Frist dieses Vergleiches abgelaufen, so begann der Schnewelin in seiner Verbissenheit die Verfolgungen gegen S.Märgen auf´s neue und trieb es noch ärger, als zuvor. Der standhafte und thätige Abt Konrad mochte ihm der ärgste Dorn im Auge sein; denn bis zu einem Anschlage gegen dessen Leben ließ der Verblendete sich hinreißen. Eines Tages im Jahre 1355, als der unbesorgte Prälat mit wenigen Begleitern von Freiburg, wo wahrscheinlich neue Verhandlungen stattgefunden, nach seinem Kloster zurückkehrte, wurde derselbe bei der Kapelle oberhalb Ebnet von den schnewelinschen Gesellen überfallen und meuchelmörderisch erschlagen (
Hierüber kenne ich noch keine nähere Quelle, als die erwähnte series Abbatum welche sagt: Conradus Il, ad annum 1340 successor Johannis I. Hic dominus abbas à siccaris Snewelini advocati insidiis occupatus et dire occisus fuit in itinere prope pagum Ebnet, quod Friburgo distat una hora. Bis Ebnet reichte das freiburgische Gebiet, welches die Mordgesellen vermeiden wollten).

Diese blutige That mußte in der ganzen Umgegend, namentlich
Freiburg, einen Schrei des Abscheues hervorrufen und die dortigen Verwandten des Anstifters in die peinlichste Verlegenheit setzen. Sie mochten sich daher beeilen, das so frevlerisch abgerissene Vergleichswertk zwischen S.Märgen und seinem gdttesvergessenen Schirmvogte wieder anzuknüpfen. Es scheint aber eine schwierige Arbeit gewesen zu sein; denn erst im Sonnner 1357 waren die Verhandlungen über Genugthuung und Ausgleich soweit gediehen (Ich finde die urkundliche Notiz vom Jahre 1357: »Der Abt von S.Märgen und Ritter Johann Schnewelin von Wiseneck, beide Bürger zu Freiburg, vertragen sich, in genauer Auseinandersetzung, zur endlichen Bereinigung ihrer alten Streitigkeiten."), daß der neue Abt Werner und sein Convent sich in der Lage sahen, die Aufhebung des Kirchenbannes beim päpstlichen Stule nachsuchen zu können (Das Schreiben des Abtes und Conventes an Papst Jnnocenz ist vom 13. Juni 1357). Sie thaten es "einstimmig und flehenttich", woraus man entnehmen mag, wie sehr es die Schuldigen drängen mochte, endlich aus ihrer Strafzeit erlöst zu werden.

Abt Werner gehörte dem Geschlechte der Edelknechte "von Weißweil" an und war höchst wahrschenlich ein Neffe des verstorbenen Prätaten Dietmar (
Die oben genannte Schwester des Abtes Dietmar, die Gemahlin des Hermann von Weißweil, hatte die Söhne Johann, Dietmar, Werner und Hildebrand. Ihr Vater erschien in der Urkunde von 1308, deren schönes Sigel einen Spitzschild mit dem Steinbockskopfe und die Umschrift enthält: S. HERMANNI. MILITIS. DE. WISWIL.). Er eiferte demselben in der väterlichen Sorge für die Marien-Zelle auch löblichst nach, indem sein ganzes Bestreben deren Wiederaufnahme und Förderung bezweckte. Er trat deshalb mit dem Propste des Augustiner Klösterleins Allerheiligen zu Freiburg in Verbindung, um beide bisher schwer bedrückten Gotteshäuser zu vereinigen und dadurch wieder neu zu kräftigen. Es gelang ihm auch in befriedigender Weise, ungeachtet mancher Hemmnisse durch die fortgesezten Intriken des rachesüchtigen Kastenvogts (Dreimal innerhalb dreier Jahre (1363, 1364 und 1366) mußte der Rath zu Freiburg in´s Mittel treten, um die frivolen Ansprüche des Schnewelin an das Kloster und dessen Güter zu beschränken).

Das
Klösterlein Allerheiligen zu Freiburg war aus dem dortigen "Sackbrüderhause" entstanden, welches der waldkirchische Ritter Johannes Amann im Jahre 1300 erkauft, erweitert, mit Gütern bewidmet und den regulierten Chorherren eingeräumt hatte ( Die "Sack- oder Bußbrüder Christi", fratres de poetentia Jesu Christi. waren eine Gattung von Augustiner Mönchen welche auch Sackträger hießen, weil ihre Kutte einem Sacke glich. Zu Freiburg erschienen sie bereits im Jahre« 1277, wo Bischof Hartmann von Augsburg einen Ablaß für Alle verleibt, welche Labricam fratrum Saccitorum apud Friburg in honore b. Mariae conseeratam mit Almosen bedeuten. Aehnliche Ablaßbriefe sind auch von anderen Bischöfen aus den Jahren 1284, 1288, 1289 und 1295 vorhanden. Es konnte dem Klösterlein dadurch aber nicht ausgeholfen werden; denn Ritter Amann musste die Hofstatt der abgegangenen Sackbrüder (aream quondam dietam der Sackbrueder hus) an sich erkaufen und neu überbauen. War das Klösterlein vielleicht durch einen Brand verunglückt? Die Urkunden über diese neue Stiftung finden sich abgedruckt in der oberrheinischen Zeitschrift Xl, 241 und XIX 82). Papst Bischof ertheilten der neuen geistlichen Pflanzung sofort Ablässe, um Wohltäther herbeizuziehen. Es geschahen auch verschiedene Vergabungen an dieselbe mit Häusern und Grundstücken zu Hugstätten, Eichstätten, Endingen, Riegel und Herdern (Ablaßbriefe von 1300, 1305 und 1316, wie Urkunden über Vermächtnisse von 1305, 1308, 1313 und 1316), und der Stadtrath von Freiburg wollte dafür besorgt sein, daß von diesem Klostergute nichts ungehörig verschleudert würde (Urkunde des Propstes Heinrich Meringer von 1344, worin er gelobt, vom Klostergute nichts zu veräußern ohne Bewilligung des Stadtrates).

Da aber brach jener erbitterte Krieg zwischen der Stadt und ihrem Herrn aus, welcher sieben Jahre lang das schöne Breisgau dergestalt verwirrte und verwüstete, daß in mancher Gemarkung kein Pflug mehr übers die Aecker gierig. Es läßt sich denken, wie gewaltthätig die Schnewelin diese Kriegszeit werden benüzt haben, um die armen Marien-Zeller die "schirmende Hand" ihres Vogtamtes fühlen zu lassen.

Auch die Propstei Allerheiligen kam durch diese Kriegswirren so in Abnahme, daß sie damals kaum noch ein paar Religiosen zu ernähren vermochte. Der Gedanke einer Vereinigung der beiden Augustiner Chorherrenklöster mußte also nahe liegen. Abt Werner brachte ihm ein persönliches Opfer; er entsagte freiwillig seiner äbtlichen Bürde und überließ dieselbe dem Allerheiligen-Propste Berchtold unter der Bedingnis, daß dessen Kloster mit S.Märgen verbunden werde, "ein verderbt Gotteshaus mit dem andern."

"Denn seit 40 Jahren", klagte Werner dem Bischofe zu Constanz, »ist diese Abtei durch die tyrannische Gewalt seiner Schutzvögte, durch deren Verfolgungen und Gewaltthaten gegen Aebte und Religiosen in solche Noth und Verderbnis; gerathen, daß dieselben in´s Elend flüchten mußten; daß das Klostergebäude mehr als einmal völlig leer stund; daß in der Kirche anfiengen Dorne und Stauden aufzuwachsen, und aller Gottesdienst erlosch; daß die Klosterbauern in die traurigste Lage, in Armuth und Elend gestürzt und die Klostergüter mit einer unerschwinglichen Schuldenlast beschwert wurden. Wenn Ihr uns daher durch die Vereinigung mit dem Gotteshause Allerheiligen nicht aufhelft, so müssen wir unser Stift abermals verlassen und zur Schmach und Schande desselben im Lande herum betteln gehen."

Bischof Heinrich ließ sich diese Schilderung zu Herzen gehen und bewilligte im Jahre 1370 die nachgesuchte Vereinigung (
Urkunde des Bischofs, daß er die Sache durch Commissäre untersuchen lassen werde. Datum Thuregi anno domini MCCCLXX. Vl Kal. Octobris. Das Unionsdokument steht in extenso bei Peter, S. 236 ), worauf Propst Berchtold die Abtei S.Märgen übernahm und mit der Familie Schnewelin eine gütliche Uebereinkunft abschloß, nach welcher dieselbe aus alle bisher gegen das Kloster erhobenen Ansprüche völlig verzichtete (Der Verzichtbrief des Ritters Johann Schnewelin und seiner Söhne ist vom 10. April 1372. ). Dieser Verzicht geschah im Frühjahre 1372, und sechs Jahre hernach verkaufte die Familie ihre Burg und Herrschaft Wieseneck mit der Schirmvogtei über S.Märgen an die Ritter von Blumeneck, wozu Abt und Convent unter gewissen Bedingnissen ihre Einwilligung gaben (Den Kaufbrief vom Jahre 1378 finde ich nicht; P. Adam gibt aber seinen hauptsächlichen Inhalt an).

Diese Herren von Blumeneck, wie die Schnewelin, ein im Breisgau reich begüterter Adel, bezeigten sich anfangs ganz gutgesinnt gegen das Kloster, aber bald veranlaßte die Kastenvogtei neue Händel, und Abt Berchtold hatte von den neuen Vögten denselben Ueberdrang zu erleiden, wie seine Vorweser von den früheren. Es half ihm wenig, daß er bereits im Jahre 1375 unter den Schutz des Hauses Oesterreich getreten (
Herzog Leutpold bekennt 1375, daß er den Abt Berchtold zu S.Märgen zu seinem Caplan ernannt und in seinen gnädigen Schirm aufgenommen. Dies wurde 1404 von den Herzogen Friderich und Albrecht bestätiget), welches damals mit seinen Angelegenheiten in der Schweitz zu sehr beschäftigt war. Auch stund die blumeneckische Familie bei den Herzogen in besonderer Gunst wegen ihres Eifers für deren Sache.

Zwar vermachten Hanns von Blumeneck und Martin Malterer an die Abtei, "diweil solche seit langem her durch mancherlei Streitigkeiten verderbliche Kriege großen Schaden erlitten", im Jahre 1383 zu ihrem und ihrer Vorältern ewigen Seelenheile, eine Pfründe von jährlich 14 Kronen in Geld (
Die Urkunden hierüber sind vom 18. Juni 1382 und 18. October 1383. Der Klostervogt Johann von Blumeneck hatte die Margaretha, eine Schwester des Martin Malterer zur Ehewirtin; Malterer aber soll ein natürlicher Sohn des Herzogo Leutpold gewesen sein, auf dessen Leiche er bei Sempach (1386) seinen heldenmüithigen Tod fand); es ist aber sehr wahrscheinlich, daß die Blumenecker an der Leidenschaftlichkeit besonders betheiligt waren, womit der Convent zu S.Märgen gegen den eigenen Abt sich empörte.

Dieser ärgerliche Klosterhandel wurde durch den Rath von Freiburg endlich beigelegt (
Der Sühnbrief ist vom 9. April 1385. Es handelte sich hauptsächlich um jährliche Rechnunges-Ablegung durch den Klosterschaffner vor Abt und Convent, und um Wiederersatz desjenigen, was beide Theile von dem Klostergute bisher einseitig eingenommen). Abt Berchtold entließ hierauf den Conventualen Johann, welcher Leutpriester zu Hüfingen und (wie es scheint) ein Hauptanstifter des Zerwürfnisses war, seiner Haft - aber leider zum eigenen Untergange, denn am 5ten September 1385 wurde Berchtold von den Chorherren im Convente ermordet (Die Series abbatum und P. Peter übergehen diese Mordgeschichte mit Stillschweigen, P. Adam aber erzählt: "Anno 1385 waren große Händel zwischen dem Abbt und Convent, die vom Rathe zu Freiburg durch Deputierte verglichen wurden. Und war damals ein Conventual, der Pfarrer Johannes von Hüfingen, zu S.Märgen incarceriert, welchen der Abbt loslassen mußte. Dem Anscheine nach ist die Proprietät eine Ursache alles Uebels gewesen. Weilen dieser Abbt auch von denen von Blumeneck vieles zu leiden gehabt, ist er zuletzt beyderseits verfolgt und von seinen Conventbrüdern ermordet worden, den 5. September 1385").

Da dieser Prälat mit päpstlicher Unterstütztung alle der Marien-Zelle bisher ungerechter Weise entzogenen Güter wieder anheim zu bringen suchte. (
Er machte die Bulle des Papstes Urban von 1364 geltend, worin dem Propste von Allerheiligen aufgetragen war, die dem Kloster S.Märgen widerrechtlich entzogenen Güter wieder zu verschaffen); da derselbe dem Kloster durch Erlangung der Incorporation der Kirche zu Weil ein besseres Einkommen verschaffte (Die Einverleibungsurkunde, ausgestellt durch den Cardinal-Legaten Guillermus, ist vom 22. October 1381), und die Herstellung der Verkehrsstraße durch die Wagensteige befördern, welche die Stadt Villingen damals unternahm, um ihre Verbindung mit Freiburg und dem Breisgaue zu heben (P. Adam berichtet: "Dieser Abbt hat der Stadt Villingen die Erlaubniß gegeben, über seines Gotteshauses Güter zu fahren, und dagegen von ihr ein freies Burgerrecht erlangt"), was ihm das villingische Bürgerrecht eintrug; so ligt die Vermuthung nahe, daß er ein gewissenhafter, für sein Kloster thätig besorgter Vorsteher war und sich eben dadurch von selbstsüchtigen verweltlichten Conventherren so bittern Haß und so blutige Verfolgung zuzog.

Wahrscheinlich hatte Abt Berchtold dem Uebel steuern wollen, welches in der Hauswirtschaft dadurch eingerissen, daß die Chorherren das Klostereinkommen in einzelne Pfründen vertheilten und damit schalteten, wie mit eigentümlichen Vermögen. Das verbot die augustinische Regel, und der Abt befand sich im vollen Rechte, wenn er nicht leiden wollte, daß die Herren des Conventes alle Einkünfte beziehen durften, und das Gotteshaus dadurch in Noth und Armuth gerathe. Bei diesem Streite "wegen der Proprietät" hatte nun der Kastenvogt wohl auch seine Hand im Spiele; er mochte mit den Religiosen gemeinschaftliche Sache machen im Verzehren des Klostervermögens.

Der Nachfolger des ermordeten Prälaten (eines Angehörigen der hüfingischen Patrizier-Familie Schuldheiß) in der Abtswürde zu S.Märgen war Johann Schlegele, wahrscheinlich einer der Widersacher desselben, welcher darum auch der Nemesis verfiel. Er gerieth wegen der Kastenvogtei mit den Blumenekern ebenfalls in Streitigkeiten, die einen so leidenschastlichen Character annahmen, daß es zu einer Aufregung und blutigen Verfolgung gegen ihn kam, wie im Jahre 1355 gegen Abt Konrad. Als der Prälat am 27sten December 1401 von Merdingen nach seinem Gotteshause zurückkehren wollte, wurde derselbe in der Hohlgasse unweit des Dorfes von Bewaffneten überfallen und meuchelmörderisch erschlagen. (
Die Series abbatum sagt: Johannes II, 1390. Hic a nobilibus (de Blumeneck) propter defensionem jurium et libertatis ecclesiasticae miser trucidatus est prope pagum Merdingen, anno 1401, die 29ma Decembris. Man brachte seinen Leichnam nach Freiburg begrub ihn im Chore von Allerheiligen. P. Adams Aufzeichnungen)

Welche Zustände sittlicher Verkommenheit, welch´ein Treiben der Herrsch- und Habsucht, des Hasses und der Rache, der Gewalt und List verrathen diese Geschichten ! Eine einzige Oertlichkeit innerhalb eines einzigen Jahrhunderts liefert eine so volle Reihe von Rechtsverletzungen, von Eid- und Vertragsbrüchen, von erbitterten Streithändeln und räuberischen Zugriffen, von Kirchenschändungen, Bannflüchen, Verfolgungen, Einkerkerungen und Morden ! Ein Abt mit allen Religiosen aus dem Kloster in’s Elend getrieben, ein anderer mit drei Conventherren festgenommen und eingekerkert, zwei weitere gewaltsam überfallen und erschlagen, ein fünfter von den eigenen Conventualen ermordet - das Alles während der Lebensfrist eines Siebzigers !

Aber freilich, es waren die Zeiten des langen Thronstreites der deutschen Könige und der avignonischen Gefangenschaft der Päpste; die Zeiten des schwarzen Todes, der Geißelbrüder, des Städtekrieges, des ausgeartetsten (
Ausgeartet kann in soferne gesagt werden, als das jus talionis (jus manuarium, vindictae propriae) wirklich ein Recht war, das der Selbsthilfe, wenn nach erfolgtem Rechtsgange und Urtheilsspruche die öffentliche Gewalt zu schwach war, das Urtheil zu vollziehen) Faustrechts und jener gesellschaftlichen Zersetzung, aus welcher später die Glaubenstrennung und der Bauernkrieg hervorgegangen. Wie diese traurigen Zustände damals alle Schichten der Gesellschaft bis in die kleinsten, innersten Verhältnisse des Lebens hinein durchdrangen, das zeigen eben solche Specialgeschichten einzelner Oertlichkeiten auf´s Sprechendste.

In Folge des begangenen Mordes wurden die von Blnmeneck auf Andringen der Stadt Freiburg, wo die Marienzelle das Bürgerrecht besaß, in Acht und Bann erklärt; scheinen sich aber wenig darum gekümmert zu haben, da sie bei neun Jahren hartnäckig darin verharrten, bis endlich Erzherzog Friderich von Oesterreich durch seinen Landvogt im Breisgau ihren Streit mit dem Gotteshause schlichten ließ, wornach sie demselben seine verbrieften Rechte ungeschmälert zu gewähren und zur Genugthuung für seinen erlittenen Schaden 7 Pfunde Pfenningmünze jährlichen Zinses zu entrichten verpflichtet waren. (
Diese Richtung kam zu Stande, nachdem S.Märgen im Jahre 1404 den Vertrag von 1375 erneuert und dem Herzoge Friderich von Oesterreich "die Vogtei, Schirmung und Handhabung des Gotteshauses" übertragen hatte, nach dem Wortlaute des Richtbriefes (gegeben zu Freiburg am S. Ambrostage, den 4. April) "zwischen Abt und Convent und ihren Helfern einer-, und den Gebrüdern Heinrich, Martin, Rudolf und Ottmann von Blumeneck und ihren Knechten und Helfern anderseits, nach langer Feindschaft, worin leztere den Abt leiblos gemacht, weshalb die Stadt Freiburg sich ihres Mitbürgers angenommen und die Blumenecker mit ihren Gesellen rechtlos machen und verläuten lassen.")

Im Jahre 1402 hatte Johann III. die Abtswürde von S.Märgen erhalten und 1410 folgte ihm Rudolf I., unter dessen Verwaltung das Kloster durch eine Feuersbrunst völlig in Trümmer und Asche sank. (
Diese Brunnst vernichtete das Klostergebäude völlig. P. Adam führt darüber die am Neubau in Stein gehauenen Verse an: "Cella s. Mariae heiß ich warlich, Anno 1430 verbrann ich schandlich, mit Gloken Orglen, Kelchen, Büchern und allen Dingen. Die haben wir sither nit mögen wieder bringen. Abt Erhart Rotkopf hat mich erbauen im jar 1493 zu Ehren Gottes und Mariä fürwar.") Und noch waren diese nicht weggeräumt, als unter dem nächsten Abte Peter II. auch die Streitigkeiten, "die Mißhellungen, Spänne, Urluge und Kriege" mit den Schirmvögten wieder begannen. Nach mehrjährigen höchst verderblichen Hader "wegen Schulden, Gütern, Zinsen und Rechten" kam es zu einem Rechtsgange vor dem geistlichen Richter zu Constanz.

Engelhard von Blumeneck entschuldigte seine Zugriffe hauptsächlich mit der Klage, daß die blumeneckischen Jahrzeiten im Kloster nicht mehr abgehalten würden; der Sachwalter des Klosters schlug ihn aber mit der Frage: wie die Abhaltung der Jahrzeiten möglich gewesen, so lang das Klostergebäude in seinen Trümmern (
Die Messe sei längere Zeit nicht mehr gelesen worden, weil "das Kloster mit der Kirche ganz uf den Grund verbrunnen wäre gesin, also daß daselbs Nieman gewonen mocht.") gelegen? Seit es wieder in soweit hergestellt worden, lese man auch die Jahrzeitmessen wieder, wie früherhin.

Da Junker Engelhard sich in den rneistert Streitpuncten überwiesen sah, gelangte man unter Abt Anton, dem Nachfolger Rudolfs, am 7ten Heumonat 1435 zu einem endgiltigen Vergleiche, wonach das Kloster die geforderten Rückstände und Zinsen von den Blumeneckern bezalt erhalten sollte. (
Das Schiedsgericht bildeten: Meister Hans Resch, Official als "Obmann", Johann Lüti, Decan am Münster, und Ludwig Reichart, Licenciat, Pfarrer zu S. Stephan (zu Constanz) "als Gemeiner", alle Drei als "schlechte Richter, Schiedleute und freundliche Uebertrager". Alte Abschrift des Vergleichs in einem Archival-Aetenheft über den Güterstand des Klosters S.Märgen von 1468 bis 1605. Darin ist folgender interessante alte Aufschrieb "wie vnd warumb der verkouff geschechen" enthalten, dessen naive Darstellung die damalige Zeit sprechend bezeichnet.

"Zuom ersten ist das gotzhus in großen schulden gelegen vnd hatt´ es vil zins vnd gült vszegeben, die da vfgenomen waren vnder den äbbten als das gotzhus zweymal verbrunnen ist mit glocken, büchern, kelchen und allen gezierden; ouch da das gotzhus in großen kriegen gewesen der Schnöwlin halb, die den abbt vnd convent gevangen leiten vf jr schloß Wißneck vnd das gotzhus siben jar ganz wiest vnd ced lag. Da nam das gotzhus vil zins vnd gült vf sieh bis man die
Schnöwlin vnd jr helfer in bäpstlichen bann thet, vnd ouch in der widerwertigkeit der Bluomenecker vnd Landecker vf dem schloß Wißneck, die da wolten kastvögt sin, vnd warens nit, dann allein nachvolgend vögt, so ein abbt über das bluot nit zuo richten hat, vnd gaben die Castvogty einander ze koufen vnd was noch nie keiner von abbt vnd convent zuo eime Castvogt vfgenomen."

"Zuom andern waren etlich des gotzhus Eigenlüt selber wider das gotzhus, vnd so sie ein abbt strafen wolt, so liefen sie zuo herrn Hannsen von Landeck vmb schutz vnd schirm, vnd sagten dem gotzhus vf ein zit selber abgesagte findschaft, vnd hatten angeschlagen, wie sie dem gotzhtcs das vieh nemen wölten vnd nach Castelberg getriben haben. Vnd wolten einen abbt nit für einen herrn han, sonder in aller vngehorsame strebten sie wider das gotzhus, vnd hatte das selb nit schirm noch hilf, dann der Vogt vffenthielt (nahm) die buren in schirm vnd was selber wider das gotzhus."

"Zuom dritten wolt herr Hanns von Landeck als nachfolgender vogt ein Castvogt sin vnd nam dem gotzhus vil gerechtigkeit, also daß eim abbte vnd convente von freveln, stüren vnd anderem nüt gefallen mocht, wann herr Hanns täglich im hader lag, vnd mocht das gotzhus in keinem friden mit im sin, vnd muoßt täglich mit jm zuo recht vnd zuo großen costen ligen, vnd ee ein sach gericht ward, so hatt er ein ander sach fürgenomen."

"Also verkouften abbt vnd convent die guote herrschaft, deren sie nit mochten nutz haben, sonder schaden, einer statt Friburg, in hoffnung, sie solte dem gotzhus glichs vnd billichs thuott vnd in ander weg genüßen lan, vmb 4800 guldin in der gestalt, daß die von Friburg vf sich genomen, so vil zins vnd gült für das gotzhs ze zinsen, als sich an den houptsummen derselbigen zins getroffen hat, vnd haben kein bar gelt gegeben, dann by 400 guldin, damit man die schulden bezalt, vnd die 11 pfund gelts, darumb das gotzhus den hof wider zuo sinen handen genomen. Darumb dann die von Friburg das gotzhus vnd sine vnderpfänder vnd verschribungen geledigot solten haben, vnd aber das bishar nit wöllen thuon, wie wol sie bishar int namen des gotzhus gezinset haben, vud aber alle zinsherren ab dem gotzhus vnd nit ab der statt versichernuß haben, darumb dann das gotzhus sins koufs noch ni bezalt ist."
) Die Ritter scheinen ihrer Verpflichtung nachgekommen zu sein, das Gotteshaus fortan in Frieden gelassen zu haben. Leider aber genoß dasselbe dieser Ruhezeit nicht lange; denn im Jahre 1450 verkauften die Blumenecker die sanctmärgische Vogtei wieder an die Familie Schnewelin, und damit begannen die alten Streitigkeiten, Intriken und Verfolgungen neuerdings.

Johann Schnewelin von Landeck, welcher das sanctmärgische Vogtamt wieder an sich gebracht, trat auch völlig in die Fußstapfen seiner Vorderen. Denn nicht allein riß er unter dem Vorwande der Vogtei viele von den Stiftsgefällen an sich, sondern begünstigte auch die Böswilligkeit der Eigenleute des Klosters in einer Weise, daß sie sich erdreisten durften, demselben sein Vieh wegnehmen zu wollen und dem Abte frevlerisch den Gehorsam zu verweigern. Diese Uebelstände giengen sofort auch auf die folgenden Vorsteher Rudolf II, Johann IV und Johann V über.

Die geistlichen Herren zu S.Märgen hielten scharf an dem Unterschiede fest zwischen Schirm-Vogt und Kasten-Vogt. Jenes war der Vorsitzer des Blutgerichts, der Vollstrecker der Gerichtsurtheile, der Beschirmer gegen feindliche Gefahr und der Handhaber der öffentlichen Sicherheit; dieses der Oberaufseher und Controleur über das weltliche Besitztum und Vermögen des Klosters (
Schirmvogt wird urkundlich mit advocatus oder defensor, Kastenvogt aber mit praefectus granarii oder administrator aerarii gegeben). Bei den ursprünglichen Vögten von Hohenberg vereinigten sich beide Eigenschaften, als aber die Vogtei in andere Hände übergieng wollten die Marien-Zeller nur den Gerichts- oder nachjagenden Herrn gelten lassen, während die Wiesenecker, Blumenecker und Landecker sich das Kastenamt anmaßten und das Schirmamt vernachläßigten. Das Kloster strebte nach unabhängiger Verwaltung seiner Güter und betrachtete die Behauptung des Kastenamtes durch die Vögte als Eingriff in seine hergebrachten Rechte, und hierin lag der Kern alles Haders mit denselben.

Als der Prälat Johann V., aus der Familie Fähr geürtig, die Verwaltung der Marien-Zelle am Schlusse des Jahres 1461 übernahm, befand sich dieselbe wegen der bisher erlittenen Bedrückungen und Verluste in einem so herabgekommenen und verschuldeten Zustande, daß das bedrängte Kloster nicht mehr glaubte, sich noch länger aufrecht erhalten zu können. Abt und Convent griffen daher zu dem verzweifelten Schritte, ihr ganzes Widemgut, mit Außnahme der Kirche und des Zehenten (zur Erhaltung eines Leutpriesters) an die Stadt Freiburg zu verkaufen. (
Der Kaufbrief vom 29sten April 1462 (über die Obervogtei zu S.Märgen, den Dinghof zu Zarten, die Höfe, Güter und Lehen zu Burg, Bickenreute, Vertisberg, Schweighof, Glashäusern, Bangermoos und Bernhaupten, im Erlenbach, Dietenbach, Atten- und Zartenthal, in der Wagensteige und Spirznach) ist abgedruckt bei Schreiber II, 473; ebenso die Urkunde vom 4.ten November 1463, worin die Familie Schnewelin von Landeck auf ihre Vogtrechte im sanctmärgischen Gebiete verkaufsweise verzichtet) Dieses Gutsgebiet hatte eine Ausdehnung von 4 Stunden in die Länge und ebenso vielen in die Breite; es begriff in sich gegen 3000 Jaucherte an Waldung, bei 80 Bauernhöfe und über 90 Erblehen, wovon die Inhaber sämmtlich den Abzug, das Drittel, den Ehrschatz, den Sterbfall die Schatzung entrichteten.

Der Kaufschilling betrug 4800 Gulden, was nicht einmal die Hälfte des Werthes der Güterstücke war. Und auch davon wurden nur 1000 Gulden baar bezahlt, indem die Stadt für den übrigen Theil der Summe die Klosterschulden übernahm, welche sie aber weder gehörig berichtigte, noch dem Kloster die schuldigen Schadlosbriefe ausstellte. Ja, sie verschaffte sich auf eine listige Art die sämmtlichen Kloster-Urkunden und maßte sich sofort noch mehreres an, als der Kauf enthielt, worüber bei der Regierung zu Ensisheim lange Zeit gerechtet wurde.

Bezeichnend für die Art und Weise, wie die Stadtherren bei dieser Kaufhandlung zu Werke gegangen, dürfte der erwähnte Auftritt wegen der Urkunden sein. Nach dem Abschlusse des Geschäftes nämlich kamen etliche Rathabgeordnete nach Allerheiligen und verlangten sämmtliche den Kaufgegenstand betreffenden Briefschaften. Es war gerade vor dem Mittagessen, wo die Religiosen nicht mehr Zeit genug hatten, die Schriften gehörig zu verlesen. Daher sagten die Abgeordneten: »Liebe Herren, vertrauet uns die ganze Lade mit den Briefen an, nach dem Inbiß wollen wir auf dem Kaufhause darüber sitzen, was zum Kauf gehört, für uns behalten und das Ueberige Euch ehrbahrlich wieder zu Handen stellen."

Dieser Versicherung aber zum Trotze behielt die Stadt die Urkunden allesammt zurück und weder Abt Johann, noch seine Nachfolger, wie oft und inständig sie auch deren Rückgabe begehrten, konnten dieselben erhalten. Nur die wenigen Gnadenbriefe, worin das Haus Oesterreich die Marien-Zelle in seinen Schutz genommen, lieferten die Stadtherren während einer Anwesenheit des Herzogs Sigismund auf dessen Verwenden wieder aus. (
Wie die Deductio genuina facti speciei wegen Alienation der Fundationsgüter (von 1747) nach einem Aufschriebe von 1468 berichtet)

Nach dem Verkaufe von S.Märgen begaben sich die wenigen Couventualen nach Allerheiligen zu Freiburg bis auf drei, wovon der eine die Pfarrei des Ortes, die beiden anderen den Gottesdienst zu Hüfingen und Weil versahen. Abt Johann V aber verstarb im Jahre 1474. "Möge ihm der Himmel", meinten seine Nachfolger, "den unlöblichen und grundschädlichen Schritt des Klostergüter-Verkaufes gnädiglich verziehen haben".

So hatten denn die Schirmvögte von S.Märgen dieses unglückliche Kloster, wie ein verfolgtes Hirschthier, endlich zu Tode gehezt Es gab keine Marien-Zelle mehr - die wenigen Ueberbleibsel des erloschenen Gotteshauses fristeten sich zu Allerheiligen ein kümmerliches Dasein. Doch aber war der Lebensgeist der übersiedelten Anstalt nicht erloschen; denn hier, in dem beschränkten, durch die Schicksale der Stadt und Festung Freiburg viel bedrohten und oft bedrängten Klösterlein, arbeiteten die Pröpste unablässig daran, den Verkauf von 1462 rückgängig zu machen und die frühere Abtei wieder herzustellen.

Nach dem Hingange des lezten Abtes der alten Marien-Zelle folgte Ehrhard Rotkopf als erster Propst zu Allerheiligen, welcher mit seinen Conventbrüdern die sanctmärgische Verkaufshandlung einer genauen Untersuchung unterwarf und dabei eine Reihe von Gründen ihrer Ungiltigkeit auffand. Die hanptsächlichsten lagen darin, daß die Stadt Freiburg ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen, den Kauf überschritten und die dem Kloster gehörigen Briefe zurückbehalten; sodann, daß im Stiftungsbriefe der Marien-Zelle eine solche Veräusserung verboten, wie überhaupt nach geistlichen Rechten null und nichtig sey.

So war unter Anderem in der Kaufurkunde der Wald zu Attenthal ausdrücklich vorbehalten, damit der Convent hinreichendes Brennholz erhalte; da aber sagten die Freiburger Rathsboten: "Was befürchtet ihr? Nehmt ein Beispiel am Spital und Gutleuthause, welchen man Holz genug gibt." Die Conventherren glaubten diesen Worten und meinten daher, sie würden wie das Kind im Hause sein. Die Gevatterschaft hatte jedoch bald ein Ende; denn schon nach wenigen Jahren mußten dieselben alles Holz zum Brennen und Bauen mit ihrem Gelde erkaufen, als der Kloster-Karrcher einstmals ein Fuder Abholzes geladen, wurde er eingesteckt und hoch gestraft (
Oben angeführte Deductio genuina Auszüge aus den Freiburger Rathsprotocollen von 1464.).

So mußte es aber kommen, daß die Gemeinde zu Freiburg über die Unbilden, welche man den Conventherren von Allerheiligen zufügte, selber Verdruß schöpfte, und das Gemeindegut besser verwaltet haben wollte. Es wurde daher im Jahre 1490 von den Zünften ein Ausschuß gewählt, um die Streitigkeiten mit dem Rathe und dem Gotteshause beizulegen, wovon der Erfolg ein Vertrag (
Der Vertragsbrief ist vom 8ten Februar 1490. Die ganze Streitsache war vergeblich jahrelang im Rechtswege betrieben worden, da nahmen sich die 12 Zünfte derselben an und schlichteten sie, nach vieler aufgewendeten Mühe) war, worin "verzeichnet stund, was hätte sollen gehalten werden."

Abt Ehrhard mußte aber nicht allein vom Freiburger Stadtrathe vieles Widerige erdulden, sondern mehr noch von seinen eigenen Conventbrüdern, welche der unruhige Pater Lucas gegen ihn aufhetzten. Er hatte Geld aufgenommen, auch eine Bettelsteuer gesammelt und damit die Klostergebäude (
Der constanzische Weihbischof Daniel, wie seine Beurkundung sagt, chorum ecclesiae reconsecravit, cimiterium reconciliavit. die VI mensis Julii 1492) erweitern lassen, um sofort auch die Anzal seiner Religiosen und den Gottesdienst zu vermehren. Dieses fanden aber die Conventualen nicht in ihrem Interesse, da sie eine Verringerung ihres Einkommens befürchteten, oder von den Stadtherren aufgestiftet waren, welche sich weigerten, zur Klostererweiterung (selbst für gutes Geld) das Bauholz herzugeben.

Das innere, immer leidenschaftlicher anftretende Zerwürfniß nöthigte endlich den bedrängten Prälaten, beim Bischofe zu Constanz um eine Visitation des Klosters anzuhalten (
Besonders beklagte sich der Abt über den Conventualen Lucas, welcher ohne Urlaub nach Kreutzlingen gegangen. Er richtete deshalb unterm 18ten Februar 1494 an den Bischof ein Schreiben, worin es heißt: "Vnd waiß ich nit, ob er üwer Gnaden antwürt bat geben oder nit, oder wo er ist, oder was sini geschäfft sind. Das wöllt ich gern wissen, dann er die andern Conuentbrieder ganz an sich gehenkt hat, und was er tuet oder lat, verwilligt der Conuent. Harumb so er doch nit baß will vnd tuet, ließ ich geschechen, daz üver fürstlich Gnaden ein burgvogt zue Gotlieben vß jm machti, vnd er Diener hetti, wie man einem widerspennigen vngehorsamen Man dienen soll (d h. der Bischof möge den P. Lucas in seinem Schlosse Gottlieben einsperren lassen). Vnd das begerti ich nit vmb Rach willen, sondern um billicher notturfft willen, daz üver fürstlich Gnad und ich nit also frevenlich verachtet würden; dann er hat gesprochen, er geb’ nütz vmb ein Bisrhoff von costenz. So git er ouch nütz umb min mandieren. Harnmb beger ich diemietetlich, mir armen vnd vil verachteten Man ab der sach zue helffen. Denn je lenger si verzogen wirt, je schedlicher si wirt; wonn das gotzhus fust zue arm ist, cost vnd erpenz zue liden.), welche ihm auch zugesagt wurde, wogegen aber der Convent in sofern protestierte, als er allein den Abt von Kreuzlingen zum Visitator annehmen wollte. (Actenstücke, die Visitanon des Klosters Allerheiligen zu Freiburg betr. von 1476 bis 1765) Die Sache gerieth in’s stocken und der vielfach angefeindete Abt Ehrhard verstarb darüber, am 20sten November 1502.

Es folgte ihm in der äbtlichen Würde der Pater Lukas Wetzel (gebürtig von Herrenberg), durch dessen aufopfernde Thätigkeit die Klosrer-Oekonomie wieder frisches Leben bekam. Derselbe lie ein neues Urbar verfertigen (
Dasselbe ist ein stattlicher Foliant von 170 Pergamentblätern und trägt die Jahrzahl 1507. Es beginnt mit der interessanten Dorsöffnung von Merdingen; dann folgt die Beschreibung der Güter und Zinse zu Merdingen, Rimsingen, Gündlingen, Gottenheim, Waltershofen, Ihringen, Riegel, Balingen, Eichstetten, Malterdingen, Amoltern, Endingen, Weil, Wellingen, Königschafhausen, Adelhausen, Freiburg, Herdern, Wendlingen, Schallstadt, Ebringen, Schlatt, Opfingen, Scherzingen und Mengen, also in 25 Ortschaften des Breisgaues) und brachte im Betreffe des Rückerwerbes der sanctmärgischen Stiftungsgüter den Stadtrath dahin, sich auf Rückgabe gegen den Kaufschilling unter gewissen Bedingungen einzulassen. Lukas aber verstarb während des Handels, und als sein Nachweser Leonhard Wolf das Geschäft schon beinahe zum Abschlusse (Schon am 16ten Juni 1515 war die Kaufhandlung urklich aufgesetzt worden, wornach das sanctmärgische Fundationsgut um den Kaufschilling wieder an das Kloster zurückfallen, die Stadt Freiburg aber die Schirm- und Kastenvogtei über dasselbe erhalten sollte) gebracht, kam am Vorabende von Philippi und Jakobi 1518 ein Brand im Kloster aus und legte solches bis auf die Kirche gänzlich in Asche (P. Adam berichtet: "Im Jahr 1518, auf Plnlippi und Jacobi Abend, ist das Gotteshaus Allerheiligen bis an die Kirch totaliter verbrunnen, also daß Niemand mehr darin wohnen können"). Obwohl nun im folgenden Herbste der Wiederkauf von S.Märgen auf der Grundlage des vorigen Vertrages neuerdings verhandelt wurde, so gelangte derselbe in Folge des schweren Braudunglückes gleichwohl nicht zur Ausführung (Die Erneuernng des Kaufvertrages vom 16ten Juni ist gegeben Mitwochs nach Allerheiligen (den 7ten November)), und das Gotteshaus Allerheiligen verblieb in einem so kümmerlichen Zustande, daß nach dem Hingange Leonhards im Jahre1537 kein Propst mehr gewählt wurde. Denn die Conventbrüder waren bis auf den einzigen Mattheus Huber abgegangen, der die Klostereinkünfte sofort als Administrator verwaltete.

Indessen warf der Abt von Kreuzlingen seine Blicke auf das verödete Klösterlein und brachte es zu Constanz und Rom dahin, daß dasselbe seinem Stifte einverleibt wurde, um ihn wieder aufzuhelfen. Allerheiligen erhielt sofort den Abt Heinrich von Hugshofen (aus dem Edelgeschlechte von Jestetten) zum geistlichen und weltlichen Verwalter (
Abt Georg von Kreuzlingen macht bekannt: Nachdem das Kloster S.Märgen (mit seiner Propstei Allerheiligen zu Freiburg) vor vielen Jahren niederbrannt, daß sich Abt und Convent nach Freiburg in die Propstei Allerheiligen retten mußten; so habe er daselbst die Abtwürde aufgehoben und den Abt Heinrich von Jestetten zu Hugshofen zum Propste und Administrator ernannt. Urkunde vom 10ten November 1546.), einen Mann, welcher für die dortigen Augustnier mit redlichem Eifer Alles that, obwohl er eines andern Ordens war, das Kloster wieder baulich herstellte, neue Novizen anlockte und die sanctmärgischen Stiftungs-Güter wieder zu erringen suchte.

Die Freiburger aber, welche im Jahre 1555 beim Kaiser über die schlechte Wirtschaft der im Bereiche der Stadt gelegenen Klöster inständige Klagen erhoben und um deren Beaufsichtigung (wiewol vergeblich) nachgesucht, machten dem guten Prälaten "das Pflaster gar zu heiß", so daß derselbe in der Angelegenheit des Wiederkaufs von S.Märgen unterliegen mußte, da ihm auch von Seiten seines Ordens keine Unterstützung zu Theil ward (
P. Adam nach den urkundlichen Berichten).

Eine andere Niederlage erlitt Abt Heinrich in seinem Bestreben, die Pfarrei Haslach bei Freiburg dem katholischen Gottesdienste zu erhalten. Denn der Markgraf von Baden-Durlach, unter dessen politische Oberhohheit dieses Dörflein gehörte, wollte daselbst einen lutherischen Prediger haben. Bis zum Jahre 1556 gelang es dem eifrigen Prälaten, die Haslacher Kirche durch einen Priester von Allerheiligen aus versehen zu lassen; hierauf aber mußte er der Gewalt weichen, da demselben die Kirchentüre verschlossen und der Zehenten genommen wurde (
Derselbe, S. 35, und eine Protestation des Propstes, mit beigefügter Zeugenaussage, von 1557), was dem Prädicanten zur Pfarre verhalf.

Nach so vielen Mißgeschicken und Beeinträchtigungen mußte der Administrator auch den Unfall noch erleben, daß im Jahre 1560 die Kirche und das Pfarrhaus zu S.Märgen, welche von dem ehemaligen Kloster allein noch übrig geblieben, durch eine Feuersbrunnst gänzlich im Rauche anfgiengen. Dadurch müde gemacht, trat er von seiner
Verwaltung zurück (er verstarb im Jahre 1611) und überließ Allerheiligen im Jahre 1574 dem Pater Michael Pantalny welcher aber schon nach Jahresfrist verstarb worauf Pater Ulrich Stählin die erledigte Stelle erhielt. Dieser war ein Mann von hervorragender Geisteskraft, Rechtskenntniß und Beredtsamkeit, der sich als tapferer Verfechter der Gerechtigkeiten des Gotteshauses gegen die Angriffe der Freiburger erwies, und daher auch billig den Titel eines Propst es wieder erwarb.

Seine Hauptbemühung war auf die Wiedererlangung der sanktmärgischen Güter gerichtet. Was frühere Vorsteher schon mit einigem Glücke versucht, hoffte derselbe mit Hilfe des Dr. Martini durchzuführen. Er legte in einem besondern Rechtsgutachten aus den alten Akten dar, "mit welcherlei arger List und Praktik" diese Güter an die Stadt gekommen, wendete sich damit an den Kardinal Andreas von Oesterreich, und als die Sache hier auf die lange Bank geschoben wurde, an den apostolischen Legaten. Dieser ließ Bürgermeister und Rath von Freiburg vor den Ordinarius nach Constanz zitieren, worüber sich dieselben aber mit der Bitte an die Regierung zu Ensisheim wendeten, sie vor solch’ ungewöhnlichem Rechtszuge zu schützen.

Die Regierung nahm sich auch der Freiburger ernstlich an, und verwies es dem Propste scharf, daß er die gute Stadt mit seinem Prozesse vor fremden Richtern verfolge. Hiedurch erschreckt, von seinen Consorten verlassen, ohne Geldmittel, mußte Stählin der Sache müde werden. Er ließ sie daher stecken, und gerieth jezt hinter die Alchimie, um sich auf diese Art zu bereichern; da es ihm aber ebenfalls anstatt des Goldes nur Rauch eintrug, so nöthigten ihn Armuth und Ueberdruß, im Jahre 1609 zu resignieren.

Sofort erschienen der constanzische Generalvikar und der Abt von Kreuzlingen zu Allerheiligen und sezten den kreuzlingischen Küchenmeister Jakob Geiger (aus Langen-Argen gebürtig) zum Propste ein. Dieser Herr ließ sich die Wiederherstellung des verarmten Gotteshauses aufs ernstlichste angelegen sein. Er ritt allenthalben auf die Klosterbesitzungen, um zu inventieren und Rechnung einzunehmen und vermehrte dadurch die jährlichen Gefälle um 70 Mutt Früchten; er bewirkte die Einverleibnug der Pfarrei Zäringen (
Der Freiherr M.J. Schenk von Castell und J.H. Giel von Gielsberg mit ihren Frauen Kunegund und Magdalena, Töchtern des Gabriel Schnewelin-Bärenlapp von Bollsweil, vermachen dem Gotteshause Allerheiligen den Kirchensatz zu Zäringen gegen die Verbindlichkeit eines ewigen Jahrtages mit Seelvesper, Seelamt und Grabgang. Urkunde vom 17ten October 1645) mit dem Kloster, verschaffte demselben einen eigenen Brunnen, erneuerte die Kirche, erweiterte das Convent und brachte den Gottesdienst wieder in Aufnahme.

Besonders aber suchte Jakob auch die Rechte und Freiheit seines Gotteshauses gegen die Zumuthungen des Stadtrathes von Freiburg zu verfechten. Es handelte sich namentlich um die Kastvogtei, die Satzbürgerpflicht und Gerichtsbarkeit. Der Rath behauptete, daß Allerheiligen, wie andere Klöster in der Stadt, seiner Vogtei unterliege, daß es zur Klasse der Satzbürger gehöre, vor dem Stadtgerichte sein Recht zu suchen und zu nehmen habe. Alles das widersprach der Propst, und wendete sich, als der Rath ihn im Jahre 1614 zu bedrängen begann, an die Regierung nach Eusisheim.

Darauf hin kamen der Statthalter von Stadion und der Kanzler Dr. Lindner nach Freiburg, und beschickten den Obristmeister Frauenfelder mit einigen Räthen neben den Propst zu sich in den Storken. Als sie erschienen, gab ihnen Stadion einen scharfen Verweiß, daß sie dem Hause Oesterreich in dieser Sache vorgreifen wollten. Die Herren suchten sich zu entschuldigen und die Rechte der Stadt geltend zu machen. Der Kanzler aber gerieth darüber in Zorn, schlug an den Degen, schalt sie "Knöpfe", und wendete sich mit der Aufmunterung an Geiger, sich nicht weiter in die Sache einzulassen, sondern im Falle neuer Anfechtungen bei der Regierung zu klagen, wo dem Kläger alle Assistenz werde geleistet werden.

Damit endigte diese Audienz. Auf dem Heiniwege bemerkte einer der Rathsherren gegen den Propst ironisch, wie väterlich Oesterreich die Klöster zu behandeln Pflege, um sie wieder auszusaugen, worauf ihm Geiger aber erwiederte: "Und wenn auch, so will ich lieber von einem Adler, als von einem Raben (
Ist eine Anspielung auf den Adler im kaiserlichen und auf den Rabenkopf im freiburgischen Wappen) gefressen werden."

Wie sehr indessen die Regierung das Kloster auch in Schutz zu nehmen schien, so war der zähe Stadtrath doch keineswegs geneigt, auf seine Forderungen gegen dasselbe zu verzichten. Es kam im Jahre 1629 zu weitwendigen Verhandlungen, wobei die Freiburger alle Mittel aufboten, um den Propst von ihrem Rechte zu überzeugen. "Aber, mein Herr Propst", sagte der Oberstmeister Federer eines Tages zu demselben, "wann wollt Ihr euch doch einmal in den Satz begeben, und solche herrlichen Favores gebrauchen?" Der schlaue Ordensmann aber erwiederte: "Es nimmt mich Wunder, was Ihr damit meinet. Beschreibt mir doch, was dieser Satz (
Unter Satz begriff man das Geld, welches Jemand für das Recht entrichten, in der Stadt wohnen und den städtischen Schutz genießen zu dürfen) für ein Thier ist. Ich merke wohl, man sucht etwas Mehreres - die Vogtei, wie über andere Klöster."

Federer dagegen meinte, "was das viel wäre? Man sitze eben bei der Rechnungs-Abhör, um zu sehen, ob auch gehaust werde, und nirgends begehre man einen Eintrag zu thun." Geiger fuhr jedoch fort: "Ich kann mich  nicht genug verwundern, daß die weisen Herren der Stadt mich meineidig machen wollen. Wissen sie denn nicht, daß ein Propst bei seiner Election und Confirmation dem Hause Oesterreich schwören muß, das Gotteshaus bei seinen Freiheiten und hergebrachten Gerechtsamen zu erhalten und keinen andern Schutzherrn zu erkennen? Wissen sie nicht mehr, was ihnen geantwortet worden, da sie früher einmal vom Kaiser die Inspektion über das Kloster begehrt? Wenn man, hieß es, bei Allerheiligen nicht gut hause, so werden der Regierung die Mittel dagegen nicht mangeln. So lang ich lebe, soll mich Niemand dazu bringen, dem Verlangen des Rathes zu weichen, und ich hoffe, daß auch meine Nachweser nicht so kindisch sein werden."

Bei dieser Hartnäckigkeit beider Theile konnte die Streitfrage zu keiner Lösung kommen, und noch wechselte man weitlåufige Schriften darüber, als der schwedische Kriegslärm 1632 auch in das Breisgau drang. Der Propst floh mitten im Winter nach Constanz, kehrte jedoch im Oktober 1634 wieder zurück, und beschloß am 6ten Juli des folgenden Jahres im Allerheiligen-Kloster, für welches er so unermüdlich gesorgt und gearbeitet, sein vielbewegtes Leben. (
P. Adam gibt dieses curriculum vitae des Propstes Jacob, von S. 39 bis 47 seines Auszuges)

Die Wahl des neuen Propstes fiel auf Konrad Henne, der sich aber als ein treuloser Hirte erwies, indem er 1638, gegen sein gegebenes Wort, vor dem Kriege nach Oesterreich entfloh und das Gotteshaus dem blinden Geschicke überließ. Die Kriegsübel brachen auch bald mit aller Macht herein, und fraßen nicht nur in kurzer Zeit das baare Klostervermögen auf, sondern machten auch die Entrichtung der Gefälle und Einkünfte unmöglich, wodurch die Religiosen genöthigt waren, das Kloster ebenfalls zu verlassen. Allerheiligen stund also völlig leer und wurde im Jahre 1644 von dem schwedischen Obersten Kanofsky an vier Orten unterminiert und so zersprengt, daß keine ganze Mauer mehr daran zu sehen war (
P. Adams Auszug, S. 47).

Nach dem münsterischen Friedensschlusse sammelten sich die wenigen Conventualen wieder und wählten den Pater Christoph Angerer zum Propste. In welchem Zustande der Verödung derselbe das Kloster übernahm, verrathet folgende Notiz von seiner Hand: "Den 3ten Februar 1651 sind die Trescher in der Conventstube fertig geworden, und den 3 ten April bin ich wieder in die Propsteistube gezogen, wo aber, wie überall im Kloster, außer den kahlen Wänden, nichts zu finden war." Doch gelang es diesem Propste bald, die nöthigsten Gebäulichkeiten wieder herzustellen und die Oekonomie wieder in gehörigen Gang zu bringen. So lebte man dann, wenig angefochtem bis in’s Jahr 1672, wo der leidige Franzosenkrieg die nämlichen Uebel über das Gotteshaus brachte, wie es der schwedische gethan.

Einquartierungen und Fruchtlieferungen folgten aufeinander, nach der schmachvollen Uebergabe Freiburgs im Jahre 1677 erlitt Allerheiligen nicht nur eine völlige Plünderung, sondern mußte auch, da die Stadt von den Franzosen neu befestigt werden sollte, mit einigen andern Klöstern als ein Opfer des Befestigungsplanes fallen.

Diese Zerstörung des Klosters war nicht mehr unter Propst Christoph geschehen, sondern unter seinem Nachweser Georg Konrad (gebürtig aus Rappertsweil), welcher nach einer kurzen, aber höchst unruhigen Verwaltung im Auguste 1682 verstarb und in der Kirche zu Zäringen beigesezt wurde. Die neue Propstwahl fand viele Schwierigkeiten, da sie vor einer königlich französischen Commission geschehen sollte, wogegen die Regierung zu Waldshut (
Wohin dieselbe vor der Belagerung der Stadt Freiburg durch die Franzosen sich geflüchtet hatte) das Capitel aufstiften lies, "indem sie ja das Kloster in der Stadt verloren hätten all’ ihre Gefälle von österreichischem Boden bezögen."

Man griff daher zu dem Auskunftsmittel einer geheimen Wahl, mit der klugen Vorsicht, gerade denjenigen zu wählen, von welchem man wußte, daß er auch von französischer Seite würde vorgeschlagen werden. Dieses war Pater Adam Schmid (ein geborner Breisacher), dessen Benennung durch den König auch schon im November geschah. Das Dekret blieb aber liegen, "weil der Wagen nicht geschmiert wurde", und gelangte erst im April des folgenden Jahres nach Freiburg, worauf dann endlich, obwol nur nach weitläufigen und kostspieligen Förmlichkeiten, die öffentliche Scheinwahl und Installierung vor den königlichen Commissarien im Conventsaale der Kapuziner vor sich gieng (
Zur Erinnerung an die französische Herrschaft über die Stadt Freiburg (von 1677 bis 1691) möge die königliche Bestätigungs-Urkunde über diese theuere Propstwahl, welche "mehr gekostet, als das Amt Werth gewesen", hier beigefügt sein).

Diesen ganzen Hergang beschrieb Propst Adam selber, wie auch seine folgende Kloster-Verwaltung in einem interessanten Tagbuche welches mit einer actenmäßigen Geschichte der Klöster S.Märgen und Allerheiligen beginnt und bis zum Jahre 1698 reicht. Ich theile die merkwürdigen Aufzeichnungen daraus hier wörtlich mit.

"Den 26sten Februar 1685 bin ich auf Arlisheim geritten, dem Herrn Weihbischof seine Behausung in Freiburg abzukaufen; hab’ auch am 28sten mit ihm abgeschlossen um die Summe von 2500 Gulden für das Haus zum goldenen Löwen und das zum Landeck mit Scheuer, Stallung, Heu und Fässern. Hernach hab’ ich vor löblichem Stadtrath angehalten um Ratifikation dieses Kaufs, wie auch um den Wiederkauf des Maierhofs zu S.Märgen. Am 9ten Mai bin ich deswegen zwar auf das Kaufhaus beschieden worden und daselbst erschinen, hab’ aber wenig ausgerichtet. Dann wegen des Hauskaufs hat man allerhand Extüsen vorgewendet, und wegen des Maierhofs vermerken lassen: S.Märgen seye ein kalter Ort, man könne keinen Kalk hinauf bringen, ich werde auch keine Religiosen dorthin bekommen, und dergleichen. Endlich, da ich auf meinem Begehren verharrt und zum drittenmal einen Abstand genommen, hat man gesagt, ich soll’ auf Mittel denken, man wolle von Seiten der Stadt auch sehen, damit mir geholfen werde"

"Den 28sten März 1686 ist Kirchenrechnung zu S.Märgen angestellt und zugleich Augenschein eingenommen worden, das Kloster daselbsten wieder zu bauen. Aber die Herren riethen mir alle ab, doch in Wahrheit nit wegen der beschwerlichen Lage des Ortes, sondern wegen des Maierhofs, den ich so inständig begehrt hatte. Dargegen erfolgte endlich die Ratifikation des Hauskaufs mit dem Herrn Weihbischof, und habe den ersten Wurf zu 1300 Gulden sogleich bezahlt."

"Den 4ten Februar 1688 hab’ ich abermals bei ehrsamem Stadtrath durch ein Memorial inständig angehalten um den Wiederkauf des Maierhofs zu S.Märgen, und die Antwort erhalten, man wolle mir einen Tag auf das Kaufhaus benennen. Es geschahe aber nit, und daher bin ich zu Ende Junis auf Straßburg, in der Meinung, bey Herrn Intendanten zu erlangen, was ich bei denen Herren zu Freiburg nit vermochte. Dietweil er aber in Landau war, hab’ ich eine Supplikation formieren lassen, darauf jedoch keine Antwort erhalten."

"Den 18ten März 1693 har ein ehrsamer Stadtrath zu mir geschickt: Ob ich gemeiner Stadt, weilen sie dermalen an Geld so hoch angelegt, und bis Johanni dem König von Frankreich 30,000 Franken erlegen sollte, das Gemeingut aber ganz erschöpft sey, nit den lezten Termin der königlichen Gelder, so ich wegen der ruinierten Güter (
Der König hatte eine Liste aussteilen lassen über die Entschädigung-Summen für alle durch den Freiburger Festungsbau dem Privateigentum entzogenen Gebäulichkeiten und Grundstücke) zu empfangen hätte, wollte lassen zukommen. Dieweilen ich nun auf solche Gelder wenig Hoffnung hegte, und die Herren der Stadt nit gern offendieren wollte, als welche selbige schon in Händen hatten, so hab’ ich nolens volens eingewilligt, bin auch deswegen mit der Einquartierung von ihnen verschont worden. Hodiernam praxin nemo sibi imaginari potest, nisi quam experitur."

"Den 16ten Februar 1694 begehrte man Frucht in das Kommiß; hab´ müeßen hergeben 16 Viertel Waizen und ebenso viel Roggen. Den 27sten begehrte man wieder Frucht in’s Kommiß; nach langem Märkten hab´ ich müeßen hergeben 20 Viertel Waizen. Den 4ten Mai begehrte man Geld zur Bezahlung der Guarnison, hab’ gelifert 300 Pfund."

Den 29sten hernach begehrte man Geld für den König als donum gratuitum, hab’ daran bezahlen müeßen 1000 Franken. Den 27sten August hat man die jährliche Contribution begehrt, worbei ich mit 400 Pfund bin angelegt worden."

"Den 7ten März 1695 hab’ ich bei löblichem Magistrat abermals ein Memorial eingeben um den Widerkauf des Maierhofs, aber keine solide Antwort erhalten. Dargegen ist am 28sten Juli ein Herr des beständigen Raths bey mir auf dem Kaufhaus gewesen, und hat mir in familiari oolloquio zu verstehen geben, daß es wohl werden könnte, wann man etwas dafür eintauschte, damit der Gemein das Murren verwehrt und der Rath des Uebelhausens nit culpiert würde."

"Den 10ten Dezember ist vom Herrn Intendanten zu Straßburg widerum ein Ansuchung gethan worden um ein subsidium voluntarium für den König, und weilen man zu wenig anboth, kam den 12ten Februar 1696 ein Expresser von Straßburg hieher, hat aber unverrichteter Dinge müessen abziehen. Den 12ten Mai ist man wegen der auferlegten Contribution im hiesigen Pfarrhofe beisammen gewesen und uns signifiziert worden, daß man sich mit der anerbothenen Summe nit werde begnügen können. Den 17ten Juli haben wir abermals vom Herrn Intendanten eine Anforderung erhalten, und sollten endlich eine schriftliche Resolution von uns geben."

"Den 23sten Juli hab’ ich neuerdings in einein übergebenen Memorial den Widerkauf zu S.Märgen begehrt, darauf den schriftlichen Bescheid erlangt: Ueber produzierte Requisition des Herrn Propstes von Allerheiligen seind zu bevorstehender Conferenz die Herren-Häupter, Herr Advocat, Herr Stadtschreiber, Herr Richer deputiert und die Sach´ denselben recommendiert worden."

"Den 9ten August ist abermal ein Exequierer wegen der königlichen Gelder hier ankommen, und uns des Herrn Intendanten Befelch und gegebene Gewalt vorgehalten worden. Haben also zum Kreuz kriechen, und nit allein das auferlegte Quantum, sondern noch alle Unkosten bezahlen müeßen. Das haben wir mit unserm langen Zögern ausgericht. Jezt ist schon eine neue Ordonanz für 1696 vorhanden, und das donum gratuitum noch zu erwarten."

"Den 22sten August ist auf mein eingebenes Memorial ein Tag auf dem Kaufhaus angestellt und mir auf mein Petitum repliziert worden: Was ich doch an einen so kalten und beschwerlichen Ort zu ziehen verlange, wo meine Vorweser nit haben bleiben können. Zu Freiburg hätten wir Güter, und würde auch junge Leut ehender erhalten, als dort oben. Darauf ich hab’ einen Abstand nehmen müeßen, welcher bei drei Stunden gewährt, und als ich wieder berufen worden, hieß es: Die Such wäre schwierig - wollten sich näher informieren; man könne so Etwas nit ans einmal ausmachen, man mueße deshalb wieder zusammen kommen; sie wollten unterdessen meiner Bestens bedacht seyn; doch wäre ihnen lieber, wann ich in der Stadt würde bauen."

"Bisher hab" ich Hoffnung gehabt, der Wilhelmiter ihr verlassenes Gotteshaus dahier zu bekommen. Dieweil aber solches zu einem Magazin gemacht und sobald nit wird geraumt werden, auch etliche derselben Herren selbsten wider ein Aug darauf geworfen, dann nit alle gern droben in der Einöde wohnen; so hab´ ich dise Hoffnung mueßen aufgeben, und wegen des Widerkaufs zu S.Märgen abermalen bey ein- und dem andern Herrn der Stadt solizitiert, aber nur Worte und gar nichts in re erhalten; wie sie mir dann wollten einschwatzen, den Güntersthaler Hof zu kaufen."

"Endlich ist der Schutterhof feil und mir anerbotten worden. Dieweil nun unser Wohnhans doch zu klein, so hab’ ich die Sach´ überschlagen und mich in einen Tausch und Kauf eingelassen. Den 17ten Dezember haben wir, Herr Prälat von Schuttern und ich mit Vorwissen beiderseitiger Conventer und in Beysein Herrn Fabrikpflegers Jäger und Rathsherrn Richer den Tausch und Kauf vorgenommen. Als man aber bey löblichem Stadtrath um Ratifikation einkam, wurde selbige nur mit dem Anhange bewilligt, daß dem Herrn Propst nit erlaubt seyn solle, ohne Vorwissen eines ehrsamen Raths den eingetauschten Schutterhof zu einem Kloster zu machen."

"Unter der Hand aber wurde mir gesagt, ich solle nur wieder mit einem Memorial einkommen, werde schon guten Bescheid erlangen - es seye eben nit so böß gemeint, als der Rathsbescheid laute. Welches ich dann gethan und den 3ten Februar 1697 ein Memorial eingegeben mit dem Begehren, entweders zu dem eingetauschten Hof noch mehr nothwendige Gebäude zur Auferbauung eines Klösterleins zu erhalten, oder den Hof zu S.Märgen. Worauf in löblichem Rathe beschlossen worden, man wolle mich nit aus der Stadt lassen, obwohl ich so truzige Schriften eingebe, sondern mir Platz genug zum Bauen einräumen. Es ist aber wiederum nichts geschehen, und sind mir die Hände also gebunden blieben."

Man ersieht aus diesen Stellen, mit welch’ kluger Thätigkeit der Propst für die Erhaltung von Allerheiligen und für die Wiederherstellung von S.Märgen gearbeitet. Er gieng aber zu Grabe, ohne lezteres ausgeführt zu sehen, und auch seine zwei nächsten Nachweser, die Pröpste Melchior Knoll und Dominik Simonis konnten nicht dazu gelangen (
Die bischöfliche Bestätigung derselben vom 22sten October 1698 15ten Jänner 1700. Knoll war ein Elsäßer und Simonis, der bei Kolb unrichtig mit dem Namen Jgnaz erscheint, ein Freiburger), da der eine schon 6 Monate nach seiner Wahl mit Tode abgieng und der andere während seiner kaum 4jährigen Verwaltung mit zu vielen Hemmnissen zu kämpfen hatte (Wie die Series abbatum bemerkt: Vitam adversitatibus magis quam morbo oppressus finivit anno 1713). Derselbe mußte noch die Wiedereinnahme von Freiburg durch die Franzosen erleben, kurz vor seinem Hingange im Winter 1713.

Erst dem Nachfolger des Propstes Dominik glückte es, in dieser Angelegenheit einen Schritt weiter zu thun, was bei den damaligen Zeitwirren und bei den schwierigen Verhältnissen des Klosters Allerheiligen nur durch einen Mann von entschiedenem Character und zäher Ausdauer geschehen konnte. Ein solcher aber war der kreutzlingische Chorherr Andreas Dilger, Doctor der Gottesgelehrtheit, welcher am 22sten December 1713 einstimmig zum Propste erwählt worden, wie sein eigener Bericht hierüber sagt, nihil tale cupiens aut cogitans. Die königliche Bestätigung jedoch erhielt auch er wieder nur "durch das Schmieren der Commissäre", und die bischöfliche wurde ihm erst nach dem Abschlusse des Rastatter Friedens, am 11ten August 1714 ertheilt.

Dilger stellte zunächst ein neues Gebäude für die Propstei Allerheiligen her, indem er jene vom Propste Adam erkaufte Wohnung in der Pfaffengasse (neben den Capuzinern) großentheils abbrechen und eine Kirche mit Vorder- und Hinderhaus errichten ließ. Am 12ten Jänner 1717 wurde der erste Gottesdienst daselbst gehalten, was man leider von verschiedenen Seiten mit scheelen Augen ansah (
Relatio omnium eorum, quac reaedificationem collegii et ecclesiae Omnium Sanctorum Friburgi concernunt, scripta ab Andrea praep. 1714). Alsdann ließ derselbe das verödete Kloster S.Märgen, wo die Kirche nebst dem Pfarrhause im Jahre 1704 (zum drittenmale seit den Tagen des Abtes Peter II.) in den Flammen aufgegangen, vom Grunde auf neu erbauen. Im Aprile 1725 wurde die Kirche eingeweiht und das Klosrergebäude begonnen (Ein hauptsächlicher Widersacher dieses Neubaues war der Pfarrer Dr. Helbing, welchen es ärgerte, daß das Gotteshaus Allerheiligen wieder aufkommen sollte, weil er gehofft hatte, dessen Gefälle seiner Pfarrei zu verschaffen. So behaupte: das Diarium I,5).

Aber, was Alles hatte der gute Prälat während dieser Bauzeit auszustehen! Von Außen her verursachte man ihm solche Schwierigkeiten, daß er sich im Jahre 1722 um Abhilfe nach Constanz begeben mußte; und im Innern zu Allerheiligen und S. Mårgen riß unter den Conventherren und Klosterleuten eine Wirtschaft ein, welche zu den garstigsten Händeln und Auftritten führte. Dilger befürchtete bei der Fortdauer dieses Unwesens den Wiederzerfall der Abtei, deren Neubau ihn bereits 40,000 Gulden gekostet. Er zog daher im Sommer 1724 selber nach der Marien-Zelle, um sowohl die dortigen sechs Religiosen, als den schwierigen Klosterbau zu überwachen.

Endlich aber überwand der unermüdliche Mann alle Schwierigkeiten. Am 2ten September 1729 zog Dilger aus dem Pfarrhofe, wo er bisher gewohnt, in das neue Gotteshaus, des anderen Tages folgten ihm die Chorherren und Dienstleute, worauf man am Festtage von Mariä Geburt wieder zum erstenmale seit 270 Jahren in der Kirche mit einem Tedeum den klösterlichen Gottesdienst abhielt. Mit wie gehobener Seele mochte der Wiederhersteller der Marien-Zelle an diesem festlichen Tage den Erfolg seiner langen Bemühungen empfinden!

Doch sollte ihm die Freude an seinem Werte bald wieder getrübt werden. Denn er gerieth nicht allein mit der Gemeinde zu S.Märgen in Verdrieslichkeiten, da dieselbe den verlassenen Pfarrhof als Eigentum ansprach, weil sie ihn baulich unterhalten müsse; sondern es lebte auch im neuen Klostergebäude der alte Geist der Zwietracht fort und die Conventherren machten dem Prälaten, wie früher, durch Zänkereien, Schmähungen und boshafte Verfolgungen das Leben sauer. Mit verbittertem Herzen schrieb Dilger noch bald vor seinem Hingange dieses in folgenden Zeilen nieder.

"Weilen ich schon 26 Jahre lang gearbeitet und beflissen gewesen, dise so lange Zeiten im Untergang ligenden Gotteshäuser Marienzell und Allerheiligen wider auszubauen, so hat der Teufel gar vielerley dagegen angestellet. Erstlich hat er an mich gesezet, ich solle nit zu Freyburg bleiben, welches etliche Jahr gedauert hat. Nachdeme ich elegiert worden und die Propstey Allerheiligen zu bauen anfienge, hat der Teufel die Capuziner darwider aufgehezet, da das alte Haus schon abgebrochen ware. Zugleich wurde ich krank, kunnte nit aufseyn, und der Pater Bartholomä verfolgte mich mit seier Bosheit und Unverschämtheit und that mir alle Unehr und Verachtung an."

"Um dise Zeit wollten die Pfarrkinder zu S.Märgen, ich solle die Kirche bauen, wo nicht, so wollten sie es thuen und dem Gotteshaus inskünftige keinen Zehenten mehr geben. Ich mußte also bey aller Krankheit nacher Constanz reisen. Es wollte auch der Ordinarius meine Election nicht confirmieren, und der Prälat von Kreuzlingen verklagte sie zu Luzern bey dem Legaten."

"Nachdem endlich dise trüben Wolken vergangen, und ich anfienge, Candidatos in den Orden anzunehmen, hat einer von ihnen, Johann Bino, ein Freyburger, der 14 Jahre bey den Jesuiten gewesen und Priester war, anno 1718 apostatiert und ist mit seiner Hure zu den Lutheranern übergegangen, wo er zu Lahr in steter Blutschand mit ihr lebt, dann sie geschwistrige Kinder sind."

,,Disem folgte Mattheus Schmid, ein Konstanzer, da er erstlich seine Dimission begehrt und erhalten, nachgehends wieder um die Aufnahm gebeten, welche ich gestattet, bald jedoch abermals mußte dimittiert werden. Worauf diser Bösewicht in seine Heimath gezogen, und mich bey dem Fürsten und Generalvicar dergestalt verläumdet, daß eine Commission herab kommen, den Handel zu untersuchen. Da sich nun nichts erwahret, ist er dem Gotteshaus wieder aufgedrungen und nacher Wyl zu Pater Jacob geschickt worden, allwo er ein ganz ärgerliches Leben geführt. Endlich hat er mich um Verzeihung gebeten und ist nach gethanem Wiederruf in das Kloster wieder eingelassen worden, hat sich aber nit gebessert, sondern sein Luderleben fortgetrieben."

,,Anno 1725 ist die Generalvisitation in´s Land kommen und ihr Pater Mattheus von Allen beschriben worden, weswegen dann die Herre Visitatores ihne in den Kerker thuen wollen, welches er vermerkte und zu den Lutheranern überlief, da er aber von ihnen keine Hilf bekam, nach Rotenburg zu den Kapuzinern und von da wieder nach Constanz gierig, wo er in seiner Mutter Haus ganz straflos sitzet."

"Eine andere Verfolgung haben die Capuziner wider mich und das Gotteshaus angestellt, sich beklagend, daß unser Gebäu und Gottesdienst ihnen schädlich sey. Nach vilen wider das Gotteshaus vorgebrachten Lugereyen ist endlich eine Commission von der Nuntiatur kommen, durch welche die Figural-Musik und das Choral-Amt am Werktag abgestellt, die zwey Chorfenster vermauert und die andern Fenster im Gebäu mit Brettern vermacht worden. Zu welchem Allem der Stadtpfarrer zu Freyburg als unser abgesagter Feind, trefflich geholfen; die Capuziner aber, sonderlich der Pater Guardian, ein Villinger, haben sich dessen höchlichst gerühmet, was kein Wunder ist, dann es sind dermalen unter ihnen gar hochmüthige und gleisnerische Leut."

"Anno 1724 im Junio habe ich meine Wohnung im Pfarrhof zu Marienzell genommen, allwo wir schon mehr als ein Jahr lang an der Kirchen gebauet. Anfangs ware ich ganz getrost, aber das üble Leben etlicher meiner Religiosen, und der Mangel an Gelegenheit, selbe thätlich abzustrafen, hat mir das alte Kreutz bald wider erneuert. Ein noch grösseres aber ist gewesen, da ich Bericht bekommen, daß der Herr Ordinarius zu Rom laboriere, unser Gotteshaus Allerheiligen an sich zu ziehen, welches auch von Luzern bestätiget, und endlich 1725 bey der General-Visitation zu Freyburg in Beiseyn des Stadtpfarrers und zweier Capuziner, ernstlich verhandelt worden."

"Am 17ten April 1725 haben die Maurer angefangen, die Fundamenter zu dem Bau des Collegii zu graben, und am 27sten dieses Monats ist der Weihbifchof von Constanz des Abends dahier angekommen, um die neu erbaute Kirche einzuweihen, welches am andern Tage feierlich geschehen, worauf des Nachmittags bei 1700 Personen gefirmet worden. Sodann haben seine Gnaden am folgenden Sonntag (29sten April) die 5 Kirchenaltäre consecriert und nach dessen Vollendung den ersten Stein zu dem Collegiatgebäu gelegt."

"Nach 4 Jahren endlich ist das Collegium fertig geworden, und habe ich dasselbe am 31sten August 1729 eingesegnet, worauf meine Religiosi canonici ihre Fahrnisse angefangen hineinzutragen. Am 2ten September bin ich zum erstenmal in dem neu erbauten Gotteshause übernachtet, und Tags darnach sind die überigen Confratres, wie auch die Bedienten eingezogen, worauf am Sonntag das primum prandium in novo Collegio stattgefunden. Auf den 15ten dises Monats aber habe ich den Herrn Prälaten von S.Peter und den Thalvogt von Kirchzarten zum Mittagessen und Einstand in das neue Haus eingeladen, welche auch bei uns erschienen. Der Prälat, welcher mit dreien seiner Religiosen gekommen, hat eine feierliche Messe gesungen, worauf wir ein Te deum laudamus gehalten."

"Was ich in disen bisherigen Trübsalen inwendig erlitten, ist nit rnöglich zu beschreiben. Es nahme aber noch kein End, sondern Pater Bartholomäus verfolgte zwei andere Patres mit so lästerlichen Worten, daß beyde mir klagten, sie könnten unmöglich bey disem Menschen länger wohnen, und wann ich ihnen erlaube, in ihre Heimath zu ziehen, so wollten sie sich bewerben, in andere Ordens-Collegien zu gelangen. Ich berichtete dises dem Herrn Decan nacher Freyburg, welcher mir zurieth, es zu erlauben, um größere Schand und Noth zu verhüeten. Nun wußte ich wol, was dise zwey eigentlich fort treibe; doch muß ich gestehen, wenn mich Gott nicht mit besonderer Gnad bewahret, so wäre ich auch fortgegangen."

"Ich bin auch wirklich im Zweifel, ob ich nit noch resigniere. Der große Geldmangel, die innerlichen Aengsten, die allerseits herkommenden Verfolgungen, der Mangel an guten Freunden, die Verlassenheit von geistlicher und weltlicher Oberkeit und vil Anderes seind mir Zeichen, daß der Herr habe beschlossen, dise beiden Gotteshäuser sollen in Kreuz und Trübsal auferbaut werden."

Zu einer Resignation kam es aber reicht, denn der 71jährige Prälat wurde bald nach diesen Aufzeichnungen aus dem Leben abgerufen; er verschied am 8ten März 1736. Als Dilger im Grabe lag, empfand man es erst, was derselbe für beide Klöster geleistet, und fast einstimmig erscholl das Lob seiner väterlich treuen und nachhaltigen Thätigkeit unter den Religiosen, wie sehr auch etliche davon im Leben seine Verläumder und Widersacher gewesen. "Ein schmerzlichstes Unglück", schrieben die Capitelherren von Allerheiligen an den Diöcesan- Bischof (
Das Schreiben, vom 9ten März 1736, bittet um einen bischöflichen Commissär behufs der neuen Abtswahl. Diesem Zeugnisse entspricht dasjenige des P. Baumeister (Il, 858)), "hat uns betroffen durch den Tod unseres unvergleichlichen, um das Gotteshaus allverdientesten Propstes Andreas."

Derselbe war zu Bermatingen im Linzgau geboren, hatte zu Kreuzlingen seine Profeß abgelegt, den Doctorgrad der Theologie und des canonischen Rechtes erlangt, als Professor einige Zeit gelehrt und hierauf die Decansstelle zu Allerheiligen in Freiburg erhalten, um diesem schwerbeschädigten Gotteshause "durch seine große Wissenschaft und Geschäftskenntniß wieder aufzuhelfen, worin er dem vorigen Propst Dominicus fleißig und getreulich nachgefolgt".

Dem Erhalter von Allerheiligen und Wiederhersteller von S.Märgen folgte (
Bischöfliche Bestätigung des neu erwählten Propstes zu Allerheiligen, vom 22ten April 1736) der Decan Peter Glunk (gebürtig von Seppenhofen bei Löffingen), welcher eine neue Hausordnung einführte und alle weiblichen Dienstboten aus dem Kloster schaffte, in der Hoffnung, mit Köchen und Knechten besser hausen zu können. Er brachte es auch dahin, daß die nächste Klostervisitation befriedigend ausfiel, war überhaupt in Förderung der einheimischen Interessen sehr thätig, und ließ ein neues Orgelwerk für die Klosterkirche verfertigen (Acten darüber von 1741).

Die 40er Jahre brachten dem neuen Prälaten aber viele Unannehmlichkeiten, Gefahren und Sorgen. Es entlief der junge Pater Heinrich aus dem Koster, einer Näherin zu liebe, mit welcher er nach Lahr und Karlsruhe zog, um zur evangelischen Kirche überzutreten (
Nachdem der Verblendete abenteuerlich in der Welt umher gezogen, wobei er das Mädchen tanquam famulam allezeit mit sich geführt, ließ man endlich im S. Gallischen auf ihn fahnden, doch vergeblich. Die Näherin aber trieben Enttäuschung und Reue wieder in die Heimat zurück, wo man dieselbe verhörte und dolosissime cleceptam, daber mehr commiseratione quam poena dignam fand. Diarium IV, beim Jahr 1740). Sodann brachte der österreichische Erbfolgekrieg wiederholt freundliche und feindliche Truppen nach S.Märgen. Der Prälat mußte sich im Jahre 1744, wo die Festung Freiburg von den Franzosen belagert wurde, zweimal flüchten, wodurch im Kloster das alte Unwesen leichtfertiger Wirtschaft auf´s Neue einriß (Im Jahre 1743 kam Kriegesvolk in’s Land. Prinz Karl von Lothringen, welcher am 13ten August mit dem österr. Heere das Breisgau betreten, speiste am 23sten October an der Abtstafel zu S.Märgen, nachdem er von einem Unternehmen jenseits des Rheines hatte abstehen müssen. Ein Theil seiner Truppen bezog im Breisgau auf dem Schwarzwalde die Winterquartiere, zu S.Peter und S.Märgen die Kalnoti-Husaren. Am 8ten September 1744, nachdem die Franzosen bei Kehl über den Rhein gegangen, flüchtete sich Abt Peter nach Löffingen,  Riedern und Kreuzlingen, und wie derselbe im October wieder heimkehrte erschien der Feind im Breisgau, um Freiburg zu belagert, worauf der Prälat abermals (nach Neustadt) floh. Am 15ten desselben Monats kamen die Franzosen auch wirklich nach S.Peter und S.Märgen, wo sie große Schatzungen eintrieben; nach Schleifung  der freiburgischen Festungswerke aber verließen sie am 1sten Mai 1745 die offene Stadt und zogen sich über den Rhein zurück. Diariurn IV, bei dies. Jahren).

Nachdem das Kriegsvolk abgezogen und die Klosterordnung durch strenge Strafen wieder hergestellt war, begann Abt Peter die Angelegenheit wegen Rückbringung des sauctmärgischen Widemgutes, welche sein Vorweser aus Geldmangel nicht hatte verfolgen können, mit Eifer zu betreiben, um die Wiederherstellung der Marienzelle dadurch zu vollenden. Nach einleitenden Schritten bei den Regierungsherren zu Freiburg gaben Abt und Convent an die dortige landesfürstliche Commission (zur Hebung alter Mißstände im Vorderösterreichischen) eine ausführliche Denkschrift ein (
Die oben angeführte Deductio genuina, d. d. S. Mairen-Zell auf dem Schwarzwald, den 15ten Jänner 1746, überschrieben "An eine k. k. landesfürstliche bevollmächtigte Commission." Dieser folgten zwei weitere Eingaben an selbige, vom 27sten und 30sten Juli gleichen Jahrs), deren Hauptsätze folgende waren.

"Das: Kloster S.Märgen ist von seinem Gründer mit einem bestimmten Stiftungsgute bewidmet worden, unter der Bedingung, daß für ewige Zeiten nie Etwas davon veräußert oder anders verwendet werden dürfe. Dasselbe haben Päpste zu Rom und Avignon und Herzoge von Oesterreich dem Gotteshause vielfach bestätiget und es mit solchem in ihren besondern Schutz und Schirm genommen."

"Durch die Gewaltthätigkeiten und Verfolgungen der Schirmvögte gegen das Kloster, durch Beraubungen, Feuersbrünnste, Schulden und ähnliche Uebel gerieth dasselbe aber dergestalt in Verfall und Abgang, daß Abt Johann im Jahre 1462 das ganze sehr ansehliche Widemgut um eine Spottsumme an die Stadt Freiburg verkaufen, die Marien-Zelle gänzlich verlassen und sich mit seinen Religiosen in das Klösterlein Allerheiligen begeben mußte."

"Bei diesem nothgedrungenen Verkaufe des sanctmärgischett Stiftungsgutes an die Stadt Freiburg hat sich dieselbe auf eine hinterlistige Weise benommen, die Kloster-Briefschaften erschlichen, an der versprochenen Summe nur 400 Gulden bezalt, und auch ihren übrigen Verbindlichkeiten gegen das Kloster, ungeachtet wiederholter Bitten und Aufforderungen, sehr schlecht oder gar nicht entsprochen. Deshalb wendeten sich schon Abt Johann und dessen nächster Nachfolger Erhard beschwerend an den Stadtrath, an die Zünfte und an die vorderösterreichische Regierung, leider jedoch vergeblich."

"Erst Abt Lucas brachte es durch ein Fürwort des Kaisers Maximilian dahin, daß die Stadt auf den verlangten Wiederkauf eingieng und im Jahr 1515 einen Kaufbrief ausfertigen ließ (
Dieser Kaufbrief selber ist mir nicht zu Gesichte gekommen, dagegen das Original eines Vertrages zwischen Stadt und Kloster vom 6ten Juni 1515, laut dessen erstere, nachdem sie letzterem "die vogtye über Sant Märgen, euch den dinghoff zuo Zarten mit andern gerichten, höffen, lütten vnd guetern widerumb in kouffswvs zuo handen gestelt", die sanctmärgische Schirm- und Kastenvogtei mit ihren Rechten und Pflichten (Haltung des Vogtgerichts in den Klosterbesitzungen und Vertretung des Klosters bei der Landschaft, die jährliche Vogtsteuer und eine Ergötzung von 7 Pfunden Pfenninge auf Martini) anvertraut erhielt. Diese Pergament-Urkunde wurde besigelt von Abt und Convent zu S.Märgen und dem Abte von Kreutzlingen). Er verstarb aber plötzlich vor der Vollziehung desselben, und sein Nachfolger Leonhard vermochte die Sache nicht weiter zu führen, weil das Kloster Allerheiligen unter ihm abgebrannt, während durch die Kirchentrennung und den Bauernkrieg alle deutschen Länder in Verwirrung und Verheerung geriethen. Nachdem aber wieder ruhigere Zeit eingetreten, mangelten dem Propste Heinrich die Geldmittel, um seiner Thätigkeit für den Wiederkauf den gehörigen Nachdruck zu gebend."

"Sein Nachfolger Ulrich dagegen belangte die Stadt durch einen förmlichen Proceß vor dem geistlichen Gerichte zu Constanz, welchen die folgenden Vorsteher fortwährend im Auge behielten. Unter denselben fertigte Propst Andreas mit unverdrossenem Fleiße eine vollständige deductionem juris et facti dieser Angelegenheit aus;  vermochte jedoch wegen seiner kostbaren Bauten, cantracto magno aere alieno, dieselbe nicht weiter zu fördern."

"Das Alles ist geschehen, um einen Kauf rückgängig zu machen, bei welchem es von Seiten der Stadt Freyburg keineswegs redlich zugegangen. Sie hat das Gotteshaus gräulich übervortheilt, indem dasselbe den im Jahre 1699 wieder erkauften alleinigen Maierhof zu S.Märgen mit 9340 Gulden bezalen mußte, während der Kaufschilling für das ganze Gebiet des Stiftungsgutes nur wenig über die Hälfte dieser Summe betrug, was ein schreiendes Mißverhältnis bleibt, wenn man auch zugibt, daß im Jahre 1462 der Gulden viermal soviel gegolten, als im Jahre 1699."

"Da nun die Pröpste von Allerheiligen (als Aebte zu S.Märgen) fortwährend gegen diese Kaufhandlung protestiert und die Unrechtmäßigkeit derselben urkundlich und actenmäßig begründet haben, so halten sich Abt und Convent für wol befugt, eine landesfürstliche Commission darum unterthänigst anzugehen, ob und wie ihrem verarmten Gotteshause zur Fortführung des wieder begonnenen Gottesdienstes in der entlegenen, rauhen und beschwerlichen Berggegend durch Ueberlassung wenigstens eines Theiles der veräußerten Widemgüter (in den Vogteien S.Märgen, Wagensteig und Zarten) kann geholfen werden."

Die landesfürstliche Commission zu Freiburg, an deren Spitze der Graf von Schauenburg stund, machte zwar ein großes Geräusch, leistete aber sehr wenig, so erreichte denn auch das Kloster S.Märgen nichts bei ihr. Daher wendeten sich Abt und Convent in einer neuen Vorstellung vom 3ten December 1756 unmittelbar an den Grafen selber, welcher als Commissionär und Kreishauptmann im Breisgau alle politischen, Justiz- und Cameralsachen zu überwachen hatte. Aus dieser Schrift ist Folgendes dem Obigen anzureihen.

"Den Verkauf der sanctmärgischen Stiftungsgüter von 1462 hat weder der heilige Vater noch der Herzog von Oesterreich durch einen Verwilligungsbrief zugestanden. Es waren auch die Drittels-, Fall-Ehrschatz- und Strafgebüren aus dem Anschlage weggeblieben (
Diesen "Anschlag" habe ich nicht zu Gesichte bekommen; im Kaufbriefe aber steht wörtlich: "Mit besserungen, dritteilen, erschetzen vnd vällen." ) und nur die bestimmten Jahreseinkünfte, im 20fachen Werthe berechnet, darin ausgeführt, was ungefähr die Summe des Kaufschillings von 4800 Gulden ausmacht. Auch konnte das Gotteshaus 20 Jahre lang keine Abschrift des Kaufbriefes von der Stadt erlangen, und als eine solche endlich vorlag, fand man jenes Vorbehaltes nicht erwähnt."

"Wir besitzen nur ein geringes Einkommen, indem dasselbe in wenigen vom Stiftungsgute übrig gebliebenen Bodenzinsen, in dem Zehenten der drei Pfarrorte, welche wir durch unsere Religiosen versehen lassen, einem neben dem Kloster gelegenen Bauerngute besteht (
Eine in den Arten von 1750 befindliche Notiz besagt: "S.Märgen besizt keine einzige Jurisdiction über Jemanden und keine anderen Unterthanen, als seine Dienstboten; es ist kein Glied der Landstände, sondern gehört zum geringeren Clerus; es hat keine Fundations- oder andere Güter, ausser dem sanctmärgischen Maierhofe, keine anderen Revenüen, als welche von 3 ihm incorporierten Pfarreien, von verschiedenen Erblehengütern und ex missarum stipendiis et fidelium oblationibus fallen."). Das weitere Einkommen bringet die Wallfahrt zu dem uralten gnadenreichen Marienbilde (Da dieses jedenfalls uralte Marienbild unter all’ den Unglücksfällen und Mißgeschicken des Klosters unversehrt geblieben, so wurde es nach seiner Wiederverbringung ans Allerheiligen nach S.Märgen für wunderthätig gehalten und von den Gläubigen ab dem Schwarzwalde, aus dem Breisgaue und aus Schwaben zalreich besucht. Es erschienen alljährlich viele tausend Wallfahrer, mehrfach mit Geschenken und Meßgeldern) zu S.Märgen, welches gläublich schon von unserem Stifter herstammt."

Im übrigen leben wir mit unserem Wenigen vergnügt, sind weder auf dem Walde, noch im Lande irgend Jemand beschwerlich, sondern möglichst verträglich. Bei allen Durchmärschen der österreichischen Truppen, wenn der Bauer keinen Haber, kein Heu und Strau mehr hat, wird ihm solches vom Kloster aus, so viel möglich, jederzeit gutwillig dargereicht, auch erweisen wir bedürftigen Durchreisenden alle mögliche Gastfreundschaft."

"Wir gehören ad Clerum minorem und geben schon seit 50 Jahren die Türkensteuer und Reluitionsgelder, sind also in nichts befreit. Damus Caesari, quae Caesaris sunt, wie wenig wir auch besitzen. Aber schon viele Offiziere, die unser Kloster gesehen, haben sich dahin geäußert, es sollte ein solches an der Landstraße von Freiburg nacher Villingen gelegenes Gotteshaus doch auch viel besser fundiert sein"

Aber all’ diese Eingaben hatten keinen Erfolg (
Dieser Bau wurde innerhalb eines Jahres errichtet und dadurch das ganze Klostergebäude, wie es Abt Dilger begonnen hatte, zur Vollendung gebracht (3). Dasselbe bestund aus einem Münster mit zwei

Wäre S.Märgen in der Lage gewesen, bei dem Gafen von Schauenburg diese Angelegenheit mit geldenen statt mit papierenen Deductionen zu betreiben, so möchte es wohl von Erfolg gewesen sein; denn dem Herrn Kreishauptmann war es bei seinem breisgauischen Reformwesen unter der Hand wesentlich um Gewinn zu thun. Vergl. meine Fahrt. und Wander. II.149
), und das Kloster blieb fortan auf ein sehr bescheidenes Einkommen beschränkt. Denn es bestund dasselbe in etlichen Acker- und Rebenstöcken zu Freiburg, in einigen Aeckern zu Weil, im Zehenten zu S.Märgen, zu Scherzingen und Zäringen, und in etwa 250 Säcken an Lehen- und Bodenzinsfrüchten an verschiedenen Orten des Breisgaues. Das war Alles und wurde zu 1910 Gulden jährlichen Ertrages angeschlagen.

Dagegen hatte das Kloster wegen des Zehentbezuges vier Pfarrer und zwei Capläne zu besolden. Die in 18 Mann bestehende Klostergemeinde beider Häuser (zu S.Märgen und Allerheiligen) würde also ihr nöthiges Auskommen kaum gefunden haben, wenn die Wallfahrt, die Meßgelder und die Kostgänger nicht gewesen wären, welche das Fehlende ersezten (
"Wahrhafte Anzeige deren Gotteshäuseren Marienzell und Allerheiligen habenden Eintommens, an die k. k. Repräsenttation und den landständischen Conseß", vom 29sten Mai 1765. Wollte man auch annehmen, daß dars Kloster sein Einkommen möglichst gering angegeben (namentlich, da es den Ertrag der Wallfahrt mit ihren verschiedenen Erträglichkeiten nicht näher bestimmte), so wäre selbst das Doppelte der obigen Schätzung für ein Gotteshaus mit Abt, Decan, Senior, 12 Chorherren und etlichen Brüdern noch immer ein bescheidenes Einkommen). Da indessen Abt Peter sich einer rühmlichen Oekonomie befleißigte und Ersparnisse gewann, so konnte er im Frühlinge 1760 ohne Gefahr einen neuen Prälaturbau unternehmen.

Dieser Bau eines Jahres errichtet und dadurch das ganze Klostergebäude, wwie es Abt Dilger begonnen hatte, zur Vollendung gebracht. Dasselbe bestund aus einem Münster mit zwei Thürmen, aus dem gegen Süden angelehnten Abtei- und Klosterhaus mit zwei Höfen und einer Umfassungsmauer, aus der gegen Norden angebrachten Wirtschaftsgebäulichkeit mit ihrem Hofraume und aus dem daneben ligenden Kirchhofe. Das Ganze bildete einen stattlichen Geviertbau, welchen verschiedene (für die Wallfahrtszeit bestimmte) Krämerstände, die S. Nicolauscapelle und die Bauernhütten der Gemeinde umgaben (
Abt Peter ließ zu Freiburg von dem Kupferstecher Maier eine Ansicht des Klosters (mit dem von Engeln getragenen Marienbilde darüber) fertigen, zum Behufe der Vertheilung an die Wallfahrer).

 Es war also die Abtei S.Märgen, nachdem sie von 1462 bis 1725 verlassen öde gestanden, völlig wieder hergestellt; wie viel bitteren Verdruß aber verursachte dem Abte Peter diese endliche Wiederherstellung ! Seine Feinde intra et extra muros beschuldigten ihn, daß er alles Geld an den überflüssigen Bau gewendet. Mit tiefem Leidwesen vernahm der gute Prälat diese harten, undankbaren Urtheile, welche den Abend seines Lebens verdüsterten (
Das Diariurn dieses Abtes, worin er an vielen Stellen sein Herz ergiesst).

Die Strenge, womit Abt Peter die klösterliche Zucht handhabte, mißfiel einem Theile seiner Religiosen; er hatte über "niederträchtige Unuhstifter" innerhalb und außerhalb des Klosters zu klagen, und verfiel deshalb, gleich seinem Vorweser, auf den Gedanken, zu resignieren. Der Prälat von St. Peter (
Wie aus einem Schreiben des Abtes zu Kreutzlingen vom 5ten Juni 1762 an unsern Abt hervorgeht) benahm ihm aber denselben, indem er ihn ermunterte, standhaft in verbleiben. "So lange der Abt die Mehrheit des Capitels für sich habe, brauche er nichts zu fürchten, sein Eifer pro disciplina religiosa werde die Uebelgesinnten und Widersacher alle noch überwinden."

Dieser verständige, rechtschaffene und wahrhaft fromme Prälat, nachdem er der Marien-Zelle über 30 Jahre lang, unter den schwierigsten Verhältnissen, mit männlicher Thätigkeit und Ausdauer vorgestanden, verschied am 9ten Juli 1766. Sein Hingang wurde, trotz allen Widersachern im Leben, wie es beim Ableben des Propstes Schmid und des Abtes Dilger der Fall gewesen, ebenso ausrichtig als lebhaft betrauert, und alle Redlichgesinnten des Klosters und seiner Nachbarschaft bewahrten ihm eine dankbare, ehrende Erinnerung.



Zu seinem Nachfolger erwählte das Capitel den Decan Michael Fritz (von Horb am Neckar), und zwar ohne einen landesherrlichen Commissär, weshalb die Wahl für ungültig erklärt wurde. Das Kloster hatte sich von jeher gegen eine "solche Einmischung" gewehrt; es war aber nicht länger zu widerstreben, der Neugewählte mußte die "unterlassene Schuldigteit" anerkennen und demüthigste Abbitte leisten, worauf ihn der Landesherr bestätigte (
Die bischöfliche Bestätigung ist vom 17ten August 1766, die landesfürstliche aber erst vom 16ten Jänner 1767. Acten aus diesen Jahren).

Dieses war für Michael ein schlimmer Anfang, woraus er schon errathen konnte, was noch folgen werde. Und wirklich begann die Landesherrschaft den Klöstern und geistlichen Orden ernstlich zu Leibe zu gehen. Der Abt hatte weitaussehende Veränderungen der bisherigen Verhältnisse in Staat und Krche zu erleben, denn seine Zeit erschien als die Vorläuferin der jetzigen, wo die letzten Ueberbleibsel des christlichen Mittelalters ihrer Vertilgung nahen.

Es kamen die Tage der Steuerausgleichung im Vorderösterreichischen (
Der· Grundgedanken dieser Peräquation war nicht zu verwerfen. Adel und Geistlichkeit sollten ein Mehreres, als bisher, zu den öffentlichen Steuern beitragen, zur Erleichterung der Steuerlast, welche auf dem Land- und Gewerbesmanne lag. Aber die practische Ausführung entsprach diesem löblichen Zwecke weniger; sie verlezte die verbrieften Rechte des Adels und der Kirche zu sehr, und wurde selbst von mehreren Juristenfacultäten für ungerecht erklärt. Dem Peräquationswerke folgte auf dem Fuße die Einführung der Erbschafts-, Schulden- und Dominicalsteuer (von 1759 bis 1767) zur Tilgung der Kriegsschulden und Deckung der Staatsbedürfnisse. Die "Erbschaftssteuer" bestund in 10 Procent von allen Erbschaften und Schenkungen (die an Aeltern und Kinder, an Arme und Kranke ausgenommen), wie in einein halben bis 3 Procent von allem weltlichen Vermögen der Geistlichkeit. Die "Schuldensteuer" verlangte von allen weltlichen und geistlichen besoldeten Angestellten nach 3 Klassen einen Beitrag von 5 bis 100 Gulden. Die "Dominicalsteuer" aber wurde, diesen beiden außerordentlichen Steuern gegenüber, als eine ständige jährliche Abgabe mit 15 Procent von allen Liegenschaften des Adels und der Geistlichkeit, zur Unterhaltung des Heeres erhoben), von welcher der Abt nach seinen Rechtsbegriffen meinte, der böse Geist habe sie ausgeheckt; sie sei eine Strafe des Himmels für die Klöster, weil man darin nicht frömmer lebe. Die Fertigung der verlangten Fassion (1) über den Besitzstand seines Gotteshauses kostete ihn die größte Ueberwindung, er weigerte sich, die ihm zugeschriebene Dominical-, Erbschafts- und Schuldensteuer von 500 Gulden zu entrichten, bis man dieselbe durch Husaren eintrieb.

(1)
Die von dem Abte unterm 25sten Christmonat 1770 endlich eingereichte Fassion des Klosters S.Märgen und Allerheiligen, "was es an ligenden Gütern, an Capitalien und sonstigen Einkünften besizt", lautet (den Jahresertrag nach Gulden berechnet):

Liegende Güter
Das Bauerngut zu Wihl bei Kenzingen 1313 erkauft
100
Das Bauerngut auf der Schöne in Gundelfingen Vogtei, 1677 erkanft
100
Das Bauerngut zu S.Märgen, 1699 zurückerkauft
200
Die 2 Jauchert Mattenfeld im Mößle bei Freiburg, 1476 gestiftet erhalten
8
Das Waldstück im Schopbach bei Herdern, 1390 eingetauscht
3
Die 8 Jauchert Reben zu Freiburg, Merdingen und Küchlinsbergen 
100
Lehen- und Bodenzinse
Die Lehen und Bodenzinse zu Merdingen, Waltershofen, Riedlingen, Gottenheim, Amoltern, Wihl und Freiburg1428
Pfarreien und Zehenten
Die Pfarrei mit dem Zehenten zu S.Märgen, 1118 verstiftet erhalten
500
Die Pfarrei mit Zehenten und Wirtschaft zu Wihl, 1324 übernommen
1510
Die Pfarrei mit Zehenten und Wirtschaft zu Zäringen 1615 übernommen 
694
Die Pfarrei mit dem Zehenten zu Scherzingen, 1329 übernommen
288
Die Zehenten zu Haslach bei Freiburg
265
Geld und Meßstipendien
In öffentlichen Fonds 5000 Gulden200
Bei Privaten im Tribergischen 500 Gulden
20
An Messgeldern ungefähr
200
Summa des jährlichen Einkommens: 5516

Es folgten die Zeiten der kirchlichen Reformen, der Aufhebung vieler Klöster und Bruderschaften. Abt Peter eiferte nicht gegen die Wegräumung der Mißbräuche in seinem Stande; aber die Verachtung, worein die Geistlichkeit gebracht worden, und der Zerfall des religiösen Glaubens, dessen Anzeichen man überall wahrnahm - das machte ihn trübsinnig und lebensmüd’ (
Schon im Jahrgange 1763 seines Tagbuches klagt der gute Prälat über "Gemütsängstlichkeiten" in Folge verschiedener Klagen gegen ihn, namentlich darüber, daß er "alles Geld nur zum Bauwesen verwende, ein unnöthiges Gasthaus erbaue, wegen des vielen nöthigen Bauholzes die Waldungen verwüste und dergleichen." Die hierauf erfolgte bischöfliche Visitation sprach ihn aber frei, mit dem Wunsche, daß ihm seine "Aengstlichkeit bäldigst vergehen möge").

In einer solchen Zeit konnte es nur wenig Werth für ihn haben,
als Mitglied in den breisgauischen Prälatenstand aufgenommen zu werden. Der Administrator von Allerheiligen hatte diese Sache in Anregung gebracht; der Prälat aber meinte, es koste Geld und nütze nichts. Das Capitel indeß beschloß das Ansuchen um Aufnahme, weil es "doch besser sei, einem ehrenvollen Corpus anzugehören, als allein zu stehen".

Die Aufnahme geschah sofort einstimmig in feierlicher Weise, wodurch denn der Abt von S.Märgen als jüngstes Glied des Prämtenstandes in den Verband der breisgauischen Landstände eintrat. Dagegen hatte Niemand etwas, als die Stadtherren von Freiburg; sie protestierten gegen diese Neuerung, weil es ihnen schon längst darum zu thun gewesen, die völlige Gerichtsbarkeit über das Gotteshaus zu erwerben. War es aber der Marien-Zelle nicht gelungen, den Händen der Stadt ihr altes Stiftungsgut wieder zu entwinden, so gelang es auch dieser nicht, ihre so lange her und so emsig gesuchte Herrlichkeit über das Gotteshaus geltend zu machen (
Diarium des Abtes, beim Jahre 1771).

Abt Michael schaute in seine Zeit und in die Zukunft mit schärferem Blicke. "Man sieht endlich", schrieb er in sein Tagebuch, "wo diese Anschläge hinzielen, auf den gänzlichen Umsturz der christlichen Kirche. Deshalb will man diejenigen abschaffen, welche sie pflegen und verteidigen; die Ueberigen fallen sodann von selber ab. Schon werden wir verachtet gleich den Hunden; denn der Unglauben haßt die Geistlichen, wie der Wolf die Hirten"

Hatten die Pröpste und Aebte Schmid, Dilger und Glunk in ihren Tagebnchern mit lebendiger, naiver Feder die nächsten Angelegenheiten von S.Märgen und Allerheiligen verzeichnen so verbreitete sich Abt Michael in den seinigen mit umslchtigem Blicke und theilnehmendem Herzen auch über alle Ereignisse im Bereiche des näheren und weiteren Vaterlandes, der Kirche und ihrer Diener. Eine Fülle interessanter Notizen und schlagender Bemerkungen zeichnet diese Diarien aus. Sie reichen bis 1781, und enthalten eine dunkle Ahnung dessen, was bestimmt war, im folgenden Jahrzehnte über die "gottesvergessene Welt" hereinzubrechen.

Abt Michael mußte den Anfang davon noch selber erleben, und es scheinet ihm die Hand gelähmt zu haben; denn die für folgende Jahrgänge bestimmten Blätter des Tagesbuches sind leer geblieben. Der treffliche Prälat endete sein thätiges Leben am 3ten März 1797.

Abt Michaels gelehrter Zeitgenosse, der vielverehrte Professor Klüpfel zu Freiburg, widmete ihm in seinen anziehenden "Lebensbeschreibungen heimgegangener Freunde" ein kleines Denkmal, worin er sagt: "Derselbe war des Amtes, welches er bekleidete, in hohem Grade würdig durch die trefflichen Gaben seines Geistes, durch seine gründliche Gelehrsamkeit und seinen tugendhaften Character. Der feingebildete, sanftmuthige, durchaus redliche und gegen Jedermann wohlwollende Prälat gewann auch die Herzen Aller, welche ihn kennen gelernt."

Es folgte ihm in der äbtlichen Würde der Stiftscapitular Josef Kurz von Ellwangen, welcher bisher Administrator zu Allerheiligen gewesen. Die Kriegsdrangsale des Jahres 1796 waren verschmerzt und mit dem Frieden von 1797 schien endlich ein günstigerer Stern für die Marien-Zelle auszugehen. Das Kloster stund wohlerbaut und  wohlbewohnt in gesunder Bergesluft; das Einkommen war ein genügendes; die Zahl der Chorherren und Novizen mehrte sich; es blühte der Gottesdienst und die Seelsorge versah man pflichtgetreu; es blühte zumal auch die Musik, welche von jeher zu S.Märgen mit Liebe gepflegt und für die Umgegend auch practisch nützlich geworden. Pater Jacob galt als Meister auf der Orgel (
Bötlin, Beiträge zur Gesch. der Musik (1790), S. 113), und schon unter dem vorigen Abte hatten die Capitulare Eberhard und Kämmerer den Spieluhrenkünstlern des benachbarten Schwarzwaldes musikalische Unterweisung ertheilt, was zu dem bewundernswerthen Aufschwunge der schwarzwäldischen Uhrenmacherei und Uhrenverschleißung ganz wesentlich beitrug (P. Steierer Gesch. der Uhrenmacherei auf dem Schwarzwald. Freib. 1796).

Es thaten sich auch zu S.Märgen schöne Talente hervor und das wissenschaftliche Gedeihen der Klosterschule im benachbarten S.Peter mußte zum Wetteifer anspornen. Es gewann das freudige Ansehen, als wolle sich die Marien-Zelle den würdigeren, verdienteren Stiften des Breisgaues anreihen - da fiel der vernichtende Schlag von 1807. Das Kloster wurde aufgehoben und all’ die tausendfältige Mühe, all’ das unabläßige Streben der Aebte seit Dilgers Zeiten war erfolglos gemacht !

Abt Josef war ein rechtschaffener, durch Frömmigkeit und Sanftmuth ausgezeichneter Mann (
Wie schon die Acten über seine Wahl vom 4ten März 1797 besagen). Nach der Auflösung seines Stiftes lebte er, wie die Prålaten von S.Peter und Schuttern, zu Freiburg bis an seinen Tod. Unter ihm hatte sich das jährliche Klostereinkommen von 9200 bis zu 15,000 Gulden vermehrt, während sich die jährliche Ausgabe nur auf 3550 Gulden belief. Beim Anfalle an den Staat betrug das sämmtliche Klostervermögen der Marien-Zelle die Summe von 362,584 Gulden, die im Capital angeschlagene Belastung desselben aber nur 58,775 Gulden (Arten über die Kloster-Aufhebung von 1806 und 1807).

Betrachten wir nun die wechselvolle Geschichte von Marien-Zell mit einem überschauenden, zusammenfassenden Blicke, so fallen uns folgende Züge als deren characteristisches Gepräge besonders in’s Auge - so tief gefurchte Züge, wie sie selten in den Jahrbüchern eines Klosters erscheinen dürften.

Das Gotteshaus S.Märgen, welches dem alemannisch-welfischen Stifte S.Peter an die Seite gesetzt worden, um gegen dasselbe ein fränkisch-weiblingisches Gegengewicht zu bilden, vermochte es nicht lange, diese Richtung zu verfolgen. Und später, unter dem tyrannischen Drucke seiner Schirmvögte, als jener Gegensatz, keinen Sinn mehr hatte, befand sich die Marien-Zelle auch keineswegs in der Lage, für Landwirthschaft, Volksbildung, Kunst und Gelehrsamkeit etwas Nennenswerthes zu leisten. Sie war ein Unglückskind von Anbeginn und fristete sich unter dem traurigen Wechsel von äußeren und inneren Schäden und Mißgeschicken ein höchst kümmerliches Dasein.

Wie viel aber dabei auch selbst verschuldetes Unglück sein mochte, so verdient doch andererseits die zähe Ausdauer, womit Abt und Convent, selbst in den schwierigsten Zeiten, die Wiederherstellung des verlassenen Gotteshauses und den Wiedererwerb des verlorenen Stiftungsgutes betrieben, nicht blos unsere Anerkennung, sondern unsere gerechte Bewunderung.

S.Märgen liefert eines der sprechendsten Beispiele davon, welch’ zähe Kraft den alten Corporationen (zumal den kirchlichen) innegewohnt. Was hätte dieselbe unter günstigeren Gestirnen aus der Marien-Zelle machen können, ähnlich demjenigen, was sie in anderen schwarzwäldischen Stiften, wie in S. Georgen, S. Blasien S.Peter, zu schaffen und zu erreichen vermochte!

Es ließe sich gegen die gegebene Darstellung der Geschicke unseres Gotteshauses etwa einwenden, daß sie größtentheils nach Quellen entworfen sei, welche von dorther selber stammten, also einseitig zu dessen Gunsten lauteten. Nun mögen freilich Abt und Convent zu S.Märgen öfters ebenfalls in zweideutiger, leidenschaftlicher Weise gegen die Vögte gehandelt und deren gerechten Zorn herausgefordert haben; aber die Thatsachen, worüber päpstliche und bischöfliche Urkunden, wie die Jahrbücher des Nachbarstiftes zu S.Peter berichten, müssen als solche anerkannt verbleiben.

Was für ein meisterloses, rechtsverachtendes, gewaltthätiges Treiben sich die Schnewelin und die Blumenecker überhaupt im Breisgau erlaubten, ist aus anderen Nachrichten zur Genüge bekannt (1
Junkerlicher Uebermuth, wie er die Emporkömmlinge des niederen Adels gewöhnlich aufzublasen pflegte, leidenschaftliches Zufahren und rechtsverachtende Willkür, neben schmutziger Eigen- und Habsucht, bezeichneten den vorherrschenden Familien-Character der Schnewelin, von den Wegelagerern der wilden Schneeburg (1314) und den mörderischen Ueberfällen bei Merdingen und Ebnet (1355 und 1401) bis herab zu den landeckischen Händeln (1574) und bollsweilischen Junkerscandalen zu Merzhausen, von denen ich blos die Actenüberschriften reden lasse, welche lauten: "Beschwerden des Jacob Schneulin von Bollschweil und seiner Gemahlin wider ihre 3 Söhne Wilhem, Christoph und Arbogast, wegen erlittener Mißhandlung, 1610. Die Gefangennehmung und übrige Processierung des Christoph von Bollschweil, 1613. Das v. ö. Fiscalamt contra Arbogast von Bollschweil puncto saevitiae in subditos, 1635. Die feindschaftliche Verbitterung der Familie Nagel von der alten Schönstein gegen Arbogast Schneulin von Bollschweil, welcher den Hanns Konrad Nagel zu Au (bei Freiburg) entleibt, 1637."), und was ihr beinahe unglaubliches Verfahren gegen die Marien-Zelle betrifft, so waren ihnen die Ritter von Staufen als Vögte über das benachbarte S. Trutbert mit verführerischem Beispiele vorangegangen (Der Vogt Otto von Staufen ließ dem Abte Hugo von S. Trutbert (zwischen 1181 und 1186), welchen er durch unaufhörliche Bedrückungen genöthigt hatte, sich zu Breisach zu verbürgerrechten, auf dem Heimwege von dort (ganz wie später der Schnewelin dem Abte Conrad und der Blumenecker dem Abte Johann von S.Märgen) in einem Hinterhalte durch seine Gesellen auflauern, um ihn aus der Welt zu schaffen, und kaum konnte sich der Bedrohte noch retten. Ein andermal überfiel Otto einen Trutbertiner, während derselbe an geweihter Stätte unter seinen Mitbrüdern die Psalmen sang, mit gezücktem Dolche und trieb ihn wuthschnaubend in die Flucht. Acta Sanctor. III, 135).

Ueber das Verhältniß alsdann zwischen S.Märgen und dem Stadtrathe von Freiburg ligen ältere und neuere Verhandlungs-Acten vor, aus denen sprechend genug hervorgeht, wie schlecht die "Väter der Stadt" ihre hundertmal mündlich und schriftlich gelobte Verpflichtung gegen das Gotteshaus eingehalten; wie sie in verächtlicher, spöttischer und hinterlistiger Weise die Rechtshändel mit demselben hinausgezogen (
In der That unwürdig für den Magistrat einer Stadt Freiburg war es, gegen ein armes Kloster zu solchen kleinlichen, verschmitzten Mitteln zn greifen. Das mochte die Bürgerschaft fühlen, daher nahm der städtische Ausschuß die Sache in die Hand. "Und haben wir", sagt das Actenstück von 1486, "den Ußschutz all unser Recht lassen hören mit allen unsern erlangten Urtheilen von Ensißheim, daß der Ußschutz des Rates halb kein Wolgefallen empfangen." Dieses Actenstück mit seinen Beilagen (mehrere schiedsgerichtliche und hofgerichtliche Urtheile zu Gunsten des Gotteshauses) wirft ein gar schlimmes Licht auf den Geist, welcher damals den freiburgischen Stadtrath beseelte), und in ihrer Sorge für eine bessere Hauswirtschaft zu Allerheiligen viel weiter gegangen, als die Klosterherren gedulden konnten, ohne sich für mundtodt zu erklären.

Die genauen Tagebücher der Aebte Dilger, Glunk und Fritz endlich sind mit solcher Rückhaltlosigkeit abgefaßt, daß sie die inneren Schäden von Allerheiligen und S.Märgen so zu sagen unbarmherzig aufdecken und dadurch wol den besten Beweiß für ihre Wahrheitstreue liefern. Dabei geben sie (zumal die dilgerischen) eine Kernhaftigkeit des Charakters kund, welche den Leser mit aller Achtung gegen ihre Verfasser erfüllen muß.

Die Marien-Zelle war hienach wirklich das größtentheils ohne eigene Schuld von fortwährendem Unglück verfolgte Gotteshaus, wie die obige Darstellung dasselbe zu schildern versucht. Es läßt sich daher diese traurige Klostergeschichte nicht etwa dazu verwerthen, das übliche Verdammungsurtheil gegen das klösterliche Wesen überhaupt zu unterstützen.

Wie einen ganz anderen Entwicklungsgang und Schicksalsverlauf nehmen wir bei dem Nachbarstifte S.Peter wahr ! Unter dem mächtigen Schutze der zäringischen Herzoge war dasselbe zu einer fast ungestörten Blüthe gelangt, und auch unter der Schirmvogtei ihrer Erben und Nachkommen, der Grafen von Freiburg und Markgrafen von Hachberg, nicht den Bedrückungen und Schädigungen ausgesetzt, wie die Marien-Zelle unter den Junkern von Wieseneck, Blumeneck und Laudeck - ja, selbst unter dem Stadtrathe von Freiburg !

Von seinen Besitzungen im Breisgau und in der Schweiz gieng dem Stifte S.Peter wol manche verloren und zweimal wurde es durch Brandunglück in Schutt und Asche gelegt; diese Unfälle aber, wie der Freiburger-, der Bauern-, der Schweden- und die französischen Kriege, schlugen demselben weniger tiefe Wunden, als es anderwärts der Fall war. Denn das meistens wolverwaltete Klosterbesitztum und die fast immer wolgeordnete Hauswirtschaft lieferten stets wieder die Mittel zur Auswetzung der erhaltenen Scharten.

Nicht blos ruhten die Gebeine der Zäringer in der herzoglichen Gruft zu S.Peter, auch der zäringische Genius belebte fortwährend das Gotteshaus. Seit seiner Stiftung, zumal aber seit dem 16ten Jahrhundert, beherbergte dasselbe eine Reihe von Männern, welche theils durch Frömmigkeit und Ordenstreue, theils durch ihre Leistungen in der Kunst und Gelehrsamkeit sehr ausgezeichnet, wenn auch in weiteren Kreisen weniger bekannt waren.

Ich erinnere nur an Philipp Jacob, den gelehrten, für seine Kirche und sein Gotteshaus so thätigen Abt, welcher dem protestantischen Geschichtsforscher Schöpflin in liberalster Weise die Schätze seines Klosterarchives geöffnet; an Pater Baumeister, den gründlichen Kenner und unermüdlichen Bearbeiter der sanctpeter’schen Stiftsgeschichte; an Pater Steyerer, den Verfasser der ersten Schrift über die Uhrenmacherei des Schwarzwaldes; an den scharfblickenden Abt Ignatz, die Seele des breisgauischen Prälatenstandes während der letzten Zeit seines Daseins, und an Pater Rinderle, den trefflichen Matematiker und Mechaniker, dessen uneigennützigem, patriotischem Unterrichte die schwarzwäldischen Uhrenkünstler die ersprießlichste Förderung verdankten.

  Quellen und Hilfsmittel dieser Abhandlung
1) Die Urkunden und Arten des sanctmärgischen Archives, welches aber leider sehr unvollständig in das Landes-Archiv nach Karlsruhe gekommen.
2) Die Lagerbücher und Beschreibungen über die sanctmärgischen Güter und Gefälle, von den Jahren 1263, 1507 und 1697.
3) Die handschriftliche Abhandlung des Propstes Adam über die Geschichte beider Gotteshäuser Allerheiligen und S.Märgen, von 1121 bis 1682.
4) Die Aufzeichnung des Propstes Andreas zu Allerheiligen über seine Bestrebungen zur Wiederherstellung der Abtei S. Märgem von 1685 bis 1723.
5) Die Diarien der Aebte und Pröpste in vier Bänden, von 1718 bis 1781, welche aber nicht ganz vollständig sind.
6) P. Peters Artikel über die Cella s. Mariae in seiner· Suevia ecclesiastica (Augstb. 1699), S. 233 bis 238, mit einer Reihe von Urkunden.
7) Abt Gerberts und Pater Neugarts (etwas spärliche) Nachrichten über S.Märgen in der Sylva nigra und im episcopatus Constantiensis. Endlich
8) Kolbs übersichtliche Geschichte der Marien-Zelle, in seinem Lexicon über das Großherzogtum Baden III., 144 bis 148.