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1943
Das Sondergericht Freiburg verhandelt gegen Maria A. wegen angeblichem

Unterstützungsbetruges und Erschleichung von Bezugsberechtigungen unter Ausnutzung der Kriegsverhältnisse.
Der richtige Name der Beschuldigten ist bekannt
Aus den Akten des Staatsarchivs Freiburg


Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Freiburg
Freiburg/Br., den 9. März 1943

Verfügung
Vermerk

Der am 29.2.1908 in Hannover geborene, zuletzt in Eschbach bei Freiburg wohnhaft gewesene Schneidergehilfe und Hilfsarbeiter Ernst Friedrich Karl Kortebein ist durch Urteil des Sondergerichts Mainz vom 9.2.1943 wegen Plünderns und Unterstützungsbetrug zum Tode und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt und das Urteil am 3.3.1943 vollstreckt (SLs 1/43). Kortebein hatte sich u.a. der Wahrheit zuwider gemeinsam mit seiner Ehefrau beim Landratsamt Freiburg als in seinem bisherigen Wohnort Mainz durch den Fliegerangriff vom 11/12.8.1942 Totalfliegergeschädigte ausgegeben und dadurch die Auszahlung eines Vorschusses von RM 50.-, der laufenden Bewilligung eines Familienunterhalts von RM 5.74 sowie der Begleichung dringender Anschaffungskosten erreicht.
Gegen die Ehefrau Kortebein, die bei der Antragstellung in massgeblichem Umfang mitgewirkt hat, wird nachfolgend ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

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Der Landrat des Landkreises Freiburg i. Br.
Abt. f. Familienunterhalt

Freiburg I. Br., den 12 März 1943

Strafanzeige gegen Ernst Kortebein Wwe. Maria geb.
A. in Eschbach bei St.Peter (geb.5.7.1906 ).

Gegen die Wwe. des durch Urteil des Sondergerichts Mainz von 9.2.1943 wegen Plünderns und Unterstützungsbetrugs unter Ausnützung der durch den Krieg bedingten Verhältnisse zum Tode verurteilten Hilfsarbeiters Ernst Kortebein wird hiermit Antrag auf Strafverfolgung gestellt, weil sie sich nach den Luftterror-Angriffen auf Mainz am 14.8.1942 und in den darauffolgenden Tagen zusammen mit ihrem Ehemann wahrheitswidrig als Total-Bombenbeschädigte ausgegeben und damit Zuwendungen aus Öffentlichen Mitteln erlangt hat, auf die kein Anspruch bestand.

Die Barauszahlungen an die Eheleute Kortebein beliefen sich bei diesem Anlass neben 50.--RM Vorschuß auf einen Räumungsfamilienunterhalt von tgl. 5.74 RM vom 14. bis 31.8.1943.

Für Kleidung, Wäsche und Schuhwerk wurden - obwohl die Obengenannte nachträglich zugeben mußte, dass sie im Besitz der Reichskleiderkarten für sämtliche Familienmitglieder war - beim Wirtschaftsamt Bezugscheine im Werte von 343.67 RM beantragt und hierfür die Kosten aus Mitteln des Räumungsfamilienunterhalts übernommen.

Ausserdem erhielten die Eheleute Kortebein auf Grund ihrer Schilderungen über den Verlust sämtlichen Eigentums von Freiburger Geschäftsleuten Mangelware bevorzugt geliefert.

Die Frage, ob nicht aus sozialen Gründen von der Erstattung einer Anzeige Abstand genommen werden sollte, um den Kindern der Beschuldigten nicht die Mutter zu nehmen, ist eingehend geprüft worden. Die zuständigen Fürsorgestellen kamen aber zu dem Ergebnis, dass die Kinder nicht bei der Mutter bleiben dürfen, weil diese nach den Feststellungen aus zurückliegender Zeit und nach den erneuten Ermittlungen nicht als erziehungsbefähigt gelten kann. Von einer Anklageerhebung mit Rücksicht auf die Kinder abzusehen, liegt somit keine Veranlassung vor.

Falls die Wwe in Haft genommen werden sollte, erbitte ich Nachricht hiervon, damit ich
bin, durch die Fürsorgestellen unverzüglich geeignete Unterbringung der Kinder zu veranlassen, die im Hause ihres schwer erkrankten Großvaters nicht weiter versorgt werden können.

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Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Freiburg
Freiburg Br. ‚den 19. März 1943

Verfg.
Rv. - mit Heft Familienunterhaltsakten - an den Herrn Landrat Freiburg
mit dem Ersuchen um Herbeiführung einer Äusserung der in Frage kommenden Sachbearbeiter über die Art und Weise, wie die Beschuldigte Frau Kortebein bei der Stellung des Antrags und etwaigen weiteren Vorsprachen aufgetreten ist. War sie lediglich Begleitperson, oder hat sie auch selbst konkrete Angaben gemacht? Ich beabsichtige, die Beschuldigte in Untersuchungshaft zu nehmen und bitte für eine geeignete Unterbringung ihrer Kinder Sorge zu tragen, zumal ohnedies dort die Absicht bestehen soll, ihr das Personenfürsorgerecht über die Kinder zu entziehen.
Unterschrift i.A. Staatsanwalt

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Der Landrat des Landkreises Freiburg i. Br.
Abt. f. Familienunterhalt

Freiburg I. Br., den 25. März 1943

Strafsache gegen Maria Kortebein, Wwe. geb.
A. in Eschbach b. Freiburg wegen Unterstützungsbetrugs.

Auf Zuschrift v. 19.3.1943

Unter Rückgabe der beigefügten Akten teile ich mit, dass die Angaben, nach denen angenommen werden mußte, dass die in durch den Terror-Luftangriff auf Mainz totalfliegergeschädigt sei, zu einem wesentlichen Teile von der Beschuldigten selbst gemacht wurden.

Beim zuständigen Sachbearbeiter, dem Kriegsaushilfsangestellten Heinz Spath, hat sie unter Tränen wörtlich erklärt: "Wir haben alles verloren, bis auf das, was wir anhaben oder in der Eile mit uns nehmen konnten." Lebensmittel- und Kleiderkarten seien verbrannt, und es fehle insbesondere an dringend benötigten Wäschestücken für die Kinder und Windeln für den zwei Monate alten Säugling Mechthild Malfriede. Da am Tage des Eintreffens vor der Weiterfahrt nach Eschbach die Zeit nicht ausreichte, um die Ausfertigung der Bezugscheine zu regeln und die notwendigen Einkäufe vorzunehmen, haben für den sofortigen Bedarf Gefolgschaftsmitglieder des Amtes aus eigenem Haushalt von dem Fehlenden beigesteuert.

Vor dem damaligen Abteilungsvorstand, Oberbürgermeister a.D. Dr. Moericke z.Zt. beim Landrat in Lörrach beschäftigt, hat Frau Kortebein am Ankunftstage -ebenfalls unter Tränen- wiederholt, dass ihre Familie beim Luftangriff alles verloren habe. Hierbei war der Ehemann, der sich zur Entgegennahme des bewilligten Betrages auf die Landkreiskasse begeben hatte, nicht anwesend.

Zur Bekräftigung ihrer Schilderungen hat die Beschuldigte der Kriegsaushilfsangestellten in der FU-Abteilung Gretl Hornecker gezeigt, dass sie unter ihrer Kleidung nur das Nachthemd trägt, weil sie nicht einmal mehr die Möglichkeit hatte, andere Wäsche anzuziehen. Sie hat sich weiter. am 18.8. in deren Anwesenheit bei dem Einkauf der bewilligten Wäsche-und Kleidungsstücke vor allem im Schuhaus Beyer und bei der Fa.C.Fabel-Unterlinden als total-fliegergeschädigt ausgegeben. Beim Inhaber des erstgenannten Geschäftes berief sie sich-auf frühere, persönliche Bekanntschaft, wobei sie ihren Mädchennamen nannte, während bei der Fa.Fabel der Ehemann Kortebein angab, infolge seiner angegriffenen Nerven vollkommen erschöpft zu sein, sodass auch hier die Beschuldigte das Wort nahm.

Erst am 28.8. hat Frau Kortebein auf eindringlichen Vorhalt beim Sachbearbeiter Spath zugegeben, dass die Kleider-und Lebensmittelkarten gar nicht in Verlust geraten waren. Sie wollte jedoch glaubhaft machen, dass sich diese erst nachträglich in dem mitgenommenen Gepäck vorgefunden hätten. Diese Darstellung darf aber durch die Tatsache widerlegt gelten, dass die Beschuldigte und ihr Ehemann erst am 18.8., also vier Tage nach Eintreffen, die ausgestellten Bezugscheine entgegengenommen und die Einkäufe getätigt haben, also zu einem Zeitpunkt, an dem sich die angeblich im Gepäck mitgenommenen Karten bereits vorgefunden haben mußten.Diese wurden- wie die Beschuldigte selbst dem Sachbearbeiter zugab in der Zwischenzeit für weitere Anschaffungen benützt.Der Ehemann Kortebein wollte von diesen nichts näheres gewußt haben.

Ich habe davon Kenntnis genommen, dass die Beschuldigte in Untersuchungshaft genommen werden soll. Geeignete Unterbringung der Kinder durch das Kreiswohlfahrtsamt wurde deshalb veranlasst.
Unterschrift

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Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Freiburg
Freiburg Br. ‚den 9. April 1943
Verfg.
1. Urschr. mit Beiakten - an die Sonderabteilung im Hause

mit der Bitte um Übernahme des Verfahrens. Die Beschuldigte Marie Kortebein hat sich gemeinschaftlich mit ihrem inzwischen hingerichteten Ehemann beim Landratsamt - bezw. Wirtschaftsamt in Freiburg der Wahrheit zuwider als total Fliegergeschädigte ausgegeben und dadurch die Auszahlung von einen Geldbetrag von RM 50.-, die laufende Bewilligung eines Familienunterhaltszuschusses von täglich RM 5.74, die Begleichung von Anschaffungskosten in Höhe von RM 343.67 und die Ausgabe von Bezugscheinen in erheblicher Menge bewirkt. Das Sondergericht in Mainz hat den Ehemann Kortebein auch dieserhalb zum Tode verurteilt und nicht nur einen besonders schweren Fall im Sinne des $ 263 Abs. 4 StGB., sondern auch den Tatbestand des $ 4 Volksschädlingsverordnung angenommen. Dieser dürfte auch auf die Ehefrau Kortebein zur Anwendung kommen.

Ich bitte um Bestätigung der Übernahme.
2. Beleg ( Wv. 1.5.)

Unterschrift
Staatsanwalt

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Freiburg i.Br., den 12 April 1943
Verf.
......
4 Ro an die Gendarmerie Freiburg mit dem Ersuchen um eingehende Vernehmung der Beschuldigten Marie Kortebein zur Person und zur Sache.
In Eschbach sind auch Ermittlungen über ihren sonstigen Leumund durchzuführen.
Die Beschuldigte ersuche ich sodann festzunehmen und in die Gefängnisse Freiburg einzuliefern.
Der Oberstaatsanwalt beim Sondergericht Freiburg
Unterschrift
i.A.
Staatsanwalt

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Auftrag der Staatsanwaltschaft Freiburg
Kirchzarten, den 18.4.1943

Meine Erhebungen in Eschbach ergaben folgendes;
Die Beschuldigte Marie Kortebein geborene A. geboren am 5.7.1906 in Eschbach, hat sich am 16.4.43-einen Tag bevor ich die Akten erhielt-nach Kolmar i. Els. Eichenstraße 80 abgemeldet. Dort tritt sie angeblich die Stelle einer Haushälterin an.--Ich konnte die Genannte in Eschbach nicht mehr betreten.-

Die Erhebungen über ihre persönlichen Verhältnisse ergaben folgendes:
Marie Kortebein geborene A. wurde als 1. Kind achtbarer Bauersleute - Pius A. und dessen Ehefrau Stefanie geborene Hug- auf dem Oberbauernhof - in Eschbach geboren. Die Mutter-starb beim 8. Kind im Wochenbett, demzufolge der Vater im Jahre
1921 die 2. Ehe einging.--Die Kortebein war noch schulpflichtig und hat angeblich unter dem Einfluss der Stiefmutter-weil nicht energisch- gelitten. Jedenfalls verließ die Genannte frühzeitig das Vaterhaus und ging in fremde Dienste. Hier begann ihr zügelloses Leben, in welchem sie 4 uneheliche Kinder zur Welt brachte. In krimineller Beziehung konnte ich nichts nachteiliges ermitteln; wenigstens ist in hiesiger Gegend nichts derartiges bekannt geworden. --

Soweit ich in Erfahrung brachte ,sollen sich von ihren Ehemann Kortebein, Brüder in Kolmar aufhalten. So soll ein Soldat in einem Lazarett " 3 Ähren " in oder bei Kolmar untergebracht sein. Die Kortebein wurde auch-fernmündlich nach Kolmar abberufen. —

Unterschrift Mattes Meister der Gendarmerie.

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Freiburg i.Br. 19.4.1943
Verf.
Rv. an die Kriminalpolizei Kolmar i. Els.
mit dem Ersuchen um eingehende Vernehmung der Beschuldigten Maria Kortebein zur Person und zur Sache. Nach der Vernehmung bitte ich, die Beschuldigte festzunehmen und in das Gerichtsgefängnis Kolmar  einzuliefern.
Der Oberstaatsanwalt beim Sondergericht Freiburg
Unterschrift i.A. Staatsanwalt

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Der Oberbürgermeister als Ortspolizeibehörde - Kriminalpolizei -
Kolmar / Els. 3.Mai 1943
Vorgeführt erscheint die Nachgenannte und erklärt, zur Wahrheit ermahnt:
Zur Person
1 Name: Kortebein, geb. A., Maria
2a. Beruf: Hausgehilfin
2b. Einkommensverhältnisse: z.Zt. kein Einkommen
3. Geboren: 5.7.1906 in Eschbach
4. Wohnung: Kolmar i.Els., Eichenstr. 80 bei Bachmann, Marzellus
5. Staatsangehörigkeit: Reichsdeutsch
6a. Religion: katholisch
6b. Eltern und Großeltern deutschblütig? : ja
7a. Familienstand: verwitwet
7b. Ehegatten: Ernst Kortebein, Hilfsarbeiter
7c. Wohnung des Ehegatten: verstorben seit 3.3.1943
7d. Eltern und Großeltern des Ehegatten deutschblütig? : ja
8. Kinder: ehelich 1, (11 Monate), unehelich 4, (12, 10, 8, 5 Jahre)
9a. Vater: Pius A., Landwirt, Eschbach, Haus 45
9b. Mutter: Stefanie geb. Hug, verstorben seit 22.6.1920
17. Orden und Ehrenzeichen? Nein
(einzeln aufführen)
18. Vorbestraft ? ja, 3.Monate Gefängnis wegen Körperverletzung

II Zur Sache:

Am 5.7.1906 wurde ich als zweites Kind des Landwirts Pius A. und dessen Ehefrau Stefanie geb. Hug in Eschbach Kreis Freiburg geboren. Vom 6. bis 14. Lebensjahre besuchte ich die Volksschule in Eschbach. Nach meiner Schulentlassung war ich etwa 6 Jahre in der Landwirtschaft meiner Eltern tätig. In der Folgezeit war ich bei meinen Onkel Karl A. in Unter-Ibental 2 1/2 Jahre und arbeitete dort als Dienstmagd. Im Jahre 1927 ging ich von meinen Onkel fort und erlernte in Freiburg die Krankenpflege. Infolge Krankheit musste ich die Lehre unterbrechen und ging zu meinen Eltern nach Eschbach, wo ich 1/2 Jahr war. Anschliessend ging ich zu meiner Tante nach St.Märgen, wo ich ein Jahr arbeitete. Von meiner Tante ging ich nach Littenweiler zu dem Landwirt Max Steiert. Bei diesem war ich 2 Jahre. Im Jahre 1933 gab ich die Stelle bei Steiert auf und ging nach Badenweiler, wo ich während der Saisonzeit 1/2 Jahr im Hotelbetrieb arbeitete. 1934 nahm ich eine Stelle bei einer Frau Schmiederer in Freiburg auf 1 Jahr an. In der Folgezeit war ich 1 Jahr bei dem Landwirt Steigert in St. Georgen b/Freiburg als Hausgehilfin tätig. Von 1936 - 1938 war ich dann wieder bei Frau Schmiederer in Freiburg beschäftigt. Von 1938 - 1940 arbeitete ich in der Brauerei Ganter in Freiburg. Anschließend arbeitete ich bis zu meiner Verheiratung am 20.1.1941 in der Kunstseidenfabrik Rodiaseta in Freiburg. Nach meiner ‚Verheiratung zog mein Mann mit mir und meinen 4 unehelichen Kindern nach Mainz.

In den Nächten von 11. zum 12. und vom 12. zum 13.8.1942 wurde Mainz von feindlichen Flugzeugen bombardiert. Das Haus Kirschgarten 17, in dem wir wohnten, wurde .bei diesen Luftangriffen nicht getroffen. Weil mein Mann und auch ich weitere Angriffe vermuteten, fuhren wir am 14.3.1942 nach Freiburg. In Freiburg kamen wir etwa um 23 Uhr 45 mit unseren Kindern und Frau Heigert , die auch 2 Kinder hatte, auf dem Hauptbahnhof an. Dort haben wir alle bei der N.S.V. übernachtet. Am Morgen des nächsten Tages ging wir alle gemeinsam zu der Familie Kurtruff, Gaustraße 27, die ich von früher her kannte. Bei dieser Familie hatte ich etwa 1 Jahr lang gewohnt. Während Frau Kurtruff die Kinder behielt und versorgte, gingen Frau Heigert, mein Mann und ich zum Wohlfahrtssamt und beantragten dort eine Unterstützung. Wir meldeten uns auf Zimmer 10 bei Herrn Spath. Diesem teilten wir mit, dass wir beim Fliegerangriff in Mainz am 13.8.1942 alles verloren hätten und daher mittellos seien. Nachdem erst mein Mann gesprochen hatte, sprach auch ich. Unter Tränen erklärte ich Herrn Spath.,"wir haben alles verloren bis auf das, was wir an haben oder in Eile mit uns nehmen konnten. Weiter erklärte ich ‚dass die ‚Lebensmittel- und Kleiderkarten verbrannt seien und es fehle insbesondere an dringend benötigten Wäschestücken für die Kinder und Windeln für den 2 Monate alten Säugling. Hierauf erhielt ich von den Angestellten durch Herrn
Spath Bekleidungs- und Wäschestücke. Mein Mann erhielt an selben Tag 50.- RM ausbezahlt.

A.V. Es ist richtig, dass ich am selben Tage auch noch vor dem Oberbürgermeister a.D. Dr. Moericke unter Tränen wiederholt habe, dass wir beim Luftangriff alles verloren haben. Hierbei war aber mein Mann nicht anwesend, sondern holte von der Kreiskasse das Geld.
A.V. Es ist richtig, dass ich Frl. Hornecker gegenüber meine Angaben betreff des Verlustes noch dadurch bekräftigte, indem ich das Kleid am Halse zur Seite schob und das Nachthemd, das ich unterhalb trug zeigte. Hierbei sagte ich zu ihr, dass ich nicht einmal mehr die Möglichkeit hatte, andere Wäsche anzuziehen.
AV. Es ist richtig, dass ich mich im Schuhhaus Beyer und bei der Firma C. Fabel als total-fliegergeschädigt ausgegeben habe. Dem Geschäftsführer Klimmer, der Firm Beyer ,den ich schon von früher her kannte, erklärte ich, dass ich die Tochter des Oberbauer Pius A. sei und beim Luftangriff auf Mainz alles verloren hätte. Weil Krimmer mich nur als Mädchen kannte und auch glaubte, dass ich noch unverheiratet sei, schwieg ich. Ich nannte ihm nur deshalb meinen Mädchennamen, damit er sich meiner entsinnen konnte.

A.V. Es ist richtig, dass ich bei der Firma Fabel das Wort ergriffen habe, während mein Mann infolge seiner angegriffenen Nerven vollkommen erschöpft war. Den Verkäuferinnen erklärte ich, dass ich beim Fliegerangriff in Mainz alles verloren hätten und total-fliegergeschädigt seien.

A.V. Betreffs der Lebensmittel- und Kleiderkarten habe. ich, wie in allen anderen Fällen, bewusst falsche Angaben gemacht. Ich wusste genau, dass diese Karten nicht verbrannt sein konnten, sondern mitgenommen sein mussten. Sie waren nicht im Koffer, wie ich später angenommen hatte, sondern in der Tasche meines Mannes.

A.V. Es trifft nicht zu, dass ich inzwischen Anschaffungen aufgrund der Kleiderkarten getätigt habe. Ich habe auch dem Sachbearbeiter gegenüber dies nicht zugegeben.
Abschliessend möchte ich noch bemerken, dass Frau Heigert Susanne mit mir stets zusammen war und sich auch als total-fliegergeschädigt ausgegeben hat. Dies werden die Angestellten des Wohlfahrtsamts Freiburg sowie die der Kaufhäuser bestätigen können.
Ich sehe ein, dass ich mich strafbar gemacht habe. Da ich aber teils auf Anraten meines Mannes gehandelt habe, bitte ich Milde walten zu lassen.
Vor etwa 4 Wochen habe ich hier in Kolmar den Schlosser Marzell Bachmann kennen gelernt. Mit diesem will ich demnächst auch die Ehe eingehen.

V.g.u.
Unterschrift Maria Kortebein

G.w.o. Unterschrift ....Kriminalsekretär.

Die Beschuldigte ist geständig. Wie aus ihren Angaben hervorgeht, hat sie sich als total-fliegergeschädigt ausgegeben, obwohl ihr Haus bei dem fraglichen Fliegerangriff keinerlei Beschädigungen davon getragen hat. Sie hat sich demnach nach § 4 der Volksschädlingsverordnung strafbar gemacht.
Gemäss Ersuchen des Herrn Oberstaatsanwalts beim Sondergericht Freiburg wurde die Beschuldigte am 3. 5. 43 - 12,00 Uhr - festgenommen und in die hiesige U.-Haftanstalt eingeliefert.

Unterschrift Kriminalsekretär.

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Aktenzeichen: 30 Js 176743
Haftmerkzettel
für den Beschuldigten    Marie Kortebein  geb. A.
Tag der vorläufigen Festnahme:    3.5.1943
Haftbefehl vom    7.5.1943
In Haft genommen am    11.5.1943
Fortdauer der Untersuchungshaft — Unterbringung — angeordnet am
Untersuchungsgefängnis in Kolmar i.Els.
Kriminalpolizei. Kolmar/Els., d. 3.5.1943

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Sondergericht beim Landgericht Freiburg i.Br.
Aktenzeichen: So Js. 176/43 / So AK. 110/43


Haftbefehl

I. Die am 5.7.1906 in Eschbach geborene, in Kolmar i.Els., Sichenstr. 80 wohnhafte, verwitwete Hausgehilfin
Maria Kortebein geb. A.
ist zur Untersuchungshaft zu bringen.
Die.Genannte ist dringend verdächtig, wie im Antrag der Staatsanwaltschaft Freiburg/Br. vom 5. Mai 1943

Die Untersuchungshaft wird verhängt, und aus folgenden Gründen wie im Antrag der Staatsanwaltschaft Freiburg / Br. vom 5. Mai 1943 von / bis

II, Antrag.
III, An den Herrn Oberstaatsanwalt Freiburg / Br. zurück.
Der Vorsitzer: Unterschrift

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Der Oberstaatsanwalt  Freiburg i.Br. 5, Mai 1943.

Aktenzeichen: SO Js 176/43

Anzeige gegen
Maria Kortebein geb. A., Hausgehilfin aus Eschbach b.Freiburg

wegen Verbr, gg.d.VVO.

Mit Bezug auf $ 142 Abs. 2b und $ 598 der Dienstanweisung für die Standesbeamten
ersuche ich um gebührenfreie Ausstellung nachstehender, erforderlichenfalls zu berichtigender Geburtsbeurkundung.

An das Standesamt in Eschbach Krs. Freiburg i.Br.

Der Ober-Staatsanwalt
Auf Anordnung
Unterschrift
Hückle ??? Justizobersekretär

Geburtsbeurkundung

Maria A.
ist geboren am 5.7.1906 in Eschbach
als Tochter des.Pius A. und der Stefanie geb. Hug +

Diese Standestatsache wird auf Grund des Geburtsbuches als richtig beurkundet
Eschbach, den 8. Mai 1943
Der Standesbeamte

Zurück an die Staatsanwaltschaft in Freiburg i.Br.
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Amtsgericht C3        Freiburg i.Br., den 7. Mai 1943
In Strafsachen gegen
Maria A, Arbeiterin aus Eschbach wegen Vergehen gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten.
Wir fragen an, was unter dem AZ. So Js 176/43 gegen die Obengenannte vorliegt.
Handschriftlich:
Die Beschuldigte Maria Kortebein geb. A. hat als angeblich Fliegergeschädigte Fürsorgegelde und Bezugsscheine erschwindelt.
Sie wird vor dem Sondergericht angeklagt und voraussichtlich zu Zuchthaus verurteilt werden


Landgericht
Eing. -6, MAI 1943
Freiburg i.Br., den 5. Mai 1943.
Verf.

1. Strafliste:
2. Geburtsurkunde
3. Weisung nach § 74 dem Gerichtsgefängnis Kolmar i. Els.
4- Rv. an den Herrn Vorsitzer des Sondergerichts
Freiburg i. Br
mit dem Antrag, gegen die am 5.7.1906 in Eschbach geborene, in Kolmar i.Els., Elchenstr, 80, wohnhafte, verw. Hausgehilfin Maria Kortebein geb. A. Haftbefehl zu erlassen.

Die Beschuldigte ist dringend verdächtig am 14.8.1942 und den folgenden Tagen nach dem schweren britischen Terrorangriff auf ihren früheren Wohnort Mainz beim Landrat - Abt. für Familienunterhalt - und Wirtschaftsamt Freiburg i.Br. vorgesprochen und dabei durch die wahrheitswidrige Angabe, mit der ganzen Familie total fliegergeschädigt zu sein, zusammen mit ihrem inzwischen hingerichteten Ehemann Ernst Kortebein 50,- RM Vorschuß auf Räumugsfamilienunterhalt sowie Bezugscheine im Werte von 343, 67 RM
erschwindelt zu haben.

Verbrechen, strafbar nach §§ 263 RStGB, in Verb. mit §4 der Volksschädlingsverordnung

Haftgrund: Die Beschuldigte, deren Kinder anderweitig untergebracht wurden, hält sich jetzt im Elsass auf. Bei der Höhe der zu erwartenden Strafe besteht die Gefahr, daß sie sich der Strafverfolgung nach erhaltener Kenntnis von deren Durchführung durch die Flucht zu entziehen suchen wird. Es besteht daher Fluchtverdacht, Ausserdem ist zu befürchten, daß sie in Falle der Belassung in Freiheit versuchen würde, die in Frage kommenden Beamten des Landratsamts Freiburg zu ihr günstigeren Aussagen zu veranlassen. Es besteht daher auch Verdunkelungsgefahr.

Der OberstaatsanwaIt beim Sondergericht Freiburg i.Br.
i.A. Staatsanwalt Unterschrift

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Auszug aus dem Strafregister der Staatsanwaltschaft zu Freiburg i.Br.

Familienname (bei Frauen Geburtsname): A.
Vornamen (Rufname zu unterstreichen): Maria
Familienstand: verwitwet
Vor- und Familien: (Geburts-) Name des (bezw. früheren) Ehegatten: Ernst Kortebein
Des Vaters Vor- und Familienname: Pius A.
Der Mutter Vor- und Geburtsname: Stefanie geb. Hug +
Geburtstag: 5.7.1906 Geburtsort: Eschbach Landgerichtsbezirk: Freiburg / Baden
Wohnort: Kolmar
Stand Beruf: Hausgehilfin

Im Strafregister ist folgende Berurteilung(en) vermerkt:
am. 14.2.40 durch Strafbefehl des Amtsgerichts C3 Freiburg i.Br. wegen Verg.gg. das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten und Gewerbsunzucht, § 361 des Ges. zur Bekämpfung der Geschlechtskrankh. vom 18..2.1927 zu einer Gefängnisstrafe von 4 Monaten und einer Haftstrafe von  Wochen. |
Bewährungsfrist bis 31. VII. 1943 für Strafrest| von 7 Tagen Gefängnis u. 3 Wochen Haft, bew, am 4.7.40 durch AG. Freiburg i.Br.
|
Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Freiburg i. Br. 8. Mai 1943
Der Strafregisterführer
Unterschrift Endres

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Das Amtsgericht     Kolmar , den 11. Mai 1943

Gegenwärtig: Amtsgerichtsrat WAGNER als Richter
Justizsekretär HENNINGER als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

Strafsache
gegen d Maria KORTEBEIN geb. A. aus KOLMAR
wegen Unterstützungsbetrugs.

Die Beschuldigte befragt ob sie etwas auf die Beschuldigung erwidern wolle, erklärte:
Meine am 3. Mai 1943 vor der Kriminalpolizei Kolmar gemachten Angaben entsprechen der Wahrheit. Ich gebe mithin zu, am 14. August 1942 und den folgenden Tagen nach dem schweren britischen Terrorangriff auf Mainz, beim Landrat und beim Wirtschaftsamt Freiburg i.Br. vorgesprochen zu haben und dabei wahrheitswidrige Angaben gemacht zu haben. Zusammen mit meinem früheren Mann behauptete ich wahrheitswidrig, mit der ganzen Familie total fliegergeschädigt zu sein. Mit meinem früheren Manne hatte ich mir einen Vorschuss vom 50.- RM. auf Räumungsfamilienunterhalt und Bezugsscheine im Wert  von 343,67 RM. erschwindelt.
Ich hätte die Tat nicht begangen, wenn mein früherer Mann mich nicht dazu verleitet hätte. Ich hatte ihn gern und wollte, um ihn gefällig zu sein, die gleichen Angaben machen, wie er.
V.g.u,
Unterschrift Maria Kortebein

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Freiburg L.Br., den 12. Mai 1943.

1. Haftliste 88/43 f
2. Haftmerkzettel
3. An den Vorstand der Untersuchungshaftanstalt Kolmar i. Els.:
Ich ersuche, die Untersuchungsgefangene Maria Kortebein
geb A. (geb. 5.7.1906 in Eschbach bei Freiburg) in die Gefängnisse Freiburg i.Br. zu verschuben.
Transportzettel ist angeschlossen,
4. Nachricht von Ziff. 3) den Gefängnissen Freiburg mit Zusatz:
Die Besch. ist in Untersuchungshaft zu nehmen
5. An den Herrn Landrat in Lörrach:
Die Maria Kortebein geb. A. aus Eschbach bei Freiburg i.Br. hat nach den schweren Fliegerangriffen auf Mainz an 14.8.1942 und den folgenden Tagen bei den Landrat - Abt. für Familienunterhalt - in Freiburg vorgesprochen und sich dort zusammen mit ihrem (inzwischen hingerichteten) Ehemann durch die unwahre Angabe, totalfliegergeschädigt zu sein, 50 RM Vorschuss, laufende Unterstützung von 5,43 RM täglich und Bezugscheine im Wert von über 340,- RM erschwindelt,
U.a, hat sie nach Mitteilung des Landrats in Freiburg i.Br. dabei auch bei dem damaligen Vorstand der Abteilung Familienunterhalt, Oberbürgermeister a.D. Dr. Hofricke, vorgesprochen,
Der Landrat in Freiburg hat über diese Vorsprache folgendes mitgeteilt ! Einsetzen AS. 15 von (bis)
Ich bitte, den Oberbürgermeister a.D. Dr. Hoericke, der bei der dortigen Behörde beschäftigt sein soll, zu veranlassen, den damaligen Vorgang eingehend zu schildern, Ist es insbesondere richtig, daß die Kortebein bei ihm ohne ihren Ehemann vorgesprochen hat ? wurde sie irgendwie darauf hingewiesen, daß ihre Angaben. nachgeprüft würden. ? 6. Rv. an die Kriminalpolizei Freiburg
mit dem Ersuchen, die Zeugen Spath, Hornecker und Fenninger beim Langratsamt Freiburg i.Br. als Zeugen Sache zu vernehmen.
Nach Zulieferung der Beschuldigten in die Gefängnisse Freiburg die veranlasst ist, wolle die Beschuldigte ihre Angaben AS 28 substantieren und insbesondere.die verschiedenen
Anschriften angeben.
Sodann ersuche ich, bei den in Frage kommenden Personen Erkundungen über den Leumund der Beschuldigten..einzuziehen.
Wo werden die Vormundschaften über die unehelichen Kinder der Beschuldigten geführt?Welche Jugendämter sind damit befasst? Sofern auch das Jugendamt (Stadt oder Land) Freiburg Kinder der Beschuldigten betreut, ersuche ich, die Akten zu erheben und mit vorzulegen,
7. Beleg und Wv. 1.6.

Der Oberstaatsanwalt beim Sondergericht Freiburg i.Br.

J.A. Unterschrift Staatsanwalt.
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Staatliche Kriminalpolizei
Der Polizeidirektion Freiburg i.Brg.
Kriminalabteilung
Freiburg, den 21.Mai 1943

Auf Vorladung erschien hier im Dienstzimmer der Kriminalpolizei der am 21. 8, 98 in Freiburg geborene Sachbearbeiter bei der Abt. Familienunterhalt beim Landrat Freiburg
Heinrich Spath,
hier Talstrasse Nr, 52 wohnhaft und erklärt, nachdem er mit dem Gegenstand seiner Vernehmung vertraut gemacht und zur Wahrheit ermahnt ist, folgendes:
Die von meiner Dienststelle erstattete Anzeige begründet sich darauf, dass die Frau Kortebein mit ihrem Ehemann Leistungen des Räumungsfamilienunterhalts unter der wahrheitswidrigen Angabe, beantragt und erhalten hat,. bei den Terrorfliegerangriffen auf Mainz sei ihre Wohnung vollkommen zerstört worden und all ihre Habe verloren gegangen. Sie besässen nur noch das, was sie auf dem Leibe tragen, oder in der Eile mitnehmen konnten.
Die Leistungen des Räumungsfamilienunterhalts konnten den Antragstellern nicht versagt werden, weil durch Runderlass des Reichsministers d, Innern und des Reichsministers der Finanzen von 25. 7. 42 angeordnet ist, dass bei Katastrophenfällen die Glaubhaftmachung des Sachverhaltes genügt, wenn Fliegergeschädigte ohne die erforderlichen Ausweispapiere (Abreisebescheinigung der Heimatbehörde) eine Gefährdung ihres Lebensbedarfs geltend machen.
Im vorliegenden Falle musste nach den Veröffentlichungen im Rundfunk und Presse und mangels Möglichkeit fernmündlicher Verbindung mit den Dienststellen in Mainz, das Vorliegen eines Katastrophenfalles angenommen und entsprechend verfahren werden.
An der Richtigkeit der gemachten Angaben war umsoweniger zu zweifeln, als Frau Kortebein die näheren Schilderungen unter Tränen gemacht und dadurch einen bemitleidenswerten Eindruck hervorgerufen hat.
Frau Kortebein war wohl deshalb wortführend, weil sie schon wiederholt bei früheren Anlässen mit Dienststellen der Landkreisselbstverwaltung (Kreiswohlfahrtsamt u. Jugendamt) verhandelt hat und sich auch zuerst an diese wandte, von den sie an die Abt. Familienunterhalt verwiesen wurde.
Dem Abteilungsvorstand, Oberbürgermeister a.D. Dr. Noericke, z.Zt, Landratsamt Lörrach, der sich bei mir einfand, um selbst üüber die Fliegerangriffe auf Mainz von Frau Kortebein zu hören, hat sie die mir vorher gemachten, wahrheitswidrigen Angaben ebenfalls unter Tränen, wörtlich wiederholt. Hierbei war ihr Ehemann nicht anwesend !
Nachdem sich heraus gestellt hatte, dass das Ehepaar Kortebein in Eschbach durch arbeitsscheues Verhalten allgemeines Befremden hervorrief, musste damit gerechnet werden, dass die Voraussetzungen für die Gewährung des Räumungsfamlienunterhaltes nicht vorlagen u. dieser zu Unrecht in Empfang genommen worden war.
Auf die einzelnen Fragen, die deshalb den Eheleuten K, zur Klärung der tatsächlichen Vorgänge vorgelegt wurden, gaben sie nur sehr ungenaue und teils widerspruchsvolle Antworten.
Es entstand immer mehr der Eindruck, dass sie hierbei nach Verabredung handelten, weshalb.es erforderlich wurde, sie getrennt einzuvernehmen. Hierbei wurde dann festgestellt, dass es sich gar nicht um Fliegergeschädigte handelte. Es war weder die Wohnung beschädigt, noch ein Verlust von Habseligkeiten eingetreten.
Insbesondere hat es sich als unwahr herausgestellt, dass die Lebensmittel-und Kleiderkarten verloren gegangen seien, Frau Kortebein hat zwar behauptet, sie habe nicht gewusst, dass diese Karten zu unterst im Gepäck gelegen hätten, wodurch sie erst nachträglich aufgefunden worden wären. Dies kann jedoch nicht als glaubhaft gelten, weil die vom Wirtschaftsamt auf Grund des angeblichen Bonbenschadens ausgestellten Bezugscheine für Notbedarf erst 4 Tage nach dem Eintreffen der Eheleute Kortebein von Frau Kortebein entgegen genommen wurden. Die Antragstellung auf dem Wirtschaftsamt, dem Frau Kortebein von der Zeugin Hornecker begleitet wurde, erfolgte in Abwesenheit des Ehemannes Kortebein.
Im Uebrigen verweise ich auf den Bericht an den Herrn Oberstaatsanwalt beim Landgericht Freiburg vom 25. 3. 43, den ich selbst abgefasst habe und der in allen Teilen dem entspricht, was ich zu dieser Sache anzugeben habe,"
v.g.u Unterschriften Heinrich Spath
und
G.W.O. Anemüller Krim. Sekretär,

Auf weitere Vorladung erschien am 24. 5. 43 hier im Dienstzimmer der Kriminalpolizei
die Kriegsaushilfsangestellte
Gretel Hornecker
geb. am 15. 4. 21 in Waldkirch, wohnhaft in Waldkirch, Querstr. 4 und erklärt, nachdem sie mit dem Gegenstand ihrer Vernehmung vertraut gemacht und zur Wahrheit ermahnt ist, folgendes:
" Ich bin als Kriegsaushilfsangestellte beim Landratsamt Freiburg tätig und war im Zimmer 12 zugegen, als am 14. 8. 42 die Eheleute Ernst Kortebein und eine Frau Heigert dort erschienen und dem Sachbearbeiter für Familienunterhalt, Herrn Spath erklärten, dass sie aus Mainz kämen, wo eine oder 2 Nächte vorher ein Fliegerangriff stattgefunden habe, bei dem sie alles verloren hätten.
Herr Spath liess sich über den Fliegerangriff berichten. Ich hörte zu und hatte das grösste Bedauern mit den Leuten, zumal Frau Kortebein erklärte, dass sie noch nicht einmal Windeln hätte, um ihr 2 Monate altes Kind trocken legen zu können.
Herr Spath war von der Schilderung der Notlage der Eheleute Kortebein so beeindruckt, dass er schon am gleichen Nachmittag u.a. Kleinkinderwäsche von sich zu Hause mitbrachte und der Frau Kortebein übergab. Ich selbst erhielt den Auftrag, am gleichen Tage mit den beiden Frauen, Kortebein und Heigert zum Wirtschaftsamt Freiburg-Land zu gehen um dort die entsprechenden Bezugsscheine zu beantragen. In meinem Dienstzimmer machte Frau Kortebein,nachdem sich Herr Spath für kurze Zeit entfernt hatte, ihr Kleid auf und zeigte mir ein Nachthemd, das, sie am Körper trug, mit dem Bemerken, es habe ihr nicht mehr zum Umziehen gereicht, sie sei deshalb noch mit dem Nachthemd bekleidet.
Nachdem die Verhandlungen im Dienstzimmer des Herrn Spath, in dem auch ich sitze, beendet waren, ging ich, wie schon erwähnt, mit Frau Kortebein u. Frau Heigert, aber ohne den Ehemann Kortebein, zum Wirtschaftsamt.

Beim Wirtschaftsamt Freiburg-Land verhandelten wir dann mit einem Herrn Fenninger. Ich erklärte ihm zuerst, dass es sich um Fliegergeschädigte aus Mainz handeln wurde und im Laufe der weiteren Unterhaltung erzählte dann Frau Kortebein wieder unter Tränen, wie bei uns im Zimmer Nr, 12 des Landratsamtes, wie es in Mainz aussehe.
Herr Fenninger notierte sich zuerst den Bedarf für die kleinen Kinder, frug aber gleichzeitig, ob sonst noch etwas gebraucht wurde, Hierauf bat natürlich Frau Kortebein um weitere Kleidungsstücke für sämtliche Kinder, für sich und ihren Ehemann.
An diesem Tage wurde m,W. von den Eheleuten Kortebein und der Frau Heigert hier nichts gekauft, denn es war vom Landratsamt ein Kraftwagen bestellt worden, der um 18,30 Uhr am Hauptbahnhof vorfahren und die Fliegergeschädigten nach Eschbach verbringen sollte. Ich selbst ging dann noch zum Bahnhof und brachte dem Kraftwagenführer die vom Landratsamt ausgefertigte Fahrtanweisung dorthin.
Die angebl. Fliegergeschädigten fuhren dann mit ihren Gepäck und insgesamt 9 Personen von Bahnhof ab nach Eschbach.
Am Dienstag den 18. 8. 42 erschienen die Eheleute Kortebein und die Frau Heigert wieder bei uns im Landratsamt auf Zimmer Nr.12, wo ich mittlerweile die Bezugscheine vom Wirtschaftsamt erhalten und sortiert hatte. Es handelte sich um ca. 50 Bezugscheine für Spinnstoffe und Schuhwaren.
Wir suchten nun-am Vormittag und am Nachmittag die Geschäfte auf, wo ich angenommen hatte, dass wir die auf den Bezugscheinen bezeichneten Gegenstände bekommen wurden.
U. a. war ich mit den Eheleuten Kortebein und der Frau Heigert im Kleiderhaus Hettlage, wo sich Kortebein Unterwäsche kaufte, Er suchte sich die Wäsche aus, ich gab die Bezugscheine hin, ging aber dann mit den beiden Frauen zu der Fa. Fabel nach Unterlinden.
Als ich diese dorthin gebracht hatte, ging ich wieder zurück und holte auch den Kortebein.

Bei Fabel führte Frau Kortebein das Wort. Sie schilderte die Zerstörungen in Mainz und wurde auch von den Verkäuferinnen bei Fabel bedauert. Kortebein selbst sass angebl. erschöpft von den Strapazen und Hunger, im Laden auf einem Stuhl. Sie Frau K, stand bei ihm und strich ihm mit den Händen über den Kopf.
An diesem Vormittag wurden wir bei der Fa. Fabel noch nicht fertig mit dem Einkauf, Wir trafen uns am gleichen Nachmittag nochmals dort und beendigten dann erst den Einkauf.
Hierbei ergab sich folgender Vorfall.
Die Frau K. hatte ein schönes Kinderkleidchen für ein etwa 1 1/2 Jahre altes Kind liegen sehen und hätte dieses gern gehabt.
Bezugsschein für ein solches Kleid hatte ich aber nicht. Frau K. erklärte aber; „Das Kleidchen muss ich haben, ich hole die Punkte hierzu bei meiner Schwester."
Nach den Angaben der Heigert hat die Kortebein das Kleid auch tatsächlich gekauft. Frau Heigert hat dies einige Tage später zu mir gesagt. Demnach muss sie Punkte hierzu gehabt haben.
Im Schuhhaus-Beyer führte die Frau Kortebein auch wieder das Wort. Sie schilderte dem im Schuh-Laden befindlichem Herrn, ebenfalls wieder die Zerstörungen in Mainz.
Ob sie von den Zerstörungen ihrer Wohnung etwas gesagt hat, weiss ich nicht, den so genau habe ich nicht hingehört.
Den Herrn, mit dem sie sich unterhielt, muss Frau Kortenbein schon von früher her gekannt haben, denn sie hat diesem Herrn erklärt, dass sie A. geheissen habe und von Eschbach stamme.
Im Kleiderhaus Müller kaufte dann Kortebein einen Anzug. Hierbei führte Kortebein das Wort. Frau Kortebein hat sich im Kleiderhaus Müller wenig an der Unterhaltung beteiligt,
Im Kaufhaus Richter und Oberpaur stellte ich die Leute ebenfalls als Fliegergeschädigte aus Mainz vor, um anständig bedient zu werden, In diesen beiden Kaufhäusern haben sie aber nichts besonderes von Mainz erzählt.
Nach meinem Dafürhalten haben sich die Eheleute Kortebein gegenseitig in der Schilderung der Verhältnisse in Mainz unterstützt, vielleicht hatten sie sich auch vorher besprochen gehabt, was sie vorbringen wollten.Mit Bestimmtheit kann ich das nicht sagen, aber es ist dies meine Ansicht.
Jedenfalls hat die Frau Kortepbein bei uns im Landratsamt auf Zimmer Nr. 12, bei Herrn Fenninger am Wirtschaftsamt und in den Geschäften Fabel und Beyer die Lage in Mainz nach dem Fliegerangriff mit so bewegten Worten und teilweise unter Tränen geschildert, dass man Mitleid mit ihr haben musste, was Herrn Spath und auch Herrn Fenninger bewogen hat, sie in der bisher festgestellten Weise zu unterstützen."

v.g.u. Unterschrift Hornecker
z.w.o. Unterschrift Anemüller Krim. Sekretär.

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Am 25. 5. 43 erschien auf Vorladung hier im Dienstzimmer der Kriminalpolizei, der am 6.4.81 in Freiburg geborene und hier Conr. v. Hötzendorffstrasse Nr. 10 wohnhafte, verh. Kriegshilfsangestellte
Franz Fenninger,
als Leiter des Wirtschaftsamtes Freiburg-Land und erklärt, nachdem er mit dem Gegenstand seiner Vernehmung vertraut gemacht und zur Wahrheit ermahnt ist, folgendes;
"Am 14, 8, 42 erschienen beim Wirtschaftsamt Freiburg-Land in meinem Dienstzimmer, Adolf Hitlerstrasse Nr.150, die Kriegsaushilfsangestellte Hornecker vom Landratsamt und 2 Frauen, Kortebein und Heigert mit einigen Kindern. Frl. Hornecker erklärte mir, dass sie diese Fliegergeschädigten im Auftrag des Landratsamtes bringe, damit ihnen die erforderlichen Bezugscheine für die durch den Fliegerangriff auf Mainz in Verlust geratenen Wäsche-und Kleidungsstücke ausgestellt werden, wofür das Wohlfahrtsamt die Kosten übernehmen würde. Ich selbst hatte keinerlei Feststellungen darüber getroffen, ob es sich tatsächlich um Fliegergeschädigte handelt, oder nicht. Diese Feststellungen waren vom Landratsamt getroffen worden und dies war mir von dem Fräulein Hornecker bestätigt worden. Vor der Ausstellung der Bezugscheine habe ich mich natürlich auch über den Fliegerangriff erkundigt. Frau Kortebein führte das Wort und erklärte wiederholt in meinem Dienstzimmer, dass sie alles verloren hätten und nun mittellos daständen. Die Frau Heigert hat immer kurz die von der Kortebein gemachten Angaben bestätigt. Die Bezugscheine habe ich selbst nicht restlos ausgestellt. Sie wurden, soweit es sich um Spinnstoffe handelte, von meinen Kanzleiangestellten ausgefertigt, während die Bezugscheine für Schuhe von mir selbst ausgestellt wurden. Auch auf meiner Kanzlei hat Frau Kortebein ebenfalls durch ihre Schilderung der jetzigen Zustände in Mainz und ihrer Notlage bei den Angestellten Mitleid erregt, sodass diese selbst noch persönlich ihr mit Kinderwäsche aushalfen. An dem Tage, als die beiden Frauen mit Frl. Hornecker bei mir waren, war der Ehemann Kortebein selbst nicht anwesend.
Dagegen kam er mit seiner Ehefrau nach einiger Zeit einmal auf mein Dienstzimmer. Ich habe aber sehr wenig mit ihm gesprochen. Er erhielt m.W. lediglich noch einen Bezugsschein für ein Paar Schuhe. Auch Kortebein selbst erklärte bei seinem Besuch, dass er Schwerfliegergeschädigter sei und alles verloren habe. Er besitze nur das, was er auf dem Leibe trage.
Das Gleiche hatte die Ehefrau bei ihrem ersten Besuch auf meinem Dienstzimmer auch erklärt. Sie hat mehr als einmal gesagt, dass sie alles verloren hätten und weiter nichts mehr besässen, als das was sie auf dem Leibe tragen würden. Besonders erklärte Frau Kortebein, dass sie Im Nachthemd hätte davonlaufen müssen und keine Zeit mehr gehabt habe, sich anders anzuziehen."

v.g.u.
Unterschrift Franz Fenninger
g.w.o
Unterschrift Anemüller
Krim. Sekretär.

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Freiburg, den 28. Mai 1943.

Die hier im Gefängnis 2 in Untersuchungshaft befindliche Maria Kortebein geb, A.
hat nach Verlesung der Angaben der vernommenen Zeugen Spath, Hornecker und Fenninger, sowie nach Ermahnung zur Wahrheit, bei ihrer Vernehmung angegeben:
Die mir soeben vorgelesenen Angaben des Herrn Spath, des Frl. Hornecker und des Herrn Fenninger sind richtig. Ich muss mich aber gegen den Vorwurf eines arbeitsscheuen Verhaltens in Eschbach ganz entschieden verwahren, denn ich habe dort gearbeitet, was in meinen Kräften stand.
Zu ihren Angaben auf A.S. 28 erklärt Frau Kortebein:
Mit etwa 21 Jahren verliess ich mein Elternhaus in Eschbach, da wir viele Kinder waren und ich selbst etwas verdienen wollte. Ich kam zuerst zu einer Familie Baumann nach
Wiesneck, Gem. Buchenbach, als Hausgehilfin.
Herr Baumann war Obstbaulehrer, hatte aber auch Landwirtschaft und ich half auch mit in der Landwirtschaft.
Die Familie Baumann ist nicht mehr in Wiesneck wohnhaft. Sie ist m.W, nach Frankfurt verzogen und die Ehefrau soll gestorben sein. Ich war von Januar 1927 bis Juli oder August 1929 bei Baumann beschäftigt, konnte aber dort nicht mehr arbeiten, weil ich durch einen Unfall mit dem Fahrrade, einen Schlüsselbeinbruch und verschiedene andere Verletzungen erlitten hatte.
Von Juli oder August 1927 an, war ich dann wieder zu Hause bei meinen Eltern bis Spätjahr 1927, also bis ich mich wieder von dem Unfall erholt hatte.
Dann kam ich nach Unteribental zu meinem Onkel, dem Bauern Karl A., wo ich 2 Jahre als Magd gearbeitet habe.
Im Jahre 1929 ging ich dort weg um hier in Freiburg die Krankenpflege zu lernen. Ich besuchte auch im Josefskrankenhaus bei Professor Oberst einen Kurs und arbeitete praktisch in der alten Med. Klinik in der Albertstrasse. Gewohnt habe ich damals im Hildegardisstift in der Karlstrasse.
Von dort aus kam ich wegen einem Brief eines jungen Mannes, den die Schwester in meinen Bett im Kopfkissen gefunden hatte, nach Hause. Ich war aber nur kurze Zeit zu Hause und dann kam ich nach St.Märgen zu Landwirt und Fuhrhalter Josef Löffler. Ich arbeitete dort als Magd bis man sah, dass ich in anderen Umständen war. Kurz vor Weihnachten 1930 verliess ich dann meine Arbeitsstelle in St.Märgen und begab mich nach Littenweiler zu der Familie Max Steiert, Alemannenstrasse Nr. 43, wo ich bis zu meiner Entbindung am 19. 4. 1930 in der Landwirtschaft half.
Am 19. 4. 1930 habe ich dann in der Frauenklinik in Freiburg einem Mädchen, das den Namen Rita erhielt, das Leben gegeben.
Das Kind starb aber nach 10 Monaten an einer Lungenentzündung.
Mit dem Kinde ging ich nach der Entbindung wieder zu der Familie Steiert in Littenweiler. Ich kam von dort aus wegen Erschöpfung und erneuter Schwangerschaft in die Med. Klinik und befand mich noch dort, als mein Kind Rita starb. Nach der Entlassung aus der Med. Klinik etwa im April oder Mai 1931, ging ich wieder nach Eschbach zu meinen Eltern. Dort blieb ich bis zu meiner Entbindung, die am 9.9.31 erfolgte. Ich gebar wieder ein Mädchen hier in der Frauenklinik, das den Namen Elsa, Margarete erhielt. Der Vater dieser beiden Kinder war der jetzige Hilfsarbeiter Friedrich Löffler, der sich z,Zt,. bei der Wehrwacht befindet. Er hat sich später verheiratet.
Nach der Entbindung bekam ich Kindsbettfieber und musste bis kurz vor Weihnachten 1931 in der Klinik bleiben, Kurz vor Weihnachten ging ich dann mit meinem Kinde wieder zu meinen Eltern nach Eschbach, wo ich bis zum Heuet 1932 blieb. Zum Heuen im Jahre 1932 holte mich die Frau Hummel in Eschbach, wohin ich auch mein Kind mitnahm, da wir beide zu Hause unwert geworden waren.
Ich war auch mit meinem 3. Kinde schwanger und verliess etwa im Oktober 1932 die Frau Hummel und begab mich am 20.10.32 zu der Frau Schöllig, Fabrikstrasse Nr. 3 oder 5. in Freiburg. Geschwängert hatte mich der Schmied Hermann Feser in Eschach. Das Kind, ein Bube, Hermann Oswald. kam am 9.2.33 zur Welt, Ich habe auch wieder in der Frauenklinik entbunden.
Nach der Entlassung aus der Klinik wohnte ich mit dem Kinde im Augustinusheim in der Katharinenstrasse Nr. 8 bis ich etwa im April 1935 nach dem Rothof in Staufen (Besitzer Baumann) kam.
Baumann ist aber nicht mehr auf dem Rothof. Wohin er verzogen ist, weiss ich nicht. Ich war auch nur kurze Zeit auf dem Rothof, da das Personal dort sehr wenig zu essen bekam. Ich hatte auch im Monat nur 5 RM Lohn, der noch nicht einmal zur Kleidung für das Kind ausreichte.
Vom Arbeitsamt Freiburg wurde mir dann eine Stelle als Küchenmädchen in Badenweiler im Hotel und Pension Roseneck zugewiesen.
Die Inhaberin hiess Sander, die aber gestorben ist, Dort war ich bis Saisonschluss, also bis etwa November 1953.
Dann erhielt ich wieder eine Stelle als Küchenhilfe im Wolfshotel in Tlitisee, wo ich bis Februar 1934 arbeitete.
Von Titisee aus ging ich wieder nach Littenweiler zu der Familie Steiert, Dort blieb ich bis Mai 1934. Als ich aber die Gewissheit hatte, dass ich wieder in andern Umständen war, ging ich erst einige Tage nach Hause und nahm dann eine Stelle in der Brauerei Hässler, Inhaber Karl Höfflin, in der Weberstrasse in Freiburg an, wo ich bis zu meiner Entbindung arbeitete.
Die Entbindung erfolgte au 2. 2. 35 bei einer Familie Zerr in der Elsässerstrasse Nr.6,. Ich gebar dort den Heinz, Waldemar.
Vater des Kindes ist der jetzt verheiratete Landwirtssohn Josef WiIlmann, der jetzt in Staufen wohnt.
Nach dieser Entbindung in Jahre 1935 arbeitete ich dann in der Rempartstrasse Nr. 5 in Freiburg bei der Familie Schmiederer (Wirtschaft zum Breisacher-Tor) fast 2 Jahre lang in der Küche.
Nachdem ich dort meine Stelle aufgegeben hatte, kam ich zu Völke, Wirtschaft z. Klösterle in der Dreikönigstrasse, als Köchin. Dort war ich 3 Monate. Während dieser Zeit lernte ich
den Metzger Karl Vögtlin, der in der Rathausgasse beschäftigt war, kennen. Nachdem ich meine Stelle in der Wirtschaft zum Klösterle aufgegeben hatte, kam ich wieder zu Schmiederer in das Breisacher Tor. Dort wurde ich erneut, also jetzt das 5.
mal schwanger. Ich wurde auch krank und der Schwängerer Vögtlin verliess Freiburg, als ich ihm mitgeteilt hatte, dass ich in andern Umständen sei. Er befindet sich jetzt auch bei der Wehrmacht.
Am 1.6.38 kam ich mit meinen 5. Kind, dem Manfred Herbert in der Gauchstrasse Nr, 27 bei einer Familie Kuttruf nieder.
Bevor ich mit meinen 5. Kinde niederkam, war ich auch einig Monate in St. Georgen, im Ritter St. Georg bei Johann Friedrich Steigert als Alleinmädchen beschäftigt.
Wann dies gewesen ist, kann ich beim besten Willen nicht genau angeben.
Nach der am1.6.38 erfolgten Geburt des Manfred kaum ich als Flaschenspülerin in die Brauerei Ganter in der Schwarzwaldstrasse. Ich wohnte Gauchstrasse Nr.27, wo auch mein Kind untergebracht war. Ich verdiente wöchentlich 25 bis 28 RM, auch manchmal noch etwas mehr. Hiervon bezahlte ich meine und meines Kindes Unterkunft mit wöchentlich etwa 20 RM.
Am 8. 9. 39 wurde ich von der Brauerei Ganter wegen Krankheit entlassen. Ich war unterleibskrank geworden, hatte Gallenblasenleiden und wurde am 24. 10. 39 in der Chir. Klinik hier operiert, Nach der Operation arbeitete ich in der Seidenfabrıik Rhodiaseta bis zu meiner Verhaftung im Januar 1940.
Ich war zu 4 Monaten Gefängnis und 3 Wochen Haft wegen Gewerbsunzucht und Körperverletzung verurteilt worden. Diese Strafe habe ich in Gotteszell bis 5.7.40 verbüsst.
Anschliessend daran arbeitete ich wieder in der Rhodiaseta. Am 20.1.41 habe ich mich mit Ernst Kortebein, der damals Soldat hier in Freiburg war, verheiratet. Ich hatte ihn an Tage vor Weihnachten1940 bei einer Familie Gilbricht, Am Lusbühl Nr. 4 kennen gelernt, und mich nach 4 Wochen mit ihm verheiratet.
Im Juli 1941 wurde mein Mann von Militär entlassen, weil er krank war. Ich zog dann am 11.2.41, nachdem wir 5 Wochen verheiratet waren, nach Mainz. Dort suchte ich mir sofort Arbeit. Ich arbeitete ab 15.2.41 in der Wirtschaft zur goldenen Schipp, Rheinstrasse Nr, 55 und wohnte in der Rheinstrasse Nr.41.
Im Mai 1941 holte ich dann mein ältestes Kind Elsa, im Februar 1942 den Manfred und im Juli 1942 den Hermann nach Mainz. Im Juni 1942 , am 7.6. habe ich mein 6. Kind Mechtilde geboren. Dieses Kind ist ehelich.
In Mainz hatte ich also 3 uneheliche und ein eheliches Kind zu versorgen,. Mein Mann arbeitete sehr wenig, weil er krank war.
Was er verdient hat, gab er mir ab, aber es reichte nicht zu einem anständigen Lebensunterhalt für uns 6 Personen, da wir monatlich 40,50 RM Miete zu verzahlen hatten.
Wir waren alle sehr schlecht mit Kleidern gestellt und als wir dann nach Freiburg kamen, brauchten wir alle diese Sachen, für die wir Bezugscheine erhalten.haben.
Ich habe auch heute noch Bezugscheine im Besitz, die ich nach der Geburt des Kindes in Mainz erhalten habe, für die ich aber noch keine Kleidungsstücke kaufen konnte, weil ich hierzu keine Geldmittel besessen habe.
Ich habe also in einer gewissen Notlage gehandelt, als ich hier in Freiburg nach meiner Ankunft am 14.8.42 beim Landrats- und Wirtschaftsamt vorstellig wurde und um Zuteilung von Kleidungs- und Wäschestücken für meine Kinder, für meinen Mann und für mich gebeten habe. Ich sehe ein, dass ich mit unwahren Angaben operiert habe.
Denn unsere Wohnung war nicht durch Flieger beschädigt worden, wir hatten auch sonst durch die Fliegerangriffe auf Mainz nichts von unserer Habe verloren. Wenn ich hier beim Landratsamt und beim Wirtschaftsamt erklärt habe, dass wir alles. durch die Fliegenangriffe auf Mainz verloren hatten, dann habe ich bewusst die Unwahrheit gesagt, aber ich stand unter dem Einfluss meines Mannes, der mir gesagt hatte, ich müsse immer das Gleiche sagen, wie er auch sage.
Das habe ich auch getan, weil ich ihn gern hatte.
Leider habe ich auch, wenn mein Mann nicht zugegen war, dann diese unwahren Angaben auch an andern Stellen gemacht, um die von uns wirklich benötigten Kleidungs- und Wäschestücke zu erhalten.
Ich sehe ein, dass ich mich dadurch strafbar gemacht habe. Ich bitte um eine geringe Strafe. Eine hohe Gefängnis-oder gar Zuchthausstrafe würde ich nicht überleben, denn ich könnte dann nicht mehr mit meinen Kindern zusammenleben. Lieber wäre es mir dann, wenn auch, wie gegen meinen Mann, ein Todesurteil gegen mich ausgesprochen würde.
Auf Frage, wo die Vormundschaften über ihre unehelichen Kinder geführt werden?
Sämtliche Vormundschaften über meine 4 noch lebenden unehelichen Kinder werden hier in Freiburg beim Jugendamt/Land geführt."

v.g.u. Unterschrift

g.w.o. Unterschrift Anemüller Krim. Sekretär.

Schlussbericht:
Die Angaben der Kortebein, dass ihre sämtlichen unehelichen Kinder unter Vormundschaft des Jugendamtes Freiburg-Land ständen, sind nicht zutreffend, denn die Vormundschaft über den am 2.5.35 in Freiburg geborenen und hier Fabrikstrasse Nr.11 bei Spinner in Pflege befindlichen Heinz, Waldemar A. wird noch vom Jugendamt Freiburg-Stadt geführt.
Die Kortebein hat aber, wie mir beim Jugendamt Freiburg-Land erklärt wurde, auf dessen Vorschlag hin, das Sorgerecht für ihre sämtlichen Kinder, durch eine von ihr abgegebene, unterschriftliche Erklärung, an das Jugendamt Freiburg-Land abgetreten.
Die Vormundschaftsakten beim Jugendamt Freiburg-Land und Freiburg-Stadt wurden erhoben und sind angeschlossen.
Zu ihren Angaben A.S. 28 wurde die Kortebein nochmals eingehend vernommen. Sie kann sich aber angeblich heute nicht mehr an die genauen Zeiten erinnern, wo sie vor 10 bis 15 Jahren gearbeitet oder gewohnt. hat.

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Die K. früher Maria A.‚ ist nach der Meldekarte beim polizeilichen Meldeamt hier, seit 25.11.29 bis 9.1.41 in insgesamt 32 Wohnungen polizeilich gemeldet gewesen.
Seit ihrem Weggang aus dem Elternhaus, der nach ihren Angaben im Jahr 1927 erfolgt ist , hat sie nach ihrer Erinnerung, wie auch aus ihrer letzten Vernehmung ersichtlich ist, bei 13 Arbeitgebern, längere oder kürzere Zeit gearbeitet.
Die ungefähre Zeit ihrer Beschäftigung bei den verschiedenen Arbeitgebern errechnet sie immer nur nach den Geburtszeiten ihrer unehelichen Kinder.

Ihre Arbeitgeber waren angeblich:
1. Obstbaulehrer Baumann - Wiesneck, wo sie im Jahre 1927 gearbeitet haben will.
2. Karl A. - Unteribental, 1928/29.
3. Josef Löffler in St, Märgen. 1929/30.
4. Max Steiert, Littenweiler, Alemannenstr, Nr. 43.
5. Baumann - Rothof - Staufen 1930,
6. Frau’Sander- Hotel Roseneck Badenweiler 1931.
7. Hotel Wolf - Titisee bis 1934
8. Karl Höfflin - Freiburg Weberstrasse 1934/35
9. Wilhelm Schniederer, Rempartstr. 23:.1936/37
10. E. Völke, z.. Klösterle, Dreikönigstr. 8. 1937.
11. J. Fr. Steigert, Ritter St.Georg, Basler-Landstr. 22 1938
12. Brauerei Ganter Schwarzwaldstr. 35/37 1938/39
13. Rhodiaseta - Engesserstrasse Nr.10. 1939/41,

Die hiesigen unter Ziff, 4, 8, 9, 10, 11, 12 und 13 angeführten Arbeitgeber, bezw. Arbeitgeberinnen wurden von mir über den Leumund der Kortebein geb.
A. gehört.
Zu 4.Die Max Steiert Ehefrau Frieda geb. Löffler erklärte mir, dass die
A. mehrere Male bei ihr gewesen sei. Sie.dürfe ihr aber jetzt nicht mehr ins Haus kommen. Im Schaffen sei sie langsam gewesen, es sei ihr nichts von der Hand gegangen. Die Männer habe die A. gern gesehen und diese seien ihr auch nachgelaufen wie einer läufigen Hündin. Sie (Frau Steiert) glaubt sogar, dass ein Kind der A. von ihrem Manne erzeugt wurde, obgleich die A. und Steiert dies in Abrede stellen. Frau Steiert hat selbst 8 Kinder und mit diesem sei die A. sehr gut gewesen, was aber auch fast das einzig Gute an der A. sei.

Zu 8. Der Wirt Karl Höfflin z. Alten Brauerei Hassler, Weberstr. 12, bei dem die A, vom 30.7.34 bis 15.1.35 in der Küche beschäftigt war, bezeichnet die A. als träge, langsame, man könne ruhig sagen faule Frauensperson, die wohl ehrlich gewesen sei, aber den Männern nachlief, wo sie konnte. Er (Höfflin) habe nach der Maria
A. noch ihre Schwester Adeline in der Küche gehabt, mit der er sehr zufrieden gewesen wäre und die noch da wäre, wenn sie sich nicht verheiratet hätte. Jetzt sei wieder eine Schwester der A. , Sofie A. bei ihm beschäftigt, die das doppelte leiste wie die Maria und auch sonst ein sehr braves Mädchen sei, was die Maria nicht gewesen wäre.

Zu 9. Olga Schmiederer z. Breisacher-Tor, Rempartstr.3 bezeichnete die A, auch als ehrlich, aber langsam in der Arbeit. Die Männer habe die A. gern gesehen, doch sonst könne sie nichts Nachteiliges über die Maria
A. aussagen.

Zu 10. Cölestine Völke, frühere Wirtin z. Klösterle, Dreikönigstr. 8, jetzt Engelbergerstr, 23 wohnhaft, bezeichnet die von 1936/37 bei ihr in der Küche beschäftigt gewesen
e Maria A. als fleissig, reinlich und ehrlich, aber etwas stark verliebt und den Männern nachlaufend. Sonst habe sie (Frau Völke) nichts über die Maria A. zu klagen gehabt.

Zu 11. Der Wirt Johann Baptist Steigert, z. Ritter St. Georgen, Baslerlandstraße 82, der seit dem Tode seiner Ehefrau angebl. sehr viel Wechsel im Personal hatte, kann sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern. Er erklärte nur, dass die Maria
A. nicht lange bei ihm gewesen sei und deshalb wahrscheinlich nicht viel mit ihr los gewesen sei.

Zu 12. In der Brauerei Ganter, Schwarzwaldstrasse Nr. 35/37 war die Maria
A. vom 12.7.38 bis 8.7 39 als Flaschenspülerin beschäftigt.
Der Flaschenmeister Karl Kuri, wohnhaft in Denzlingen, Bauernstrasse Nr. 8 erklärte, dass die A. während ihrer Beschäftigungszeit bei ihm, die ihr zugeteilte Arbeit gewissenhaft verrichtet habe, da diese Arbeit rein automatisch vor sich gehe. Über ihr sonstiges Leben und Treiben konnte Kuri keine Angaben machen, da er in Denzlingen wohnt. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bezeichneten die A. als mannstoll.

Zu 13. In der Seidenfabrik Rhodiaseta war die A. vom 20.12.39 bis 18.2.41 beschäftigt. Über ihre Leistungen war nicht zu klagen. Über ihr Leben und Treiben ausserhalb der Fabrik konnte keine Auskunft gegeben werden.

Die Arbeitgeber der
A. / Kortebein welche ausserhalb Freiburgs wohnen, konnten noch nicht vernommen werden, da die Wiedervorlage der Akten am 1.6. zu erfolgen hat. Früher aber konnte mit der Erledigung des Auftrages nicht begonnen werden, da die Kortebein erst am 27.5.43 von Kolmar hierher zugeliefert wurde.
Aus den Angaben der hier gehörten Personen ist zu ersehen, dass der Leumund der
A. als nicht ganz gut bezeichnet werden kann. Sie wird als träge, teilweise sogar als faul bezeichnet. Alle von ihr gehörten Personen waren sich aber darüber einig, dass die A. / Kortebein auf geschlechtlichem Gebiet unersättlich sei.

Unterschrift Anemüller Krim. Sekretär Freiburg, den 29. Mai 1943

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Lörrach, den 8.Juni 1943.

J.Str.S. gegen Maria Kortebein geb.
A. geb. am 5.7.1906 in Eschbach bei Freiburg .9 wegen Verbr. gg. d. Volksschädlings-VO.

Vor Landrat Peter erklärt Oberbürgermeister a.D. Dr. Moericke, z.Zt. Abteilungsvorstand beim hiesigen Landratsamt, von Urlaub zurückgekehrt, folgendes:
Der Sachbearbeiter bei der Abteilung FU., Kriegsangestellter Spath, der die Räumungs-Familienunterhaltssache, zu bearbeiten hatte, kam eines Tages zu mir und berichtete, es seien zwei Familien aus Mainz bei ihm, die durch den Fliegerangriff ihre gesamte Habe verloren hätten. Es sei ein Ehepaar mit zwei Kindern und noch eine Frau mit einem Kind (die genaue Kinderzahl ist mir nicht mehr erinnerlich). Die Leute seien ganz niedergeschlagen, sie hätten weder Kleider noch Wäsche noch Lebensmittelmarken noch Geld.
Wir waren uns bei der Besprechung des Falles einig darüber, daß, da die Angaben glaubhaft erschienen, sofort geholfen werden müsse, wie dies auch durch einen Erlaß den FU.-Stellen zur Pflicht gemacht war. Ich ordnete daher an, daß die Geschädigten einen Barvorschuß auf den zu gewährenden Räumungs-FÜ. zu erhalten hätten, ferner Lebensmittelmarken für einen Tag - für abends wurde die Weiterbeförderung der Geschädigten nach der Heimat der Frau in Eschbach in Aussicht genommen - und Bezugscheine für die dringend notwendige Ausstattung, insbesondere für Windeln und Wäsche für den Säugling.
Nachdem wir dies festgelegt hatten, sagte ich, ich wolle mir doch auch einen persönlichen Eindruck von den Leuten verschaffen und ging in Spaths Zimmer. Dort traf ich die zwei Frauen - der Mann war zu einer Besorgung weggegangen - und die Kinder. Die Frauen machten einen sehr niedergeschlagenen Eindruck. Irgendein Anhaltspunkt, daß die Behörde hier angelogen wurde, war nicht zu erkennen. Meine Frage: "Sie haben beim Fliegerangriff all ihr Sach verloren?", wurde von Frau Kortebein bestätigt. Ob sie dabei geweint hat, kann ich nicht mehr sagen. Ich erklärte: "Wir werden Ihnen helfen, Sie erhalten das und das..." Daß ihre Angaben nachgeprüft würden, habe ich den Frauen nicht besonders gesagt.

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Freiburg i.Br., den 8. Juli 1943
Verf.
Das Verfahren gegen die Beschuldigte Susanne Heigert geb. Mader wird abgetrennt da  eine Verurteilung durch das Sondergericht nicht erforderlich ist (§ 14 Zust.VO.).
Die Beschuldigte Heigert hat sich der Familie Kortebein bei deren Abreise von Mainz am 14.8.1942 unter dem Eindruck der beiden Fliegerangriffe vom 11. und 12. 8. 1942 angeschlossen. Sie hat mit den Eheleuten Kortebein beim Landrat - Abt. für Familienunterhalt - in Freiburg i.Br. und beim Wirtschaftsamt Freiburg-Land vorgesprochen. Sie hat aber nicht ihrerseits unwahre Behauptungen in der Richtung, daß auch sie total fliegergeschädigt sei, aufgestellt, sondern lediglich mittelbar dadurch, daß sie die unwahren Angaben der Eheleute Kortebein vor den beiden Behörden nicht sofort richtig stellte, das Vorgehen der Eheleute Kortebein unterstützt und dadurch auch erreicht, daß die zuständigen Dienststellen, ohne daß darüber besonders gesprochen worden wäre, auch sie selbst als total fliegergeschädigt ansahen und dementsprechend behandelten. Sie hat für sich selbst im übrigen lediglich die Zahlung eines Vorschusses von 150 RM auf die ihr zustehende Witwenrente und einige Bezugsscheine über Kleidungsstücke im Wert von 137 Kleiderkartenpunkten und 87,50 RM beantragt und erhalten. Schliesslich hat die Beschuldigte, die ihr Verhalten bei den ersten Vorsprachen auf den Freiburger Dienststellen damit begründet, daß sie völlig unter dem Einfluss des Kortebein gestanden habe, am 26.8.1942 sich nach Mainz begeben, dort ihre eigene Kleiderkarte und die ihrer beiden Kinder geholt und sofort nach ihrer Rückkehr auf dem Landratsamt Freiburg vorgesprochen. Dort hat sie den von den Eheleuten Kortebein unter ihrer Mithilfe durchgeführten Schwindel aus eigenem Antrieb aufgedeckt und ihre Kleiderkarten zur sofortigen Abtrennung der erforderlichen Punkte zur Verfügung gestellt, Dem Landratsamt Freiburg wurde der wahre Sachverhalt offiziell über 14 Tage nach dieser Vorsprache der Beschuldigten Heigert bekannt. Sie hat durch ihr Geständnis die weitere Auszahlung ungerechtfertigter Unterstützungen an die Eheleute Kortebein und die weitere Ausnutzung der von den Kortebeins gegenüber den Landratsamt Freiburg verheimlichten Kleiderkarten verhindert.

Die Angabe der Beschuldigten, daß sie bei den ersten Vorsprachen auf dem Landratsamt Freiburg i.Br. völlig unter den Einfluss Kortebeins gestanden habe, er ihr auch Zeichen gemacht habe, ja den Mund zu halten, ist bei der Jugend der Beschuldigten, die erst im August 1941 ihren Ehemann an der Ostfront verloren hatte und bei den schweren Angriffen am 12. und 13. August 1942 in Mainz mit ihren beiden kleinen Kindern allein dastand und deshalb in den nächsten Tagen begreiflicherweise unter schwerer Schockeinwirkung litt, sich auch wohl auf die Angabe des Ehemannes Kortebein, die dieser in der Angriffsnacht noch gemacht hatte, daß nunmehr sämtliche Frauen und Kinder evakuiert würden, verlassen hat, durchaus glaubhaft, jedenfalls aber nicht zu widerlegen, .

Unter diesen Umständen kann bei der Beschuldigten Heigert, die im übrigen nicht vorbestraft und gut beleumundet ist, der Tätertyp des Volksschädlings im Sinne des § 4 der Volksschädlingsverordnung mit Rücksicht auf ihre eigene nur sehr geringe aktive Betätigung an dem Untersützungsbetrug der Eheleute Kortebein sowie mit Rücksicht auf ihre besonders gelagerten persönlichen Verhältnisse nicht festgestellt werden.

Bei dieser Sachlage besteht aber auch kein Anlaß, gegen die Beschuldigte Heigert Anklage beim Sondergericht zu erheben.»

2. Nachricht von Ziffer 1 der Abt 4 im Hause mit dem Ersuchen um zuständige Weiterbehandlung bezüglich der Beschuldigten Heigert.
Die sich auf die Beschuldigte Heigert beziehenden Aktenbestandteile sowie die Akten des Landrats - Abt. für Familienunterhalt - Freiburg i.Br. betr. Räumungsfamilienunterhalt Susanne Heigert sind geschlossen.
.....
7. Haftliste Austrag
8. Das Verfahren gegen die Beschuldigte Maria Kortebein wird eingestellt, soweit diese Beschuldigte verdächtig ist, sich durch Annahme und Gebrauch der von ihrem inzwischen hingerichteten Ehemann Ernst Kortebein bei dem Fliegerangriff auf Mainz 12.8.1942 aus einem geräumten Gebäude geplünderte Gegenstände (6 Paar Strümpfe, Vollpullover, Einkaufstasche mit Lebensmitteln, 2 Schals, Wollhandschuhe) einer unter den Voraussetzungen des § 4 der Volksschädlingsverordnung begangenen Hehlerei schuldig gemacht zu haben. Die Beschuldigte bestreitet, diese Gegenstände erhalten zu haben. In ihrer Wohnung in Eschbach konnte auch keiner der geplünderten Gegenstände aufgefunden werden. Daß sie die in der Mainzer Wohnung unter Lumpen und dergleichen aufgefundenen geplünderten Gegenstände gesehen und auch von ihnen zum eigenen Gebrauch bereits in gewisser Weise in Besitz genommen hat, ist zwar sehr wahrscheinlich, aber nicht sicher nachzuweisen. Unter diesen Umständen kann der Beschuldigten eine Hehlerei an den von ihrem Ehemann geplünderten Gegenständen trotz insoweit nach wie vor bestehenden Verdachts nicht mit der zu einer Anklageerhebung und Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden.

9. Von der Erhebung der öffentlichen Klage wird gemäss $ 154 Abs. 1 StPO, abgesehen, soweit sich die Beschuldigte auch dadurch eines Betrugs schuldig gemacht hat, daß sie durch: ihre Klagen über ihr angebliches Unglück verschiedene Angestellte des Landratsamts Freiburg veranlasst hat, ihr aus persönlichen Beständen Kleidungsstücke, insbesondere Säuglingswäsche zu überlassen.und ferner sich durch die Verwertung der erschlichenen Bezugscheine eines weiteren Vergehens gegen § 2 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 4 der Verbr. Reg.Straf-VO, schuldig gemacht hat.
......
Im Auftrag
Staatsanwalt Unterschrift

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Der Oberstaatsanwalt Leiter der Anklagebehörde bei dem Sondergericht Freiburg i.Br.
Freiburg i,Br., den 8. Juli 1943

An den Herrn Vorsitzer des Sondergerichts Freiburg i. Br.

Unter Vorlage der Akten erhebe ich mit dem Antrag, Hauptverhandlung anzuordnen und die Untersuchungshaft für fortdauernd zu erklären,
Anklage
gegen die am 5.7.1906 in Eschbach (Krs.Freiburg) geborene, zuletzt in Kolmar, Eichenstr. 80, wohnhaft gewesene verwitwete Maria Kortebein geb,
A. - in Untersuchungshaft, z.Zt. in den Gefängnissen Freiburg, seit 11.5.1943 aufgrund Haftbefehls des Sondergerichts Freiburg vom 7.5.1943

Beschuldigung,

Die Beschuldigte Maria Kortebein geb.
A. hat zunächst am 14.8.1942 in Begleitung ihres - inzwischen wegen plünderns und Unterstützungsbetrugs zum Tode verurteilten und hingerichteten - Ehemannes Ernst Kortebein, nachdem sie infolge der schweren britischen Terrorangriffe auf Mainz vom 12, und 13. 8. 1942 mit ihren Kindern ihre Wohnung in Mainz verlassen hatte, auf dem Landratsamt - Abt, für Familienunterhalt - in Freiburg vorgesprochen und zuerst in Gegenwart und mit Unterstützung ihres Ehemannes gegenüber dem zuständigen Sachbearbeiter, dem Kriegsaushilfsangestellten Spath, selbst erklärt, sie hätten bei dem Fliegerangriff auf Mainz alles verloren, bis auf das, was sie gerade anhätten oder in der Eile hätten mitnehmen können; Lebensmittel - und Kleiderkarten seien alle verbrannt, es fehle insbesondere an dringend benötigten Wäschestücken für die 4 Kinder und einen Säugling sowie für sie selbst und ihren Ehemann. Diese Erklärung hat sie mehrfach unter Tränen gegenüber Spath und der Kriegsaushilfsangestellten Hornecker wiederholt. Gegenüber der Angestellten Hornecker hat sie weiter in Gegenwart ihres Mannes erklärt, sie hätte nicht einmal Windeln, um ihr 2 Monate altes Kind trocken legen zu können. Es habe ihr beim Weggang von Mainz nicht einmal mehr zum Umziehen gereicht, sie sei deshalb noch mit dem Nachthemd, das sie der Angestellten Homecker unter dem Kleid auch vorwies, bekleidet. Kurze Zeit darauf hat sie nach Weggang ihres Ehemannes gegenüber den Abteilungsvorstand der zuständigen Abteilung des Landratsamts, Oberbürgermeister a,D. Dr. Moericke, ebenfalls unter Tränen erklärt, ihre Familie habe bei dem Angriff alles verloren. Nach dieser Besprechung begab sie sich in Begleitung der ihr vom Abteilungsvorstand zur Verfügung gestellten Kriegsaushilfsangestellten Hornecker auf das Wirtschaftsamt Freiburg-Land. Dort hat sie gegenüber dem Abteilungsleiter Franz Fenninger in Abwesenheit ihres Ehemannes erneut erklärt, sie hätten alles verloren und stünden nun mittellos da. Sie besässen nur noch das, was sie auf dem Leibe trügen. Sie habe im Nachthemd davonlaufen müssen, weil sie keine Zeit mehr gehabt habe, sich anders anzuziehen. Auch hier hat sie diese Erklärungen mehrfach wiederholt. In Wirklichkeit waren Haus, Wohnung und Besitz der Eheleute Kortebein durch die vorangegangenen Fliegerangriffe überhaupt nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Der Weggang der Eheleute Kortebein von Mainz erfolgte ohne jede dahingehende Anordnung zuständiger Stellen des Staates oder der NSDAP. aus eigenem freien Entschluß. Durch ihre gegenüber dem Landrat - Abt, für Familienunterhalt - und den Wirtschaftsamt Freiburg-Land gemachten unwahren Angaben erreichte die Beschuldigte im Zusammenwirken mit ihrem Ehemann ihrer Absicht entsprechend, daß ihr in Übereinstimmung mit den hierüber ergangenen Vorschriften, wonach bei der Evakuierung Fliegergeschädigter die einfache Glaubhaftmachung der Notlage durch die Geschädigten ohne weiteren besonderen Nachweis zur Erlangung der erforderlichen Unterstützung ausreicht, zunächst am 14.8.1942 ein Vorschuß von 50.- RM auf Räumungsfamilienunterhalt ausbezahlt sowie Räumungsunterhalt in Höhe von 5,74 RM täglich vom 14. bis zum 31.8.1942 bewilligt und bezahlt wurde, Ebenso erreichte sie, daß ihr, obwohl sie tatsächlich im Besitz aller Kleiderkarten der Familie war, am 18.8.1942 vom Wirtschaftsamt Freiburg-Land Bezugscheine über Kleidungsstücke im Wert von insgesamt 451 Kleiderkartenpunkten sowie 7 Schuhbezugscheine ausgestellt und dass die Kosten für die Anschaffung der entsprechenden Kleidungsstücke und Schuhe in Höhe von insgesamt 343,67 RM vom Landrat - Abt. für Familienunterhalt - aus Mitteln des Räumungsfamilienunterhalts übernommen wurden. Ferner erreichte sie durch ihre unwahren Angaben, daß ihr 9 Tagesurlauberkarten ausgehändigt und die Fahrt mit einem PKW von Freiburg nach Eschbach bewilligt und bezahlt wurde. Insgesamt hat die Beschuldigte durch ihr Verhalten somit das Deutsche Reich um 508,99 RM (50 + 103,32 + 343,67 + 12) geschädigt und ausserdem sich Bezugsberechtigungen im Wert von 451 Kleiderkartenpunkten und 7 Schuhbezugscheine durch unwahre Angaben unrechtmässig verschafft. Dabei hat die Beschuldigte es bewusst ausgenützt, daß infolge der Auswirkungen der Luftangriffe auf Mainz und der damit insbesondere verbundenen Verständigungsschwierigkeiten mit den für die Nachprüfung ihrer Angaben zuständigen Dienststellen eine alsbaldige Nachprüfung ihrer Behauptungen nicht möglich war.

Sie hat somit in der Absicht, sich und Dritten rechtswidrige Vermögensvorteile zu verschaffen, das Vermögen eines andern in einem besonders schweren Fall dadurch beschädigt, daß sie durch Vorspiegelung falscher und Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtun erregte und hat in Tateinheit hiermit ohne in Ausübung eines Gewerbes oder Berufs zu handeln, aber in einem schweren Fall, durch unrichtige Angaben Bezugsberechtigungen erschlichen.
Diese Straftat hat sie als Volksschädling vorsätzlich unter Ausnutzung der durch den Kriegszustand verursachten außergewöhnlichen Verhältnisse begangen, wobei das gesunde Volksempfinden wegen der besonderen Verwerflichkeit der Straftat eine Überschreitung des regelmässigen Strafrahmens erfordert.
Verbrechen, strafbar nach §§ 263 Abs. 1, 73 RStGB., § 2 Abs. 1 Ziff. 2 Abs, 4 der Verbrauchsregelungsstraf-VO. i.d.F. vom 26.11.1941 (RGBl. IS. 734) in Verb. mit § 4 der VO, gegen Volksschädlinge vom 5.9.1939 (RGBl. IS. 1679).

Beweismittel,
Urkunden:
Strafliste (AS 39)
Geburtsurkunde (AS. 45)
Richterliche Vernehmungsniederschrift des Amtsgerichts Kolmar (Elsaß) vom 11.5.1943 (AS.41)
Schriftliche Äusserung des früheren Leiters der Abt. Familienunterhalt beim Landratsamt Freiburg i.Br., Oberbürgermeister a.D. Dr. Hoericke, vom 8.6.1943 (AS. 71)
5,   Akten des Landrats - Abt. für Familienunterhalt - in Freiburg betr. Räumungsfamilienunterhalt für Ernst Kortebein mit Ausgabebelegen usw.
6.   Strafakten des Oberstaatsanwalts in Mainz gegen Ernst Kortebein wegen Plünderns - S Kls 1/43
7.   Strafakten des Amtsgerichts Freiburg gegen die Beschuldigte wegen Vergehens gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten - C 3 Cs 27/40
8.   Akten des Landrats - Kreisjugendamt - Freiburg über Manfred
A. , Elsa Margareta A. , Oswald A. Hermann  ( 3 de/te)
9.   Akte des Stadtjugendamts Freiburg über Heinz Waldemar
A.
Zeugen:
  Heinrich Spath, Sachbearbeiter beim Landratsamt Freiburg - Abt. Familienunterhalt - Freiburg Talstr. 52, (AS.51, 15
Gretel Hornecker, Kriegsaushilfsangestellte beim Landratsamt Freiburg, Waldkirch, Querstr. 4 (AS. 52)
Franz Fenninger, Leiter des Wirtschaftsamtes Freiburg - Land, Freiburg, Konrad von Hötzendorfstr. 10 (AS.54)
Krim. Sekretär Anemüller, Kripo Freiburg

Ermittelungsergebnisse.

"Persönliche Verhältnisse.

Die Beschuldigte ist als Tochter des Landwirts Pius
A. und dessen Ehefrau Stefanie geb, Hug neben 7 Geschwistern auf dem sogenannten Oberbauernhof in Eschbach bei Freiburg geboren und aufgewachsen. Nach der Entlassung aus der Volksschule, in der sie alle 8 Klassen in Eschbach durchgemacht hat, war sie zunächst etwa 6 Jahre in der elterlichen Landwirtschaft tätig. Danach verließ sie, angeblich um etwas zu verdienen, das Elternhaus und kam in verschiedene Stellen als Hausgehilfin bezw, Magd. Im ganzen war die Beschuldigte bis zu ihrer im Januar 1941 erfolgten Verheiratung in rund 18 Stellen. In den meisten Stellen war sie nur jeweils einige Monate beschäftigt. Von den früheren Arbeitgebern wird sie fast durchweg als wenig fleissig und ordentlich, wenn auch ehrlich bezeichnet. Nur ganz wenige Arbeitgeber waren einigermaßen mit ihr zufrieden. Alle Arbeitgeber heben hervor, daß die Beschuldigte geradezu mannstoll gewesen sei. Sie hat auch zahlreiche Verhältnisse unterhalten, aus denen sie bis zu ihrer Verheiratung von verschiedenen Männern 5 uneheliche Kinder in den Jahren 1930, 1931, 1933, 1935, 1938 bekommen hat. Während das älteste dieser Kinder 10 Monate nach der Geburt wieder starb, sind die vier weiteren, ein Mädchen und 3 Knaben, noch am Leben, mußten aber infolge Unfähigkeit der Mutter, ihren Unterhalt zu bestreiten und richtig für sie zu sorgen, bis zur Verheiratung in Pflegestellen untergebracht werden. Im Januar 1941 verheiratete sich die Beschuldigte mit dem Hilfsarbeiter Emst Kortebein von Hannover, den sie wenige Wochen zuvor in Freiburg bei Bekannten als Soldaten kennen gelernt hatte. Kortebein war eine wegen wiederholten, teilweise schweren, Diebstahls i.R. mit erheblichen Gefängnisstrafen vorbestrafte Persönlichkeit. die einen sehr schlechten Ruf hatte, arbeitsscheu war und dementsprechend für den Unterhalt der Familie nur sehr mangelhaft sorgte. Die Beschuldigte mußte deshalb nach der Verheiratung wieder selbst der Arbeit nachgehen, bis sie im Juni 1942 ihr 6. Kind gebar. Vor der Übersiedlung nach Freiburg am 14.8.1942 hatte der Ehemann, angeblich wegen Krankheit, überhaupt nicht mehr gearbeitet. Wie sich aus den Fürsorgeakten ergibt, war der Pflegezustand der Kinder, von denen die Beschuldigte 3 uneheliche und das eheliche Kind nach der Verheiratung im eigenen Haushalt hatte, äusserst schlecht.

Am 14.8.1942 verzog die ganze Familie unter dem Eindruck der Fliegerangriffe auf Mainz und auch weil es an Geld und Essen fehlte zu dem Vater der Beschuldigten nach Eschbach, wo die Beschuldigte zuvor schon einige Monate gewesen war. Der ganze Haushalt wurde für den Versand fertig gemacht, Der Ehemann der Beschuldigten hatte aber am Tag vor der Abreise während eines Fliegerangriffs aus einem zerstörten Hause verschiedene Gegenstände geplündert und wurde hierwegen sowie wegen des gemeinschaftlich mit der Beschuldigten in Freiburg begangen Unterstützungsbetruges bei dem Sondergericht Mainz angeklagt, nachdem er bereits am 17.9.1942 von der Staatsanwaltschaft Freiburg wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses festgenommen worden war. Vom Sondergericht Mainz wurde er am 9.2.1943 zum Tode verurteilt und am 3.3.1943 hingerichtet, Die Beschuldigte übertrug daraufhin die Personensorge für ihre sämtlichen Kinder auf das Jugendamt, nachdem sie mit ihrer eigenen Verhaftung rechnen musste, Mitte April 1943 begab sie sich nach Kolmar (Elsaß), wo sie eine Stelle als Hausgehilfin annehmen wollte. In Kolmar lernte sie gleich nach ihrer Ankunft einen Schlosser namens Bachmann kennen, mit dem sie sich alsbald wieder zu verheiraten beabsichtigte. Hieran wurde sie durch ihre am 3.5.1943 erfolgte Festnahme verhindert.
Die Beschuldigte ist vorbestraft durch Strafbefehl des Amtsgerichts Freiburg vom 14.2.1940 mit 4 Monaten Gefängnis und 3 Wochen Haft, weil sie fortgesetzt Geschlechtsverkehr mit verschiedenen Männern hatte, obwohl ihr bekannt war, daß sie an einer ansteckenden Krankheit litt. Für einen Strafrest wurde ihr am 4.7.1940 bedingte Strafaussetzung mit Bewährungsfrist bis 31.7.1943 gewährt.
Der Leumund der Beschuldigten ist ihrem Lebenswandel entsprechend, insbesondere in sittlicher Hinsicht, aber auch bezüglich ihrer Arbeitsfreudigkeit, sehr schlecht.

Die Straftat.
Die Beschuldigte ist im Sinne der Anklage geständig.

Sie will völlig unter dem Einfluss ihres Ehemannes gehandelt haben. Er habe ihr immer gesagt, sie müsse das Gleiche angeben wie er. Das habe sie dann auch getan, weil sie ihn gern gehabt habe.

Sie muß indessen zugeben, daß sie gegenüber den verschiedenen Dienststellen die unwahren Angaben über ihr angebliches Schicksal in Mainz auch wiederholt gemacht hat, wenn ihr Mann nicht zugegen war. Nach den Bekundungen der Zeugen war die Beschuldigte bei den Vorsprachen der Eheleute auf dem Landratsamt sogar wortführend. Sie hat auch die unwahren Angaben mehrfach unter Tränen wiederholt und dadurch verschiedene Angestellte des Landratsamts Freiburg veranlasst, ihr aus Mitleid Kleidungsstücke, insbesondere Säuglingswäsche, aus persönlichen Beständen schenkweise zu überlassen. Auch in den Geschäften, in denen die erschlichenen Bezugscheine auf Kosten des Reiches verwertet wurden, hat die Beschuldigte mit bewegten Worten ihr angebliches Unglück vorgetragen, das Mitleid der Zuhörer zu erregen versucht und sich bevorzugte Behandlung und Abfertigung verschafft. In einen Geschäft ging die Heuchelei der Beschuldigten sogar so weit, daß sie ihrem angeblich infolge der Strapazen und Hunger erschöpft auf einen Stuhl sitzenden Ehemann mit den Händen bedauernd über den Kopf strich, während sie ihr Klagelied vortrug.

Wie sich aus den Aussagen der Zeugin Hornecker ergibt, scheint die Beschuldigte, die, wie sie jetzt zugibt, wußte, daß sämtliche Kleiderkarten der Familie sich im Gepäck befanden, nebenbei auch noch auf die Kleiderkarten Kleidungsstücke gekauft zu haben. Die Beschuldigte bestreitet dies. Eine einwandfreie Klärung war insoweit nicht mehr möglich.

Die Beschuldigte gibt zu, die umwahren Angaben, auch wenn ihr Ehemann nicht zugegen war, gemacht zu haben, um auf diese Weise zu Geld zur Anschaffung von Kleidungsstücken zu kommen. Die ganze Familie sei mit Kleidungsstücken, was nach den Feststellungen zutrifft, vorher sehr schlecht bestellt gewesen, es habe an Geld für die nötigsten Anschaffungen gefehlt. Sie will deshalb in einer gewissen Notlage gehandelt haben,

Soweit sich die Beschuldigte durch die Verwertung der unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 4 der Volksschädlingsverordnung erschlichenen Bezugscheine eines weiteren Vergehens gegen § 2 der Verbrauchsregelungstrafverordnung und ferner eines weiteren Betruges zum persönlichen Nachteil verschiedener Angestellter des Landratsamts Freiburg schuldig gemacht hat, wurde von der Erhebung der öffentlichen Klage gemäß § 154 Abs. 1 StPO. abgesehen.

Das Verfahren gegen eine 22 jährige Soldatenwitwe, die sich unter dem Einfluß der Eheleute Kortebein mit diesen nach Freiburg begeben, mit ihnen auf dem Landratsamt, ohne allerdings selbst aktiv hervorzutreten, vorgesprochen und auch eine ihr in der Unterstellung, daß auch sie fliegergeschädigt sei, bewilligte Unterstützung für sich und ihre beiden kleinen Kinder in Anspruch genommen hat, wurde abgetrennt,

gez. Unterschrift Dr. Weiß Oberstaatsanwalt

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In Namen des Deutschen Volkes !
Urteil

Strafsache
gegen
Maria Kortebein geb. ‚Andris aus Eschbach
wegen Verbrechens gegen die Volksschädlings-Verordnung.

Das Sondergericht beim Landgericht Freiburg i. Br. hat in der Sitzung vom 29. Juli 1943, an der teilgenommen haben:
Landgerichtspräsident von Frankenberg als Vorsitzer,
Landgerichtsdirektor Dr. Rieber,
Landgerichtsrat Dr. Straumann als beisitzende Richter,
Staatsanwalt Müller als Beamter der Staatsanwaltschaft,
Gerichtsreferendar Dr. Goldkamp als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Die Angeklagte Marie Kortebein, geborene
A. aus Eschbach, Landkreis Freiburg i Br. ist des Unterstützungsbetrugs und der Erschleichung von Bezugsberechtigungen schuldig und wird als Volksschädling zu einer Zuchthausstrafe.von.3 Jahren, abzüglich 2 Monate 2 Wochen Untersuchungshaft verurteilt.
Der Angeklagten werden die bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 3 Jahren aberkannt.
Sie hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe.
Die Angeklagte Maria Kortebein geb.
A. wurde am 5. Juli .1906 .in Eschbach Landkreis Freiburg i. Br. als 2. Kind des Landwirts Pius A. und dessen ‚Ehefrau Stefanie geb. Hug geboren. Ihre Mutter starb am 22.6.1920; -Ihr.Vater ging darauf im Jahre 1921 ein zweites mal die.Ehe ein. Ihre Kindheit verbrachte die Angeklagte mit 7 Geschwistern auf dem Hof ihres Vaters, dem Oberbauernhof in Eschbach. Vor Ihrem 6. - 14. Lebensjahr besuchte sie die Volksschule in Eschbach und war anschliessend nach der Schulentlassung in der elterlichen Landwirtschaft tätig. Mit 21 Jahren verliess sie das Elternhaus, angeblich um selbst zu verdienen, und ging, zuerst zu einer Familie Baumann nach Wiesneck, Gemeinde Buchenbach, als Hausgehilfin. Diese Stelle verliess sie nach etwa einen halben.Jahr, da sie durch einen Unfall mit dem Fahrrad einen. Schlüsselbeinbruch und verschiedene anderen Verletzungen erlitten hatte, und. kehrte ins Elternhaus zurück. Nachdem sie sich von den Unfall wieder  erholt: hatte, kam sie nach Unteribental zu ihren Onkel, dem Bauern Karl A. , und arbeitete dort etwa 2 Jahre als Magd. In Jahre 1929 ging sie nach Freiburg, um die Krankenpflege zu erlernen. Sie besuchte im Josefskrankenhaus einen Kursus und arbeitete praktisch in der med. Klinik. Nach einem vorübergehenden Aufenthalt im Elternhaus nahm sie dann in St. Märgen bei dem Landwirt Josef Löffler wieder als Magd Arbeit an, verlässt die Stelle aber-bald, da sie sich in anderen Umständen befand, und begab sich nach Littenweiler zu einer Familie Max Steiert, wo sie in der Landwirtschaft half. Am 19.4.1930 wurde sie in der Frauenklinik in Freiburg von einem Mädchen entbunden, das die Namen Maria, Rita, Stefanie erhielt. Nach der Entbindung :ging sie mit dem Kinde wieder zu der Familie Steiert in Littenweiler und kam von dort aus wegen Erschöpfung und erneuter Schwangerschaft in die med. Klinik in Freiburg und befand sich dort noch, als ihr Kind am 25.11.1931 starb. Nach der Entlassung aus der Klinik in Frühjahr 1931 ging sie wieder zu Ihren Eltern nach Eschbach und blieb dort bis zu ihrer Entbindung, die am 9.9.1937 abermals in der Freiburger Frauenklinik erfolgte. Sie gebar ein Mädchen, das die Namen Elsa; Margarethe erhielt. Vater dieser beiden Kinder war der Hilfsarbeiter Friedrich Löffler aus St.Märgen. Nach der Entbindung musste sie wegen Kindbettfiebers noch bis zu Weihnachten in der Klinik verbleiben und zog darauf wieder ins Elternhaus, wo sie in der Landwirtschaft und im Haushalt arbeitete. Im Herbst 1932 begab sie sich nach einem vorübergehenden Aufenthalt bei einer Frau Hummel in Eschbach zu einer Frau Schöllig nach Freiburg. Sie fühlte sich wiederum schwanger und gebar an 9.2.1933 in’ der Frauenklinik einen Knaben, der die Namen Hermann Oswald bekam. Vater dieses Kindes war der Schmied Hermann Feser in Eschbach. Nach der Entlassung aus der Klinik wohnte ‚sie zunächst im Augustinusheim in Freiburg:und kam im Frühjahr 1933 zu dem Landwirt Baumann, dem Eigentümer des Rothofs in Staufen, Da ihr diese:Stelle aber ‚nicht zusagte, wurde sie vom Arbeitsamt Freiburg dem Hotel' "Roseneck" in Badenweiler als. Küchenmädchen zugewiesen, wo sie bis zum Salsonschluss im :November 1933 verblieb. Darauf erhielt sie eine Stelle als Küchenhilfe in Wolfs-Hotel "Titisee”.in Titisee, wo sie bis Februar 1934 arbeitete. Von Titisee aus ging sie wieder zu der Familie Steiert in Littenweiler, blieb dort bis Mai.und nahm dann eine Stelle-in der Brauerei Hassler in Freiburg an. Am.2.2.1935 .schenkte sie einem Knaben, dem Heinz, Waldemar, das Leben, dessen Vater der Landwirt Josef Willmann in Unteribental war. Nach der Entbindung arbeitete sie fast 2 Jahre lang in der Wirtschaft "zum Breisacher Tor” .in-Freiburg als Küchengehilfin und für ‚etwa 3 Monate als Köchin in der Wirtschaft ”zum Klösterle” in. Freiburg. Hier lernte sie den Metzger Karl Vögtlin kennen, von dem sie schwanger wurde. Am 1.6.1938 kam sie bei einer Familie Kuttruf in Freiburg, Gauchstrasse ‚37, mit Ihrem 5: Kinde, einem Knaben, nieder, das die Namen Manfred Herbert erhielt. Vor ihrer Niederkunft war sie noch für einige Monate in den Gasthaus "Ritter St.Georg” in St. Georgen als Alleinmädchen beschäftigt. Nach der Geburt. des Manfred kam sie als Flaschenspülerin in die Brauerei Ganter in Freiburg. Im September 1939 wurde sie von der Brauerei wegen Krankheit entlassen. Sie war Unterleibskrank, geworden, bekam ein Gallenblasenleiden und wurde im Oktober in der. chir. Klinik operiert. Nach der. Operation arbeitete sie in der Rhodiaseta in Freiburg.
Nach den Zeugnissen ihrer, Arbeitgeber war die, Angeklagte sauber, ehrlich und kinderlieb, in ihren Leistungen aber langsam und sehr oft träge und faul. In geschlechtlicher Beziehung habe sie ein sehr ausschweifendes Leben geführt und sei geradezu mannstoll gewesen. Ihr Leumund war, ihren Lebenswandel entsprechend, insbesondere in sittlicher Beziehung und bezüglich ihrer Arbeitsfreudigkeit sehr schlecht. Ihre 4 unehelichen Kinder mussten infolge Unfähigkeit der Mutter ihren Unterhalt zu bestreiten und richtig für sie zu sorgen, in Pflegestellen untergebracht werden.

An 14. 2.1940 wurde die Angeklagte durch Strafbefehl des Amtsgerichts Freiburg zu einer Gefängnisstrafe von 4 Monaten und zu einer Haftstrafe von 3 Wochen wegen Vergehens gegen § 5 des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten von 18.11.1927 und in Tateinheit, hiermit wegen Übertretung des § 361 Ziffer 6a RStGB. wegen Gewerbsunzucht verurteilt. Sie hatte in der Zeit zwischen Weihnachten 1939 und Neujahr 1940 mit verschiedenen Männern fortgesetzt den Beischlaf ausgeübt, obwohl sie wusste, dass sie an Tripper erkrankt war und deswegen unter ärztlicher Kontrolle stand. Hierbei hatte sie sich vorher jeweils ihre beim Besuch von Wirtschaften gemachte Zechen von den Männern zahlen lassen. Der Beischlaf mit einem der Männer fand in Ihrer Wohnung statt, in der auch ein Mädchen im Alter von 17 Jahren wohnte. Auf ihr Gesuch wurde ihr durch Entschliessung des Reichministers der Justiz hinsichtlich der Reststrafe, die sie seit dem 12.3.1940 in dem Frauengefängnis Gotteszell in Schwäb.-Gmünd verbüsste, mit Wirkung vom 31.7. 1940 bedingte Strafaussetzung mit Bewährungsfrist bis zum 31.8.1943 bewilligt.

Nach ihrer Haftentlassung arbeitete die Angeklagte wieder in der Rhodiaseta. Am Tage vor Weihnachten 1940 lernte sie in Freiburg bei einer ihr bekannten Familie den Hilfsarbeiter Ernst Kortebein aus Hannover kennen, der damals In Freiburg Soldat war. Nach. 4 Wochen, am 20.1.1941, verheiratete sie sich mit ihm. Kortebein war ein wegen wiederholten, teilweise schweren Diebstahls im Rückfall mit erheblichen Gefängnisstrafen vorbestrafte Persönlichkeit, genoss einen sehr schlechten Ruf und galt als arbeitsscheu. Von den Vorstrafen ihres Mannes will die Angeklagte nichts gewusst haben. 3 Wochen nach ihrer Verheiratung verzog die Angeklagte von Freiburg nach Mainz und musste dort, da ihr Mann nur sehr mangelhaft für den Unterhalt sorgte, sofort auf Arbeitsuche gehen und fand eine Stelle als Gehilfin in der Wirtschaft “zur goldenen Schipp” in Mainz. Im Mai holte sie ihr ältestes Kind Elsa nach Mainz. Ihr Mann wurde am 15. Juni als truppenuntauglich aus den Wehrdienst entlassen. Nachdem sie im Frühjahr 1942 auch ihre Kinder Manfred und Hermann zu sich hatte kommen lassen, gebar sie am 7.6.1942 ihr 6. Kind, ein Mädchen, das den Namen Mechtilde erhielt. Dieses Kind war ehelich. Der Ehemann Kortebein arbeitete nach seiner Entlassung aus dem Heeresdienst zunächst
bei der Mainzer-Aktien-Brauerei. Später wurde er dienstverpflichtet und von der Reichsbahn als Depeschenbote beschäftigt. Dort wurde er anfangs August 1942 wegen unsittlicher Annäherung an eine Frau beim Austragen von Telegrammen entlassen und war danach - angeblich wegen Krankheit - arbeitslos. Die ganze Familie musste in sehr ungünstigen Verhältnissen leben. Der geringe Verdienst der Eheleute reichte gerade aus um den notdürftigen Unterhalt zu bestreiten und die Miete zu begleichen. Geld zum Anschaffen von Kleidungsgegenständen war fast nie vorhanden, sodass die Familie mit Kleidern sehr ungünstig bestellt war. Der Pflegezustand der Kinder war denkbar schlecht.

In der Nacht vor 11. zum 12. 8. 1942 erfolgte ein schwerer Terrorangriff britischer Bombenflugzeuge auf die Stadt Mainz. Dabei wurden zahlreiche Gebäude in der Stadt zerstört oder beschädigt; die Bevölkerung hatte Opfer zu beklagen. Das Haus, in dem die Familie Kortebein wohnte, blieb jedoch unbeschädigt. Unter den Eindruck dieses Bombenangriffs, und auch weil es an Geld und Essen fehlte, beschloss die Familie Kortebein. am 12. 8. 1942 die Stadt zu verlassen. Am 14. 8. verzog die ganze Familie zu dem Vater der Angeklagten nach Eschbach, wo die Angeklagte zuvor schon einige Monate gewesen war. Der ganze Haushalt in Mainz war für den Versand fertig gemacht worden. Der Ehemann Kortebein sollte in der Gegend von Eschbach, in Glashütte, ein Häuschen mieten, sich dort eine Hühner - und Hasenfarn anlegen und nebenher im Walde arbeiten. Von diesen Plänen will die Angeklagte aber nichts gewusst haben.

Am 17.9.1942 wurde der Ehemann Kortebein auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft Freiburg i Br. wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses festgenommen. Ausserdem ergaben gegen ihn weiter angestellte Ermittlungen, dass er einen Tag vor der Abreise aus Mainz nach dem FIiegerangriff aus einem zerstörten und von den Bewohnern ‚geräumten Hause in Mainz verschiedene Gegenstände (6 Paar Strümpfe, 1 Wollpullover, 1 Einkaufstasche mit Lebensmitteln, 2 Schals und 1 Paar Wollhandschuhe) entwendet, sich in Freiburg bei Behörden und in Geschäften gemeinsam mit seiner Frau als Total-Fliegergeschädigt ausgegeben und sich dadurch rechtswidrige Vorteile verschafft hatte. Er wurde hierwegen bei dem Sondergericht Mainz angeklagt und am 9.2.1943 wegen Plünderns (Verbrechen gegen §1 der Verordnung gegen Volksschädlinge von 5. 9.1939, RGBL. I. S. 1679) und wegen Unterstützungsbetrugs (Verbrechen gegen § 263 Abs. 4 RStGB), als Volksschädling gemäss § 4 der Volksschädlingsverordnung unter Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit zweimal zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 3.3.1943 vollstreckt.

Die Angeklagte übertrug daraufhin die Personensorge für ihre sämtlichen Kinder auf das Jugendamt Freiburg, da sie mit einer Verhaftung rechnen musste. Die Kinder wurden auf Veranlassung des Jugendamts bei verschiedenen Familien zur Pflege untergebracht. Sie selbst verzog am 16. 4.1943 nach Kolmar (Elsass) und nahm dort eine Stelle als Hausgehilfin an. Gleich nach ihrer Ankunft in Kolmar lernte sie einen Schlosser namens Marzell Nachmann kennen, mit dem sie sich alsbald wiederverheiraten wollte. Hieran wurde sie durch ihre wegen der diesem Strafverfahren zugrundeliegenden Straftaten am 3.5.1943 erfolgten Festnahme verhindert.

Im einzelnen hat das Gericht in der Hauptverhandlung auf Grund des glaubhaften Geständnisses der Angeklagten in Verbindung mit den unbeeidigten Aussagen der Zeugen Spath, Hornecker, Fenninger und Anemüller folgenden Sachverhalt als. erwiesen festgestellt:

An 14.8.1942 hat die Angeklagte in Begleitung ihres Ehemannes, nachdem sie infolge des schweren britischen Terrorangriffs auf Mainz ihre Wohnung in Mainz mit ihren Kindern verlassen hatte, auf dem Landratsamt -— Abt. für Familienunterhalt - in Freiburg vorgesprochen, Antrag auf Gewährung von Räumungsfamilienunterhalt gestellt und hier zunächst in Gegenwart und mit Unterstützung ihres Ehemannes gegenüber dem zuständigen Sachbearbeiter, den Kriegsaushilfsangestellten Heinrich Spath, erklärt, sie hätten infolge des Fliegerangriffs auf Mainz- mit ihren Kindern die Stadt verlassen müssen. Bei dem Angriff hätten sie alles verloren bis auf die Kleider, die sie gerade angehabt hätten oder in der Eile hätten mitnehmen können. Ihre Lebensmittel-und Kleiderkarten wären alle verbrannt; sie benötigte dringend Wäsche für ihre 4 Kinder und die Säugling, sowie für ihren Ehemann und sich selbst. Diese Erklärung hat sie mehrfach unter Tränen gegenüber Spath und der Kriegsaushilfsangestellten Gretel Hornecker wiederholt. Der Angestellten Hornecker gegenüber hat sie weiter in Gegenwart Ihres Mannes angegeben, sie hätten nicht einmal Windeln, um ihr 2 Monate altes Kind trocken legen zu können. Ihr selbst hätte es beim Weggang von Mainz nicht einmal mehr zum Umziehen gereicht, sodass sie deshalb noch mit. dem Nachthemd, das sie der Angestellten Hornecker unter ihrem Kleid auch vorwies, bekleidet wäre.

Kurze Zeit später nach dem Weggang ihres Mannes, der sich auf die Landkreiskasse begeben hatte, hat sie dem Vorstand der zuständigen Abteilung des Landratsamts, dem Oberbürgermeister a.D.: Dr. Moericke, der z.Zt. beim Landratsamt Lörrach beschäftigt ist, ihre Angaben wiederholt und ebenfalls unter Tränen erklärt, sie und ihre Familie hätten bei dem-Angriff auf Mainz alles verloren.

Nach dieser Vorsprache hat sich die Angeklagte in Begleitung der ihr vom Abteilungsvorstand des Landratsamts zur Verfügung, gestellten Angestellten Horneoker auf das Wirtschaftsamt Freiburg-Land begeben. Dort hat sie dem Abteilungsleiter. Franz Fenninger. gegenüber in Abwesenheit ihres Ehemannes erneut erklärt, sie hätten bei den Fliegerangriff auf Mainz alles verloren und. ständen nun mittellos da. Sie besässen als Total-Fliegergeschädigte nur noch das, was sie gerade auf dem Leibe trügen. Sie ‚selbst hätte im Nachthemd davonlaufen müssen, da sie keine Zeit zum Umziehen mehr gehabt habe. Diese Angaben hat sie mehrfach wiederholt.

In Wirklichkeit waren Haus, Wohnung und Besitz der, Familie Kortebein in Mainz durch den Fliegerangriff überhaupt nicht in Mitleidenschaft gezogen, geschweige denn beschädigt oder gar zerstört worden. Die Kleider - und Lebensmittelkarten befanden sich wohlverwahrt in einem Koffer. Der Wegzug der Eheleute Kortebein aus Mainz erfolgte ohne jede dahingehende Anordnung der zuständigen Stellen des Staates aus eigenem freien Entschluss.

Durch Ihre vor dem Landratsamt - Abt. für Familienunterhalt - und dem Wirtschaftsamt in Freiburg gemachten unwahren Angaben hat es die Angeklagte - im teilweisem Zusammenwirken mit ihrem Ehemann ihrer vorgefassten Absicht entsprechend erreicht, dass ihr auf Grund ihrer unter Tränen abgegebenen Schilderungen und der Veröffentlichungen in den Zeitungen und in Rundfunk über den Fliegerangriff auf Mainz gemäß den hierfür ergangenen gesetzlichen Bestimmungen - Runderlasse des Reichsministers des Inneren und des Reichsministers der Finanzen von 25.7.1942 -, nach denen bei der Evakuierung Fliegergeschädigter die einfache Glaubhaftmachung der Notlage durch die Geschädigten vorerst ohne weiteren besonderen Nachweis zur Erlangung der erforderlichen Unterstützung genügt, zunächst noch am 14.8.1942 ein Vorschuss von 50 RM für sofort bestehende Beköstigungsaufwendungen auf Räumungsfamilienunterhalt ausbezahlt wurde. Ausserdem wurde ihr ein Räumungsunterhalt in Höhe von 5.74 RM täglich vom 14. 8. - 31. 8.1942 bewilligt und ausbezahlt. Ferner hat sie erreicht, dass ihr, obwohl sie tatsächlich im Besitze aller Kleiderkarten der Familie war, am 18.8. vom Wirtschaftsamt Freiburg-Land Bezugscheine über Kleidungsstücke im Werte von insgesamt 451 Kleiderkartenpunkten sowie 7 Schuhbezugsscheine ausgestellt wurden.

Die Kosten für die Anschaffung der entsprechende Kleidungsstücke und Schuhe in Höhe von insgesamt 343.67 RM wurden vom Landratsamt - Abt. für Familienunterhalt - aus Mitteln des Räumungsfamilienunterhalts übernommen. Weiterhin hat es die Angeklagte durch ihre unwahren Angaben erreicht, dass ihr noch Tagesurlauberkarten ausgehändigt und die Fahrt für sie und ihre Familie mit einem Personenkraftwagen von Freiburg nach Eschbach bewilligt und die Kosten mit 12 RM bezahlt wurden. Verschiedene Angestellte des Landratsamts haben ihr obendrein zur Deckung des sofortigen Bedarfs aus ihrem eigenen Haushalt noch mehrere Gegenstände, insbesondere Windeln für den Säugling, aus Mitleid unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

Insgesamt hat somit die Angeklagte durch ihr Verhalten das deutsche Reich um 508.99 RM (50 + 103.32 + 343.67 + 12 RM) geschädigt und sich ausserdem Bezugsberechtigungen im Wert von 451 Kleiderkartenpunkten und 7 Schuhbezugsscheine unrechtmässig verschafft.

Die Angeklagte suchte sich demgegenüber in der. Hauptverhandlung damit zu entschuldigen, dass sie völlig unter den Einfluss ihres Mannes gehandelt habe. Dieser habe ihr. immer gesagt, sie müsse stets die gleichen Angaben machen wie er. Das habe sie dann auch getan. Weil sie ihn gern gehabt habe.

Diese Angaben. sind jedoch. nicht nur unglaubhaft, sondern auch durch die Beweisaufnahme widerlegt. Abgesehen davon, dass ihr Mann vor den Sondergericht Mainz sie als treibende Kraft bei ihren Auftreten vor den Freiburger Behörden hingestellt hat, muss sie selbst zugeben, dass sie gegenüber den verschiedenen Dienststellen die unwahren Angaben über die Gründe ihres Wegzugs von Mainz wiederholt gemacht hat, wenn ihr Ehemann nicht zugegen war. Nach den Aussagen der Zeugen Spath und Hornecker war die Angeklagte bei den Vorsprachen der Eheleute auf dem Landratsamt sogar wortführend. Sie hat auch ihre unwahren Angaben mehrfach unter Tränen wiederholt und gerade dadurch verschiedene Angestellte des Landratsamtes dazu veranlasst, ihr aus Mitleid Kleidungsstücke aus persönlichen Beständen zu überlassen. Auch in den Freiburger Geschäften, in denen die Bezugsscheine auf Kosten des Reiches verwertet wurden, hat die Angeklagte - und nicht ihr Ehemann, wie die Zeugin Hornecker bekundet- immer wieder in bewegten Worten ihr angebliches Schicksal vorgetragen und sich als total-bombengesohädigt ausgegeben, um dadurch das Mitleid der Zuhörer und Verkäufer zu erregen und für sich bevorzugte Behandlung und Abfertigung mit Mangelware zu verschaffen. Im Kaufhaus Fabel ging sie sogar soweit, dass sie ihrem angeblich infolge der Strapazen und Hunger erschöpft auf einen Stuhl sitzenden Mann mit den ‚Händen bedauernd über den Kopf strich, während sie ihr "Unglück" vortrug.

Die Angeklagte hat somit
1). in der Absicht, sich und Dritten rechtswidrige Vermögensvorteile zu verschaffen, das Vermögen eines anderen in einen besonders. schweren Fall ‚dadurch beschädigt, dass sie durch Vorspiegelung falscher und. durch Unterdrückung. wahrer Tatsachen einen Irrtum erregte, wobei. sie das Wohl des Volkes geschädigt und besonders arglistig gehandelt hat,
und in Tateinheit hiermit
2). ohne in Ausübung eines Gewerbes oder Berufs zu handeln in einen schweren Fall durch unrichtige Angaben Bezugsberechtigungen erschlichen.
Diese Straftat hat sie als Volksschädling vorsätzlich unter Ausnützung der durch den Kriegszustand verursachten aussergewöhnlichen Verhältnisse ‚begangen, wobei das gesunde Volksempfinden wegen der besonderen Verwerflichkeit der Straftat eine Überschreibung des regelmässigen Strafrahmens erfordert.
Verbrechen und Vergehen nach §§ 263 Abs. 4, 73 RStGB., § 2 Abs.1 Ziffer 2, Abs. 4 der Verbrauchsregelungs-Strafverordnung in der Fassung vom 26. XI.1941 (RGBL. I. S.734) in Verbindung mit $ 4 der Verordnung gegen Volksschädlinge vom. 5 IX. 1939 (RGBL. I S.1679).

Soweit die Angeklagte verdächtig war, sich durch Annahne und Gebrauch der von ihren Ehemann bei den Fliegerangriff auf Mainz vom 12.VIII.1942 geplünderten Gegenstände einer unter den Voraussetzungen des $ 4 der Volksschädlingsverordnung begangenen Hehlerei (§ 259 RStGB) schuldig gemacht zu haben, wurde das Verfahren von der Anklagebehörde trotz bestehenden Tatverdachts mangels hinreichenden Bewelses eingestellt.

Soweit sich die Angeklagte auch dadurch eines Betrugs schuldig gemacht hat, dass sie durch ihre Klagen über ihre angebliche Total-Fliegerbeschädigung mehrere Angestellte des Landratsamts Freiburg veranlasst hat, ihr aus persönlichen Beständen. Kleidungsstücke, insbesondere Säuglingswäsche, zu überlassen.und ferner sich durch die Verwertung der unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 4 der Volksschädlingsverordnung erschlichenen Bezugsscheine eines weiteren Vergehens gegen §.2 Abs. 1 Ziffer I, Abs. 4 Verbrauchsregelungs-Strafverordnung schuldig gemacht hat, wurde von der Erhebung. der öffentlichen Anklage gemäss § 154 Abs, I RStPO. abgesehen.
Bei der Strafzumessung wurde einerseits zugunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass sie ihre unwahren Angaben vor den Behörden hauptsächlich deswegen gemacht hat, um auf diese Weise zu Geld zur Anschaffung von Kleidungsstücken zu kommen. Denn die ganze Familie war, wie die angestellten Ermittlungen ergeben haben, in Bezug auf Kleider und Wäsche sehr schlecht bestellt. Das Geld für die notwendigsten Anschaffungen fehlte stets. Aus diesem Grunde konnte der Angeklagten bei ihrer Straftat eine gewisse Notlage nicht abgesprochen werden.
Andererseits fiel besonders strafschärfend ins Gewicht, dass die Angeklagte vorsätzlich unter Ausnutzung, der durch den Kriegszustand verursachten aussergewöhnlichen Verhältnisse gehandelt hat. Namentlich hat sie es bewusst ausgenutzt, dass infolge der Auswirkungen des Luftangriffs auf Mainz und der damit verbundenen Verständigungsschwierigkeiten mit den für die Nachprüfung ihrer vor dem Landratsamt Freiburg gemachten Angaben zuständigen Dienststellen eine  alsbaldige Überprüfung ihrer Behauptungen nicht möglich war. Die staatlichen Fürsorgebehörden. sind, wie ihr wohl bekannt war, bemüht, den. durch Feindeinwirkung Betroffenen und durch Fliegerangriffe Geschädigten ohne Verzug und in grosszügiger Weise zu helfen. Sie verlassen sieh bei der Zuwendung von Unterstützungen an Fliegergeschädigte auf deren Angaben und vermeiden langwierige Rückfragen und eingehende Untersuchungen. Die Angeklagte hat diese nach einem solch schweren Bombenangriff eintretenden aussergewöhnlichen Verhältnisse und das Unglück und die Opfer der Tatsächlich Total-Fliegergeschädigten aus schnöder Selbstsucht benutzt, um sich auf Kosten des deutschen Volkes zu bereichern. Sie kennzeichnet sich damit selbst als Volksschädling und das gesunde Volksempfinden erfordert es, dass sie wegen dieses: gemeinschaftswidrigen Verhaltens schwerste Strafe trifft.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände wurde gegen die Angeklagte als Volksschädling auf Grund des § 4 der Volksschädlingsverordnung auf eine Zuchthausstrafe von 3 Jahren erkannt. Die in dieser Höhe als angemessene und gerechte Sühne für geboten erschien.

Da die Angeklagte im wesentlichen geständig war, wurden ihr 2 Monate und 3 Wochen der erlittenen Untersuchungshaft, auf die Strafhaft angerechnet. (§ 6o RStGB), Wegen der bei der Tat bewiesenen besonderen Ehrlosigkeit und niedrigen Gesinnung, wurden ihr die bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 3 Jahren aberkannt (§ 32 RStGB).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 465 RStPO.

gez. v. Frankenberg, Br.Rieber,  Dr.Straumann

Ausgefertigt: Unterschrift Schauer,
Justizangestellte als Urkundenbeamter der Geschäftsstelle


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Maria Kliese geb.
A. verw. Kortebein
Hamburg - Altona 9
Kl.-Marienstr. "Bunker"

16 .1. 1947
Badische Staatsanwaltschaft Freiburg / Br.
Aktenz.: So Kls 78/43
Ihr Schrb. v. 3.1.1947
Am 29.7.1943 zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt, verbüßte ich diese Strafe in den Anstalten Jugenhaim, Allendorf und Hamburg-Fuhlsbüttel.
Von der englischen Besatzungsmacht wurde ich am 12.7.45, nach eingehender Prüfung meines Straffalles, aus dem Zuchthaus Fuhlsbüttel entlassen.
Da ich der Meinung war, daß durch diese Entscheidung mir die Reststrafe entlassen sei, richtete ich mein Leben entsprechend ein. Seit dem 7.2.46 bin ich mit Luis Kliese, Hamburg-Altona, Kl.-Marienstr. "Bunker" verheiratet.
Ich bitte, dem beiliegenden Gnadengesuch wohlwollend zu entsprechen.
Hochachtungsvoll
Maria Kliese
Anlage: 1 Gnadengesuch

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Maria Kliese
geb.
A. verw. Kortebein
Hamburg - Altona
Kl.-Marienstr. "Bunker"

Aktenz.: So Kls 78/43

Gnadengesuch
Aus meiner Strafsache habe ich noch eine Reststrafe in Höhe von 209 Tagen zu verbüßen. Nachdem mein Fall von einer Kommission der englischen Besatzungsmacht geprüft worden war, wurde ich aus der Strafanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel, ohne daß von mir ein Antrag gestellt war, entlassen.
Ich bitte höflich, meinen Straffall einer wohlwollenden Prüfung zu unterziehen und dabei zu berücksichtigen, daß ich erstmalig in meinem Leben straffällig geworden bin. Meine Buße bestand nicht nur in der hinter Gittern verbrachten Zeit von 29 Monaten, sondern ich verlor auch meinen Mann, der unter heutigen Verhältnissen niemals zum Tode verurteilt worden wäre.
Nach meiner Entlassung habe ich, wie Ihnen bekannt ist, erneut geheiratet. Ich bitte die Staatsanwaltschaft, mir die Möglichkeit zum Aufbau eines neuen Lebens nicht zu zerstören und mir den Rest meiner Strafzeit auf dem Gnadenweg zu erlassen.
Hbg.-Altona, d. 16.Jan. 47
Maria Kliese

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“Polizei Hamburg
Kriminalamt
Hamburg 36
Karl-Muck-Platz 1


Tgb. Nr. Z.R..II. 596/1947

U. mit Gnadenheft an die Badische Staatsanwaltschaft I
in (17 a) Freiburg i/Br
zurück.

Frau Maria Kliese ist zum zweiten, Male verheiratet. Aus der ersten Ehe sind 5 Kinder im Alter von 4 bis 15 Jahren vorhanden, die jedoch sämtlich bei Verwandten in und bei Freiburg i/Br. untergebracht sind, Die Verwandten kommen auch für den Unterhalt der Kinder auf. Die Ehefrau geht keiner, Beschäftigung nach. Der Ehemann ist seit Mai 1946 arbeitslos und erhält wöchentlich eine Unterstützung von 19,80 Rm. Außerdem bezieht er eine monatliche Rente in Höhe von 23,- RM. von der Oberjustizkasse Hamm i/ Westf, Weitere Einkünfte haben die Eheleute nach eigenen Angaben nicht. Sie wohnen wie angegeben im Bunker. Die Miete beträgt monatlich 24,- RM zuzüglich 10.-RM für elektrischen Strom. Wie festgestellt wurde,führen die, Eheleute im Wohnbunker ein zurückgezogenes Leben. Bei den Nachbarn wurde Nachteiliges nicht in Erfahrung gebracht.
Nach der kriminalpolizeilichen Personenakte wurde am 31.1.1947 gegen die Eheleute Kliese und Wloch eine Anzeige wegen Betruges an die Staatsanwaltschaft Hamburg abgegeben. Aktenzeichen : 9 b Js. 583/47. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen,
Die genannten Eheleute hatten von dem Geschädigten 4500.-RM. für den Ankauf einer Nähmaschine bezw. eines Radio-Apparates erhalten. Da sich der Kauf der vorgenannten Gegenstände zerschlug, teilten sie sich das Geld und Frau Kliese sowie Frau Wloch gaben dem Geschädigten gegenüber an, daß ihre Ehemänner von der Kriminalpolizei verhaftet und das Geld beschlagnahmt worden ist.

Stempel: Freiburg i.Br. 11. März 1947

Im Auftrage : Unterschrift Faiber
Polizei-Oberinspektor (K)


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Zu den Strafakten
Bad. Ministerium der Justiz
Gn R 118/48

Freiburg, den 14. Februar 1948
Strafsache gegen Maria verwitwete Kortebein geb.
A. , jetzt verehelichte Kliese aus Eschbach Kreis Freiburg wegen Verbrechen gegen die Volksschädlings VO.

Frau
Maria Kliese geb.
A.
Hamburg - Altona
Kl.-Marienstr. Bunker Kab. 605

Auf Gnadengesuch vom 16.1.1947
Durch Urteil des Sondergerichts Freiburg vom 29.7.1943 wurden Sie wegen Unterstützungsbetruges und Erschleichung von Bezugsberechtigungen unter Ausnutzung der Kriegsverhältnisse zu einer Zuchthausstrafe von 3 Jahren abzüglich 2 Monaten und 3 Wochen Untersuchungshaft verurteilt. Gleichzeitig wurden Ihnen die bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 3 Jahren aberkannt.
Diese Strafe haben Sie in der Zeit vom 29.7.1943 bis 9.12.1943 und vom 7.1.1944 bis 12.7.1945 zum grösseren Teil verbüsst.
Gnadenweise wird Ihnen hiermit die Reststrafe von 334 Tagen erlassen. Gleichzeitig werden Ihnen die bürgerlichen Ehrenrechte wieder verliehen.
Dr. Fecht    Siegel
Beglaubigt: gez. Vestner Justizangestellte