Uwe
Kühl
Zum Einfluß der Klöster auf die neuzeitliche Siedlungsgeschichte des
Schwarzwaldes
aus:
Siedlungsforschung. Archäologie-Geschichte-Geographie 10, 1992, S. 63-77
Ein solch umfassendes Thema ist unter Berücksichtigung der
Forschungslage wie auch inhaltlicher Gesichtspunkte einerseits zu
erweitern, andererseits zu begrenzen. Zunächst ist der Einfluß der
Klöster auf die neuzeitliche Siedlungsgeschichte des Schwarzwaldes ohne
einen Rückblick auf die vorausgegangenen Epochen nicht oder nur
unzureichend zu ermessen. Die Hauptleistung der Klöster, das sei gleich
thesenhaft vorangestellt, bleibt ihre führende Rolle bei der
siedlungsmäßigen Erschließung und Durchdringung des Schwarzwaldes im
Mittelalter. Ihre produktive Tätigkeit als sog. Rodungsklöster ist
recht gut erforscht, auch wenn die Forschung hier seit den Arbeiten von
Hugo Ott über St.Blasien wenig vorangeschritten ist. (Ott 1963 und
1969) Stärker ins Blickfeld gerückt sind hingegen die Verhältnisse im
ersten Jahrtausend, nicht zuletzt dank der regen Grabungstätigkeit der
provinzialrömischen und der Mittelalter-Archäologie. Dagegen läßt sich
der Forschungsstand zur neuzeitlichen Siedlungsgeschichte nur als wenig
befriedigend bezeichnen. Auch wenn wir hinsichtlich der
montanwirtschaftlichen Entwicklung Rudolf Metz viele neue Erkenntnisse
verdanken (Metz 1983 und 1985), so sind wir bei der agrarischen
Siedlung im Grunde genommen über die Ergebnisse Eberhard Gotheins kaum
hinausgekommen.
Welches sind nun die Fragen, die im Rahmen einer Siedlungsgeschichte
des Schwarzwaldes zu stellen sind? Hierzu können wir immer noch auf
Werner Emmerichs allgemeine Aussagen zur mittelalterlichen
Siedlungsgeschichte zurückgreifen, wonach es verschiedene Fragen sind,
wie »solche nach Umfang und Beschaffenheit der von einer bestimmten
Menschengruppe in Besitz und Kultur genommenen Landstriche, nach der
Art und den Formen der Niederlassung einschließlich der Namengebung
sowie auch nach dem Verhältnis dieser Landnahme zum sogenannten
Landesausbau im Sinne innenkolonisatorischer und randliche Gebiete
betreffender Unternehmungen und seinen Formen, schließlich nach
rückläufigen Tendenzen, Verödungen und Siedlungsschwund. Der Einfluß
der Wirtschaftsformen ist nicht minder von Belang. Die
verschiedenartige Ausprägung gilt es ebenso zu beachten wie die Zahl
und Verteilung der Wohn- und Betriebsstätten am Ort, Größe und Struktur
der zugehörigen Flur sowie die Besitzverhältnisse« (Emmerich 1968, S.
207).
Dieses Programm kann hier nicht in seiner ganzen Breite erfüllt werden.
Einiges ist schon angesprochen worden. Ich will versuchen zu umreißen,
auf welchen direkten und indirekten Wegen die Klöster die
Kulturlandschaft Schwarzwald in der Neuzeit beeinflußt haben. Dabei muß
ich mich weitgehend auf das Gebiet des mittleren und südlichen
Schwarzwaldes beschränken. Sowohl der Forschungsstand wie auch die
tatsächliche Bedeutung der hier wirkenden Klöster St.Blasien, St.Peter
und St.Georgen rechtfertigen das.
Für mich als Wirtschaftshistoriker spielt die Beeinflussung der
Siedlungsgeschichte durch wirtschaftliches Handeln dabei eine ganz
besondere Rolle.
Die Frage der römischen Besiedlung lasse ich beiseite und verweise nur
kurz auf die Rodungstätigkeit der mittelalterlichen Klöster.
Die erste Generation der Klöster aus der merowingisch-karolingischen
Zeit erhielt als Ausstattung bereits vorhandene Güter im Altsiedelland
und am Rande des Schwarzwaldes . Hier sind insbesondere St.Gallen,
Säckingen, Rheinau (südlich Schaffhausen), Ettenheimmünster, Schuttern,
Schwarzach sowie noch weiter entfernt liegende Klöster zu nennen. Sie
wirkten noch nicht in den Schwarzwald hinein. Etwas anders liegt die
Sache bereits bei St.Trudpert, das aus der gleichen Zeit stammt und in
enger Verbindung mit dem Bergbau zu sehen ist. Hierzu ist wohl auch
St.Ulrich mit seinem Vorgänger zu zählen. Die Reichsabtei Gengenbach,
im naturräumlich günstig ausgestatteten unteren Kinzigtal, gehört
ebenfalls noch in diese erste Phase, greift aber bereits in den
Schwarzwald hinein. Im 10. Jahrhundert setzte dann von Süden her, mit
der Gründung von St.Blasien um 962 (eine 'cella alba' wird bereits 858
erwähnt) die Besiedlung der mittleren und höheren Lagen des
Schwarzwaldes ein. Im 11 . Jahrhundert wird die Rodung von Norden und
Osten her weiter vorangetrieben. Träger sind hier die aus der
cluniazensischen Reformbewegung hervorgegangenen Benediktinerklöster
Hirsau (an der Nagold, um 1059), Reichenbach (an der oberen Murg,
1082), St.Georgen (1084) und Alpirsbach (an der oberen Kinzig, 1095).
Von Westen her beteiligten sich neben größeren und kleineren Adligen
das 1093 von Weilheim nach hier verlegte Zähringer Hauskloster St.Peter
sowie dessen Hohenberger Konkurrenzgründung St.Märgen (1120) an der
weiteren Erschließung des Schwarzwaldes (Mayer 1939). In dieser Phase
der Besiedlung wurden auch schon die zentralen Gebiete des
Schwarzwaldes erreicht . Damit war der Abschluß der mittelalterlichen
Besiedlung auch schon nahezu erreicht. Was bis ins 14. Jahrhundert
folgte war eine weitere Durchdringung z.B. durch abhängige Priorate,
wie wir es vor allem bei St.Blasien finden. Letzte Rodungen stießen in
extreme Lagen vor, wie z.B. die Besiedlung der 'Viertäler' durch das
Benediktinerinnenkloster Friedenweiler (gegr. 1123) noch zu Beginn des
14. Jahrhunderts (Bader 1939, S. 59f.).
Zu Beginn des 14. Jahrhunderts hatten die klösterlichen
Grundherrschaften ihren Höhepunkt erreicht . Waren sie im hohen
Mittelalter noch aktive Herrschaftsgebilde gewesen, so gerieten sie
jetzt zunehmend in eine Krise. Diese hatte ihre Ursachen in
Entwicklungen, die allgemeiner Art waren, aber auch spezifische
Faktoren kamen zum Tragen.
Zunächst ist die spätmittelalterliche Agrarkrise und die damit
verbundene Wüstungsperiode zu erfassen .
Eine Betrachtung der neuzeitlichen Siedlungsgeschichte kann nicht im
Jahre 1500 beginnen, sondern muß am überkommenen Bestand der
mittelalterlichen Siedlungen anknüpfen . Hier stellt sich die Frage
nach Art und Umfang der spätmittelalterlichen Wüstungsvorgänge . Im
Historischen Atlas von Baden- Württemberg sind die abgegangenen
Siedlung kartographisch dargestellt (Blatt IV. 23) . Schon auf den
ersten Blick zeigt sich der Schwarzwald als wüstungsarmes Gebiet.
Obwohl in einem Ungunstgebiet gelegen, erwiesen sich die
Streusiedlungen offensichtlich als ausgesprochen wüstungsresistent.
Allerdings stellt sich hier die Frage, inwieweit ein unzureichender
Forschungsstand bzw. eine unvollständige Überlieferung nicht das Bild
verzerren. Außerdem sind die nicht unerheblichen methodischen Probleme
bei der Erfassung von Wüstungsvorgängen in Gebieten mit
Einzelhofsiedlung zu berücksichtigen . Die bekannten
spätmittelalterlichen Ortswüstungen des Schwarzwaldes zeigen auffällige
räumliche Konzentrationen, in denen sich aber eher der Stand der
Forschung als die tatsächliche Verbreitung widerzuspiegeln
scheint.(Schaab 1985) Zumindest in den Herrschaften von St.Peter und
Friedenweiler sind größere Wüstungserscheinungen anzunehmen. Es gingen
sowohl Wohnplätze ab wie auch Wirtschaftsflächen wüst fielen, d.h. sie
verwaldeten wieder. [Abb. 1]
Die ursprünglichen Bauernlehen unterlagen einer hohen Bodenmobilität,
die im Schwarzwald, anders als im Altsiedelland, nicht zur
Zersplitterung, sondern zur Konzentration führte. Im Laufe des 15.
Jahrhunderts verteilten sich z. B. die 38 Lehen im Iben, einer Vogtei
des Klosters St.Peter, zunächst auf 19, später nur noch auf 14 Höfe.
Erst jetzt entstand die für diesen Teil des Schwarzwaldes so
charakteristische Siedlungsform der Einzelhöfe. Diese Streusiedlung mit
hofanschließender Einödflur bzw. gereihte Einzelhöfe, basierte
ökonomisch auf einer ausgeprägten Viehwirtschaft und war rechtlich
durch das Institut der geschlossenen Hofgüter bestimmt.
Als Erbrecht wurde es zwar erst im 19. Jahrhundert kodifiziert, aber
seine Entstehung als Rechtsbrauch von geschlossener Vererbung und
Jüngstenrecht geht in das 15. Jahrhundert zurück.
Es sei dahingestellt, ob die Hofgüterverfassung ihren Ursprung in der
Herrschaft St.Peter hatte, ihre Herausbildung dort ist von E. Gothein
bereits vor über 100 Jahren beschrieben worden (Gothein 1886).
Die Hofgüterverfassung ist durchaus als eine Folge der Wüstungsperiode
anzusehen. Sie beruht zum einen auf dem Bemühen des Grundherrn, eine
weitere Zersplitterung der Güter zu verhindern. Hatte eine solche
ursprünglich in seinem Interesse gelegen, da er davon mit seinen
Besitzwechselabgaben profitieren konnte, so waren jetzt infolge der
hohen Bodenmobilität die Güter so klein geworden, daß sie nicht mehr
tragfähig waren.
Schon in dem ältesten Dingrecht von St.Peter aus der ersten Hälfte des
13. Jahrhunderts findet sich ein Vorzugsrecht der Erben und des
Klosters beim Verkauf von Gütern, das die weitgehende Mobilisierung des
Bodens verhindern sollte. Es trat allerdings nur dann in Kraft, wenn
der angebotene Kaufpreis mindestens genau so hoch war wie der von
anderer Seite. Nachdem die negativen Folgen der Freiteilbarkeit im
Schwarzwald mit Güterzersplitterung und Abwanderung deutlich geworden
waren, erfolgte in weiten Teilen des Gebiets eine Zusammenlegung zu
größeren Gütern. Diese Konzentrationsbewegung der Grundstücke war in
Zeiten umfangreicher temporärer und partieller Flurwüstungen leichter
machbar und entsprang wohl auch der Erkenntnis der Bauern über die
wirtschaftliche Unzweckmäßigkeit der bisherigen Teilungen. Die
Grundherrschaft St.Peter unterstützte diese Maßnahmen durch die
Bestimmungen des großen Dingrodels von 1456, wonach die Güter, wie es
heißt, nicht »zergengt« werden sollten .
Dadurch war zwar das Erbrecht nicht geändert worden, die
kontinuierliche Anwendung als Verwaltungsvorschrift wandelte die
Bestimmung aber in herrrschendes Gewohnheitsrecht und wurde für die
Klostergrundherrschaft zur Grundlage der Unteilbarkeit.
Durch das Minorat, die Vererbung auf den jüngsten Sohn, konnten die
beim Hofübergang zu entrichtenden Abgaben länger herausgezögert werden,
was insgesamt zu einer geringeren Belastung des Betriebes führte.
Es sei dahingestellt, inwieweit hier die Herrschaft St.Peter
Vorbildfunktion für den mittleren Schwarzwald hatte. Wir finden das
Hofgüterrecht und entsprechende Siedlungsformen ja auch in anderen
Herrschaftsbereichen. Während Gothein für St.Peter zumindest das
Einverständnis der Bauern mit dieser verstärkten Gebundenheit annimmt,
mußte das geschlossene Hofgut in der fürstenbergischen Herrschaft
Wolfach gegen die Bauern durchgesetzt werden.
Die Wüstungsperiode erstreckte sich bis ins 16. Jahrhundert hinein.
Noch 1529 war beispielsweise nur etwas mehr als die Hälfte der im
Schwarzwald gelegenen Güter des Klosters Friedenweiler besetzt . In
St.Peter scheinen die Verhältnisse etwas günstiger gewesen zu sein.
Schon Ende des 15 . Jahrhunderts wird von neuen Rodungen berichtet.
Allerdings handelte es sich hierbei nur noch zum Teil um eine
landwirtschaftliche Besiedlung. Im oberen Simonswälder Tal zum Beispiel
erhielten Bergleute, Köhler und Holzhauer, die zum Teil aus Tiroler
Bergwerksdistrikten stammten, zunächst auf vier Jahre einzelne
Parzellen zur Rodung. Diese ungemessenen Stücke sollten 12 Jauchert
umfassen, waren aber meist größer, da sie sich an vorhandenen
natürlichen Grenzen (z.B. Runsen) orientierten. Das Holz konnte per
Trift auf der Wilden Gutach abwärts zum Eisenhüttenwerk Simonswald
befördert werden. Sobald auf diesen Flächen die agrarische Nutzung
begann, wurden sie als Erblehen ausgetan und die Abgaben entsprechend
des wirtschaftlichen Fortschreitens erhöht. Es entstanden so die
Vogteien Wildgutach, Glashütte, Hochstraß und Hinterstraß mit jeweils
wenigen aber ziemlich großen Höfen.
Diese Form des frühneuzeitlichen Landesausbaus, mit der nochmals
agrarischer Siedlungsraum gewonnen wurde, blieb, soweit ich es
überblicken kann, vereinzelt stehen. Es war damit allerdings die
Richtung gewiesen worden, in welche die Bemühungen, nicht nur der
Klöster gehen sollten.
Bevor allerdings die geistlichen Herrschaften im Schwarzwald
entsprechende siedlungspolitische Maßnahmen ergreifen konnten, hatten
sie schwere Erschütterungen zu überstehen.
Das 15. Jahrhundert war trotz innermonastischer Reformbemühungen eher
von einem wirtschaftlichen und religiös-moralischen Absinken der
Klosterherrschaften gekennzeichnet . Insbesondere die Benediktiner als,
so Max Weber, »grundherrlicher Honoratiorenorden«, blieben von der
spätmittelalterlichen Agrarkrise nicht verschont . Teilweise reine
Versorgungsanstalten des lokalen Adels, versuchten sie ihre
Feudalrenten durch Herrschaftsintensivierung zu sichern.
Die dadurch ausgelösten bäuerlichen Widerstände kulminierten
schließlich im Bauernkrieg von 1525/26. Allerdings scheinen die
Schwarzwaldklöster hierbei relativ glimpflich davongekommen zu sein.
Als schwerwiegender und weitreichender erwies sich die Reformation. Sie
wurde vor allem von württembergischer Seite vorangetrieben . Ihr fielen
die Klöster im Nordosten des Schwarzwaldes zum Opfer. Genannt seien nur
St. Georgen, Hirsau, Alpirsbach. Ein Großteil der hochmittelalterlichen
Rodungsklöster fiel mit seinen Gütern unter weltliche Herrschaft. Wenn
auch die Herrschaftsbezirke teilweise im bisherigen Umfang
weitergeführt wurden, so brachte die Aufhebung der Klöster doch einen
deutlichen Einbruch in das Siedlungsgefüge .. Die Klöster waren ja auch
immer Mittelpunkt ihres engeren und weiteren Herrschafts- und
Einflußbereichs gewesen. Je größer dieser war um so höher auch das Maß
an, modern gesprochen, Zentralität. Es lohnte, dieser Erscheinung, die
ja nicht auf den Schwarzwald beschränkt ist, einmal näher nachzugehen.
Durch die Glaubensspaltung wurde die bereits schwierige Situation der
geistlichen Herrschaften weiter unterminiert. Schon länger waren sie
dem Druck der sich verfestigenden Landes- und Territorialherrschaften
ausgesetzt. Auch innerkirchliche Spannungen waren auszuhalten, ehe die
Klöster wieder in der Lage waren, aktiv auf das Siedlungsgeschehen
einzuwirken . Das lange 16. Jahrhundert mit seinem Bevölkerungswachstum
und der steigenden Nahrungsgüternachfrage schuf auch für die Klöster
wieder bessere ökonomische Bedingungen. Zwar konnte der
Siedlungsbestand des hohen Mittelalters durch die neuzeitliche
Besiedlung nicht wieder erreicht werden, aber es gelang, die
verbliebenen Klostergrundherrschaften zu konsolidieren . Selbst der
besonders in Mitleidenschaft gezogene Benediktinerinnenkonvent von
Friedenweiler konnte nach einer Unterbrechung 1578 vom badischen
Hauskloster Lichtenthal aus mit Zisterzienserinnen wieder besetzt
werden.
Nachdem sich eine intensive agrarische, d.h. ackerbauliche Nutzung des
Schwarzwaldes als verfehlt erwiesen hatte, wozu auch eine
Klimaverschlechterung beigetragen haben dürfte (Lamb 1989), wandten
sich geistliche wie weltliche Herrschaften verstärkt der Nutzung der
übrigen Ressourcen des Schwarzwaldes zu.
An erster Stelle ist hier der Wald zu nennen. Als Lieferant von Bau-
und Brennholz, zur Mast und Hutung war er immer integraler Bestandteil
der vormodernen Landwirtschaft gewesen. Eine weitergehende
Inwertsetzung der großen geschlossenen Wälder des Schwarzwaldes war
aber auf diese Weise nicht möglich .
Schon im Mittelalter aber konnte der Wald im Zusammenhang mit dem
Bergbau als Lieferant von Grubenholz wie als Energieträger einer
stärkeren Nutzung unterzogen werden. Diese blieb aber weitestgehend an
die unmittelbare Umgebung der jeweiligen Lagerstätten gebunden. Das
Kloster St.Blasien hatte schon im Mittelalter reiche Erträge aus seinem
Bergbau auf Silber und Blei gehabt. Die Gruben im oberen Wiesental
waren aber bis zum Ende des 16. Jahrhunderts erschöpft, was hier zur
teilweisen Abwanderung der bergmännischen Bevölkerung führte. Nur
wenige der Bergleute konnten auf eine agrarische Existenz umsteigen
oder sich als Schnefler und Kübler ein bescheidenes Auskommen
verschaffen. Aus den kleinen Rodungen der Bergleute in der Allmende des
Klosters Oberried am Schauinsland entstand zu Beginn des 17 .
Jahrhunderts die nun zu bäuerlichen Rechten bestehende Siedlung
Hofsgrund.
Dem Bergbau im blasianischen Kerngebiet bereitete der 30jährige Krieg
wie meist auch anderswo ein Ende (Historischer Atlas, Blatt XI.10).
Beendete bzw. unterbrach somit dieser Krieg einerseits die
Edelmetallgewinnung, so erhöhte er andererseits die Nachfrage nach
Eisen. Der Holzreichtum, die vorhandenen Wasserkräfte wie auch das
fehlende Bergregal schufen günstige Voraussetzungen für die Anlage von
Eisenhüttenwerken . Schwieriger gestaltete sich die Versorgung mit
Erzen. Die wichtigsten der durchaus zahlreichen Erzvorkommen lagen
peripher im Klettgau sowie im Schweizer Jura.
Am Hochrhein konnte die Eisenverhüttung auf eine lange mittelalterliche
Tradition im Rahmen des Hammerschmiedbundes zurückblicken. Das starre
Festhalten an der überkommenen zunftmäßigen kleingewerblichen
Produktion führte allerdings zum Niedergang.
In die entstehende Marktlücke stieß bereits zu Beginn des 30jährigen
Krieges das Kloster St.Blasien. 1622 gründete es zunächst außerhalb
seines eigenen Territoriums gemeinsam mit den Grafen von Sulz und den
Landgrafen von Stühlingen das Hüttenwerk Eberfingen an der Wutach [Abb.
2].
Während die weltlichen Teilhaber den Bauplatz und Baumaterial sowie das
erforderliche Erz bereitstellten, lieferte St.Blasien das notwendige
Kohlholz. Dessen eigentliches Interesse lag nämlich in der Nutzung des
Waldes im Feldberggebiet. Um die notwendigen Mengen über die Wutach per
Holztrift herbeizuschaffen, mußten Holzhauer aus Tirol herangezogen
werden, die die Technik des Holzbringens mittels Riesen beherrschten.
Dieser Zuwanderung verdankt die Rodungsinsel Holzschlag ihre
Entstehung. Auf Fürstenbergischem Gebiet entstanden in diesem
Zusammenhang weiter oberhalb noch die Holzhauersiedlungen Falkau und
Bärental.
Da die blasianischen Holzvorräte im Einzugsgebiet der Wutach bald
erschöpft waren, gründete die Abtei zunächst an der Alb bei
Unter-Kutterau sodann an der Schlücht bei Gutenberg Hüttenwerke, die
ausreichend aus den klostereigenen Waldungen versorgt werden konnten.
Dazu mußten wiederum Holzhauer aus den österreichischen Alpenländern
angeworben werden. Diese gründeten 1686 am Oberlauf der Schwarza die
Siedlung 'Neue Welt' oder Schwarzhalden. Aus den Wohnplätzen der
Holzfäller entstand ebenfalls Ende des Jahrhunderts die Siedlung Lindau
(Gemeinde Ibach).
Beim Hüttenwerk Kutterau erwies sich allerdings auf Dauer die
Erzversorgung als problematisch, da ein längerer Landtransport von
Waldshut aus notwendig war. Nachdem das Werk albaufwärts verlegt worden
war, wo stärkere Wasserkräfte zur Verfügung standen, gab man die
Roheisenerzeugung auf und konzentrierte sich auf die Weiterverarbeitung.
Später kamen noch ein Hammerwerk bei Tiefenstein sowie das Hüttenwerk
Albbruck hinzu. Dieses bedeutendste Eisenhüttenwerk am Hochrhein
bestand bereits seit 1684. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts war es
zunehmend auf Holzlieferungen aus dem Feldberggebiet angewiesen. 1755
erwarb daher St.Blasien zunächst eine Beteiligung an dem Unternehmen,
ehe es dieses 1778 vollständig erwarb. Der Standort des Werks war sehr
günstig gewählt. Auf dem Rhein war ein kostengünstiger Erztransport
möglich, während die notwendigen Mengen Kohlholz per Scheitholztrift
auf der Alb, die zugleich die erforderliche Antriebsenergie lieferte,
herbeigeschafft wurden.
Solche regelmäßigen und wohl auch zunehmenden Holzlieferungen auf dem
Wasserwege, es handelte sich um Holztrift, nicht Langholzflößerei,
finden wir auch in St.Peter und Oberried. Von letzterem führte ein
künstlich angelegter Floßkanal nach Kirchzarten und von dort wiederum
einer bis vor die Stadt Freiburg (Schaal 1991).
Dieser steigende Bau- und Brennholzbedarf kollidierte im Laufe der Zeit
zunehmend mit anderen Formen der Waldnutzung . An erster Stelle ist die
Köhlerei und die Pottaschsiederei zu nennen. Beide sind Grundlage der
Glasherstellung. Mit diesem Gewerbe, das auch bereits in das
Mittelalter zurückzuverfolgen ist, war es möglich, transportungünstig
gelegene Waldungen zu nutzen. (Moser 1969) Die bekanntermaßen geradezu
holzfressende Glasmacherei, für 1 kg Waldglas waren anfangs zwei und
später immer noch ein Ster Holz nötig, war bestens dazu geeignet,
innerhalb kurzer Zeit größere Waldgebiete zu roden.(Wohleb 1950) Diese
doppelte Funktion, Nutzung des Holzreichtums zu gewerblichen Zwecken
und Schaffung landwirtschaftlicher Flächen, macht die Glashütten zu
einem bedeutenden Faktor in der Gestaltung der Kulturlandschaft des
Schwarzwaldes [Abb. 4].
Die Klöster stehen bei dieser Entwicklung in vorderster Linie. Mit
Sicherheit bestand im Gebiet von St.Peter bereits zu Beginn des 15.
Jahrhunderts eine Glashütte im Knobelwald. In diesem Bereich finden wir
auch später noch einige Hütten.
Das wichtigste Glashütten-Revier im Hochschwarzwald finden wir östlich
und südlich des Feldbergmassivs. Hier ist es St.Blasien, das die
Initiative ergreift . Nach Anfängen in Bernau und Höchenschwand
entstand seit 1579 mit Blasiwald eine Rodungsinsel, die auf die
Tätigkeit von insgesamt drei Glashütten zurückgeht. Diese behielten für
jeweils einige Jahrzehnte ihren Standort, um im 18. Jahrhundert
nochmals bei Äule eine größere Rodung zu beginnen [Abb. 5].
Die bereits bisher für die Abtei St.Blasien geschilderten
wirtschaftspolitischen Maßnahmen dürften deutlich gemacht haben, daß
für dieses Territorium die Charakterisierung als einer klösterlichen
Duodezherrschaft kaum zutreffen kann. Vergleichbar den größeren
weltlichen Territorien betrieb das Kloster eine durchaus aufgeklärte
merkantilistische Politik, wie auch das Beispiel der Brauerei Rothaus
zeigen mag. Neben einem bereits länger existierenden Wirtshaus ließ der
wohl bedeutendste Abt St.Blasiens, Martin Gerbert, 1787 eine
Bierbrauerei errichten, die heute noch als Badische Staatsbrauerei
floriert. Die Standortbedingungen, reichlich Brennholz und gutes
Wasser, waren günstig, um ein solches Unternehmen gelingen zu lassen.
Unentschieden können wir die Frage lassen, ob die Motivation eher der
Fürsorge des Landesvaters um seine Untertanen entsprang, nämlich den
»Schwarzwaldbewohnern ein gutes und billiges Getränk zu verschaffen und
dem leidigen Schnapstrinken Abbruch zu tun« (Metz 1983, S. 84).
Jedenfalls konnten mit dieser Maßnahme, ganz im Sinne des
Merkantilismus, heimische Ressourcen genutzt, Arbeitsplätze geschaffen
und der Import ausländischen Bieres reduziert werden.
Generell muß die Siedlungsgeschichte des Schwarzwaldes insbesondere
nach dem 30jährigen Krieg, der hier weniger verheerend wirkte als zum
Beispiel in Württemberg, aus der Perspektive eines wachsenden
Bevölkerungsdrucks gesehen werden. Dieser wirkte zunächst auf die noch
nicht oder kaum agrarisch genutzten Flächen . Zunehmende wilde
Brandrodungen stießen bald auf den Widerstand der Herrschaften, die mit
ihren Wald- und Forstordnungen versuchten, der Übernutzung der Wälder
entgegenzutreten . In der 'Policeiordnung' von St.Peter von 1582 wird
die wilde Reutbergwirtschaft ausdrücklich verboten.
Die Tragfähigkeit der agrarischen Siedlung dürfte spätestens in der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts endgültig an ihre Grenze gestoßen
sein. Die durch die geschlossene Vererbung ständig wachsende
unterbäuerliche Schicht konnte ein Auskommen im Schwarzwald nur noch
dann finden, wenn es wenigstens die Möglichkeit eines nichtagrarischen
Nebenerwerbs gab. Hier nun spielen die Glashütten wiederum eine
Schlüsselrolle . Zwar boten sie der agrarischen Bevölkerung auf den
umliegenden Höfen kaum Arbeitsmöglichkeiten auf den Hütten selbst, die
Glasmacher blieben ein recht geschlossener Personenkreis, denn nur so
ließen sich die Produktionsgeheimnisse bewahren. Allerdings legten sie
den Vertrieb ihrer Waren in die Hände der Bevölkerung der umliegenden
Siedlungen. Diese sog. Glasträger gingen vom Schwarzwald hinaus ins
'Land' und brachten nicht nur Geld zurück sondern auch neue Ideen und
Anregungen. Sie bahnten damit den Weg für die Aufnahme neuer
Produktionszweige : Uhrmacherei, Hinterglasmalerei, Strohflechten,
Geigenbau, Löffelschmiede ; die siedlungsgeschichtlichen Folgen einer
solchen ländlichen Hausindustrie liegen auf der Hand. Neben und
zwischen die Höfe der Schwarzwaldbauern setzen sich die Häusle dieser
gewerblichen Produzenten, die meist noch durch ein sog. Kuhteil, ein
kleines Stück Land, mit ihrer agrarischen Umgebung verbunden bleiben.
Auch Hausformen änderten sich : der Uhrmacher braucht viel Licht in
seiner Werkstatt aber keine Stallungen.
Gerade bei der Uhrmacherei läßt sich ebenfalls ein fördernder Einfluß
der Klöster nicht verkennen. Ihre eisernen Räderuhren mögen manchen
Schwarzwälder Tüftler zum Nachbau veranlaßt haben. Sicher ist, daß aus
St.Märgen und St.Peter im 18. Jahrhundert Anregungen kamen, ja konkrete
Verbesserungen bei Konstruktion und Werkzeugen. Ich erwähne hier nur
das Wirken des St.Petriner Mönchs und späteren Freiburger Professors
der Mathematik Thadäus Rinderle. Aus dem gleichen Konvent stammt Pater
Franz Steyrer, dem wir die erste Geschichte der Schwarzwälder
Uhrenmacherei verdanken.
Schließlich haben die Klöster noch auf ganz spezifische Weise der
Landschaft ihren Stempel aufgedrückt. Die Neubauten der Kirchen und
Konvente seit Beginn des 18. Jahrhunderts sind hervorragende Beispiele
barocker Baukunst. In diesen Anlagen drückt sich auch heute noch etwas
von der Zentralität aus, die von den Klöstern ausstrahlte. Sie waren
politischer, geistlicher, wirtschaftlicher und auch kultureller
Mittelpunkt ihrer Herrschaften. Ihre geistige Ausstrahlung ging aber im
18. Jahrhundert noch darüber hinaus.
Fassen wir zusammen, so ist der Einfluß der Klöster in der Rodungsphase
und der anschließenden Herrschaftskonsolidierung am größten. Es folgt
eine lange Phase der Stagnation, ja des Rückschritts. Nur wenige
Klöster können sich konsolidieren, bleiben aktiv und gelangen im 17.
und 18 . Jahrhundert zu einer neuen Blüte. In ihrem die
Siedlungsentwicklung prägenden Verhalten unterscheiden sie sich kaum
von den weltlichen Herrschaften.
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