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Die älteste Kirche im Dreisamtal
Im Schlosspark Stegen steht die Sebastianskapelle, die eine ereignisreiche Vergangenheit hat

Von Monika Rombach und anderen Autoren der Badischen Zei

 


Die Einheimischen kennen die Schlosskapelle Weiler als Teil des Schlossareals, des heutigen Schulgeländes des Kollegs St. Sebastian. Und der Passant fährt eher achtlos an der kleinen Kirche vorbei. Am Tag des offenen Denkmals konnte man erfahren, welche Herrschaften hier einst lebten und dass dies wahrscheinlich die älteste Kirche im Dreisamtal ist.

Herrschaftsnamen für den Ort Weiler (Wilen, Weyler, Wyler) sind ab 1093 nach den Herren von Weiler, Vorfahren der Falkensteiner, bekannt. Ihren Namen führt die "Sebastianskapelle" wohl nach dem Pestpatron heiliger Sebastian aufgrund der großen Pestepedemie 1349/50 im Breisgau.

Die erste schriftliche Erwähnung eines vermuteten Vorgängerbaus der Kapelle entstammt dem Jahre 1365: Konrad von Wittenheim verkaufte an Tegenhart von Wilen "eine Juchert Acker, die lit zu wilen (Weiler) hinder der kilchen (Kirche)" . Dazu stellt Pfarrer Gustenhofer in seiner Chronik die Mutmaßung auf, dass die Kapelle von Weyler die älteste Pfarrkirche des Dreisamtales sei unter möglicher politisch fränkischen Herrschaft im 8. Jahrhundert. Im 12. Jahrhundert verzeichnet man Dienstleute der Herzöge von Zähringen, im 13. bis 15. Jahrhundert eine Familie Meier von Weiler (auch Meier-Niessen genannt). 1486 erhält Junker Hans von Reischach die Herrschaft Weiler aus dem Nachlass Hans Ulrich Meyers von Wyler als Lehen.

Doktor Justinian Moser wird Schlossherr, sein Sohn Matthias Ulpian baut das Schloss Weiler nach 1589 wieder auf und stattet die Kapelle barock aus. 1702 folgen als prägende Ära für das Gesamtbild Stegens die Herren/Grafen von Kageneck unter dem österreichischen Statthalter Johann Friedrich von Kageneck. Sein Sohn Friedrich baute die Residenz Munzingen und beherbergte dort Marie Antoinette.

Die Stegener Linie restaurierte und bezog das Schloss Weiler 1841 bis 1843 unter Philipp Josef v. Kageneck. Sein Sohn Max und dessen Söhne Franz Xaver und Philipp Ernst richteten die Kapelle zur Primiz des Letztgenannten 1894 her. 1928 bis 1997 verpachteten die von Kagenecks Schloss und Kapelle an die Herz-Jesu-Priester. Sie begründeten und begleiteten hier die Schulära von der "Spätberufenenschule" (1930) an zum Vollgymnasium 1966 bis dessen Aufnahme in die Schulstiftung der Erzdiözese 1998. Ihrer seelsorgerischen Arbeit verdanken Pfarr- und politische Gemeinde großen Aufschwung.

Bereits 1463 informiert das Pfarrbuch von Kirchzarten über zwei Messen pro Woche in der Sebastianskapelle, jährlich ein Patrozinium am 20. Januar (hl. Sebastian, bis heute) und eines am 26. Dezember (hl. Stephan, im Stiftungsbrief von 1517 mit erster schriftlicher Erwähnung des Schlosses Weiler). Informationen über die Sebastians-Kapelle fasste in einem hochinteressanten Büchlein der langjährige Studiendirektor des Kollegs St. Sebastian, Manfred Müller, zusammen. Er und Claudius Heitz, einstiger Kollegsschüler und heutiger Kollegslehrer, erläuterten am Tag des offenen Denkmals die sakrale Kunstvielfalt der Kapelle.

Anschaffung und Erhalt der heutigen wertvollen Ausstattung verdankt die Schlosskapelle St. Sebastian dem Grafengeschlecht von Kageneck. Aufschluss über das Dreisamtal zu Zeiten der Herrschaft Reischenbach bietet darin eine hölzerne Altartafel aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in der Schlosskapelle: Sie zeigt das Sebastian-Martyrium vor der Landschaft des Dreisamtales mit den markanten benannten Punkten Dorf Kirchzarten, Burg Wisneck und Schloss Weyler, eine erste Bildquelle für das Dreisamtal. Schützend hält in der Deckenmalerei der heilige Sebastian seinen Mantel über Schloss Weiler und Kapelle.

Nicht immer ging man sorgsam mit der Kunst um, bemängelte bereits Professor Hübner, ehemals im Augustinermuseum in Freiburg tätig. Er befand die Altäre in verwahrlostem Zustand, mit Ölfarben und Goldbronze überstrichen. Der Restaurierung 1971 folgte 1997 bis 2000 die jüngste durch Detlef Reimann. Er stellte sie am Denkmaltag selbst vor.

Badische Zeitung vom Donnerstag, 18. September 2008

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Der hl. Sebastian als Schutzpatron
Aus der Geschichte der alten Kapelle in Weiler
Stegen. Die Baugeschichte der Kapelle in Weiler ist für die Kuratiegemeinde Stegen aufschlußreich, und die Veröffentlichungen an dieser Stelle im vergangenen Monat fanden lebhaftes Interesse. Fassen wir zunächst noch einmal kurz die Geschichte der Schloßkapelle zusammen. Das Gotteshaus zu Weiler ist als ehemaliger Besitz der Zähringer uralt. Wie alle Kirchen in der Zeit vor dem Jahre 1000 war sie sicher zunächst nur ein Holzbau. Leider ist uns aus dieser Zeit kein Bild überliefert. Es läßt sich geschichtlich nicht nachweisen, ob dieser Holzbau schon vor dem 12. Jahrhundert einem Steinbau weichen mußte.
Die erste Urkunde über einen Umbau stammt aus dem Jahre 1250; in diesem Jahre erbauten die Snevelin an Stelle des baufällig gewordenen Gotteshauses eine kleine Kapelle in frühgotischem Stil, die uns im heutigen Chor noch erhalten ist. Für die Baugeschichte wichtig ist auch der Patron der Kirche. Am 20. Januar gedenkt die Kuratiegemeinde ihres alten Kirchenpatrons, des heiligen Sebastians, jenes römischen Hauptmannes der kaiserlichen Leibgarde, der um seines christlichen Bekenntnisses willen mit Pfeilen durchbohrt und mit Keulen erschlagen wurde. War er aber der erste Patron? Gewiß schon für das Jahr 1463 finden wir im Kirchenbuch von Kirchzarten das Patrozinium dieses Heiligen für Weiler am 20. Januar. Aber dasselbe Kirchenbuch hat am Stephanstag den Eintrag: „Patrozinium in Wiler“. Also muß um diese Zeit der heilige Stephanus wenigstens Mitpatron gewesen sein, und es ist durchaus nicht von der Hand zu weisen, daß er zuvor sogar der einzige war. Der Erzmärtyrer gehört ja mit Johannes dem Täufer, Laurentius, Petrus und Michael zu den ältesten Patronen der badischen Heimat.
Als zähringisches Herzoggut ist Weiler in unmittelbarer Nähe der Keltenstadt Tarodunum ein alt besiedeltes Gebiet. Da wir im ältesten Siedlungsgebiet des Breisgaus den heiligen Sebastian als Kirchenpatron nirgends finden, gehört er zwar zu den alten, nicht aber zu den ältesten Patronen. Zur Zeit der Pest, die bei uns zwischen 1309 und dem Dreißigjährigen Kriege herrschte, wurde die Bevölkerungszahl stark vermindert, und viele Äcker blieben unbestellt. In dieser Zeit mag der Pestpatron hinzugekommen sein.
In der mittelalterlichen Vorstellung galt der Pfeil als Symbol plötzlich auftretender epidemischer Krankheiten, und man glaubte, daß Pestdämonen durch geheimnisvolle Pfeile diese Seuche hervorrufen. Ähnlich wie in Königschaffhausen am Kaiserstuhl, wo Reliquien des Heiligen vorhanden waren und die Wallfahrtskirche das Ziel vieler Pilger aus nah und fern war, mag es auch in Weiler gewesen sein. Es entstanden Pestbruderschaften, die durch Gebet und Prozessionen die Pest abwehren wollten; ebenso übernahmen sie die Pflege der Kranken und die Bestattung der Toten. Später wurde die Fürbitte des heiligen Sebastians auch bei den häufigen Viehseuchen erfleht, so daß er neben dem heiligen Wendelin zum Viehpatron wurde.
Der heutige Sebastiansaltar auf der Evangelienseite der Schloßkapelle wurde 1894 von Graf Philipp in München ersteigert. Auf diesem Altar ist Sebastian in Gemeinschaft mit dem heiligen Georg und Mauritius dargestellt, und so dokumentiert er mehr den Heeresheiligen; wie ja dieses Dreigestirn auch in der Laudes der Kaiserkrönung erwähnt wird.
Die beiden Kirchenpatrone, der vergessene Stephanus und besonders Sebastian, haben uns über die Geschichte des Gotteshauses in Weiler und über die Nöten unserer Heimat in den vergangenen Jahrhunderten manches zu sagen. Möge die Verehrung dieser Patrone in der Gemeinde immer lebendig bleiben.

Aus: Badische Zeitung. Breisgauer Nachrichten vom 17. Januar 1961
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Schon früher gab es eine Pfarrkirche
Die Gemeinde Stegen wird bald eine eigene Kuratiekirche besitzen

Die Schloßkapelle in Stegen um das Jahr 1525, nach dem Sebastiansbild skizziert. Der mächtige Dachreiter wurde 1841 von der Mitte des Langhauses zum Westgiebel verlegt. Der nördliche Eingang, das Frauentor, kam ebenfalls  auf die Westseite.

S t e g e n. Die Kirchengemeinde Stegen wird bald eine eigene schöne Kuratiekirche haben. Da mag es sehr verwunderlich und kaum glaubhaft erscheinen, daß es hier schon einmal eine Pfarrkirche gegeben hat. Der Beweis wird schwerlich durch eine geschichtliche Urkunde zu erbringen sein. Aber aus dem Umstand, daß bei der Verlegung von Rohren und den damit verbundenen Aufgrabungen in der Umgebung der Kapelle vor zwei Jahrzehnten menschliche Knochen gefunden wurden, darf man schließen, daß hier einmal ein Friedhof war. Kirchen mit eigenen Friedhöfen wurden im Mittelalter Pfarrkirchen genannt; dabei spielte die Größe des Gotteshauses und die Zahl der Gläubigen keine Rolle. Durch die mittelalterliche Grundherrschaft besaß der Eigentümer von Grund und Boden alle Rechte bezüglich seines Grundstücks. Baute er zum Beispiel auf seinem Grundstück eine Kirche oder Kapelle, so war dieses Gotteshaus sein Eigentum. Er konnte den Zehnten einfordern, über die Einkünfte verfügen, den Pfarrer ein- und absetzen und ähnliches. Diesen  „Eigenkirchen“ fanden im neunten und zehnten Jahrhundert besonders in den germanischen Staaten eine große Verbreitung und waren mit Privilegien und Verpflichtungen verbunden. Eines der ersten Pfarrechte war das Begräbnisrecht. Die Herren des Hofes und ihre Familienangehörige fanden wohl in der Kirche ihre letzte Ruhestätte. Um das Gotteshaus herum aber wurden die Leichen der Menschen beigesetzt, die beim Hof oder in der Nähe wohnten und zum Hof gehört hatten. Im Mittelalter hieß es „sie gehören tot und lebendig zur Kirche“. Damals gab es im Breisgau nur solche Eigenkirchen, und Pfarrkirchen im heutigen Sinne waren wohl kaum unbekannt. Wenn also ein Friedhof in der Umgebung der Kapelle festgestellt werden kann, hatte dieses Gotteshaus auch einmal einen Pfarrcharakter, und Stegen besaß damals bereits eine Pfarrkirche. Die geringe Zahl der Pfarrangehörigen und der dadurch bedingte geringe Ertrag des Zehnten, ferner die Wandlung der wirtschaftlichen Verhältnisse haben vielen dieser Eigenkirchen die Lebensfähigkeit genommen, und so verloren die meisten schon im Hochmittelalter die Rechte einer Pfarrei. Sie wurden aufgehoben, und die Pfarrangehörigen schlossen sich einer benachbarten, lebenskräftigeren Kirche an.
Badische Zeitung

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Darstellungen in der Schloßkapelle.
Stegen war einst unter der Herrschaft der Reyschach.
Stegen. Aus der Zeit, da man in Freiburg die Gründung der Universität vollzog, ist uns auf dem Sebastiansbild in der Schloßkapelle zu Stegen das älteste erhaltene Gemälde von
Schloß Weyler überliefert., Auf diesem Bilde ist neben der Pfarrkirche Kirchzarten auch Burg Wiesneck dargestellt. Diese Burg wurde in den Bauernkriegen um 1525 zerstört. Nach dem Tod des letzten Sprosses der Ritter von Snevelin von Landeck, die 500 Jahre in Kirchzartener Tal geherrscht hatten, wurde der Weyler von der Herrschaft zu Freiburg dem Ritter Fucharius von Reyschach zu Lehen übertragen. 1510 ließ dieser Ritter an Stelle des durch eine Unwetterkatastrophe völlig zerstörten Meyerhofes ein befestigtes Schloß errichten, das durch seinen Sohn Hans von Reyschach vollendet und im Sebastianbild überliefert wurde. Mit der Errichtung des Schloßes ging Hand in Hand die Erweiterung der Schloßkapelle. An das ursprüngliche kleine Gotteshaus (heute als Chorraum genutzt) wurde ein Langhaus von elf Meter Länge und sieben Meter Breite angebaut. Über die Größe eines normalen Dachreiters hinauswachsend, erhob sich über der Mitte des Langhausdaches, ein starker  Turm. Unter der Herrschaft des Grafen von Kageneck wurde in den Jahren 1841 bis 1843 die Kapelle gründlich renovierte. Der Dachreiter in noch größerer Ausführung erhielt seinen Platz am Westgiebel. Der mit einem Vorbau versehene seitliche Eingang, das sogenannte Frauentor, an dessen Platz heute ungefähr der Jakobsbrunnen steht; wurde ebenfalls an die Westseite verlegt.
Im Jahre 1579 ging Schloß Weyler in das Eigentum des Freiburger Dr. utriusque juris Justinian Moser über. Dieses Geschlecht der Moser stellte sich die Aufgabe, das im Dreißigjährigen Kriege bis auf die Grundmauern zerstörte Schloß wieder aufzubauen. Damit das noch stehende Gemäuer und der schöne gewölbte Keller nicht zugrunde gehe, begann die rührige Moserin, Frau Maria Clara Anna, 1648 mit dem Wiederaufbau. Der massive Grundbau mit seinen drei stellenweise vier Meter dicken Mauern muß wohl noch aus der Zeit der Reyschach erhalten geblieben sein. Was die Mutter begann, haben ihre Kinder Franz Christian; Johann Heinrich und Maria Esther vollendet, Es ist der Bau, der in seiner äußeren Gestalt noch heute vor uns steht. Übrigens zeigt das neue Sebastiansbild an der Kasettendecke der Kapelle, das wohl anläßlich der Primiz des Reichsgrafen Philipp von Kageneck 1894. gemalt wurde, den Heiligen als römischen Offizier, der seinen Kriegsmantel schützend über Schloß Weyler in seiner heutigen Form hält.
Für die Einheimischen und die Kurgäste dürfte es interessant sein, Wappen zu kennen, die sie im Dreisamtal immer wieder vorfinden.
Snevelin von Landeck: Goldgrün geteilter Schild. Helmzier: Zwei goldene Hörner mit roten Schnüren (heute noch  ein Teils des Gemeindesiegels von Stegen).
Ritter von Reyschach: Kopf und Hals eines schwarzen Ebers mit goldener Mähne in silbernen    Feld. Helmzier: Gleich.
Familie, Moser: Gespaltener Schild, rot und golden darin ein entwurzelter Baum, der im goldenen Felde dürre Äste, im roten aber eine grüne Laubkrone mit mehreren Rosen trägt.
Helmzier: Zwei einwärts gebogene Arme mit goldenem und blühendem, entwurzeltem Baum. Von Kageneck: Silberne Schrägbalken auf rotem Grund. Helmzier: Seit 1467 das „Heidenmännlein , vorher ein gekrönter Leu. Sinnspruch: „in valore virtus“ = der innere Wert ist die Kraft eines Menschen. Sonstige Wappen in der Schloßkapelle sind: Von Linden: Goldenes Kreuz auf rotem Grund; von Königseck-Aulendorf: Rotsilbernes Karree: von Zorn-Bulach: Gespaltener Schild mit goldenem Stern auf dunkelrotem Grund; von Rotberg: Waagrechter Pfeil auf rotem Grund. 

Aus: Badische Zeitung. Breisgauer Nachrichten vom 27. Juni 1958