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Die Schneeburgen im Breisgau und die Snewelin von Freiburg.
Von Fridrich Pfaff.
aus:
Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften
20. Band, Heft 1/2, 1904, Seiten 299-316


Unser Wort Schnee erscheint nicht häufig in Ortsnamen. Am häufigsten noch ist die Zusammensetzung Schneeberg; es gibt eine ganze Reihe von Bergen und von Ortschaften, die
diesen Namen tragen. Wie zu vermuten, verteilen sie sich besonders auf die oberdeutschen Gebirgsgegenden. Doch auch eine Bergkette im Kapland wird niederländisch Sneeuwberge
genannt. Bekannt ist die Schneekoppe im Riesengebirg und der Schneekopf  im Thüringerwald, ebenso die Schneealpe in Niederösterreich. Aus dem 9. bis 11. Jahrhundert ist belegt Sne-sla, Sne-sleifi, Sne-sliggi, Sne-vithi. Auch einfaches Schneen erscheint, Auf dem Schnee, Maria Schnee im badischen Weingarten und die Winterschnee- oder Schneekreuzkapelle bei Löffingen auf dem Schwarzwald.
Dass das Wort Schnee in Namen bewohnter Orte nicht oft erscheint, ist leicht erklärlich, denn schneereiche Orte laden nicht gerade zur Ansiedelung ein. Mehr schon erscheint es in Flurnamen, und von solchen unbewohnten Orten, wie schneeige Berge, mag der Name dann auch auf tiefer, also länger schneefrei gelegene Wohnorte übertragen worden sein.........

....Wenn ein Berg von über 1060 m Höhe, auf dem hohen Schwarzwald nordwärts gelegen, Schneeberg heißt, so mag das wenig verwunderlich erscheinen. So heißt denn der nördlichste Höhenpunkt- des Berggrats, der das Tal von Langenordnach und das Jostal scheidet, Schneeberg, und von ihm hat ein im Vordertal von Oberlangenordnach bei Waldau gelegener
Hof seinen Namen. Beide Täler münden bei der Hölzlebruck (d. h. hülzinen brücke. = hölzernen Brücke) nordwestlich von Neustadt im Schwarzwald ins Gutach-Wutachtal. Die höchste Erhebung dieser Bergkette bildet im Süden die Rau mit 1079 m, während gen Norden der Schneeberg abschließt, sich nordwestlich in den Höhenzug vom Hohlen Graben über den Schwabenstutz zur Widiwander Höhe verlaufend. Diese winterliche Höhe, die in ihrer Nordlage lange den Schnee hält, hat wohl den Bewohnern von Waldau, vom obern Jostal und obern Langenordnachtal genügend Ursache zur Benennung mit dem Namen Schneeberg gegeben. In der Geschichte erscheint meines Wissens dieser Berg nicht.

Auffälliger schon ist die Benennung bei der Wilden Schneeburg. Bei Oberried, südlich von Kirchzarten im Dreisamtal, münden, von Südosten und Nordosten kommend, die Brugga und der Osterbach ins Oberriedertal, beide erst weiter unterhalb Kirchzarten beim Falkhof in die Dreisam mündend. Beide Bäche sind Söhne des Feldbergs, ihre Läufe bilden das Tal von St.Wilhelm und das Zastlertal. Sie werden vom Ursprung an getrennt durch den mächtigen Höhenzug, der, im Toten Mann und Hochfahrn mit 1298 und 1261 m gipfelnd‚ vom Feldberg gen Nordwesten zieht. Der Hochfahrn schließt mit seinem breiten, schöngeformten Gipfel das weite Oberriedertal südlich ab. Auf einer westlich vorgeschobenen, mit dem Gebirgsstock durch eine schmale Kehle zusammenhängenden felsigen Vorhöhe unterhalb der mit einem alten Hofe besetzten Gefällmatte finden sich die geringen, nur aus Mauerbrocken und Steingeröll, untermischt mit Mörtelstücken bestehenden, doch unverkennbaren Reste der Wilden Schneeburg, immerhin über 860 m hoch. Warum gerade diesem kleinen Bergrücken, der doch neben seinem mächtigen, mit dem ganzen breiten Abhang nach Norden gelegenen Hauptberge, dem Hochfahrn, völlig verschwindet, gerade der bezeichnende Name Schneeberg zukommen sollte, ist nicht wohl einzusehen. Doch die Namengebung ist so manches Mal eigensinnig und für unsere Erkenntnis unlogisch: so wäre also auch die Möglichkeit vorhanden, dass diese schmale Vorhöhe allein nach ihrer Eigenschaft den Namen Schneeberg erhalten hätte. Allein wir stehen hier vor den Resten einer Burg, eines ehedem bewohnten Orts. Es ist nirgends überliefert, dass wie bei jenem im Tal von Langenordnach gelegenen Hofe diese Burg den Namen von einem höhern oder mehr zu solcher Benennung geeigneten Berge erhalten hätte. Die Burg erscheint zuerst 1302 als die "nüwe unde wilde Snevsburg“ in der Geschichte, 1311 wird sie genannt "die burg, der man sprichet die wilde Snewesberg“, später Sneberg. Sie gehörte damals den Kolman von Freiburg, die vielleicht desselben Stamms waren wie die ausgebreitete Sippe der Snewelin von Freiburg. 1314 ward sie wegen Räubereien von den Freiburgern zerstört . (H. Schreiber, Gesch. d. Stadt Freiburg, II, 51. 101.  Sehr phantasievoll ist die Schilderung J. Baders „die wilden Schneeberger“ im Schauinsland XI (1884), 21-24. Vgl. auch A. Poinsignon, Ödungen u. Wüstungen des Breisgaus, ZGO., N. F. II, 475, wo jedoch mit Unrecht gesagt ist, dass Überreste der Burg nicht vorhanden seien.) Mag es nun unrichtig sein, dass die Kolmannen wirklich nur einen Zweig des Snewelinschen Geschlechts bildeten: zweifellos ist, dass die Snewelin um die Mitte des 13. Jahrhunderts in Gemeinschaft mit den Herren von Munzingen Besitzer der Gegend um die Wilde Schneeburg waren. Wahrscheinlich kamen dann die Kolmannen nur durch Heirat in ihren Besitz, denn Konrad Kolmann nennt um 1312 Johanns Snewlin selig seinen Schwäher. Die Snewelin verkauften kurz darauf an die Wilhelmiten in Oberried Güter an den nahe gelegenen Orten Vörlinsbach, Geroldstal, Oberried usw., nachdem schon 1289 Johann und Konrad Snewelin ihnen Hofsgrund überlassen hatten. Die Snewelin behielten sich allein die Burg „wilde Snewesberg“ samt den zugehörigen Wäldern und Matten vor. Heinrich Schreiber hält die Wilde Schneeburg für den Stammsitz der Snewelin und meint, dass diese sich erst später aus der rauhen Gegend auf die mildere Schneeburg am Schönberg nach der Gründung Freiburgs gezogen hätten. Allein wie wir sahen, wird die Wilde Schneeburg bei ihrem ersten urkundlichen Erscheinen auch die „neue“ genannt: sie wird also der andern Schneeburg im Breisgau, der am Schönberg, den Altersvorrang lassen müssen.
Wenn der bewundernde Blick von den westlichen Vorhöhen des Rosskopfs, vom Fuchsköpfle, von der Ladstatt oder vom Hebsack oder bei bequemer Rast vom Jägerhäusle aus über das wundervolle Landschaftsbild des um sein hochragendes Münster gescharten Freiburgs gleitet, dann haftet er gewiss gern auf der schönen, gottlob noch reinen, durch keinen aufdringlichen Aussichtsturm gestörten Linie, mit welcher der Schönberg den Hintergrund der Stadt bildet. Der durch das Hexental von den Vorhöhen des Schauinslands getrennte, geologisch zum Jura gehörige Schönberg im Südwesten Freiburgs, der, weit in die Ebene vorgeschoben, von seinem als Weidland größtenteils kahlen Gipfel eine weite reizvolle Umschau gestattet, mag seinen Namen wie viele andere Schin- und Schimberge, wie der Schiener Berg oder wie die Schynige Platte von eben dieser Aussicht (mhd. schin) haben, ebenso wie der Schönberg bei Hohengeroldseck. Die älteste Namensform ist Schunberg. Sie könnte auch mit mhd. schuine = Scheune zusammenhängen. Unser „Schönberg“ ist volksetymologische oder wahrscheinlich amtsetymologische Umdeutung, ebenso wie „Schönmattenwaag“ im Odenwald für das so viel poetischere zem Schumechtinwaag = zum schaumichten Woog (= Weiher). Ein alter aus Steinen aufgeschütteter Ringwall umgibt die nordwärts geneigte Gipfelfläche.
Durch eine tiefe Einsattelung vom 646 m hohen Schönberggipfel getrennt, in der der alte untere Schönberghof liegt, erhebt sich weithin sichtbar auf einer 517 m hohen, gegen Nordwesten vorgelagerten Vorhöhe der hohe Mauerzahn der Schneeburg bei Ebringen. Ein tiefer Graben scheidet den sonst von allen Seiten steilen Berghügel von dem gen Norden sanfter abfallenden Berggipfel. Die Burg war ebenso wie die Wilde Schneeburg klein. Das Hauptwerk bildete der große Wohnturm, dessen nördliche Mauer hoch über die Bäume des Walds ragt, der jetzt den ganzen Berg bedeckt.
Urkundlich ist diese Burg zufällig erst weit später genannt als ihre "neue“ Namensschwester am Hochfahrn: Am 6. November 1349 schenkt Wernher von Hornberg die burg genant Schneberg gelegten in Brisgö und den darunter gelegenen Hof, die sein richtiges Eigentum Waren, dem Kloster Sankt Gallen. Das Stift belehnte ihn wieder mit Burg und Hof und dazu mit Dorf und Herrschaft Ebringen, die dem Stifte seit 720 bereits gehörten. Wie die Hornberg, die von der Burg ob Hornberg an der Gutach stammten, zu der Schneeburg gekommen, kann nur vermutet werden. Wie bei der Wilden Schneeburg erscheinen auch hier die Freiburger Snewelin früh mit den Geschicken der Burg verbunden. Bezeichnend ist eine Urkunde vom 7. Mai 1387: Cünrat Dietrich und Wernher „genant zem Wiger“ (d. h. Snewelin vom Weiherschloss bei Emmendingen) und ihre Mutter Beatrix (die wahrscheinlich eine geborne von Hornberg war) haben wegen der Streitigkeiten, die sie und die Brüder Hanman, Ulrich, Wernher und Brun, die Söhne Wernhers von Hornberg selig, wegen des Dorfs Ebringen und der Feste Schneburg sowie der Feste Hornberg gehabt, vor fünf ehrbaren Männern beschworen, dass die vier Gebrüder von Hornberg ihnen für ihre Rechte und Ansprüche 200 gute Goldgulden schulden und sie selbst sich all ihrer Rechte, die sie bis auf diesen Tag an Ebringen und der Schneburg gehabt, begeben und all dessen, was nicht von alters her zur Feste Hornberg gehört habe.
Ferner war die Enkeltochter des ältern Wernher, die Tochter des obgenannten Ulrich, Ursula mit Bertold Snewelin Bernlap vermählt, und dieser besaß die Burg um 1408.
Also hier wie bei der Wilden Schneeburg finden sich die Snewelin als rechtlich beteiligt schon in der ältesten Zeit. Es ist kaum zweifelhaft, dass sie auch beider Burgen älteste Herren waren, denn auch der Name beider Burgen deutet auf sie. Die spätere Erwähnung der Schneeburg am Schönberg in der Geschichte als die Wilde Schneeburg ist Zufall, denn gerade diese heißt schon 1302 die „neue“. Dass die Burg am Schönberg, im Angesicht der Stadt Freiburg, das älteste feste Haus der Freiburger Stadtjunker Snewelin war, wird als sicher angenommen werden können. Die Burg fiel wohl dem Sturm des Bauernkriegs 1525 zum Raube. Sie gehört heute der Gemeinde Ebringen und soll nun durch die Stadt Freiburg aus ihrer Vernachlässigung gerettet werden.
Aber noch eine dritte Schneeburg lag im Breisgau. Am Brettenbach, östlich nahe bei Emmendingen in der Ebene, erhoben sich aus einem Weiher die mächtigen Mauern einer Wasserburg, die kurzweg „der Weiher“ hieß. An ihr vorüber führt über Windenreute der Weg zur markgräflichen Feste Hochburg, alt Hachberg. Sie gehörte im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts den Johannitern zu Freiburg. Am 28. Mai 1314 erlaubte Markgraf Heinrich III. von Hachberg dem Konrad Dietrich Sneweli, im Breisgau, auf seinem Gute, wie er wolle, doch nur mit seiner Einwilligung, eine Burg zu bauen. Statt nun zu bauen, erwarb Konrad Dietrich am 2. Januar 1325 die Johanniterburg bei Emmendingen, „die vesti, die vnsers ordens was, die da lit in Brisgowe zwischent Hahberg vnd Enmettingen, der man sprichet der Wyer“, um 55 Mark lötigen Silbers. 1300 hatte ein Johann Sneweli im Hof, Bürgermeister von Freiburg, die nahe Burg Landeck gleichfalls von den Johannitern erkauft. 1317 erwarb dessen Sohn Johann von den Turnern von Freiburg, die ihren Namen von einer Wasserburg hatten, dem „Turn“ nahe dem jetzigen Bahnhof Wiehre zu Freiburg, von welchem noch die Turnseestraße zeugt, die Burg Wisneck. 1356 kaufte Johann gemeinschaftlich mit Hesse Snewelin im Hof und Dietrich von Falkenstein Burg und Dorf Riegel von Johann von Üsenberg. Dieses Johann und der Beatrix von Hornberg Söhne waren jene Konrad Dietrich und Wernher zum Weiher, die sich 1387 mit den Hornbergern wegen der Schneeburg vertrugen. So und noch weit umfassender waren die Snewelin im 14. Jahrhundert im Breisgau reichlich begütert.
Am  August 1324 bekundet Konrad Dietrich Sneweli und sein Tochtermann Otteman von Kaisersberg, sie seien mit Markgraf Heinrich III. von Hachberg und dessen Sohn Junker Heinrich (IV.) übereingekommen, dass sie der Herrschaft Hachberg mit der Feste Snevelt bei Emmetingen, „genannt ze dem Wyier“, auch für den Fall eines Kriegs zwischen Hachberg und Freiburg keinen Schaden tun und bei Verkauf den Markgrafen das Vorkaufsrecht lassen wollen. Am 30. August 1324 verpflichten sich ebenso die beiden Hachberger dem Konrad Dietrich Snewlin und seinem Tochtermann, von der Feste Hachberg aus nie an der Feste Snevelt Schaden zu tun.
Also mit deutlicher Beziehung auf seinen eignen Namen hat dieser Sneweli hier dem Weiherschloss den neuen Namen Snevelt gegeben, der weder vorher noch nachher mehr erscheint. Offenbar wollte auch Konrad Dietrich seine Schneeburg haben wie andere Glieder seiner zahlreichen Sippe bei Ebringen und Oberried. Doch der Volksmund, die alte Überlieferung, war stärker als er, denn der alte Name Weiher und Weiherschloss blieb bis heute bestehen, ja die "Snewelin zem Wiger“ wurden späterhin überhaupt nur noch kurzweg "zum Weiher“ genannt. Sie waren reich und konnten den Markgrafen manchesmal Geld vorschießen, wofür sie dann neue Güter und Rechte erwarben. 1550 starben sie aus, das Weiherschloss ging durch verschiedene Hände, ward sogar Wirtschaft und Bad und weiterhin Tabakfabrik. Jetzt gehört es zur Heil- und Pfleganstalt Emmendingen. H.Maurer, Das Weiherschloss bei Emmendingen. Beilage zum Programm der höhern Bürgerschule zu Emmendingen 1879, und derselbe, Schauinsland VI (1879), 77-85. Vgl. auch Maurer, Emmendingen (1890), S. 10, 14 usw.
In der Nussmann- (alt Nussbaum-) Straße zu Freiburg befindet sich als heutige No. 7 ein Haus, dessen einer Teil im 15. Jahrhundert „Zum Schneeberg“ hieß. Es ist wohl nicht von ungefähr, dass in No. 1 und 5 derselben Straße ebenfalls im 15. Jahrhundert die „Schnewlin“ hausten. Wahrscheinlich war No. 7 vorher auch in ihrem Besitz und sie nannten dies Haus nach ihrer Burg Schneeberg.
Bei den beiden Schneeburgen am Schönberg und Hochfahrn ist es in hohem Maße wahrscheinlich, dass sie ihren Namen von ihren Erbauern oder frühsten Besitzern , den Snewelin von Freiburg, mit deutlicher Beziehung auf deren Namen erhalten haben; bei Schneefeld, dem Weiherschloss, ist es sicher, und so stützt diese Tatsache jene Wahrscheinlichkeit, ja erhebt sie zur Gewissheit. Zudem haben wir ähnliche Fälle in größter Menge. So ist die Burg Sponeck (1305 Spanegge) am Kaiserstuhl nach ihren ersten Besitzern und auch wohl Erbauern, den Spenlin von Breisach, genannt; die München von Basel besaßen die Burgen Mönchsberg und Mönchenstein.
Unter den ältesten Freiburger Geschlechtern das ausgebreitetste, reichste, langlebigste ist das der Snewelin. Zum erstenmal treten sie auf mit Cunradus Snewili am 19. November 1219, der mit Hugo und Heinrich von Krozingen bei Freiburg und Konrad und Hugo von Dusslingen: bei Rottenburg zunächst nach Otto, dem Schultheißen von Freiburg, in einer vom Felde zwischen Gundelfingen und Denzlingen bei Freiburg datierten Urkunde des Rudolf von Üsenberg für das Kloster Tennenbach genannt wird. Zwar berichtet F. Kreutter in seiner Geschichte der K. K. Vorderösterreichischen Staaten (St. Blasi 1790) I, 528, eine von Kaiser Leopold l. dem Freiherrn Wolfgang Wilhelm (Sneweli) Bernlapp von Bollschweil 1674 erteilte Urkunde sage aus, dass der adeliche Stamm von Bollschweil schon 1070 (!) sich in vierzehn Äste geteilet habe, deren jeder sich über eine besondre Herrschaft und Burg erstreckte“. Es ist nicht nötig, dieser Urkunde nachzugehen, da entweder in der fabelhaften Zahl 1070 ein Druckfehler oder Lesefehler Kreutters zu sehen oder aber in der Urkunde selbst das Bestreben zu erkennen ist, Ruhm und Alter der Snewelin ins Ungemessene zu erhöhen. Leider ist diese Torheit öfter nachgeschrieben worden. So findet man sie auch in dem „Universal-Lexikon“ von Baden (Karlsruhe 1843), dessen Mitarbeiter J. Bader war, S. 158 unter Bollschweil und sie wird hier noch vergrößert durch die kühne Vermutung, dass der Ramming, der im Jahre 838 (nicht 837) dem Kloster St.Gallen Güter in Puabilinswilari (Bollschweil) schenkte (Urkb. v. St.Gallen von Wartmann l, S.345), „einer der Begründer des Geschlechtes von Bollschweil‘ gewesen sei. Im Jahre 1220 ist nach einer Urkunde der beiden Egino von Urach Konrad Sneweli bereits Schultheiß von Freiburg. Und von nun an wächst das Geschlecht der Snewelin in Freiburger Urkunden fast ins Ungemessene. Sie nannten sich nicht nur nach verschiedenen Besitzungen (im Hof, Wisneck, zum Weiler, Bollschweil, Landeck , zum Weiher, Weißweil, Kranznau, zur Tanne, Forchheim, Merdingen, Grüninger), sondern auch mit weiteren unterscheidenden Beinamen wie Küneg (König), Kotz, Ellend, Büfel und Bernlap 1. Noch ist die dankenswerte Aufgabe einer Genealogie dieses und anderer berühmter Freiburger Geschlechter nicht gelöst; hier kann nicht der Ort sein, sich näher darauf einzulassen. Erst in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts sind die Snewelin mit Franz Xaver Schneulin Freiherrn von und zu Bollschweil aus der Linie der Bernlap ausgestorben.
J. Bader nennt dies Geschlecht „jene berüchtigten Schnewelin, welche mit dem Schwager und Erben des letzten Herzogs von Zähringen aus dem fernen Schwabenlande nach der breisgauischen Hauptstadt gekommen und mit dem dortigen Schultheißenamte betraut worden“. Worauf er diese Behauptung über das Herkommen der Snewelin stützt, ist mir unbekannt; bei der mächtigen Einbildungskraft, die dieser sonst verdienstvolle Forscher in dem betreffenden Aufsatze wie an andern Orten bekundet, muss ich sie jedoch als leere Vermutung ansprechen. H. Schreiber lässt die Snewelin von der Wilden Schneeburg stammen und sie erst nach Gründung der Stadt Freiburg hierhin ziehen, was offenbar irrig ist. Fest stehn wird jedoch, Was H. Maurer in seiner wertvollen Untersuchung über den Ursprung des Adels in Freiburg ermittelt hat, dass nämlich die Snewelin wie die meisten andern Mitglieder der Freiburger Stadtjunkerschaft aus dem Kaufmannsstande stammen, aus den Kaufleuten, die 1120 Konrad von Zähringen in seiner neugegründeten Stadt Freiburg unter besondern Begünstigungen ansiedelte. Rasch erworbener Reichtum und bevorzugte Lebenstellung machte es diesen angesehenen Leuten möglich, durch Erwerbung der Ritterwürde sich zum landsässigen Adel zu gesellen und in der Geschichte des Breisgaus im Mittelalter eine hervorragende Rolle zu spielen.
Noch im 12. Jahrhundert ist es bei Nichtadligen gewöhnlicher, nur Taufnamen zu führen. So mögen denn auch die ältesten Ahnen der Snewelin in der Geschichte des Breisgaus, z. B. im Rotulus Sanpetrinus genannt sein, ohne dass wir sie zu erkennen vermögen. Dagegen ist es im 13. Jahrhundert schon eine Ausnahme, wenn jemand nur den Taufnamen führt. Und so erscheint denn unter der großen Fülle von Beinamen oder Zunamen, die teils aus alten Taufnamen, teils aus Ortsnamen, Standesbezeichnungen und Über- oder Spitznamen entstanden sind, auch im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts der Name der Snewelin. Die gewöhnliche Namensform ist Sneweli, später Snewli, daneben als flektierte Form und daraus in den Nominativ vorgedrungen Snewelin und lateinisch Snewelinus. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Name der Snewelin wie der ihrer Schneeburgen von unserem Worte Schnee abzuleiten ist. Er bedeutet also „kleiner Schnee“, "Schneelein“, in der heutigen Freiburger Mundart "Schneele“. Nur so lassen sich auch die Formen mit vokalisiertem w; das mit dem vorhergehenden e zu eu und später zu ei sich verbindet, erklären. Noch heute lebt in der Schweiz der Name  im Freiburger Tagblatt las ich am 6. Jänner 1893 die Todesanzeige des Johann Baptist Schneylin, das Freiburger Adressbuch bietet 1904 mehrere Schnaible und Schnaibel, in welchen Namensformen das w zu in einen vokalischen und einen konsonantischen Teil, der vor l zum Verschlusslaut b geworden, zerlegt erscheint. Auch die Schneble und Schnebel mögen aus Schnewlin erklärt werden können, wenn es auch vielleicht näher liegt, hier an Schnabel und Schnäbelein zu denken. Ganz irrig ist es jedoch, den alten Namen Sneweli aus Schnabel, mhd. snabel zu erklären, denn gerade das Alemannische hat am treusten den Verschlusslaut b zwischen Vokalen erhalten. Nur im Elsässischen und später im Schwäbischen erscheint schon in älterer Zeit zwischenvokalisches b zu w erweicht, während diese Erweichung im badischen Niederalemannisch heute erst im Eindringen begriffen und im Hochalemannischen überhaupt unbekannt ist. Nicht ein einziges Mal erscheint vollends in den Quellen der Name Sneweli mit b anstelle des w.
..... Zwei Handschriften in Wolfenbüttel und Cambridge überliefern ein wohl noch dem 10. Jahrhundert angehörendes lateinisches Gedicht, das - wahrscheinlich nach dem Stoffe, den sein metrisches Vorbild behandelte - Modus Liebinc, die Weise von Liebing, genannt wird. Es enthält die vielverbreitete Geschichte vom Schneekind, die als das Spielmannsgedicht vom schlauen Schwaben, der seine Frau betrügt, schon im 11. Jahrhundert durch den Züricher Dichter Sextus Amarcius bezeugt ist. Es gibt noch zwei weitere lateinische Bearbeitungen, mehrere französische und italienische, eine isländische, "Isungs kvaedi“, ferner zwei altdeutsche, deren ältere "des snewves sun“ sich besonders nah zum Modus Liebinc stellt, und eine mundartliche Prosaerzählung aus Miltenberg am Main "das Kind Eiszapf“, die Schmeller in seinen "Mundarten Bayerns“ aufgezeichnet hat. Der Inhalt des Modus Liebinc ist: Hört, alle Leute, eine lächerliche Geschichte, wie einen Schwaben sein Weib, er selbst sie betrogen hat. Ein Schwäblein, Bürger von Konstanz, ließ, als er sich auf eine Seereise begab, zu Hause eine ziemlich leichtfertige Gattin zurück. Kaum in die See gegangen, wird er vom Sturm verschlagen. Aber die Gattin blieb unterdessen zu Hause nicht allein, lässt sich mit jungen Schauspielern ein und bekommt einen unechten Sohn. Nach zwei Jahren kehrt der Verschlagene zurück. Die Untreue Gattin läuft ihm entgegen, einen Knaben mit sich führend. Nach dem Willkommskuss fragt der Gatte: Woher hast du diesen Knaben? Sag, oder es geht dir schlecht! Und sie antwortet aus Furcht betrüglich: Mein Gatte, eines Tags löschte ich in den Alpen meinen Durst mit Schnee, davon empfing ich und gebar leider diesen Knaben. - Fünf Jahre und mehr vergingen, da ging der Kaufmann wieder zur See und nahm den Schneesohn mit sich. Jenseits des Meers verkauft er diesen um 100 Pfund und fährt zurück. Zu Hause spricht er zur Gattin: Klage, meine Liebe, denn ich habe deinen Sohn verloren. Die Wut eines Sturms warf uns auf eine Sandbank, wo uns die Sonne schwer plagte; aber jenes Schneekind ist zerschmolzen. So hat der Schwabe seine treulose Gattin betrogen, so Trug den Trug überwunden, denn den der Schnee erzeugte, den hat mit Recht die Sonne geschmolzen.
Dieser Konstanzer Schwabenstreich war ohne Zweifel wie in fremden Ländern so auch am ganzen Oberrhein allbekannt. Sicherlich ist er oft genug als böser Scherz über die unechte Abstammung so manches Manns erzählt worden und kann sehr wohl Anlass zur Bildung eines Übernamens gegeben haben. Des Schnees Sohn ist der junge, der kleine Schnee, der Schneele nach Freiburger Sprachbrauch. Merkwürdig ist immerhin, wie die Snewelin 1219 plötzlich schon in hervorragender Stellung auftauchen. Es liegt nahe, an Martin Malterer zu erinnern, den die Zimmerische Chronik wie Moses im Wasser gefunden werden lässt, der alsbald zu hohen Ehren kam und mit fünfen aus dem Geschlechte der Snewelin 1386 bei Sempaeh an der Seite Herzog Leopolds fiel. Wie diesem mag auch den Snewelin, namentlich in ihrer bürgerlichen Vergangenheit, unechte Abstammung nachgesagt werden und dann von ihnen nach ihrem Aufsteigen in Trotz und Stolz der ursprüngliche Übername gern geführt worden sein, sogar bei ihnen selbst und bei den mit ihnen verschwägerten Kolmannen selbst in wenigen Fällen nach Art eines Taufnamens.....
Auch der Mannesname Seewart kann hieher gezählt werden, wenn er unbedenklich nicht als Snew-wart‚ sondern als Snew-hart mit nach w notwendig verklungenem h. erklärt wird. Das Namensuffix -hart hat bekanntlich vielfach eine üble, herabsetzende Bedeutung. Schneehard ist dann völlig dem mhd. banc - hart an die Seite zu stellen. Somit würde auch Socins Annahme, dass Sneweli ursprünglich Taufname, Kosename zu Snewart sei, durchaus nicht meiner Ansieht widersprechen, dass dieser seltene Name, der sicher von dem Worte Schnee stammt, und von welchem wieder die Namen der drei Schneeburgen im Breisgau abgeleitet sind, ursprünglich nichts anders war als ein Übername, beruhend auf der alten, weitverbreiteten Schwabengeschichte vom Schneekind.