Andreas Haasis-Bemer
Oberried — Wilde Schneeburg
aus: Archäologische Nachrichten aus Baden Heft 88/89 - 2014, Seiten 57-60
Südlich von Kirchzarten befindet sich das Tal der Brugga, in dem
Oberried liegt. Am Oberlauf der Brugga, gut 6 km südlich von
Kirchzarten‚ erhebt sich auf der östlichen Talseite eine markante
Felsengruppe. Sie bildet den nördlichsten Teil der Gemarkung St.
Wilhelm (Gemeinde Oberried). Auf diesem den Talgrund um 300 m
überragenden Berg befinden sich die Reste der Wilden Schneeburg (etwa
860 m ü. NN). Bei der Erstnennung im Jahre 1302 wird sie "nüwen und
wilden Snevspurg“ genannt. Dies bedeutet, dass die Gründung noch nicht
lange, sicherlich weniger als 10 Jahre zurückliegen wird. So ist eine
Entstehung in den 90er Jahren des l3. Jahrhunderts sehr wahrscheinlich.
Ihre Erbauer waren vermutlich Angehörige der Freiburger
Patrizierfamilie der Snewlin. Zwischen 1311 und 1314 gelangte sie durch
Kauf an die Brüder Kolman. Die neuen Besitzer gerieten sofort in einen
heftigen Konflikt mit der Stadt Freiburg, die hier eine Benachteiligung
ihrer Holzkohleversorgung sah. Die Folge war, dass die Burg zwischen
dem 24. September und dem 5. Oktober 1314 im Zuge einer Fehde zerstört
und aufgegeben wurde. Somit bestand sie ca. 20 Jahre lang. Eine solche
enge und klare Datierung ist fiir die Mittelalterarchäologie ein
Glücksfall. Denn dadurch kann nicht nur die Burg an sich, sondern auch
die auf der Burg vorhandenen Funde sehr genau datiert werden. Und auch
in dieser Hinsicht gibt es Grund zur Freude, liegt doch durch
Begehungen von den Ehrenamtlichen Mitarbeitern der Archäologischen
Denkmalpflege Heiko Wagner und Joachim Haller eine große Anzahl an
Gefäß- und Ofenkachelkeramik vor (ca. 370 bzw. 300 Fragmente).
Das Fundmaterial entspricht im Hinblick auf die Gefäßformen (bauchige
Töpfe, Öllämpchen), der Warenart (Drehscheibenware‚ feine Magerung‚
überwiegend reduzierend hart gebrannt), der Verzierung
(Rollrädchenverzierung auf der Schulter) und den Randformen (schmale
gekehlte Leistenränder und sehr wenige frühe Kamiesränder) genau dem
Fundspektrum, das man in dieser Zeit erwartet. Diese Aussage erstreckt
sich auch auf die Kacheln (reduzierend gebrannte Becherkacheln). Somit
liegt eine Bestätigung der bisherigen Datierung dieser Elemente vor.
Auch Dachziegel und Backsteine sind zu erwähnen.
Diese Feststellung fiir sich wäre noch kein Grund fiir einen Aufsatz.
Doch finden sich über diese Merkmale hinaus weitere Besonderheiten, die
eine zusätzliche Erwähnung verdienen. Denn unter dem Fundmaterial gibt
es eine deutliche Anzahl an oxidierend gebrannter und glasierter
Keramik, die unsere Kenntnisse der frühen Glasur präzisieren. Das
Material ist in dieser Hinsicht so bemerkenswert, dass es neben anderem
als Materialbasis für eine Keramikübung diente, die vom Verf. und B.
Jenisch im Sommer 2013 an der Universität Freiburg angeboten wurde.
Ofenkacheln
Ritterkachel (Abb. 1)
Dies ist sicherlich das bemerkenswerteste Stück der Burg. Die mit einer
Ritterfigur im Halbrelief figürlich verzierte Kachel ist mit einer
olivfarbenen Glasur versehen, durch welche die Quarzkörnchen der
Magerung hindurchscheinen. Gut erkennbar ist der in einem Stiefel
geschützte Fuß, der in einem Steigbügel steht. Darüber befindet sich der
Saum eines langen Gewandes mit einer Zierborte. Die Ferse ist
vollplastisch gearbeitet. Die Rückseite der Kachel ist leicht gewölbt,
ohne dass eine Rekonstruktion möglich wäre. Das Fragment ist nur 3,5 cm
hoch. Doch wenn ein Ritter dargestellt ist, dürfte die Kacheln
insgesamt ca. 20 x 20 cm groß gewesen sein.

|
Abb. 1 Fragment der Ritterkachel |
Napfkacheln
Elf Wandfragmente sowie eine große Randscherbe stammen von Kacheln mit
einer olivfarbenen, beidseitigen Glasur. Der Randdurchmesser beträgt 24
cm, die Höhe 8 cm. Die Wandung ist leicht konisch. Aus welchem Grund
die Glasur auf beiden Seiten aufgetragen wurde, ist nicht zu klären.
Denn nach dem Einmauem in den Ofen war ja nur noch die Innenseite zu
sehen. Wahrscheinlich wurden die Gefäße im lederharten Zustand in die
Glasur getaucht. Dies alles zeigt, dass man sich in einer
Experimentierphase befand. Von diesem Kacheltyp gibt es eine zweite
Randscherbe, die jedoch nur innen glasiert ist. Der Durchmesser kann
nicht zuverlässig bestimmt werden. Kacheln dieser Art wurden im Kanton
Schaffhausen in die Zeit ab 1350 datiert. Nun muss man ihre Entstehung
in der Zeit ab 1300 konstatieren.
Gefäßkeramik
Oxidierend gebrannte Ware
Zwei Randscherben stammen von Gefäßen mit vereinzelten Glasurresten im
Randbereich, drei Bodenscherben von Gefäßen, die auf der Außenwandung
und dem Boden eine olivfarbene Glasur tragen. Fünf Bodenscherben sind
von Gefäßen, die Glasurreste auf der Innenseite (Boden) haben. Auch das
Fragment einer Schale hat deutliche Glasurreste auf der Innenseite.
Eine Rekonstruktion der Gefäße ist aufgrund der Kleinteiligkeit nicht
möglich.
Grapenfuß
Ein kleiner Grapenfiiß belegt das Vorhandensein dieser Gefäßform, die im
späten l3. Jahrhundert nur vereinzelt im Umfeld von Freiburg
nachzuweisen ist, meistens jedoch in reduzierend gebrannter Ware.
Demnach sind in diesem Fall der oxidierende Brand und die neue
Gefäßform des Dreibeintopfes miteinander verbunden.
Zusammenfassung
Die sichere und recht enge historische Datierung der Burganlage
ermöglicht es, das Fundmaterial im Hinblick auf die bislang bekannten
Informationen zur Entstehung kritisch zu betrachten. Die Erkenntnisse
aus Schriftquellen und aus den archäologischen Funden lassen sich dabei
sehr gut zur Deckung bringen. Bei der Gefäßkeramik handelt es sich
überwiegend um reduzierend grau gebrannte Töpfe mit bescheidenen
Rollstempelverzierungen auf der Schulter. Die schmalen, gekehlten
Leistenränder, die in das ausgehende I3. Jahrhundert und in die Zeit um
1300 datiert werden, dominieren das Fundspektrum. Insofern wird dem
Archäologen seine warenund formenkundliche Einordnung bestätigt.
Darüber hinaus gibt es auch neue Informationen. Dazu gehört der
deutliche Anteil von Gefäßen aus oxidierend gebrannter und glasierter
Ware. Dabei handelt es sich um Töpfe und Kacheln. Die olivfarbene
Glasur, die ohne Engobe aufgebracht wurde, befindet sich bei den
Napfkacheln sowohl auf der Innenwie auch auf der Außenseite inklusive
des Bodens.
Bei den glasierten Töpfen ist die Glasur nur auf der Innenseite auf dem Boden und vereinzelt am Rand vertreten.
Ob der Grapen ebenfalls glasiert war, kann nicht gesagt werden. Auf
jeden Fall ist es einer der frühen Belege für diese im Spätmittelalter
dominierenden Kochgefaße.
Glasierte Gefaßkeramik lässt sich Vereinzelt seit der Römerzeit immer
wieder nachweisen. Im Hinblick auf die Verhältnisse am südlichen
Oberrhein hat St. Kaltwasser die frühen Belege fiir Glasur 199l im
Zusammenhang mit der Bearbeitung der Funde aus der Latrine des Augustinerklosters von Freiburg
angefijhrt. Die dort geborgenen Funde - Töpfe, Krüge, Kannen und
Aquamanile - konnten aufgrund der speziellen Bergungssituation nicht
stratigrafisch, sondern nur typologisch datiert werden (Abb. 2).

|
Abb. 2 Glasierte Kännchen mit fixiertem Deckel aus der Latrine des Augustinerklosters in Freiburg
|
Anhand
der Verknüpfung von typologischen Elementen der Zeit um 1300 und dem
Vorkommen der Glasur auf diesen Gefäßen konnte das Einsetzen dieser
neuen Technik erstmals genauer datiert werden. Weitere Beispiele aus
dem fortgeschrittenen 14. Jahrhundert belegen eine immer bessere
Beherrschung dieser Oberflächenbehandlung. Die vorgestellten, eng
datierten Beispiele von der Wilden Schneeburg bestätigen nicht nur
unsere Kenntnis vom zeitlichen Einsetzen dieser Behandlungsweise,
sondern zeigen auch, auf welchen Gefäßen sie angewandt wurde. Hätte man
die glasierten Funde als Lesefunde von einer bis in die frühe Neuzeit
hinein belegten Siedlung erhalten, wären sie auf der Grundlage des
bisherigen Kenntnisstandes bestenfalls in das fortgeschrittene 14.
Jahrhundert datiert worden. Die Erbauer der Wilden Schneeburg - Adelige
aus der 15 km entfernten Stadt Freiburg - zeigten mit der Verwendung
der neuesten Keramik, dass sie in der Lage waren, ihren Haushalt der
Mode der Zeit entsprechend auszustatten. Die Verwendung von Reitern
(Rittern) auf dem Kachelofen korrespondiert mit ihrem
Standesbewusstsein. Die Töpfer wird man im unmittelbaren Umfeld von
Freiburg suchen dürfen. Das Vorkommen von früher Glasur in einem
Kloster einerseits und einer Burg andererseits deutet an, dass
derartige Keramik zunächst von den reicheren Gesellschaftsschichten
erworben wurde.
Literatur
St. Kaltwasser, Auf den Spuren mittelalterlicher Keramikglasur —
glasierte Geschirrkeramik des Freiburger Augustinereremitenklosters.
Archäologische Nachrichten aus Baden 45, 1991, S. 33-43.
- A. Zettler / Th. Zotz (Hg.), Die Burgen im mittelalterlichen Breisgau
I, Nördlicher Teil, Halbband L-Z (Ostfildem 2009), 370-376.