aus: Ludwig Vögely
Sagen rund um Freiburg
Verlag Braun Karlsruhe, 1989
KIRCHZARTEN
BÄUERIN ALS SCHRÄTTELE
Im Kirchzarter Tal het e Knäächt als z'naacht so Drücke uf dr Bruscht
g'schpiirt. Am e Morge het er d'Biiri g'froogt, was dees isch, was em
immer uf d'Bruscht hocke tät, un ob sie nix wiß dergege. Sie het em
g'roote, er sott in dr nägschte Naacht e Dreikritzlimesser nämme un uf
d'Bruscht läge mit dr Kling gegen em uf d'Bruscht. Dr Knäächt het
denkt: "Nai, dees tu i nit. I halt's Messer so, daß d'Kling obe isch."
Am andere Morge, wuen er uf de Hof kummen isch, het's g'heiße, d'Biiri
isch hit Naacht erkrankt. Do het er sich denkt, d'Biiri isch als
Schrätteli oder Drottekopf, wie's in de Biicher sich schriibt, gange.
(159)
KIRCHZARTEN
RITTER KUNO VON FALKENSTEIN
Ritter Kuno hatte keine Nachkommen, und das betrübte ihn sehr. Er erbat
sich Gottes Hilfe und gelobte einen Zug ins Heilige Land. Bevor er
davonritt, sagte er seiner Gattin, falls er nach sieben Jahren noch
nicht auf die Burg zurückgekehrt sei, könne sie sich wieder
verheiraten. Als Erkennungszeichen gab er ihr die Hälfte seines Ringes.
Im Heiligen Land kämpfte Ritter Kuno tapfer, geriet aber in die
Gefangenschaft des Sultans. Schon nahte das Ende der Siebenjahresfrist,
als ihm endlich die Flucht gelang. Aber zu groß waren die Hindernisse,
um rechtzeitig nach Hause zu kommen. Da bot sich ihm der Teufel als
Hilfe an, wenn der Ritter ihm seine Seele verschreibe. Er versprach dem
Ritter, ihn im Fluge dafür auf seine Burg zu bringen, er sei aber
seiner Verpflichtung ledig, wenn er während des Fluges nicht
einschlafe. Ritter Kuno hatte keine andere Wahl. Er willigte ein und
unterzeichnete mit seinem Blut den Vertrag. Alsbald nahm der Teufel die
Gestalt eines geflügelten Löwen an und trug ihn durch die Lüfte der
Heimat zu. Als der Ritter einzuschlafen drohte, ließ sich ein Falke auf
seinem Kopfe nieder und hielt ihn mit dem Schlagen seiner Flügel wach.
Schließlich endete die Fiugreise vor der Burg in Kirchzarten. Als der
Teufel sah, daß der Ritter wachgeblieben war, setzte er ihn ergrimmt
und brüllend am Fuße der Burg ab.
In der Burg feierte man gerade die Hochzeit der Frau Kunos, der sich
als Pilger ausgab und die Braut um einen Trunk bitten ließ. Er erhielt
ihn, leerte den Becher und reichte ihn der Frau zurück, nachdem er
zuvor seine Ringhälfte hineingeworfen hatte. Die Frau fügte ihre Hälfte
hinzu, die genau paßte, und erkannte so den totgeglaubten Gatten
wieder. Sie warf sich ihm zu Füssen, und er nahm sie unter Tränen auf.
Fortan wurde ihnen ein reicher Kindersegen zuteil. Ein Bild des
rettenden Falken mit geschwungenen Flügeln nahm Kuno aus Dankbarkeit in
sein Rittersiegel auf. (160) Die Herren von Falkenstein übten ab
Ende des 13. Jh. das Amt der Vögte des Dreisamtales aus und bauten in
Kirchzarten eine Burg. In der Kirche St. Gallus ist eine Grabplatte zu
sehen, auf der eine große Ritterfigur dargestellt ist. Sie stellt den
am 13. Mai 1343 verstorbenen Ritter Kuno von Falkenstein dar.
KIRCHZARTEN
DIE WEISSE FRAU
Zur heiligen Fastenzeit geht des Nachts in Kirchzarten eine weiße Frau
umher und ist besonders Frauen in gesegneten Umständen, die noch nach
der Abendglocke ausgehen, aufsässig. (161)
KIRCHZARTEN
DAS IRRGESPENST
Zwischen Kirchzarten, Zarten und Wittental geht besonders in der
Weihnachtszeit ein Geist, das sogenannte Irrgespenst, das verspätete
Wirtshaussitzer in die Irre führt und erst seine Gewalt verliert, wenn
in Kirchzarten die Betglocken läuten. (162)
DIE WISSNECK
Bei Kirchzarten, einem der ältesten Orte des Schwarzwaldes, liegen auf
einem Vorsprung links der Landstraße ins Höllental die Trümmer des
einst berüchtigten Raubnestes, der Wißneck. Der letzte Wißnecker sah
einst den Markenbauern unweit des Schlosses mit einem prächtigen
Gespann sein Feld pflügen, und gleich war die Habgier des Ritters
geweckt. Er befahl dem Bauern, seine Pferde auszuspannen. Demütig bat
dieser ihn darauf, er möge ihn nur noch bis zum Ende des Ackers fahren
lassen. Die Bitte wurde ihm arglos gewährt, und der Ritter begleitete
das Gespann bis zur bezeichneten Stelle. Dort ergriff der Markenbauer
seinen Karst und erschlug den Wißnecker. So soll das Raubnest herrenlos
geworden sein. Heute noch sucht man nach verborgenen Waffen und
Schätzen.
Viel erzählt man sich in der Gegend vom Fräulein von Wißneck. Auf den
Ruinen anderer Schlösser ziehen weiße Frauen um Mitternacht einher und
verbreiten als Vorboten trauriger Ereignisse Furcht und Schrecken. Das
Fräulein von Wißneck dagegen läßt sich am hellen Tage sehen, verweilt
oft stundenlang wie ein heller Lichtstreifen mitten im Gebüsche oder in
dem dunklen Gemäuer, verschwindet plötzlich, erscheint wieder, doch tut
sie keinem Menschen etwas zuleide. Wer aber mit beschwertem Gewissen
oder mit böser Absicht in ihre Nähe kommt, der hat gewöhnlich seine
Unvorsichtigkeit sehr zu bereuen. Ehe er es sich versieht, schlingt
sich das Dornengebüsch so fest um ihn, daß er nicht mehr vorwärts kann.
Eine unerklärliche Angst überfällt ihn, und, zerrissen an seinen
Kleidern, blutend an Gesicht und Händen, eilt er zurück; oder es wird
vom Turme Mauerwerk auf ihn herabgeschüttet, und er steht in Gefahr,
lebendig begraben zu werden.
Früher zeigte sich das Fräulein öfter und half manchem NotIeidenden.
Aber seit einigen Jahren hat man sie nur noch hin und wieder und in
tiefer Betrübnis gesehen. Alte Leute meinen, sie zeige sich gar nicht
mehr wegen der Schatzgräber, welche sie so empfindlich hätte strafen
müssen.
Hinter der Burg befindet sich ein Brunnen, um welchen zur Mittagszeit
die Herden lagern und sich erquicken. Dort sitzen auch die Hirten und
schneiden Stäbe oder versuchen neue Stückehen auf ihren Pfeifen. Hie
und da mag wohl ein Talmädchen dadurch angelockt werden. Dem
Burgfräulein aber ist dieses Getöse zuwider, und sie läßt sich nach
dieser Seite hin nicht blicken. Dagegen schien ein anderer Hirtenknabe
ihr Liebling zu sein, welcher sich gewöhnlich von den anderen
absonderte und in der biblischen Geschichte oder in einem anderen Buche
blätterte und las. Anfänglich zeigte sie sich ihm aus der Ferne,
lächelte, als sie den Knaben ein großes Kreuz schlagen sah, wie es ihn
seine Mutter gelehrt hatte, und verschwand wieder. Nach und nach kam
sie etwas näher, und der Knabe legte allmählich seine Furcht ab.
Auffallend war, daß sie stets über eine gewisse Stelle nahe bei den
Mauern hinging, einige Augenblicke wie sinnend verweilte, und dann sich
wieder schnell entfernte.
Eines Tages dachte der Knabe, er wolle doch nachsehen, was es mit
diesem Stillstehen für eine Bewandtnis habe, merkte sich den Ort und
ging nach einiger Zeit hin. Da schien ihm aus dem Grase etwas wie eine
Silbermünze entgegenzuglänzen. Schnell bückte er sich nieder und hatte
einen halben Taler aus den Schwedenzeiten in der Hand. Hocherfreut und
zugleich neugierig wühlte er mit seinem Stabe die Erde ein wenig auf,
und es kam noch ein zweites und ein drittes Stück zum Vorschein. Schon
wollte er, der noch nie so viel Geld beisammen gehabt hatte, voll
Entzücken aufjauchzen, aber was sah er, als er seinen Kopf emporhob?
Das Burgfräulein, wie es lebte und schwebte, dicht vor sich. Freundlich
lächelnd sah es seiner Arbeit zu, legte aber, als er aufschaute, zwei
Finger auf den Mund und verschwand.
Der arme Kleine war wie versteinert, denn so nahe stand sie noch nie
vor ihm, und selbst der alte Segen, den er geschwind hermurmeln wollte:
"Alle guten Geister ... " blieb ihm im Munde stekken. Er wußte nun
nichts Angelegentlicheres, als schnell fortzugehen und wagte es noch
lange nicht, in die Tasche zu greifen, weil er gelöschte oder gar
glimmende Kohlen, wie es sonst geschieht, hervorzuziehen befürchtete.
Als er endlich mit aller Vorsicht die Untersuchung anstellte, so fand
er, daß die Stücke richtig Silber geblieben waren und verwahrte sie
sorgfältig, um sie am nächsten Markttage nach Freiburg zu bringen und
auszuwechseln.
Der Knabe kam ganz glücklich nach Hause und wußte kaum, wo er seinen
Schatz unterbringen sollte. Um so bereitwilliger trieb er jetzt seine
Herde auf die Wiese und verweilte tagelang bei dem alten Schlosse, aber
so oft er auch über seine Büchelchen nach den Mauern hin schielte, war
es doch lange vergebens. Man könnte freilich sagen, er hätte nur an der
ihm wohlbekannnten Stelle nachgraben sollen, aber damit hatte es ein
gutes Bewenden. Denn auch dieser Geisterspuk, so lieblich er war, hatte
doch das Eigene, daß die Erinnerung an Ort und Stelle sich
augenblicklich wieder verwischte, und der Knabe den halben Berg hätte
umwühlen können, bis er wieder zu dem Schatze gelangt wäre.
Endlich schien doch das Burgfräulein sich wieder seines Lieblings zu
erinnern. Sie erschien auf einmal wieder, nickte sehr freundlich und
winkte auf die bezeichnete Stelle. Dem Knaben schien es, als fielen ihm
die Schuppen von den Augen, er sah nun wieder, was er seither nicht
mehr gesehen hatte. Auch jetzt ging er nicht leer aus, vielmehr war der
ganze Boden mit Silberstücken übersäht. Er tat also einen tüchtigen
Griff und wollte noch einen zweiten tun, da fing plötzlich sein Hund an
zu bellen. "Gewiß", dachte er, "ist bei der Herde etwas vorgegangen,
ich darf mich nicht länger aufhalten!" Und mit diesem Gedanken und
nachdem er dem Fräulein eine tiefe Verbeugung gemacht hatte, eilte er
davon. Er sah nur noch, wie sie wieder die zwei Finger, fast ängstlich
bittend, zum Munde führte, und sagte vor sich hin: "Weiß schon, keiner
Seele ein Wörtchen!" Als er bei der Herde ankam, lag diese in größter
Ruhe beisammen, und es schien, als hätte der Hund nur aus Mutwillen
gebellt.
Jetzt zählte der Knabe sein Geld; es waren zwölf Stücke, für die er
wenigstens fünf oder sechs Taler erwarten durfte. Bald verschwand
deshalb sein Unmut und machte einer um so größeren Munterkeit Platz.
Früher als gewöhnlich und mehr singend und tanzend als im
Alltagsschritt, ging er nach Hause. Ein so verändertes Betragen mußte
den anderen Dienstboten auffallen und den Verdacht bestätigen, welchen
wenigstens einer von ihnen bereits geschöpft hatte. Dieser war der
boshafte und neidische Knecht des Hauses, welcher nun beschloß, sich an
den Knaben zu machen und diesem das Geheimnis zu entlocken. Er brachte
daher während des Essens die Rede auf das Burgfräulein und dessen
bekannte Freigebigkeit; zugleich fragte er ganz obenhin den Knaben, ob
ihm, der doch täglich um das Schloß herum hüte, noch nichts zuteil
geworden sei. Vergebens folgte eine ausweichende Antwort. Die Röte,
welche schnell das Gesicht des Knaben überzog, ließ kaum einen Zweifel
übrig.
Der folgende Tag war ein Sonntag. Auch dieser zufällige Umstand
begünstigte den Betrüger, welcher den arglosen Kleinen in ein Wirtshaus
lockte und ihm so lange mit Wein zusetzte, bis er alles ausplauderte.
Auch die mutmaßliche Stelle mußte er dem Knechte möglichst genau
angeben, und dann entließ ihn dieser mit einigen Schlägen und nahm ihm
überdies den größen Teil des gefundenen Geldes ab. Bitterlich weinend
kehrte der Knabe bei anbrechender Dunkelheit nach Hause zurück, und
sein Schmerz wurde noch vermehrt, als er zufällig auf die Schloßruine
hinüber sah und dort die Gestalt des Burgfräuleins erblickte, wie sie
mit gehobenem Finger gegen ihn herabdrohte. Er wehklagte die ganz Nacht
und fuhr am Morgen weit früher als sonst mit seiner Herde auf den
Burgplatz, um dort unter bitteren Tränen das Fräulein um Verzeihung zu
bitten, aber vergeblich. Gesehen hat er sie seither nicht wieder.
Der arge Knecht aber glaubte um so zuversichtlicher, daß jetzt für ihn
die Stunde des Glückes gekommen sei. Schon lange hatte er sich mit zwei
Schatzgräbern in eine Bekanntschaft eingelassen, welche durch die
Mitteilung, die er ihnen machte, den höchsten Grad der Vertraulichkeit
erhielt. Gemeinschaftlich wurde das alte Gemäuer untersucht, und es
ergab sich aus den Bewegungen der Wünschelrute, daß an dem Orte,
welchen der Knabe zufällig bezeichnet hatte, ganz gewiß ein großer
Schatz liegen müsse. Die nötigen Vorkehrungen wurden schleunig gemacht.
Das Gefäß mit Weihwasser und das Büchlein mit den Zauberformeln wurde
in eine abgelegene Nische niedergelegt. Der Ort für die
verhängsnisvollen drei magischen Kreise wurde abgesteckt, vierzehn Tage
streng gefastet und endlich in einer dunklen und schaurigen Herbstnacht
der bedauernswürdige Versuch unternommen.
Es war den ganzen Tag über umwölkt und stürmisch gewesen, das Unwetter
mehrte sich auf die Nacht und steigerte sich von Stunde zu Stunde. Den
drei Schatzgräbern war dies ganz willkommen, und je menschenleerer die
Gegend wurde, desto mehr freuten sie sich. Endlich, als sie sich völlig
sicher wußten, machten sie sich mit den Werkzeugen zum Graben auf den
Weg und eilten dem alten Gemäuer zu. Die Wünschelrute schlug neuerdings
aus, die Kreise wurden nach Vorschrift gezogen, und die furchtbaren
Beschwörungsformeln begannen. Der Mittelpunkt der Kreise befand sich an
dem durch Brand und Zeit gespaltenen Gemäuer, welches weit über ihre
Köpfe hinaufragte. Dreimal wurde das sogenannte Christophelesgebet oder
der Höllenzwang vorgelesen. Die Erwartung der Unglücklichen war aufs
höchste gespannt, da kam plötzlich ein weit stärkerer Windstoß als alle
bisherigen, das ganze Gebüsch schien lebendig zu werden, und die
Schatzgräber drehten voll Gier und Angst ihre Köpfe dahin, weil sie von
daher das Geisterfräulein und die abzuliefernde Geldkiste erwarteten.
Aber 0 Schreck, die Laterne hinter ihrem Rücken wurde umgeworfen und
ausgelöscht, ein furchtbares Brüllen donnerte in ihre Ohren, und als
sie sich entsetzt umdrehten, fühlten sie über ihrem Nacken die zottigen
Tatzen des Höllenhundes und sahen, wie er sie mit feuersprühenden
Radaugen anglotzte und den Rachen öffnete, sie zu verschlingen. In dem
Entsetzen waren sie ihrer selbst nicht mehr mächtig und stürzten mit
dem Geheule der Verzweiflung aus den Kreisen heraus, von welchen sie
Rettung erwarteten.
Am folgenden Tage fand man alle drei bewußtlos um die Trümmer herum
liegen und konnte leicht erraten, was hier geschehen war. Zwei kehrten
nicht mehr in das Leben zurück, der dritte kam wohl wieder zu sich,
aber ein dumpfer Wahnsinn hatte sich seiner bemächtigt. So oft sein
Blick auf die Schloßruine fiel, fing er am ganzen Leibe an zu zittern
und umfaßte unter Angstgeschrei ein steinernes Kreuzbild, als wenn
dieses allein ihm Schutz und Ruhe zu gewähren vermöchte. (163)
IBENTAL
DAS ÜBELTAL
In dem Tale, welches von Burg hinauf gegen St. Märgen zieht, war vor
Zeiten keine Kirche. Da hieraus für die Bewohner viele Beschwerden
entstanden, beschlossen sie, sich eine Kirche zu bauen, aber sie
konnten sich über deren Platz nicht einig werden. Die Leute des oberen
Tales wollten sie dort, die des unteren sie jedoch bei sich haben, und
jeder Teil fällte schon Bauholz und führte es an die von ihm gewünschte
Stelle. Bei einer gemeinschaftlichen Beratung schlugen einige vor, in
die Mitte des Tales zu bauen, aber sie wurden von den Reichen, welche
meistens an dessen Enden wohnten, überstimmt, und die Versammlung
trennte sich spät in der Nacht mit dem Entschlusse, gar keine Kirche zu
bauen.
Am nächsten Morgen lag das Bauholz nicht mehr an seinen Stellen,
sondern beisammen auf einem hohen Berge in der Mitte des Tales. Jeder
streitende Teil hielt das für einen Streich des anderen, ohne zu
bedenken, daß dieser unmöglich in einer halben Nacht das Holz
hinaufschaffen konnte, zu dessen Herabbringen beide Teile zusammen
einige Tage bedurften. Als sie hiermit fertig waren, kam in der
folgenden Nacht all das Holz wieder auf den nämlichen Berg.
Nach dem Rate der Klostergeistlichen von St. Peter, denen man die Sache
anzeigte, wurde nochmals das Holz ins Tal geschafft und dabei ein
Zimmergeselle als Nachtwache aufgestellt. Um ja nicht einzuschlafen,
fing dieser an zu rauchen, aber trotzdem fielen ihm die Augen zu, und
als er sie aufschlug, lag er, die brennende Pfeife im Munde, mit allem
Bauholz auf dem Berge. Da überdies auf dem Platze ein großer Lindenbaum
stand, der Tags zuvor noch nicht dagewesen, erkannte man endlich den
Willen Gottes und baute dort die Kirche Maria-Linden, jedoch ohne dabei
einen Geistlichen anzustellen. Deshalb mußte der Gottesdienst von St.
Peter aus versehen werden, was so manche Unbequemlichkeit bedeutete, so
daß die Kirche nach einigen Jahren fast gar nicht mehr besucht wurde.
Zur Strafe dafür brachen drei Jahre nacheinander im Tale Seuchen aus,
die zuerst alles Hornvieh, dann die Pferde und zuletzt die Schweine und
Schafe wegrafften.
Größer noch wurden die Drangsale, als man die Kirche abgebrochen und
deren Gerät mit dem Gnadenbild der Muttergottes verkauft hatte.
Verheerende Brände nahmen überhand, eine Menge taubstummer und
krüppelhafter Kinder kam zur Welt, und ansteckende Krankheiten wüteten
so heftig, daß viele Häuser gänzlich ausstarben. Wegen dieser Trübsale
bekam die Gegend den Namen Übeltal, und die meisten Bewohner zogen von
da weg nach dem Dorfe Espach. Weil dieses das Gnadenbild und das Gerät
von Maria-Linden für seine neue Kirche gekauft hatte, wurde es auch mit
Strafen heimgesucht. Sieben taubstumme Kinder wurden dort in einem Jahr
geboren, und viele solcher Geburten kamen so lange vor, bis die
Espacher auf den Rat ihres Geistlichen Maria-Linden wieder aufbauten
und alles, was sie daraus gekauft, dahin zurückgaben. Da hörten die
Leiden Espachs und des Übel tales mit einem Male auf, und der Name des
letzteren wurde nachher in Ibental umgeändert. (164)
BUCHENBACH
BESTRAFTE SONNTAGSENTHEILIGUNG
Vor vielen Jahren hatte eine Frau in Buchenbach am Sonntag Besenreis
gesammelt und dabei über die Sonntagsentheiligung gespottet. Als sie
sich nun zu Hause niedergesetzt hatte, war es ihr nicht mehr möglich,
wieder aufzustehen. Wie festgebannt blieb sie Jahre hindurch sitzen.
Sie wurde von vielen Leuten besucht, welche sich mit eigenen Augen von
diesem über sie verhängten Zwange überzeugen wollten. (165)
BUCHENBACH
GESPENSTISCHES KALB WIRD ZU EINEM MANN OHNE KOPF
Im Jahre 1809 gingen morgens zwischen zwei und drei Uhr zwei Frauen mit
einem neunjährigen Mädchen von der Totenwache aus dem Himmelreich heim
gegen Buchenbach. Beim Heraustreten aus dem Hause fiel ihnen ein
starker übler Geruch auf. Als sie über die Matten mußten, längs derer
ein Gebüsch stand, hörten sie darin ein Geräusch, das sie begleitete
und von einem Tier herrührte, das immer größer wurde. Als sie über
einen Graben mußten, über welchen ein ganz schmales Brett führte, legte
sich das Tier darauf, wie ein Kalb, indem es die Füsse gegen sie
streckte. Da sagte die eine der Frauen: "Jesus von Nazareth, König der
Juden!" Sogleich sprang das Tier auf, lief neben ihnen her und wurde
immer größer und größer und blieb schließlich bei drei Pappeln stehen,
wo es plötzlich zu einem Mann ohne Kopf wurde, der immer höher und
höher wuchs und schließlich so hoch war wie ein Baum. Da entflohen die
Frauen erschreckt, ohne sich umzuschauen. (166) ..,
LINDENBERG
DIE MUTTERGOTTES
Ein Hirtenknabe auf dem Lindenberg fluchte heftig auf sein Vieh. Da
hörte er einige Male im Gesträuch etwas seufzen oder singen. Anfangs
achtete er nicht darauf, endlich ging er der Stimme nach, und er fand
im Gesträuch ein Marienbild, das sich mit ihm in eine Unterhaltung
einließ und ihm befahl, seinen Herrn herbeizuführen. Als dieser kam,
verlangte das Bild, daß ihm auf der Stelle eine Kirche erbaut werde.
Diesem Verlangen wurde willfahren, und von derselben Zeit an wirkte das
Marienbild Wunder und wird das auch in Zukunft tun. (167)
OBERRIED
DAS KLOSTER
Als einst Bauern von Oberried nach dem Walde gingen, um ihr nötiges
Holz zu fällen, erblickten sie auf einem der Waldhügel hellglänzende
Lichter und hörten ein liebliches Geläute. Dies ereignete sich öfter,
so daß die wunderbare Erscheinung Aufsehen erregte und zu Ohren der
Herren von Thengen gelangten, welche die dortige Gegend von der Abtei
St. Gallen zu Leben trugen. Herr Rudolph von Thengen, damals Domprobst
zu Straßburg, deutete die Erscheinung in seinem frommgläubigen Sinn als
die Altarlichter und den Chorgesang einer Klosterkirche und erblickte
darin die göttliche Aufforderung zur Errichtung eines Gotteshauses an
dem wunderbaren Orte.
Wenige Jahre zuvor war das Nonnenkloster zu Günterstal gegründet
worden. Rudolph, dem die neue Gründung sehr am Herzen lag, meinte, daß
die Dienerinnen des Herrn zu Günterstal besser täten, die Nähe der
geräuschvollen Stadt Freiburg zu verlassen und sich in der stillen
Abgeschiedenheit des Waldtales von Oberried anzusiedeln. Er beriet sich
also mit seinen Brüdern und fand sie bereit, den Frauen von Günterstal
das Oberrieder Lehen zu vermachen, wenn sie darauf eingingen, sich dort
niederzulassen. Die Nonnen nahmen in ihrem klösterlichen Gehorsam das
Anerbieten an, worauf sich der Domprobst nunmehr mit so dringlichen
Bitten an den Abt zu St. Gallen wandte, daß dieser ihm willfahrte und
als Lehensherr den Nonnen gegen einen jährlichen Zins von zwei
dreipfündigen Wachskerzen das Oberrieder Lehen verschreiben ließ.
Sofort machten sich Äbtissin und Konvent emsig daran, zu Oberried in
der Gegend, wo die wunderbaren Lichter geleuchtet, ein Zellenhaus zu
errichten. Der Bau war in Bälde hergestellt, und so verließen denn die
guten Frauen während des Jahres 1238 ihre bisherige Heimat zu
Günterstal, um ihre neue in dem einsamen Bruckental am Eingang des
düsteren Zastlers zwischen Felsen und Waldeshöhen zu beziehen.
Diese neue Heimat aber war nicht nur eine abgelegene, stille Gegend,
sondern auch eine schauerliche, kaum zugängliche, am Fuße des
Feldberges, in rauher Luft und auf steinigem Erdreich gelegene Wildnis,
die von hohen, dicht bewaldeten Bergen und schroffen Felsen umschlossen
ist. Der Domprobst hatte in seinem frommen Eifer, die gottgeweihten
Jungfrauen in dieser Abgelegenheit fern von den Verlockungen der Welt
zu wissen, nicht an die Schwierigkeiten eines solchen Aufenthaltes
gedacht.
Es gedieh beinahe nichts in der harten Einöde, und höchst beschwerlich
war es, während der langen Winterszeit von außen her die nötigsten
Nahrungsmittel dahin zu führen. Die Nonnen ertrugen solchen
Aufenthaltsort nicht lange ohne die mißlichsten Folgen. Als daher der
Ordensgeneral ihren Notstand erfuhr, befahl er der Äbtissin und dem
Konvent, sich unverweilt aufzumachen und nach Günterstal
zurückzukehren. So bezogen denn die armen Gottesdienerinnen nach sechs
Jahren voller Beschwerden und Entbehrungen ihre alte Heimat wieder.
Hier folgte dem. harten Anfang bald ein freudiges Gedeihen. (168) Das Zisterzienserinnenkloster in
Günterstal entstand im Jahre 1222. 1238 zogen die Nonnen auf
Veranlassung des Domprobstes von Straßburg, Rudolph von Thengen, nach
Oberried. 1244 kehrten sie wieder auf Weisung ihres Ordensgenerals nach
Günterstal zurück.
OBERRIED
DAS KREUZ IN DER EHEMALIGEN KLOSTERKIRCHE
Es waren einst, vor etwa 300 Jahren, drüben am Rheinufer ein Knecht und
eine Magd, die auf einem Wagen Futter holen wollten, als sie plötzlich
auf dem Rhein herab einen eigentümlichen Gegenstand schwimmen sahen,
der allmählich ans Ufer trieb. Sie gewahrten alsbald ein Kruzifix von
sonderbarem Aussehen. Der lebensgroße Körper des Heilands sah aus wie
eine Leiche, die im Wasser gelegen war. Sie zogen das Kreuz aus dem
Rhein, banden es ihrer Kuh auf den Rücken und gingen damit ins nächste
Dorf, um den Geistlichen um Rat zu fragen, was zu tun sei. Dort
angekommen, brachten sie die Kuh gar nicht zum Stillstehen, so daß der
Pfarrer sagte, man solle das Tier mit dem Kreuz laufen lassen, wohin es
wolle. So ließen sie die Kuh also weiterziehen und gingen mit ihr
ostwärts durch Freiburg ins Dreisamtal nach Oberried, wo sie vor dem
Kloster Halt machte. Man erkannte also die Fügung Gottes und brachte
das Kreuz in die Kirche, wo es dann aufgestellt und hoch verehrt wurde.
Das Kreuz ist ehemals in Günterstal gewesen und dann auf der Dreisam
gegen Kirchzarten aufwärts geschwommen. Dort haben es die Bauern nicht
auffangen können. Das gelang erst in Oberried, wo es von den
Wilhelmiten in Empfang genommen wurde. Es sei übrigens vorher auf dem
Kreuzaltar der Wilhelmiten zu Freiburg gestanden und wohl von diesem
1682 nach Oberried mitgenommen worden.
Merkwürdig ist ein Vorfall, der sich einst mit dem Kreuz zugetragen
hat: Durch Beobachtung fand man heraus, daß der Bart aus Naturhaaren
gewachsen sei, so daß allgemein darüber geredet wurde. Ein Student
wollte nun die Probe machen, begab sich deshalb mit einem Messer auf
eine Leiter und fing an, auf der rechten Kinnseite zu rasieren. Aber
der Ungläubige fiel sofort herab und blieb tot am Boden liegen. Niemand
hat seither gewagt, auch nur im geringsten das Kruzifix mit den Händen
zu berühren. (169) Das Hauptmerkmal der Oberrieder
Kreuzsage ist das Heranschwimmen des Kreuzes und das selbständige
Hinbewegen zu seinem Bestimmungsort. Das Kreuz ist ein hervorragendes
Kunstwerk des 15.Jh. Die Haare des Kopfes und der Bart sind nicht
geschnitzt, sondern sind Menschenhaare. An der rechten Seite des Kinns
sind tatsächlich an einer Stelle die Barthaare abgeschnitten.
OBERRIED
DIE GOLDGRUBE ST. MARTIN
In dem Goldberg bei Oberried war vor Zeiten eine reiche Goldgrube, St.
Martin genannt. Darin lag hinter einer silbernen Tür ein Standbild
dieses Heiligen verborgen, welches von lauterem Gold und dreihundert
Mark schwer war. Noch im Jahre 1521wurde der Abbau betrieben, aber bald
nachher wegen des hereinbrechenden Krieges eingestellt. Die Bergleute
schlossen die Grube mit einer eisen beschlagenen Tür und schütteten
diese mit Erde und Steinen zu. Dadurch gelang es ihnen, das Bergwerk
den Augen der Feinde zu entziehen, die sich mit der Plünderung und
Verbrennung der Poch- und Schmelzgebäude begnügen mußten. Kaum war es
wieder ruhiger geworden, so kam die Pest und raffte die Bergleute weg
oder vertrieb sie in entfernte Gegenden. Dadurch blieb die Grube
uneröffnet, und mit der Zeit ist sie immer mehr in Vergessenheit
geraten. (170)
DIE KINDER IM STOLLENBACH
Auf der Mitternachtseite des Feldberges liegt der Stollenbach, die
Viehhütte der Gemeinde Zastler. Dort geschah es vor Jahren, daß ein
Knabe und ein Mägdlein, als sie den ganzen Sommer hindurch - von
morgens früh bis abends spät beisammen allein gelassen - die Herde
weideten, sich nach und nach eine eigene Sprache bildeten. Als man nach
Heiligkreuz wieder heimfuhr ins Tal, zeigte sich's, daß diese Kinder
die gewöhnliche Sprache gar nicht mehr verstanden. Sie bedienten sich
nun einer ganz eigenen, selbsterfundenen . Sie schnalzten nämlich auf
eine besondere, so verschiedenartige Weise mit der Zunge, daß sie
einander gut verstanden, sie wollten anfangs auch gar nicht anders
miteinander sprechen. Man mußte sie mit Gewalt dazu nötigen, die
gewöhnliche Wortsprache wieder neu zu lernen und anzunehmen. (171)
ST. WILHELM
ERDMÄNNLEIN VERTRIEBEN
Das letzte Erdmännle und Erdweible, die in einer Höhle bei St. Wilhelm
wohnten, kamen besonders gerne zu einem Bauern im Wiesen tal und halfen
ihm bei seiner Arbeit. Als sie einst ausblieben, ging der Bauer zu
ihrer Höhle und machte ein Feuer davor. Da kam das Erdmännle und
entschuldigte sich, seine Frau sei krank, deshalb könne es nicht
kommen, und bat, daß er das Feuer löschen möge. Der Bauer aber hatte im
Zorn das Feuer so groß gemacht, daß er es nicht löschen konnte und es
brennen lassen mußte. In der selben Nacht starb diesem Bauer aIl sein
Vieh und das letzte Erdmännle mit seinem Weible ließen sich nie wieder
sehen. (172)
WITTENTAL
SPUK UND SCHATZ BEIM BANKEN BRUNNEN
Ein armes Mädchen aus Wittental, welches in der Umgegend Brot
zusammengebettelt hatte, ging damit nachts seiner Heimat zu. Bei dem
Bankenbrunnen, der unweit des Dorfes auf dem Felde hervorquillt, sah es
ein Männlein mit einem Halbmaltersack zwischen den beiden Stämmen eines
Zwieselbaumes stehen. Das winkte ihr mehrmals, zu ihm zu kommen, indem
es den Sack aufhob. Aber sie hatte den Mut nicht dazu und lief zuletzt
vor Angst davon. Da fuhr das Männlein ganz feurig den Baum hinauf, und
der Sack, der voll mit Geld war, versank klingend in den Boden.
Mehrere Leute aus dem Steurental sahen spät in der Nacht bei dem
Brunnen eine unzählbare Menge Lichter. "Was ist denn das?" rief einer
der Männer, der betrunken war, und im Augenblick fuhren die Lichter
alle zusammen und bildeten eine riesenhafte Flamme. Zugleich entstand
ein Gebrause, und es klang wie versinkendes Geld, und die Leute eilten
erschrocken davon.
In der Nähe des Brunnens befindet sich ein Grasplatz, um den vier
uralte Eichen stehen. Dort scharrte eines Tages ein Schaf von der Herde
des Bankenhofes etwas Blinkendes aus der Erde. Einer der Hirtenbuben
ging hin und sah, daß es mehrere alte Silbermünzen, so groß wie
Kronentaler , waren. Sogleich rief er seinem Genossen, der eben die
Herde zusammentrieb, zu ihm zu kommen. Der hielt es für einen Scherz
und kam nicht, worauf der Bube allein im Boden suchte und so viele
solcher Münzen fand, daß er seinen ganzen Hut damit füllen konnte. Voll
Freude lief er zu den Leuten, die auf dem Felde des Bankenhofes
arbeiteten, und zeigte ihnen das Geld, wovon jeder sich etwas nahm. Als
er dann wieder auf den Grasplatz eilte und weiter suchte, fand er nur
noch einige kleine Münzen, welche voll Grünspan waren. Um den
wegzuschaffen, ging er zu dem Brunnen und fing an, die Münzen zu
waschen. Da sah er auf einmal einen langen Mann neben sich stehen, der
wie ein Jäger gekleidet war, Schuhe mit Schnallen und auf der Brust ein
glänzendes Schild aus Kupfer trug. Der sagte zu ihm mit drohender
Gebärde: "Hättest du dich heute morgen nicht gesegnet, so solltest du
jetzt sehen, was ich mit dir anfinge!" Durch diese Rede heftig
erschrocken, rannte der Junge davon, und als er wieder zu den Arbeitern
kam, erzählte er ihnen das Geschehene. Seine Schwester ging nun so weit
mit ihm zurück, daß sie den Brunnen sehen konnten, aber sie gewahrte
den Jäger nicht, welchen ihr Bruder noch dort stehen sah. Kurz darauf
fiel dieser in eine mehrwöchige Krankheit und jammerte häufig, daß der
Jäger bei ihm stehe. Nachdem er wieder genesen war, mußten die Leute
auf Befehl des Pfarrers ihm alles zurückgeben, was sie ihm von seinem
Funde genommen hatten. Dadurch erhielt er so viel Vermögen, daß er
seinen Dienst aufgeben konnte. Auf dem Grasplatz wurde seitdem öfters
nach Geld gegraben, aber stets nur wertloser Erzstaub gefunden. (52)
WITTENTAL
DER ADELHAUSER GEIST
Auf dem Baldenweger Hof bei Wittental geht zu manchen Zeiten der Geist
eines früheren Besitzers aus der "Sickingsehen" Zeit um. Als die
Großmutter des jetzigen Besitzers, Herrn Stößer, eines Tages allein im
Zimmer in ihrem Lehnstuhl saß, kam plötzlich ein Herr im schwarzen
Anzug mit Handschuhen und Zylinderhut ins Zimmer herein und blieb nach
einer höflichen Verbeugung vor ihr stehen. Sie fragte ihn: "Mein Herr,
was wünschen Sie?" Es erfolgte keine Antwort. Sie fragte zum zweiten
Mal: "Mein Herr, was wünschen Sie?" Wieder keine Antwort. Ganz bestürzt
rief sie zum dritten Mal: "Um Gottes Willen, was wünschen Sie, mein
Herr?" Darauf antwortete er mit hohler Stimme: "Ich wollte nachsehen,
wie es in diesem Hause geht; ich bin der Graf von Sickingen; früher war
ich euer Herr." Die Frau fragte, ob sie mit ihm gehen solle. Der Mann
aber drehte sich um und sagte: "Nein, jetzt nicht, erst wenn ich
wiederkomme" und verschwand vor ihren Augen. Die Frau zog daraufhin vom
Hofe weg.
Der Geist zeigte sich übrigens nicht nur im Hause, sondern auf dem
ganzen Gute, z. B. auf dem ehemals Sickingenschen Schloß Ebnet, ferner
auf allen zum Gute gehörigen Äckern. Der Flurname dieser Felder heißt
"im Adelhauser" , wonach der Geist benannt ist. Er erscheint in den
verschiedensten Gestalten: als totes Pferd, das quer über den Weg liegt
und plötzlich verschwindet; als großer Hund, welcher die Leute drohend
umspringt; als Mann ohne Kopf, als Fackellicht, als feurige Reiswelle,
die durch die Luft schießt, und als älterer Herr. (53)
WITTENTAL
DER SCHLANGEN KÖNIG MIT DEM GOLDENEN RING
In Wittental glauben manche Leute, daß die Schlangen den Kühen die
Milch aussaugen. Der Schlangen könig habe einen kostbaren goldenen
Ring, den er vorher auf die Seite lege. Könne ihn ein Mensch nehmen, so
gehöre er ihm. Bemerke es aber die Schlange, so müsse der betreffende
Mensch sterben. (54)