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Ein Mann, zwei
Turbinen, 6000 Volt
Was übrig bleibt, geht an die Freiburger
Energie- und Wasserversorgungs-AG
Oberried
BZ 22.11.1985 Von Andreas Richter
Oberried (ar). Zu den wenigen, die sich viel Regen wünschen,
gehört Josef Gäss aus Oberried. Noch nie habe er so einen
schlechten, da trockenen Monat gehabt wie den Oktober 1985;
zudem seien der August und September auch schon mies gewesen,
klagt er. Daß ihm die Trockenheit so argen Verdruß bereitet,
erklärt sich schnell: Josef Gäss betreibt an der Hintertalstraße
in Oberried ein kleines Wasserkraftwerk, das, so die logische
Erklärung, ohne Wasser keinen Strom ins Netz der Freiburger
Energie- und Wasserversorgungs-AG (FEW) einspeisen kann.
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Mehr als 70 Jahre alt sind Kanalbrücke
und Wasserturm des privaten Wasserkraftwerkes, das
an der Straße zwischen Oberried und dem Schauinsland
Strom ins Netz der FEW einspeist. |
Das Kraftwerk Eduard Kraus, ein
privatwirtschaftliches ‘Unternehmen, liefert seit langen Jahren
Strom für die Freiburger Energie- und Wasser- versorgungs-AG
(FEW). Das war allerdings nicht immer so. Schon im 19.
Jahrhundert wurde an derselben Stelle mit Wasserkraft geschafft.
In einer Holzstoff-Fabrik wurde das Rohmaterial für die
Papierherstellung produziert. 1896 war damit Schluß, die
Maschinen gingen nach Sulzburg und die Anlage wurde von .den
Betreibern des Schauinsland-Bergwerks aufgekauft. Die begannen
dann auf einer Turbine mit der Stromerzeugung und versorgten so
mit einer Stromleitung über den „Rappenecker Hof“ das gesamte
Bergwerk mit Energie.
Josef Gäss kann sich noch an diese alte Turbine, die 1941 durch
leistungsstärkere ersetzt wurde, erinnern. .Die hab’ ich
noch gekannt als Kind“, erinnert sich der 58jährige, dessen
Vater und Großvater auch schon hier arbeiteten. Der Großvater
habe 1910/12 am Bau des 30 Meter hohen Turmes mitgeholfen, durch
den das Wasser fällt‘ und wodurch drei Atü Druck für die
Turbinen entstehen. Ausgebaut wurde das Kraftwerk in seiner
langen Ge- schichte ständig. 1912 entstand eine Unterstufe mit
zwei kleineren Turbinen, und Ende der dreißiger Jahre wurde die
ganze Anlage auf den Kopf gestellt. „Man wollt’ mehr Leistung
rausholen“, kommentiert Gäss die Umbauarbeiten. Von der unteren
Stufe kam eine der kleinen Turbinen ins obere Werk und an beiden
Stellen wurde jeweils noch eine große Turbine installiert.
Maximal 800 Kilowatt können so pro Stunde erzeugt werden -
sofern der Talbach, die Brugga, kräftig fließt.
Denn das Wasser, das den Turbinen zugeführt wird, stammt aus dem
Bach. Über eine Leitung wird das natürliche Gefälle abgefangen,
so daß jeweils nach ein paar hundert Metern ein ordentliches
Gefälle für den richtigen Wasserdruck sorgt. Das Kraftwerk Kraus
liefert eine Spannung von 6000 Volt, und so muß alles noch, FEW
gerecht, auf 20.000 Volt hochtransformiert werden, ehe es ins
überörtliche Netz eingespeist werden kann.
Josef Gäss ist im Einmannkraftwerk das Mädchen für alles. Er
bedient und überwacht die gesamte Anlage, die seit 1969 in
Familienbesitz ist. Auch die Wartung und anfallenden Reparaturen
gehören zu seinem Metier. „Man muß praktisch alles machen“,
kommentiert der gelernte Betriebselektriker, und dazu gehört
auch der regelmäßige Rundgang zu den eingebauten Rechen, die das
Turbinenwasser von Laub, Holz und Fischen befreien. Seit 1973
gehört zum Privatbetrieb auch noch das Wasserkraftwerk im
Zastlertal, das ehedem die Gemeinde mit Strom belieferte. Dort
stehen ebenfalls zwei Turbinen, die allerdings nur maximal 42
Kilowatt erzeugen.
Das Kraus’sche Strom-Unternehmen ist nicht das einzige im
Versorgungsgebiet der FEW. In Freiburg und im Gebiet des
Dreisamtals helfen insgesamt elf Kraftwerke mit, den Strom-
bedarf zu sichern. Wasserkraftwerke in Freiburg-Kappel,
Hofsgrund, Oberried, St.Peter, Sägendobel und im St.Wilhelmer
Tal speisen ebenso ins FEW-Netz wie das Wärmekraftwerk der
Freiburger Universitätsklinik. In der Regel sind die Anlagen so
geschaltet, daß zunächst der eigene Bedarf an Strom gedeckt
wird; das was übrig bleibt, geht an die FEW, die dafür auch
zahlt.
Gemäß der vertraglichen Regelung, erläutert Georg Lederer, der
Abteilungsleiter des Referats für Stromanwendung, erhalten die
Stromproduzenten eine "Vergütung für gelieferte elektrische
Arbeit". Ein sogenannter Leistunspreis, so Lederer, sei jedoch
nicht drin, da die Wasserkarftwerke keine Garantie über eine
bestimmte Leistung erbringen könnten. Insgesamt sind die elf
Kleinkraftwerke mit weniger als einem Prozent am Aufkommen der
FEW beteiligt.
Für die FEW läßt sich die Beteiligung:der „Kleinen“ schnell
erläutern. Fast alle hätten sie früher, erklärt der
Referatsleiter, die Gemeinden mit Strom versorgt. Aber durch die
Ausdehnung des öffentlichen Netzes und unter Berücksichtigung
des stark anwachsenden Bedarfs wären sie einfach nicht mehr
genügend leistungsstark gewesen. Josef Gäss weiß hierzu zu
berichten, daß durch die Ölkrise der große Boom auf
Kleinkraftwerke ausgelöst worden wäre.
Der Oberrieder, der das noch junge Familienunternehmen nun schon
in der dritten Generation (und. inzwischen verantwortlich)
betreut, hat seine Devise: „Das Wichtigste ist, daß man das
Maximale an Strom rausbringt.“ Doch obgleich der Großvater noch
mit 78 Jahren im Kraftwerk gewerkelt hat, ist nun die Gäss’sche
Familientradition erst einmal in Frage gestellt. Der Sohn wird
nicht in den Betrieb einsteigen - „höchstens der Enkel“,
spekuliert Gäss.