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Das Oberrieder Kreuz
Wo sich
Brugga- und Zastlertal vereinigen, liegt das Dorf Oberried.
Seine Pfarrkirche gehörte einst zu dem Kloster der Wilhelmiten.
über dem Portal steht die Jahreszahl 1687. Es zeigt das Jahr
der Instandsetzung an; denn über 200 Jahre stand das Kloster
verwaist, und die Mauern waren eingefallen. Im Chor der Kirche
steht ein Hochaltar mit Figuren aus der Künstlerhand des
Breisgauer Meisters Johann Christian Wenzinger. An der Nordwand
der Kirche hängt ein altes Kruzifix. Sein Alter wird auf rund
500 Jahre geschätzt. Der überlebensgroße Leib des Gekreuzigten
scheint nicht aus Holz geschnitzt zu sein. Er gleicht in seiner
blaßgrünen Färbung und den blauen, hervortretenden Adern einem
wirklichen Leichnam. Die Haupt- und Barthaare sind aus echtem
Menschenhaar. Von diesen erzählen sich die Menschen des Tales,
daß sie aus dieser Holzgestalt gewachsen seien. Auch das
Lendentuch ist aus altem, verblichenem weißgrauem Leinen. Eine
seidene Schürze überdeckt es.
Weil dieser Kruzifixus durch seine naturgetreue Ausführung ein
solch erschreckendes Bild seines Leidens abgibt, hat sich um ihn
eine Legende gewoben, die die Herkunft dieses Kreuzes aufzeigen
soll. Vor etwa 500 Jahren holten drüben am Rheinufer ein Knecht
und eine Magd auf einem Wagen Futter. Plötzlich sahen sie auf
dem Rhein einen eigentümlichen Gegenstand herabschwimmen, der
allmählich ans Ufer trieb. Sie gewahrten alsbald ein Kreuz von
sonderbarem Aussehen. Der lebensgroße Körper des Heilandes sah
wie eine Leiche aus, die im Wasser gelegen hatte. Die beiden
zogen das Kreuz aus dem Rhein und banden es ihrer Kuh auf den
Rücken. Damit gingen sie in das nächste Dorf, um den
Dorfpfarrer zu fragen, was zu tun sei. Doch dort brachten sie
die Kuh gar nicht zum Stillstehen. Der Pfarrer gab ihnen den
Rat, sie sollten das Tier laufen lassen, wohin es wolle. Die Kuh
zog mit ihrer sonderbaren Last durch Freiburg ins Dreisamtal
nach Oberried. Vor dem Kloster machte sie halt.
Darin sahen die Menschen eine Fügung Gottes und brachten das
Kreuz in die Kirche. Von arm und reich, von hoch und niedrig
wird dieses Kreuz seitdem verehrt.
Aus: Heimat am Oberrhein. Eine Sammlung heimat-
und zeitgeschichtlichers Lesestücke von Hans Mecking und Josepf
Weber. Mit vielen Zeichnungen von Alois Pesot. Verlag Herder
Freiburg 1961