Die Wallfahrt von ihrem Ursprung um 1500 bis zu ihrer Unterdrückung im Jahre 1787
Die zahlreichen Wallfahrtsorte zu Ehren der Mutter Gottes mit ihren
Kirchen, Kapellen und Bildern sind das Ziel unzähliger Pilger und
Pilgerfahrten, ja, man kann sagen, ganzer Völkerwanderungen geworden.
Sie sind eine urgewaltige Erfüllung des prophetischen Wortes der
allerseligsten Jungfrau in ihrem Magnifikat: "Siehe, von nun an werden
mich selig preisen alle Geschlechter.« (Luc. 1, 48.) Sie sind aber auch
ein Beweis für die vielen Gebetserhörungen, welche das gläubige,
wallfahrende christliche Volk erfahren hat und immer aufs neue erfährt
ob seiner Verehrung der Hochgebenedeiten an den Orten, wo sie ihren
Gnadenthron aufgeschlagen hat. Viele sind entstanden und entstehen
immer noch durch sichtbare und wahrnehmbare Erscheinungen der
allerseligsten Jungfrau. Denken wir nur an Lourdes und Fatima. Die
Tatsachen sind einfach nicht aus der Welt zu schaffen, und die Kirche
hat ihr Wort der Beglaubigung gesprochen. Andere Wallfahrtsorte gehen
zurück auf Gelöbnisse, die von einzelnen oder ganzen Städten in
schweren Bedrängnissen gemacht und dann eingelöst wurden. Andere
verdanken ihren Ursprung einfachsten Kreisen: Landleuten, Hirten,
Frauen, Kindern und fingen an mit unscheinbarem dürftigem Aufwand: ein
Bild an einem Baume, ein Bildstock, eine primitive Holzkapelle auf
Bergeshöhe, in Waldeinsamkeit, am murmelnden Quell. Von Mund zu Mund
sprach sich das Hoffen und Vertrauen der schlichten Volksseele aus,
erst leise und schüchtern, dann anschwellend zu mächtigen Akkorden. Zu
dem Gedanken, den Herrn oder seine Mutter zu ehren, trat das Motiv der
Buße und Sühne. Die Opfergaben und Votivgeschenke ermöglichten den Bau
von Kirchen und erhabenen Kultstätten.
Die Wallfahrt auf dem Lindenberg 1 weist das ehrwürdige Alter von 450
Jahren auf, darunter viele schwere Kriegsjahre, die bekanntlich doppelt
zählen. Die erste Nachricht über die Wallfahrt auf dem Lindenberg
stammt von Pater Gallus M e t z l e r in St. Peter. In seinem
Abtskatalog bemerkt er, daß unter Abt Petrus III. (Gremmelspacher),
14961512, die Lindenbergkapelle ihren Anfang genommen hat".
Der gediegene Geschichtsschreiber der Abtei St. Peter, Gregorius
Baumeister, schreibt in seinen Annalen zum Jahre 1503: Um diese Zeit
nahm die Kirche auf dem Lindenberg, nicht weit von unserm Kloster
gelegen, nicht ohne bedeutende Wunder ihren Anfang, und sie entwickelte
sich im Laufe der Zeit, da unsere Patres dort das heilige Opfer
darbrachten, zu einer berühmten Wallfahrt." An einer späteren Stelle,
zum Jahre 1600 ' schreibt er: Diese heilige Wallfahrt nahm um das Jahr
1500 ihren Anfang."
Aber die Ereignisse, welche der Wallfahrt den Ursprung gaben, und
welche der Pater bedeutende Wunder" nennt, berichtet die einzig
erhaltene Urkunde: Pantaleon Mayer, ein begüteter Bauer im
Unteribental, hatte vielfaches Unglück mit seinem Vieh. Er wandte alle
erdenklichen Mittel an, um den großen Schaden von seinem Hofe
abzuwenden. Doch umsonst. Endlich flehte er um Hilfe zum Himmel.
Gedemütigt durch so auffallendes Unglück, erkannte er in demselben eine
gerechte Züchtigung für seine Sünden und dachte darüber nach, durch
welches gute Werk er die göttliche Gerechtigkeit versöhnen könnte.
Unter solchen Gedanken schlief er einmal ein. Da kam es ihm vor, als
höre er eine Stimme, die ihn auffordere, zum Lob und Preis der
allerseligsten Jungfrau auf seinem Gute eine Bildsäule zu errichten.
Beim Erwachen faßte Pantaleon Mayer sofort den Entschluß, falls sein
Vieh von der Seuche befreit werde, ein Denkmal zur Erinnerung an diese
durch Mariens Fürbitte erwirkte Wohltat errichten zu lassen. Wirklich
erlosch bald die Seuche im Stalle, ohne irgendeine Spur zurückzulassen.
Sofort ging der Bauer an die Erfüllung seines Gelübdes und schloß mit
einem Zimmermann einen Akkord über den zu errichtenden Bildstock. Der
Handwerksmann aber verschob unter allerhand Vorwänden die Ausführung
der Arbeit. Als eines Tages sein Haus ein Raub der Flammen wurde, sah
er in dem Unglück eine Strafe des Himmels für seine Zögerung, der Ehre
der Gottesmutter zu dienen; er nahm sofort mit allem Eifer die Arbeit,
zu der er sich schon längst verpflichtet hatte, in Angriff, vollendete
sie aufs sorgfältigste und setzte die Bildsäule an den Platz, der ihm
hierfür bezeichnet wurde. Von der Stunde an verspürte der Hofbauer
Pantaleon Mayer in allen seinen Geschäften gar deutlich Gottes Segen.
Bald sollte er einen neuen Beweis der Huld von seiten der
Himmelskönigin erfahren. Am Fuße des Lindenbergs sprudelt eine
erfrischende Quelle. Ein Hirtenbube hütete eines Tages in deren Nähe
das Vieh. Auf dem Boden sitzend, machte er sich eben daran, einige
Haselnüsse zu verzehren. Zu seiner Enttäuschung waren die meisten
entweder taub oder von Würmern zerfressen. Ärgerlich darüber, brach er
in Fluchen und Schwören aus und wollte die leeren Schalen zornig
wegwerfen. Beim Ausholen mit dem Arme hatte er das Gefühl, als berühre
er mit der Hand einen Menschen; erschrocken wandte er sich um und
erblickte eine Frau von wunderbarer Schönheit, die ihn liebevoll
anredete: Gegrüßet seist du, Jüngling!' Die Majestät der Frau, die so
unverhofft erschien, sowie das böse Gewissen versetzten den Hirten in
solchen Schrecken, daß er kein Wort hervorzubringen vermochte. Die
erhabene Frau, ohne Zweifel die jungfräuliche Gottesmutter Maria,
verwies ihm darauf in eindringlichem Ernste sein sündhaftes Fluchen
über leblose Geschöpfe und sagte Wie du nichts auf diese Nüsse hältst,
so bist du selbst auch nichts wert.' Nach und nach erholte sich der
Erschrockene und erwiderte schüchtern und ehrfurchtsvoll den Gruß der
himmlischen Erscheinung: Seid auch Ihr gegrüßt!' Die heilige Jungfrau
antwortete ihm: Du hast recht getan, daß du mich gegrüßt hast; gehe hin
und sage deinem Meister, es sei mein Wille, daß er mir eine Kapelle
erbaue.' Der Angeredete wollte sich der Erfüllung dieses Auftrages
entziehen und entschuldigte sich mit den Worten: Wie wird mein Meister
ohne ein gewisses Zeichen an einen solchen Befehl glauben?' Die
himmlische Jungfrau schnitt sofort diesen Vorwand ab mit der Erklärung:
Du hättest um deines Fluchens willen sterben sollen, ehe drei Tage um
sind, jedoch will dich Gott noch verschonen; aber die drei reichsten
Einwohner dieses Tales werden vor Ablauf eines Jahres sterben.' Darauf
verschwand die himmlische Erscheinung. Ihre Ankündigung aber erfüllte
sich buchstäblich.
Pantaleon Mayer zweifelte nicht länger an der Wahrheit der
übernatürlichen Erscheinung und am Willen der allerseligsten Jungfrau,
eine Kapelle erbaut zu sehen. Er wollte sie am Platze der Erscheinung
selbst, bei der Quelle, auf dem Gute des Gallibauern im Ibental
errichten, die Leute noch der Muttergottesbrunnen heißt. Allein, durch
höhere Gewalt wurde jedesmal das Beginnen vereitelt. Man erbaute sie
deshalb oben auf dem Berge, wahrscheinlich da, wo bisher der Bildstock
stand. Aus Balken und Brettern zusammengezimmert, bot sie zwar einen
erbärmlichen Anblick. Allein, der Herr würdigte sich, die neue
Gnadenstätte durch viele und außerordentliche Gebetserhörungen zu
verherrlichen. Von Jahr zu Jahr wuchs deshalb die Zahl der Pilger, und
es durfte in der dürftigen Kapelle Gottesdienst gehalten werden.
Doch Maria verlangte von Pantaleon Mayer ein würdigeres Heiligtum. Zur
Mitteilung dieses ihres Willens bediente sie sich des Hans Z ä h r i n
g e r, eines alten Bauersmannes, ebenfalls aus Unteribental. Er wurde
von der Frau seines Sohnes und deren Kindern übel behandelt. Der Kummer
darüber drückte ihn fast zu Boden. Darum pilgerte er auf den
Lindenberg, in der Hoffnung, von der Trösterin der Betrübten Hilfe zu
erlangen. Nachdem er seine Andacht im Kirchlein verrichtet und sein
trauervolles Herz vor der Himmelsmutter ausgeschüttet hatte, setzte er
sich draußen im Freien auf die unweit gelegenen Zimmerspäne, um vor dem
Heimgange etwas auszuruhen. Bald schlief er vor Müdigkeit ein. Da
erschien eine wunderschöne Frau, ohne Zweifel die Mutter der
Barmherzigkeit, weckte den Schlummernden durch sanfte Berührung,
versicherte ihn ihres mütterlichen Mitleids und tröstete ihn durch die
erwünschte Botschaft, sein Gebet sei von Gott erhört worden. Und durch
die Versicherung, er werde nie von Gott und Maria verlassen werden, was
immer auch für Widerwärtigkeiten über ihn kommen möchten, wofern er
ihnen zu Ehren, solange er noch leben werde, täglich zehn Vaterunser
und Gegrüßet seist Du, Maria, beten werde. Alsdann nahm die gedachte
,überirdische Matron' zwei Späne von dem umherliegenden Holze, um sie
mit einem Gertlein zu einem Kreuze zusammenzubinden. Da der Alte
solches sah, reichte er aus Besorgnis, das Gertlein möchte brechen und
in Ermangelung von etwas Besserem ein Stück einfaches Band, was die
himmlische Erscheinung auch wirklich annahm und das Kreuz damit
zusammenknüpfte. Sie gab dann das Kreuz dem Greise und sprach: ,Nimm
dieses Kreuz und überbringe es dem Pantaleon Mayer und sage ihm auch:
Er solle zur Ehre der Mutter Gottes die Kapelle erweitern und in
vollkommenen Stand setzen.' Darauf verschwand sie und ward fernerhin
nicht mehr gesehen. Hans Zähringer säumte nicht, seinen Auftrag
auszurichten, und brachte dem Pantaleon Mayer das von der Mutter Gottes
gefertigte Kreuz. Dieser freute sich über die Gabe und die Botschaft,
er erfüllte mit Freuden den Wunsch der allerseligsten Jungfrau, die
Kapelle zu erweitern und in einen vollkommenen Stand zu setzen."
Das geschah wahrscheinlich noch vor dem Jahre 1525, und vermutlich
wurde schon damals zum Bauplatz die günstigere Stelle gewählt, wo heute
die Kapelle steht. Am alten Platze wurde nur aus Pietät das
Bildstöckchen unterhalten, das sich heute noch an der Gartenecke
befindet. Das Kreuz, welches Zähringer mit seinem Auftrag dem Pantaleon
Mayer überbrachte, wird heute noch in Ehren gehalten. Eine silberne
Kapsel von ovaler Form mit einem Kristalldeckel, an einer silbernen,
von kunstreicher Hand verfertigten Kette hängend, birgt das Kleinod.
Zwei Jahrzehnte nach Beginn des Wallfahrens auf dem Lindenberg begann
die Glaubensspaltung, das größte Unglück für das deutsche Volk in
seiner zweitausendjährigen Geschichte. Viele legten sich die neue
Predigt von der Freiheit eines Christenmenschen" nach ihrem eigenen
Geschmacke aus. Das führte 1525 zu den Unruhen der Bauern. Manche ihrer
Forderungen waren berechtigt und wären erfüllt worden. Aber wie es bei
den meisten Revolutionen zu gehen pflegt, die Schreier und Radikalsten
gewannen die Oberhand. Bald griff ein unsinniges Sengen, Brennen und
Plündern weit und breit um sich, Auch um den Lindenberg pfiff ein
kalter Wind. Die Urkundenschrift berichtet: "Die Pilger wurden
geschmäht und verspottet. Den Wallfahrtsgottesdienst nannte man
Abgötterei und Götzendienst; man fiel in das Bildhäuschen oder Kapelle
ein; das Bildnis Mariä und das Kruzifix wurden abgerissen, in den
Straßenschmutz gedrückt und getreten." Die folgenden Jahrzehnte
deutscher Geschichte sind ausgefüllt mit den unseligen Glaubenskämpfen.
Viele Pilger mögen auf den Lindenberg gestiegen sein und sich da
Glaubensmut erbetet und Glaubenskraft und Glaubenstrost geholt haben.
Ein Beweis für das allmähliche Emporblühen der Wallfahrt ist die
Nachricht, daß im Jahre 1584 ein Hochaltar aufgestellt wurde. Dessen
Aufbau bildete ein sogenannter Flügelaltar. In der Nische desselben
stand eine hölzerne Statue der Himmelskönigin mit dem Kinde auf dem
Arme. Auf der Innenseite der beiden Flügel war die Verkündigung Mariä
dargestellt, einerseits die kniende Jungfrau, andererseits der
Erzengel. Auf der Außenseite der Flügel waren die Bilder der Heiligen
Sebastian und Stephanus, der Patrone der Kapelle in Weiler, das ist
heute Stegen, zu dessen Herrschaft der Lindenberg damals gehörte. Auf
der Rückwand des Altares war das Bild eines Weltpriesters in kniender
Stellung gemalt, bekleidet mit Birett, Chorrock und Stola, ein
aufgeschlagenes Buch in den Händen. Darüber war zu lesen: Herr Hans
Weber, Kaplan, allhie in unserer Frauen Kapellen auf dem Lindenberg und
Willer.
Im Jahre 1601 wurde die Wallfahrtskirche durch den Weihbischof von Konstanz feierlich konsekriert.
Von der Herrschaft in Stegen wurde 1606 ein neuer Hochaltar gestiftet,
der eine lateinische Inschrift trug, die in deutscher Übersetzung
lautet: 0 Himmelspforte, sei gegrüßt! Dein' Macht der Hölle Pforte
schließt. Von Eva's Weh hast uns befreit; Darum sei ewig benedeit!
Eine weitere lateinische Inschrift bezeichnet die Stiftung des Altares
zu Ehren unseres Heilandes Jesu Christi und zu Ehren seiner glorreichen
und jungfräulichen Mutter Maria.
Das Wappen der Stifter Johannes von Schellenberg mit seiner Gemahlin
Anna von Reischach war unterhalb des Altares angebracht. Diesen Altar
kaufte 1716 Abt Maurus Höß für die Prioratskirche in Sölden, wo er als
Marienaltar diente.
Außer vom Hochaltar lesen wir jetzt auch zum ersten Male etwas von
Seitenaltären. Auf der Epistelseite stand seit 1601 ein Altar mit der
Inschrift: Unseres Heiles Anbeginn laßt uns fromm betrachten und voller
jubel sprechen: Ehre sei Dir, o Herr!« Auf der Evangelienseite stand
ein Altar mit folgender Inschrift: Jesu Christo, dem Eingeborenen Sohn
des allmächtigen Gottes, Mariä, der ewigen Jungfrau und himmlischen
Königin, seiner würdigsten Mutter, zu Lob und Ehre haben weiland der
edlen ehren und tugendsamen Frauen Anna von Sickingen, Wittiben, und
Jungfrauen Helene, beide Schwestern, geborene Schnewlin von Landeck
seligen Erben, gegenwärtigen Altar verfertigen und dieser Kirche
verehrt und aufrichten lassen anno 1612.«
Am 8. September 1656 konsekrierte der Titularbischof von Heliopolis und
Weihbischof von Konstanz, Georg Sigismund Molitor, einen neuen Altar
auf der Evangelienseite der Kapelle zu Ehren von Mariä Verkündigung.
Dazu schloß er Reliquien ein vom heiligen Severin und von der heiligen
Claudia und erteilte den anwesenden Gläubigen ein Jahr und den
andächtigen Besuchern des Altars am jahrestage der Weihe vierzig Tage
Ablaß.
Damit stehen wir schon am Ende des Dreißigjährigen Krieges, müssen aber
nochmals rückwärts auf die letzten Jahrzehnte vor demselben schauen.
Als 1610 eine pestartige Krankheit wütete und auch im Gebiete von St.
Peter viele Opfer forderte, veranstaltete Abt Johannes S c h w a b am
Feste Kreuzauffindung eine allgemeine Prozession auf den Lindenberg, um
göttliche Hilfe zu erflehen.
Im Jahre 1618 begann in Böhmen der Dreißigjährige Krieg und verheerte
während der nächsten vierzehn Jahre Norddeutschland. Nach der für das
kaiserliche Heer verlorenen Schlacht bei Breitenfeld bei Leipzig, am
17. September 1631, wurde auch Süddeutschland die nächsten sechzehn
Jahre Kriegsschauplatz. Es wurde in eine Wüste verwandelt. Rasch kamen
die Schweden und die mit ihnen verbündeten deutschen Fürsten voran. Im
Jahre 1632 fielen die Ortenau, das Kinzigtal und der Breisgau in ihre
Hände. Am 4. Januar 1633 wurde in der Augustinerkirche zu Freiburg die
erste protestantische Predigt gehalten. Das feindliche Kriegsvolk
plünderte die Ortschaften auf viele Stunden rings um die Dreisamstadt.
Im April 1633 kamen St. Peter und der Lindenberg an die Reihe. "Die
Bauern flohen über alle Berge, die Häuser, Scheunen und Ställe wurden
ausgeraubt und zum Teil angezündet. Der Prälat und die Patres des
Klosters wurden in Arrest genommen, das ganze Kloster durchsucht, aller
Wein, alle Früchte, aller Hausrat, Bücher, alle Kirchenzier wurden
fortgeschleppt und die Gebäulichkeiten übel zugerichtet. Das
Muttergotteskirchlein auf dem Lindenberg ward erbrochen, nicht allein
die Kirchensachen, sondern auch das andere Zubehör, teils
hinweggenommen, teils verunehrt, zerschlagen und zugrunde gerichtet."
Doch das war nur der Anfang der Wirren. Der Kriegswahnsinn tobte sich
weitere fünfzehn Jahre aus. Noch im gleichen Jahre 1633 warfen die
kaiserlichen Truppen die Schweden zum Breisgau hinaus, aber auch sie
waren durch den langen Krieg verwildert und hausten übel in dem
verarmten Lande. Sie wurden vertrieben durch Bernhard von Weimar, der
sich aus dem Breisgau und Elsaß ein Herzogtum verschaffen wollte mit
der Hauptstadt Breisach. Er eroberte auch Freiburg, und seine Söldner
verwüsteten wieder weite Gebiete in der Ebene und auf dem Wald. Nach
sechs schweren Jahren wurden diese von kaiserlichen Österreichern und
Bayern vertrieben, und unser Oberland wurde von dem Befehlshaber K a n
o f s k y befreit. Auf dem Schwarzwald dauerte der Kleinkrieg noch
einige Zeit weiter. Als die Kaiserlichen das Kloster St. Peter
zurückerobert hatten und befestigen wollten, ging es am 12. August 1644
samt der Kirche in Flammen auf. Neun Jahre blieb das Heiligtum verödet.
Der Krieg ging noch vier Jahre weiter. Die Kapelle in Eschbach wurde
auch zerstört. Auf dem Lindenberg sah es ebenfalls bös aus. In der
Kapelle mußten die Altäre neu aufgestellt werden.
Schwieriger und langwieriger gestaltete sich der seelische Aufbau der
Menschen. Es war ein Geschlecht verwilderter, religiös unwissender,
innerlich zermürbter Menschen herangewachsen. Alte und junge waren bis
zu 80, ja 90 Prozent dem Krieg, den Seuchen, dem Hunger und dem Elend
anheimgefallen. Zur Hebung des religiösen Lebens ließ der Abt von
St.Peter vom Jahre 1670 an durch einen seiner Patres auf dem Lindenberg
an allen Festtagen das heilige Meßopfer feiern und an den
vorzüglichsten Muttergottesfesten sowie am Oster und Pfingstdienstag
eine Predigt halten. Nach einer vierundzwanzigjährigen Atempause folgte
der holländische Krieg. Auch der Breisgau wurde wieder
Kriegsschauplatz. Das Gebiet um St. Peter hatte sehr viel Unheil zu
erleiden. Der Klosterchronist bemerkt zum Jahre 1677, daß "es mehr mit
Tränen als mit Tinte beschrieben werden sollte", und fährt fort: Auch
über das folgende Jahr ist nichts zu berichten als Elend." Pater B a u
m e i s t e r schreibt "Das Jahr 1678 brachte für unser Kloster das
Vollmaß des Unheils. Am 26., 27., 28. Juni wurden die Abtei und
Abteigebäude samt der Kirche in Asche verwandelt." Nach dem
Friedensschluß von Nymwegen kehrten Abt, Patres und Bevölkerung von St.
Peter zurück. Freiburg wurde damals Frankreich einverleibt für zwanzig
Jahre und durch Vauban zu einer Festung ersten Ranges umgebaut. Mangels
einer Kirche wurde der Gottesdienst für die Bevölkerung von St. Peter
nun auf dem Lindenberg eingerichtet, der glücklicherweise vom
Schlimmsten verschont geblieben war. Das mag bis zum Herbst der Fall
gewesen sein, denn im Oktober erbat sich der Abt vom Großprior der
Johanniter in Heitersheim den Hochaltar der Johanniterkirche zu
Freiburg, die wegen Anlage der Befestigung abgerissen wurde. Daraus ist
zu schließen, daß die Kirche von St. Peter zu dieser Zeit wieder unter
Dach war.
Da Freiburg französisch war, und die Kaiserlichen an ihrer festen
Stellung auf dem Hohlen Graben zäh festhielten, war das Zwischengebiet
bald Niemands, bald Jedermannsland, und die Bevölkerung hatte viel zu
leiden. Während des Pfälzischen Erbfolgekrieges, 1688 bis 1697, wurden
die kaiserlichen Grenzlande volle zehn Jahre schwer beunruhigt und
ausgeplündert, zum Beispiel Glottertal und St. Peter, Kloster und Dorf.
Am Feste der heiligen Ursula, am 21. Oktober 1690, machte der Abt in
seiner Sorge um das Gotteshaus das Gelübde, wenn es wenigstens von der
Verwüstung durch Feuer verschont bleibe, zu Ehren der heiligen Ursula
eine Kapelle und einen Altar darinnen der heiligen Agatha zu weihen.
Erst einer seiner Nachfolger konnte das Gelübde einlösen, und am 5. Mai
1720 nach der Prozession der Rosenkranzbruderschaft die feierliche
Weihe des Grundsteines zur Ursulakapelle vornehmen. In ein Kästchen
wurden Reliquien der heiligen Ursula und Genossinnen eingesenkt. Nach
dem großen Brand von St. Peter wurde die Kapelle 1902 wieder neu
hergestellt. Im Pfälzischen Erbfolgekrieg hatte das Kloster
Kontributionen zu leisten, die einen Wert von 100 000 Talern
darstellten.
Drei Jahre später brach der Spanische Erbfolgekrieg aus und verwüstete
von 1701 bis 1714 weite Strecken Europas. Unser Vaterland war wieder
Hauptkriegsschauplatz. Am 14. Mai 1704 wurde ein Bauer auf dem
Lindenberg ermordet. Plünderungen, Brände, Flucht waren an der
Tagesordnung, Krankheiten und Hungersnöte gesellten sich dazu. Die
Apokalyptischen Reiter galoppierten zehn Jahre lang durch unser Land,
Als 1714 der Friede zu Rastatt und Baden geschlossen worden war, hatte
eine Kriegsperiode, welche mit einigen Unterbrechungen fast hundert
Jahre gedauert hatte, ihr Ende gefunden. Deutschland war fürchterlich
zugerichtet worden. Die Bevölkerung hatte Unglaubliches zu leiden
gehabt.
Als nach der langen Kriegsperiode endlich für längere Zeit friedliche
Tage angebrochen waren, atmeten die Menschen wieder auf. Der fröhliche
Barockstil schuf in dem größtenteils katholisch gebliebenen
Süddeutschland und Österreich herrliche Gotteshäuser. Das religiöse
Leben blühte empor. Die alten Wallfahrtswege belebten sich wieder. Berg
und Tal hallten wider von den Gebeten und frommen Liedern der Pilger.
Auch die Wallfahrt auf dem Lindenberg sah wieder Wallfahrer, mehr denn
je. Mit Freuden dienten die Söhne des heiligen Benedikt in St. Peter
Unserer Lieben Frau vom Lindenberg in ihrem Heiligtum und den zahlreich
sich dort einfindenden frommen Pilgern. In nicht ganz viereinhalb
Monaten des Jahres 1739 wurden 112 heilige Messen gelesen. Pater
Philipp Jakob Steyrer verfaßte, wie schon eingangs bemerkt, ein
Wallfahrtsbuch. Er wurde bald darauf Prior in St. Ulrich, wurde 1749
zurückgeholt und zum Abt gewählt. Er leitete fünfundvierzig Jahre lang
mit größter Umsicht und größtem Erfolg das Kloster zu St. Peter. Ober
seinen vielen Arbeiten vergaß er trotzdem den Lindenberg nicht. Da der
Besuch der Wallfahrer so sehr zugenommen hatte, machte sich das
Bedürfnis nach einer größeren Kapelle immer mehr fühlbar. Im April 1761
ließ er die alte Kapelle abreißen. Der Neubau schritt so rüstig voran,
daß an Kreuzerhöhung, am 14. September desselben Jahres, die Weihe der
neuen Kapelle vorgenommen werden konnte. Im folgenden Sommer wurde die
innere Ausschmückung mit schöner Stuckaturarbeit und Gemälden aus dem
Leben der allerseligsten Jungfrau vollendet, und zwar zum Teil auf
Kosten des Klosters, das zu nichts verpflichtet war. Die Malereien
waren ausgeführt von Georg Saum, einem von St. Peter gebürtigen Schüler
des bekannten Kunstmalers Fr. L. Herrmann. Offenbar hatte der Abt dem
jungen Künstler aus St. Peter den Auftrag zu seiner Förderung gegeben.
Arn 7. Januar 1763 gewährte Papst Klemens XIII. für den Besuch der
neuen Kirche an den Freitagen der Fastenzeit einen Ablaß von sieben
Jahren und sieben Quadragenen. Die Opferwilligkeit der zahlreichen
Pilger vom Breisgau und vom Schwarzwald war so groß, daß das neue,
schön ausgestattete Gotteshaus nicht nur bald bezahlt war, sondern daß
auch der unter Aufsicht der Herrschaft von Weiler (Stegen) verwaltete
Kapellenfond 1780 wieder ein Vermögen von 2000 Gulden besaß. Das neue
Heiligtum am alten, beliebten Gnadenort trug viel zur Blüte der
Wallfahrt bei.
Heute steht es nicht mehr dort, sondern ist Pfarrkirche von Eschbach
bei St. Peter. Wie ist das gekommen? Nicht etwa durch eine wunderbare
Übertragung wie eine solche vom Häuslein in Nazareth nach Loretto
berichtet wird , sondern durch einen sehr prosaischen Machtspruch und
Gewaltakt. Um das zu verstehen, müssen wir zunächst einen Überblick
über die geistesgeschichtlichen Entwicklungen damaliger Zeitströmungen
und der daraus entstandenen Lage der katholischen Kirche in Deutschland
gewinnen.