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Das Unrecht am Lindenberg bei St.Peter im Schwarzwald |
Erzählt
von Dr. Josef Schofer |
Dieses Schriftchen widme ich dem Andenken der vertriebenen Tertiarinnen, dem treuen Hüter des Heiligtums Ludwig Marbe und dem treukatholischen Volk des Breisgaus in Berg und Tal. Freiburg i.Br., den 11. Februar 1928 Dr. Josef Schofer |
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Einleitung.
Kirchen und Kapellen, Kreuze und Bildstöckchen können dem gläubigen Volk viel erzählen; man muß ihre Sprache nur verstehen und gern zuhorchen, wenn sie von ihren Erlebnissen zu plaudern anfangen. Unser Konradsblatt hat ja den schönen Vorzug, daß es in Wort und Bild in die religiöse Heimatkunde einführt und die Denkmäler unseres badischen Landes zum Volke sprechen läßt. Die Leute haben das recht gern.
So will ich mir jetzt vornehmen, vom Lindenberg bei St.Peter etwas zu erzählen. Dazu habe ich zwei gewichtige Gründe. Einmal steht jetzt neben der Wallfahrtskirche ein prächtiges Exerzitienhaus. Es werden neben den Wallfahrtsleuten nun auch eifrige Katholiken beiderlei Geschlechts hinaufpilgern, um die hl. Uebungen dort zu machen. Sie wollen und sollen etwas erfahren, was da oben schon alles passiert ist. Sodann sind es bald 60 Jahre, seit ein arges Unrecht auf dem Lindenberg begangen wurde. Da das heutige Geschlecht nichts mehr davon weiß, es aber zu wissen ihm besonders nützlich sein dürfte, darum soll das Unrecht vom Lindenberg besonders erzählt werden. Schon vorher ist ein anderes großes Unrecht an der Wallfahrt passiert. Auch das soll zuvor mitgeteilt werden.
1.
Von der Wallfahrt da droben überhaupt.
Unser Priesterseminar hat seit den vierziger Jahren seine Zuflucht in St.Peter gefunden. Von dort aus machen die künftigen Priester gewöhnlich alsbald nach ihrer Ankunft eine Wallfahrt auf den Lindenberg. So sind auch wir im Herbst 1891 hinausgepilgert zur Muttergottes auf dem Lindenberg und haben dort vor ihrem Gnadenthron gebetet. Dann traten wir in die herrliche, farbenprächtige Herbstlandschaft hinaus und sahen hinab ins Tal und hinüber auf die Berge vom Kandel bis zum Schauinsland und Feldberg. Der Blick von hier aus gehört zu den schönsten in unserem Schwarzwald. Die Berge mit ihrer stillen Majestät stimmen von selbst zum Gebet, ziehen das Herz himmelwärts. Dafür haben unsere tiefgläubigen Altvorderen ein feines Verständnis gezeigt. Darum kann man es verstehen, wenn sie auf solch einem Punkt eine Stätte des Gebetes errichteten, mit ihren Anliegen dahin zu pilgerten und immer wieder heraufkamen.
Warum sollte die Gnade des Himmels diesem gesunden Zug nicht entgegenkommen, die heißen Gebete der Wallfahren erhören, die Pilger segnen? Wann die erste Kapelle hier oben gegründet wurde, welches die erste Erhörung war, darüber schweigt die Geschichte. Abt Jakob Steyrer von St.Peter hat „keine Müh gesparet, der Sach auf den Grund zu kommen“. Allein die Stürme der Zeiten oder, wie der Abt es nennt, „Kriegstroublen“ ließen fast „alle Urkundschriften zu Grund gehen“. Darum liegt ein Schleier über den ersten Zeiten der Wallfahrt. Wohl werden allerlei wundersame Erscheinungen der Mutter der Gnaden berichtet, von allerlei Erhörungen erzählt; allein die geschichtliche Wahrheit aus den Legenden herauszustellen, wird kaum möglich sein. Ist es überhaupt notwendig? Der Münsterturm, von der milden Herbstsonne durchleuchtet, schaut mir eben ins Zimmer auf den Tisch und meint: der geniale Baumeister, der mich geschaffen, hat seinen Namen auch verschwiegen und keine Urkunde meldet uns sein Wer und Woher. Das Werk allein soll gelten, soll Gott die Ehre geben und den Menschen durch die Jahrhunderte das sursum corda (erhebet die Herzen sic.) zurufen. Daß es ein großer Meister war, daß ein opferfrohes Volk ihm die Mittel bot, daß künstlerisches Schaffen und gläubiges Opfer, kurz, daß echt christlicher Sinn mich schuf, das predige ich mit lauter Stimme allen Jahrhunderten, die vorbeirauschen. So ist es auch mit der Wallfahrt auf dem Lindenberg. Sie ist das Werk des gläubigen Volkes aus verflossenen Jahrhunderten und der Gnaden der göttlichen Vorsehung. Das zu wissen, genügt und muß genügen.
Das Heiligtum auf dem Lindenberg nahm an den Leiden und Heimsuchungen der Zeit teil. Von Abt Gremmelspacher wird erzählt, daß unter ihm der Grund zum Kirchlein auf dem Lindenberg gelegt wurde. Vom Jahre 1503 schreibt Pater Gregorius Baumeister:“ Um diese Zeit nahm die Kirche auf dem Lindenberg, nicht weit von unserem Kloster gelegen, nicht ohne bedeutende Wunder ihren Anfang und entwickelte sich im Laufe der Zeit, da unsere Väter dort das heilige Opfer darbrachten, zu einer berühmten Wallfahrt.“
Die Zeiten der Bauernkrieg gingen nicht spurlos an dem Heiligtum vorbei. Die Bewegung entsprang ja nicht bloß wirtschaftlichen Verhältnissen. Der religiöse Abfall erklärt es, daß alle Pilger, die daher kamen, über verschmäht und verspottet worden sind, wie die „Urkundschrift“ berichtet. Man nannte den Wallfahrtsgottesdienst, „ein Abgötterei und Götzendienst“. Man fiel „in das Bildhäuslein oder Kapelle ein; die Bildnis Maria und das Kruzifix wurden abgerissen, in den Kot gedrückt und getreten“.
Von den mannigfachen Schicksalen im weiteren Verlauf der Jahrhunderte will ich nichts mehr erzählen. Wer sich dafür weiter interessiert, der verschaffe sich das Wallfahrtsgebetbuch des ehemaligen apostolischen Missionars Wilhelm Störk. Es ist bei Herder in Freiburg 1892 herausgekommen. Mir kommt es hier nur darauf an, die Wallfahrtskirche auf dem Lindenberg vorzustellen, um dann so von dem doppelten Unrecht, das an ihr verübt wurde, etwas ausführlicher erzählen zu können.
2. Ein aufgeklärter Kaiser.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts lebte und regierte in Wien ein aufgeklärter Kaiser. Er hieß Josef II. Diesem unterstanden damals auch die Lande im Breisgau.
Wenn ich nun von diesem aufgeklärtem Kaiser allerlei Unrecht erzählen soll, so muß ich dem die eine oder andere Vorbemerkung vorausschicken. Fürs erste muß ich sagen, daß er eben auch ein Kind seiner Zeit war; diese war aber arg „aufgeklärt“ und sah im Wallfahren, Rosenkranzbeten, im Exerzitienhalten und in vielen anderen religiösen Gebräuchen Verirrungen und Auswüchse. Von dem Geist war der Kaiser Josef II. nun auch angesteckt. Fürs zweite muß ich sagen, daß der genannte Fürst auch gute Eigenschaften hatte und es auch bei diesen verkehrten Maßregeln immer noch gut meinte. Als er z.B. am 20. Juli 1777 in Freiburg weilte, wohnte er im Münster dem hl. Meßopfer bei und kniete während der hl. Wandlung auf die bloße Erde nieder und ließ den Prunkstuhl daneben stehen. Wir anerkennen das heute. Allein der gute Wille macht die verkehrten Maßnahmen noch lange nicht zu klugen und berechtigten Regierungshandlungen.
Der damalige Preußenkönig hat den Kaiser Josef II., weil dieser bis in die Sakristei hinein regierte, spottend „den Bruder Sakristan“ genannt. Wor allem hatte es der Kaiser auf die beschaulichen Klöster abgesehen. Im Beten und Büßen allein sah der Kaiser keine Lebensaufgabe; dafür war er eben zu aufgeklärt. Darum hob er in seinen vorderösterreichischen Landen allein 22 solcher Klöster auf. Die Güter wurden zumeist in einen Religionsfond getan und hier wohltätigen und religiösen Zwecken zugewandt. Mehr wie eine Pfarrei wurde auf diesem Weg errichtet. Bei diesem Vorgehen fragte der Kaiser nach den Kirchengesetzen, nach dem Papst und nach den Bischöfen so gut wie gar nichts. Die Mahnungen Pius VI. nützen bei ihm nichts. Als der hl. Vater selbst nach Wien reiste, richtete er so gut wie nichts aus.
Die alten Bruderschaften lies der Kaiser aufheben und dafür die allgemeine Bruderschaft „tätiger Nächstenliebe“ einführen. Kirchliche Feiertage fielen dem Reformeifer des Kaisers ebenfalls zum Opfer. Sogar die Zahl der Kerzen beim Gottesdienst wurden vorgeschrieben. Die Ehe wurde der staatlichen Gesetzgebung unterworfen, wie wenn sie eine rein weltliche Sache wäre. Die Ehescheidung wurde erleichtert; und das aus eigener Machtvollkommenheit des Kaisers.
Besonders auf die Wallfahrtsorte und das Wallfahren hat es der aufgeklärte Monarch abgesehen. Er erblickte darin Aberglauben, Zeitverschwendung und Müßiggang. Er ließ darum ein Verzeichnis aller Wallfahrtsorte, auch der vorderösterreichischen Lande, anfertigen. Viele von ihnen wurden auf Befehl des Kaisers einfach aufgehoben. Das Vermögen kam ebenfalls in den Religionsfond. Diese Verordnungen trafen nun auch die Wallfahrt auf dem Lindenberg und brachten das erste große Unrecht. Davon will ich aber erst später Näheres erzählen.
Kaiser Josef II. ist am 20. Februar 1790 gestorben. Er hat seine Grabschrift selbst verfaßt. Sie lautet; „Hier liegt ein Fürst, dessen Absichten rein waren, der aber das Unglück hatte, alle seine Entwürfe gescheitert zu sehen.“ Als man in seiner Todeskrankheit öffentliche Gebete für ihn abhielt, bemerkte der sterbende Kaiser dazu: „Man hat öffentliche Gebet für die Wiederherstellung meiner Gesundheit angeordnet. Ich weiß es; aber ich weiß auch, daß mich der größte Teil meiner Untertanen nicht liebt. Wozu können somit Gebete nützen, welche das Herz nicht fühlt, welche es sogar Lügen straft?“
Die letzten Worte und die Grabschrift sagen es laut und deutlich: In Josef II. starb ein unglücklicher Kaiser. Was hat im hauptsächlich dieses Los bereitet? Er hat sich an der Kirche, am religiösen des katholischen Volkes vergriffen. Diese Wege hat er eingeschlagen, weil er auf die „Apostel der Aufklärung“ hörte und nach ihrem Evangelium handelte. Die Wurzeln liegen aber noch tiefer. Seine Erziehung war verfehlt. Das natürliche Naturell, sein früh entwickeltes Herrsein, seine Spottsucht und Anmaßungen wurden, statt niedergehalten, geradezu großgezogen. Zweifelsucht und Mangel an Ehrfurcht vor dem Heiligen ergänzten die unglücklichen Eigenschaften und machten es leicht, den Sinn für die Staatsallmacht und den uneingeschränkten Herrscherwillen rasch zu entwickeln. Eine unglückliche Ehe vollendete das Mißgeschick Josefs II. Kaiserein Maria Theresia, seine Mutter, war eine ausgezeichnete Frau. Ihr Einfluß auf ihren Soh war indes gering. Die Erziehung ging fehl. So entwickelte sich der „Bruder Sakristan“ auf dem Thron.
Es ist nicht notwendig, aus dem Erzählen besondere Nutzanwendungen herauszugreifen und festzustellen. Sie stehen schon zwischen den Zeilen drin. Man braucht nur ein bißchen darnach zu sehen und man kann sie dort lesen. Sie betreffen die Erziehung der Kinder, sie betreffen das Volksleben und die Religion im Volk. Fehler, die hier passieren, rächen sich; darum heißt es da besonders aufpassen! Diese Lehren gelten auch heute und gelten für jeden.
3.
Des Kaisers rauhe Hand.
Auf dem Verzeichnis des Kaisers über die Wallfahrtsorte in Vorderösterreich stand auch der Lindenberg. Unter dem 30. September 1786 befahl Wien, daß das Ibental mit dem Lindenberg der neu errichteten Pfarrei Buchenbach zugewiesen werden solle; bisher gehörten beide pfarrlich nach Kirchzarten. Das Kloster von St.Peter bekam den Auftrag, es solle in Eschbach eine Pfarrkirche bauen und eine Pfarrei daselbst gründen. Zum Bau einer Kirche gehören Baumaterialien. In Wien hatte man dies sofort parat. Die erst vor 25 Jahren neu erbaute Wallfahrtskirche auf dem Lindenberg sollte abgebrochen werden; das so gewonnene Baumaterial sollten die Eschbacher Bauern fronweise vom Berg ins Tal hinabführen. Für Abt Steyrer, der die Wallfahrtskirche gebaut hatte, war der Begehr aus Wien eine böse Aufgabe. Allein, was konnte er gegen die gewaltigen Bürokraten in Wien machen! Sie hatten ja die Gnade gehabt, seinem Kloster „ewigen Bestand“ zuzusichern. Dieses Versprechen war schon etwas wert, denn die beschaulichen Klöster verfielen ja der Aufhebung. Den nächsten Schritt konnte man sich denken. Die Wallfahrtskirche wurde tatsächlich niedergerissen; die Baumaterialien kamen unter vielen Anstrengungen zu Tal; in Eschbach aber entstand die etwas vergrößerte Wallfahrtskirche als Pfarrkirche. Das Gnadenbild fand darin seine Aufstellung. Auf Befehl von Wien war die Pfarrkirche auf einmal eine Wallfahrtskirche. Nach den Wiener Bürokraten war damit alles in schönster Ordnung.
Es fragt sich nur, ob auch das gläubige Volk auf Kommando von Staatsbürokraten marschiert. Einstweilen meinte der aufgeklärte Rektor des Generalseminars in Freiburg: „Sobald das Wallfahrtsbild in die neue Pfarrkirche übertragen worden, dürfte sie auch von fremden Wallfahrern stark besucht werden.“ Der letzte Abt von St.Peter, Ignaz Speckle, berichtet das Gegenteil. Er schreibt: „Seitdem die Kirche auf dem Lindenberg abgebrochen und das Marienbild nach Eschbach übersetzt worden ist, erhält sich noch immer das Zutrauen des Volkes an den Ort. In Menge fahren sie dahin und verrichten ihr Gebet an den Ruinen der Kirche und behaupten, der Ort wäre ein Gnadenort; das Bild wäre nie ein mirakulöses Bild gewesen. Es läßt sich das Volk seine Meinung nicht nehmen.“ So schrieb Abt Ignaz Speckle am 9. November (richtig ist der 6.November sic) 1796 in sein Tagebuch. Es ist herzergreifend, wie das katholische Volk trotz der Hofdekrete von Wien an dem Wallfahrtsort hing und treu blieb. Ohne es vollauf zu wissen, bildete das Volk in seiner Glaubenstreue den stärksten Damm gegen die Fluten der Aufklärung und ihrer Zerstörungsarbeit.
Ich habe immer zu denen gehört, die das religiöse Volksempfinden zu den starken Mächten zählen. Ginge hier etwas verloren, würde der Schaden leicht ungeheuer groß sein. Darum gilt es, diese gesunden Sitten in den Familien, in den verschiedenen Gegenden heilig zu halten, sie zu hegen und zu pflegen. Die Oberflächlichkeit unserer Zeitrichtung, der große Hang zu Sport und Spiel, zu allerlei Tand bilden ohnehin eine Gefahr für unser Volk.
Der Kaiser Josef II. war sehr übel beraten, als er gegen die Wallfahrt auf dem Lindenberg mit so rauher Hand losging. Er zerstörte damit vor allem viel Vertrauen im Volk. Zu spät hat er es eingesehen und beklagt. Allein die Gemüter waren durch die Eingriffe in das religiöse Leben dem Kaiser tatsächlich entfremdet. Das Volk haßte den Polizeistock im religiösen Leben, das es von den Eltern als kostbares Erbe übernommen hatte. So sehr das Vertrauen gegen den Kaiser im Volke verwüstet war, die pflichtmäßige Treue wahrte es trotzdem. Diese Haltung ehrte die Bevölkerung des Breisgaus.
Die Salpeterer-Bewegung im Hauensteinischen am Oberrhein war in ihrer ersten Periode eine mehr politische. Als aber die Aufklärung an den Rosenkranz, an die Wallfahrten und andere religiösen Gebräuche des katholischen Volkes ging, da erhob sich der Widerstand im Volk, ein Widerstand, der durch den Uebergang vom Hause Oesterreich an Baden noch einen politischen Einschlag bekam. Das Volk berief sich auf seine alten Freiheiten; darnach sollten sie für „ewige Zeiten“ zu Oesterreich gehören. Dem Großherzog von Baden verweigerten sie deshalb Huldigung, Steuern und Militärdienst. Ihre Parole lautete: „Treue dem römisch-katholischen Glauben und dem Kaiser von Oesterreich!“ Politisch konnte der Widerstand gebrochen werden; religiös feierten sie die abgeschafften Feiertage, beteten den verspotteten Rosenkranz, machten ihre Wallfahrten und mißtrauten den liberalen, aufgeklärten Pfarrern. Als 1831 der beim Volke so hochverehrte Katechismus des hl. Kanisus aus den Schulen verbannt wurde, da gaben die Waldleute dieses Büchlein ihren Kindern doch in die Schule mit und sagten: aus dem und aus keinem andern Buch sollten die Kinder die katholische Religion lernen. Der regelrechte Schulstreik war ihre Zuflucht. Strafe und Kerkerhaft nützten nichts. Sie gingen zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten in die Schweiz und dort bevorzugten sie Klöster und Wallfahrtsorte. Die Bewegung hat noch manches Jahr angedauert, bis es gelang, wieder Ruhe und Ordnung zu schaffen; die Rückkehr zum katholischen Verständnis der althergebrachten katholischen Religionsübungen im Volk, die bewährte Treue zum Hl. Vater in Rom, von Erzbischof und Geistlichkeit schlugen die Brücken zum Herzen dieses urkatholischen Volkes und brachten nach und nach das alte Vertrauen wieder.
Diese geschichtlichen Erinnerungen verkünden es deutlich und ernst: Man unterschätze das religiöse Volksempfinden nicht! Diese Wahrheit geht die geistliche und die weltliche Obrigkeit an, geht vor allem aber die Männer des öffentlichen Lebens, die Presse und die Parlamente an! Das große Gesetz hat auch heute noch seine Geltung.
4.
Die kalte Ruine auf dem Lindenberg.
Die Aufklärung war damals nun auch ins Heiligtum der Kirche eingedrungen. Ihre Apostel saßen in der Kirchenbehörde so gut wie in manchen Pfarrhäusern. Das bekam nicht bloß das brave Volk der Hotzen zu verspüren. Der Lindenberg und seine Wallfahrer haben auch manche Probe davon erlebt.
Das Jahr 1796 brachte zu den Kriegsleiden noch Seuchen in den spärlichen Viehbestand. Das gläubige Volk wandte sich in seinen Bedrängnissen an die Hilfe von oben. Man nahm so die Wallfahrten auf den Lindenberg wieder auf, wiewohl dort nur noch Mauerreste der abgebrochenen Kapelle standen. Die Gemeinden, wie Ibental und andere aus der Nachbarschaft, wollten feierliche Prozessionen dahin halten. Man bestürmte den Abt. von St.Peter. Allein er kannte die Hofdekrete und noch mehr die Aufklärung in der Kirchenregierung; darum hielt er arg zurück.
Es war nun an Martini 1796. Die arg heimgesuchten Leute hatten die Betstunde in der Kirche zu St.Peter besucht; dann aber bildeten sie selbst eine Prozession auf den Lindenberg. das Tagebuch des Abtes berichtet: „So viele Leute waren gewiß noch nie bei einem öffentlichen Kreuzgange; das Volk wünscht wieder eine Kapelle auf dem Lindenberg zu haben, und sehr viele erbieten sich, dazu beizutragen!“
Die braven Katholiken von Unteribental ließen die Sache nicht beruhen. Am 9. August 1800 teilten ein Vogt und noch ein Bauer dem in Freiburg weilenden Abt mit, die Gemeinde habe ein Gelübde gemacht, die Kapelle wieder zu erbauen. Sie baten um Rat und Unterstützung. Der Abt war aus den bekannten Gründen zurückhaltend und verwies sie ans Amt und die österreichische Regierung und dann an die geistliche Kurie. Die Verhandlung mit dieser übernahm der Abt selbst.
So sprachen die Männer bei der Gräfin Maria Franziska von Kageneck und dem Amtmann Dr. Ruf vor. Sie fanden ein geneigtes Ohr. Als Abt und Amtmann am 29. August den Lindenberg besichtigten, da fanden sie, „daß schon angefangen war, den Platz zu räumen, schon Kalk und Bretter beigeschafft und Sand gerädert worden war.“ Man einigte sich, die Kapelle solle unter „herrschaftlicher Direktion“ ausgeführt werden.
Nun mußte die Kirchenregierung noch verständigt und ihre Erlaubnis eingeholt werden. Man tat die entsprechenden Schritte. Zwei Jahre warteten die Leute zu. Da machten die Gemeinden Ibental und Rechtenbach eine herzergreifende Eingabe, um die Kapelle auf dem Lindenberg aufbauen zu dürfen. Die Bittschrift mußte durch die Hand des bischöflichen Kommissärs in Freiburg gehen. Es war der Stadtpfarrer von St.Martin, Dr. Johann Baptist Ignaz Häberlin. Dieser Apostel der Aufklärung machte am 3. Juli 1802 einen Beibericht an die Kurie in Konstanz. Darin war er ganz und gar gegen die Wiedererrichtung einer Wallfahrtskirche auf dem Lindenberg. Er sprach sich vielmehr dafür aus, man solle die Ruine der alten Kapelle noch wegräumen; den „die Leute gingen aus Irrwahn, der an Aberglauben grenze, lieber auf den Berg und knieten vor die Steine hin!“
So kam es, daß Generalvikar Freiherr von Wessenberg schon am 17. Juli die Bitten der Gemeinden ablehnte. Am 4. August 1802 übergab der genannte Stadtpfarrer und bischöfl. Kommissär dem Kageneckschen Amte den geistlichen Entscheid mit dem Anfügen, die Gemeinden zur Darnachhaltung zu verständigen! Nun verwendete sich die Gräfin persönlich um die Erlaubnis bei dem Generalvikar. Allein die Antwort bleib bei der Ablehnung. Jetzt griff die Dame zu einem Auskunftsmittel. Sie erklärte, es sei ihr Wille, mit der neuen Wallfahrtskirche eine neue Lokalkaplanei zu verbinden. Das Kloster von St.Peter solle sie von dort aus versehen. Wessenberg ging scheinbar bei und verwies auf die Verhandlung mit dem Abt zu St.Peter. Die Bauern bekamen so günstigen Bescheid und fingen am 18. Juli 1803 den Bau an und zwar den Chor. Der Eifer war allerseits groß. Am 13. Oktober konnte der Dachfirst aufgerichtet werden. Nun mußte man aber doch an die regelrechte Erlaubnis von Konstanz und an die Errichtung der Lokalkaplanei denken. Jetzt kam das dicke Ende. Das Generalvikariat verlangte von der Regierung, daß der Bau eingestellt und alles wieder in den Stand zurückgesetzt werde, wie es das Jahr 1786 erfordert habe! Wenn die Herrschaft eine eigene Pfarrei dotieren wolle, werde dazu die Einwilligung gegeben; man sei aber fest entschlossen, eine bloße Wallfahrt auf dem Lindenberg nicht zu dulden! Die Regierung verkündete dies Hiobspost und forderte dazu auf, die Leute sollten nach Eschbach wallfahren gehen. Allein das Volk wollte davon nichts wissen. Im Frühjahr 1805 stellten die Bauern einen Altar in der halbausgebauten Kapelle auf eigene Kosten auf. Am 24. Mai aber zogen sie in Prozession ohne Priester, Kreuz und Fahne, aber betend, nach dem Lindenberg. |
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Als der Generalvikar von Wessenberg das Vorgehen erfuhr, „legte er auf die neue Kapelle sowohl als auf den neuerrichteten Altar ein kanonisches Interdikt und verbot allen und jeden Priestern des Säkular- und Regularklerus unter Strafe der Suspension, in der Kapelle Lindenberg ein Messe zu lesen oder andere gottesdienstliche Handlungen, Predigt, öffentliches Gebet u. dergl., vorzunehmen.“ Dr. Häberlin bekam als bischöflicher Kommissär die Ausführung und die Ueberwachung der harten Anordnung übertragen. Das genügte. Abt Speckle sah von einer Gegenvorstellung ab; denn solch ein Schritt konnte, wie sein Tagebuch meldet, „ den unbesonnenen und eigensinnigen Generalvikar von Wessenberg nur noch hitziger machen“.
Das so dem Lindenberg bereitete Los war hart und dem katholischen Volk unverständlich. Durch viele hundert Jahre hatten Tausende von gläubigen Katholiken ihre Sorgen zur Wallfahrt hinaufgetragen und von dort Mut, Kraft und Ergebung geholt; Trost und Hilfe hatten sie dort gefunden in den mannigfachen Nöten des Leibes und der Seele. Nun lag das Interdikt auf der heiligen Stätte. Die treuen Katholiken verstanden das Los nicht. Sie sagten sich nur, es müsse da etwas nicht in Ordnung sein, und es war tatsächlich etwas nicht in Ordnung. Die glaubensarme Aufklärung war mit Herrn von Wessenberg in die Konstanzer Kirchenregierung eingezogen. Sie hatte in Dr. Häberlin ihren eifrigsten Sachwalter im Breisgau erhalten. Sinn und Verständnis für das schlichte und echte Glaubensleben des katholischen Volkes ging ihr ab. So kam es zu dem Unrecht auf dem Lindenberg!
Nun könnte man an den aufgeklärten Herrn von Konstanz und Freiburg Kritik üben. An Stoff dazu fehlte es nicht. Allein der Geist des Christentums rät uns etwas anderes an. Beten wir, daß Gottes Vorsehung uns stets würdige, vom Geist des Glaubens geleitete Priester erwecke und sende, und fernhalte jedes Verderbnis aus dem Heiligtum. Die Wallfahrtskirche auf dem Lindenberg grüßt heute ins Tal hinab und lädt zum Beten ein. Drinnen aber glüht das ewige Licht und der Heiland spricht: „Kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken!“ Wie glücklich wären die Katholiken der Wessenbergzeit gewesen, wenn sie die Möglichkeit von uns gehabt hätten! Der beste Dank für unsere Freiheit ist der fromme Gebrauch der Wallfahrt.
Das Unrecht von damals ist vorbei: Es ist auch gesühnt. Gottes Barmherzigkeit möge denen verzeihen, die es verschuldet haben! Wenn wir aber droben stehen und nach stiller Andacht im Heiligtum ins Land hinausschauen, dann wollen wir nicht vergessen des treukatholischen Volkes, das durch kein Unrecht von seinem Wallfahrtsort abwendig gemacht werden konnte. Sein Beispiel gilt unseren Tagen mit den vielen und großen Gefahren für das Glaubensleben im Volk!
5.
Neues Leben blüht aus den Ruinen.
Zeiten gehen; Zeiten kommen. Das alte Bistum Konstanz wurde 1821 vom Papst regelrecht aufgehoben und das Erzbistum Freiburg gegründet. Anfangs der vierziger Jahre zog das Priesterseminar in die Klosterräume zu St.Peter ein. Die Kapelle auf dem Lindenberg wurde ausgebaut und die Pilger kamen wieder zur Wallfahrt.
Es war nun im Jahre 1854. Fromme Jungfrauen siedelten sich in der Nähe der Kapelle an. Sie bildeten einen religiösen Verein nach der dritten Ordensregel des hl. Franziskus. Veronika Benitz war die Gründerin dieser frommen Vereinigung. Sie war 1853 mit ihrer Mutter aus Breitnau nach St.Peter gekommen. Jedermann weiß, daß die Mitglieder des III. Ordens zumeist in der Welt leben. Auch wenn sie in Gemeinschaft wohnen, fehlt noch viel zu einem Ordenskloster. Darum hatte man es bei den frommen Jungfrauen auf dem Lindenberg auch gar nicht mit einem Nonnenkloster zu tun. Das ist wichtig; denn wir werden es bald hören, daß die Kirchenfeinde in dem frommen Verein ein Kloster sahen und dagegen losgingen und so dem Lindenberg ein neues, arges Unrecht antaten.
Schon damals hat sich die Regierung darum interessiert, ob auf dem Lindenberg etwa ein Frauenkloster entstehen wolle. Oberamtmann von Chrismar war 1854 gekommen und ein Jahr darauf Regierungsrat Föhrenbach. Ebenso erschien Regierungsrat Oberkircher in St.Peter und auf dem Lindenberg, um Untersuchungen und Verhöre vorzunehmen. All die Erhebungen blieben „erfolglos“. Niemand untersagte damals den Jungfrauen das Zusammenwohnen, doch wohl aus dem einfachen Grund, weil man in dem ganz unbescholtenen und privatrechtlichen Zusammenleben der Jungfrauen nicht Polizei- und Gesetzwidriges oder gar Staatsgefährliches entdecken konnte. So berichtete das „Freiburger Katholische Kirchenblatt“ von 1869 Seite 33.
Veronika Benitz und ihre Freundin Katharina Wangler kauften nun das ehemalige Wirtshaus an der Kapelle. Die Jungfrauen wollten so mit dem Heiland unter einem Dach wohnen und ihm in Treue dienen. Veronika Benitz besaß von ihren Mutter in Breitnau einen eigenen Bauernhof. Den tauschte sie 1858 gegen den nahen, auf er Gemarkung Eschbach gelegenen Renzenhof ein. Das Gut wurde im Laufe der nächsten Jahre noch vervollständigt. Damit hatten die Jungfrauen ihr Arbeits- und Ernährungsgebiet.
Im Jahre 1856 baute man einen eigenen Betsaal für die frommen Frauen und eine Wohnung für einen Seelsorger. Nachdem sie soweit waren, führten sie die „ewige Anbetung“ ein, und zwar öffentlich in der Wallfahrtskirche. Mit dem 8. Oktober 1858 beteten je zwei der frommen Jungfrauen laut Stunde für Stunde vor dem Allerheiligsten. Da das Kommen und Gehen der Pilger störte, schuf man einen gesonderten Raum für die hl. Uebungen der Anbetung.
Die Pilger fanden, da zumeist ein Wallfahrtspriester auf dem Lindenberg wohnte, täglich Gelegenheit zum Gottesdienst und zum Empfang der heiligen Sakramente. So kamen sie aus Freiburg wie aus den Ortschaften ringsum mit ihren Anliegen, um bei der Muttergottes auf dem Lindenberg Hilfe, Trost und Kraft zu holen. Die Wallfahrt sah ihre Blütezeit.
Die Wallfahrer spendeten ihre Opfergaben; man sammelte sie zum Ausschmücken der Wallfahrtskirche. Jahrtagsstiftungen stärkten den neugegründeten Kapellenfond. Die Seminarherren von St.Peter setzten die wohlwollende Fürsorge der Benediktineräbte fort. Regens Dr. Kössing und Subregens Knittel förderten das fromme Leben auf dem Lindenberg unter den Jungfrauen wie bei den Pilgern.
Die Familie der Tertiarinnen war im Laufe der Jahre über die Zahl 40 gestiegen. Die Jungfrauen entsammten „alle dem Bauernstand“ und „führten ein rauhes, lediglich der Arbeit und der Andacht gewidmetes Leben zur Erbauung der benachbarten Gemeinden, deren Achtung sie sich erfreuten. Das Hofgut, dessen Felder sie bestellten und dessen Haus sie bewohnten, war Privateigentum. Ihre Existenz war notorisch und in den Regierungsakten schon längst konstatiert; doch blieben sie bislang unbehelligt. Das Recht selbstständiger Personen, freiwillig in Gemeinschaft zu leben, ohne Störung der öffentlichen Ordnung, selbst ohne die Gefährdung der Interessen anderer, schien unanfechtbar“. So schrieb Dr. W. von Wänker am 6. Januar 1869 an die badische Regierung.
Der Gemeinderat von Unteribental aber stellte den Jungfrauen vom Lindenberg folgendes Zeugnis aus:
„Dieselben bebauen ihr Grundeigentum selbst miteinander, und zwar mit solchem Fleiß und Umsicht, mit Vorteil in jeder Hinsicht, saß ein jeder Mann ihnen das Zeugnis als tüchtige Oekonomisten und Beförderer der Landwirtschaft in vollstem maß geben muß. Hinsichtlich ihres Betragen gegen die Umgebung und als Gemeindeangehörige gegen ihre Mitbürger sind sämtliche Bewohner des Lindenbergs friedsam, zuvorkommen, uneigennützig, dienstfertig und bescheiden, pünktlich und Gehorsam in ihren Pflichten gegen die Gemeindeordnung und gegen Erteilung obrigkeitlicher Befehle. Gegenseitig dieses Betragens haben dieselben die allgemeine Gunst in der Umgebung sich erworben, und hauptsächlich die Gemeinde Unteribental hat durch ihre Gegenwart eine Begünstigung erworben, welche darin liegt, daß in Unteribental in der Nahe der Einwohnerschaft selbst täglich ein Gottesdienst abgehalten wird und somit der Einwohnerschaft Gelegenheit gegeben ist, in christlicher Beziehung ihre Andacht zu verrichten....“
Der Gemeinderat von St.Peter und Eschbach stellte den Jungfrauen vom Lindenberg ein ähnliches Zeugnis aus. Dem Volk gefiel besonders der Gottesdienst in der Wallfahrtskirche. Der Gemeinderat von Eschbach schrieb darum:
„In der Kapelle beten sie laut, und zwar zu zweien Tag und Nacht. Zuerst taten sie das hinter dem Hochaltar und jetzt in der Kapelle auf einer vergitterten Emporbühne. Von Zeit zu Zeit singen sie auch, so z.B. bei der hl. Messe.“ Das religiöse Leben veredelte Arbeit und Umgang. Darum schreibt der Gemeinderat von Eschbach weiter: „Wegen ihres fleißigen und fröhlichen Arbeitens und beim Verkehren wegen ihres freundlichen Betragens, sowie wegen ihres ganz untadelhaften Lebens sind sie in der ganzen Umgebung beliebt.“
So lauten die Zeugnisse, welche die umliegenden Gemeinden den frommen Jungfrauen vom Lindenberg ausstellten, und zwar auf Grund jahrelanger eigener Erfahrung. Man hätte glauben sollen, der Staat müßte froh sein, solch ein Beispiel inmitten des Volkes zu haben; jedenfalls konnte er keinen annehmbaren Grund finden, dieses Beispiel christlichen Tugendlebens zu zerstören. Allein es kam doch anders.
6. Das Gewitter zieht herauf.
In Karlsruhe war von Großherzog Friedrich I. ein neues Ministerium berufen worden. An der Spitz stand Dr. Jolly. Damit waren allein liberale Führer unzufrieden. Warum sie so gestimmt waren, braucht hier nicht erzählt werden. Die Unzufriedenen kamen bald in Offenburg zusammen und bereiteten einen Feldzug gegen Minister Jolly vor. Die Hauptführer dabei waren die nationalliberalen Abg. Lamey, Bluntschli und Kiefer. Unter den Anklagen, die sie gegen den Staatsminister vorbrachten, ging nun eine dahin, er sei gegen die katholische Kirche zu entgegenkommend; er sei „Mühlerischer Neigung“ verdächtig. Mühler war ein preußischer Minister der die dortigen Katholiken anständig behandelte, daher stammt also der Ausdruck, den man gebrauchte.
Minister Jolly war mit der Offenburger Revolution bald fertig. Er versetzte den Ministerialrat Kiefer aus dem Ministerium hinaus; dieser aber antwortete mit dem Austritt aus dem Staatsdienst. Die anderen gaben bald klein bei. Der Oberbürgermeister Fauler von Freiburg, der in Offenburg auch mitgemacht hatte, sprach von einer „Blamage“ und bedauerte, „mit gefangen zu sein“. Im Karlsruher Theater aber verhöhnte der Schauspieler Devrient in der Rolle eines Hausierers die „Offenburger“, indem er unter dem lauten Beifall der Theaterbesucher „Offenburger Blech“ feil bot. Jolly war also Sieger geblieben.
Nun lag ihm aber doch sehr am Herzen, zu beweisen, daß bei ihm „mühlerische Neigungen“ nicht zu finden seien. Dazu bot sich eine willkommene Gelegenheit, als vom „zuständigen Bezirksamt Anzeige erstattet wurde“, auf dem Lindenberg habe sich ein Frauenkloster festgesetzt, ja daß „46 Ordensschwestern nach der dritten Regel des hl. Franziskus zusammenlebten und also ein Kloster in vollem Sinn des Wortes bildeten.“ Hier wollte also der Minister ein Exempel statuieren und zeigen, daß er gegen die katholische Kirche um kein Haar besser gesinnt sei wie ein Kiefer und ein Bluntschli. Derlei Beweise erbrachte Jolly von da ab noch manche, so daß er den Ruhm des schärfsten Kulturkampfministers im Lande Baden vor dem Richterstuhl der Geschichte wie im Volksbewußtsein besitzt. Unter ihm kam ja 1874 auch das Gesetz, nach dem die jungen Geistlichen ins Gefängnis wanderten, das andere Gesetz, nach dem es Ordenspriestern unter Strafe untersagt war, auch nur die Sterbesakramente in Notfällen zu spenden, das weitere Gesetz, dem das Schwarze Kloster in Freiburg zum Opfer fiel. Das erste Brandopfer aber der anhebenden Kulturkämpferei waren doch die Schwestern auf dem Lindenberg.
Vielleicht fragt jemand: Ja, wo blieben denn da unsere Abgeordneten? Die Antwort darauf ist sehr einfach: Sie lautet: Unter den 63 Abgeordneten der zweiten badischen Kammer waren 1869 nur vier, die für die Rechte des katholischen Volkes eintraten. Das war aber so, weil es am Wahltag so kam. Die Zeitungen waren damals fast durchweg in den Händen der anderen. Wohl hatten wir damals in Freiburg den „Boten“; dagegen aber stand die „Freiburger Zeitung“ und die „Breisgauer Zeitung“. Diese führten dazumal eine Sprache, die geradezu unerhört war. Als 1880 Dekan Förderer auf dem Katholikentag zu Konstanz über die Presse sprach, stellte er fest, daß in Baden 73 liberale Blätter nur sechs katholische entgegenstanden. Diese Verhältnisse erklären alles!
So konnte der Staatsminister Jolly den Kampf ohne Bedenken wagen. Er begann ihn mit den Schwestern auf dem Lindenberg und begann ihn ohne Nachsicht.
7.
Der Sturm bricht los.
Nun bestand seit 1860 ein Gesetz in Baden und nach diesem Gesetz und seinem Paragraphen 11 durfte von dem Erzbischof „kein religiöser Orden und keine einzelne Anstalt eines eingeführten Ordens errichtet werden - ohne Genehmigung der Staatsregierung!“ Dieses Gesetz fand auf die Jungfrauen vom Lindenberg gar keine Anwendung; denn fürs erste waren sie schon lange vor dem Gesetz da, und fürs zweite waren sie keine Ordensanstalt, sondern nur ein freier religiöser Verein. Daran änderte auch ihr gemeinsames Kleid gar nichts. Es war übrigens gar kein Ordenskleid.
Allein in Karlsruhe hatten sie sich es nun einmal in den Kopf gesetzt, auf dem Lindenberg sei eine Ordensniederlassung und die habe keine Staatsgenehmigung, und darum müsse die Staatsgewalt einschreiten, und sie schritt ein.
„Am 18. Dezember 1868 fand sich der Vorstand des Großherzoglichen Bezirksamts Freiburg in dem Hause ein; nachdem er zu Ibental die Eigentums- und Heimatsurkunden erhoben, erklärte er der Eigentümerin und Vorsteherin, daß er mit einer Untersuchung beauftragt sei, und zog die ihm nötig erscheinenden Erkundigungen ein. Jede Auskunft wurde bereitwillig gegeben und ihm auf Verlangen alle Räume des Hauses geöffnet.“
Das war der erste Akt von dem nun anhebenden Trauerspiel. Daß man gerade die Vortage vor Weihnachten dazu gewählt hatte, zeigt die ganze Rücksichtslosigkeit der Kulturkämpferei! Man arbeitete rasch, gleich als ob der Staat in Gefahr wäre. „Am Weihnachtsabend, den 24. Dezember 1868, kam der genannte Beamte wieder und verkündete den bestürzten Jungfrauen das Erkenntnis des Großherzoglichen Ministeriums des Innern vom 22. Dezember.“
Wie
lautet nun das Weihnachtsgeschenk, das Minister Jolly auf den
Lindenberg zu senden für recht und gut befunden hatte? Da dieses
Christkindle in Form eines Befehles es verdient, nicht in Vergessenheit zu
geraten, soll es in der Hauptsache hier folgen. Der Minister schrieb:
„Da die nach § 11 des Gesetzes vom 9. Oktober 1860 vorgeschriebene
Staatsgenehmigung des in Frage stehenden religiösen Ordens nicht erwirkt
wurde, wird im Hinblick auf § 4 des Gesetzes vom 21. November 1867 der
auf dem Lindenberg, Gemarkung Unteribental, gebildete religiöse Verein katholischer Frauen als
den Staatsgesetzen zuwiderlaufend verboten.“ |
Herr von Wänker kannte die damalige badische Regierung; darum seine mannigfaltigen Anträge. Allein sie halfen alle miteinander nichts. Das angerufene Staatsministerium bestand durch Beschluß vom 28. Januar 1869 auf der Vernichtung des religiösen Vereins und setzte den Aschermittwoch - es war der 10. Februar - als letzten Termin zum Verlassen des Hauses fest!
Man sollte es nicht für möglich halten, daß solch ein brutales Vorgehen gegen brave und unbescholtene Jungfrauen noch eine Verteidigung finden würde. Die „Breisgauer Zeitung“ vom 27. Dezember 1868 und vom 7. Januar 1869 fand den traurigen Mut, in zwei von vielen Unrichtigkeiten strotzenden Artikeln, die Schandtat von Lindenberg noch zu verteidigen. Das „Freiburger Katholische Kirchenblatt“ gab am 27. Januar die entsprechende Antwort darauf. Darin ist unter anderem auch gesagt,: „Es ist eine schauerliche Verläumdung, wenn die Jungfrauen vor aller Welt so ziemlich unverblümt als frömmelnde Faulenzerinnen hingestellt werden, „ eine schändliche“ Verläumdung, wenn ihnen „beschauliches Nichtstun“ und eine „angelernte Frömmelei“ vorgeworfen wird.“ Der Volksschriftsteller Hägele aber ließ alsbald eine Broschüre über die Gewalttat auf dem Lindenberg erscheinen. Sie führt den originellen Titel: Das erste Brandopfer der Offenburgerei oder die Treibjagd auf dem Lindenberg. Sie ist 1869 bei Dilger in Freiburg erschienen. Er meinet mit Recht: „Wenn die Schwestern für gut finden, mehr zu beten als andere Leute, so schadet dieses Niemand. Die Regierung hat in das Gebet nicht hineinzuregieren. Sie schreitet ja gegen das Nichtbeten und das Nichtstun auch nicht ein!“
8.
Was ein Augenzeuge davon erzählt.
Das Urteil war in Karlsruhe gefällt. Von Freiburg aus sollte es vollzogen werden. Im „Katholischen Kirchenblatt“ Nr. 9 und 10 hat ein Augenzeuge den Vorgang eingehend also geschildert:
Die Austreibung der Lindenberger Jungfrauen.
Ich
bin in der Lage, Ihren Lesern über die bei Beginn dieser hl. Fastenzeit
vollzogene polizeiliche Austreibung der Tertiarier-Schwestern auf dem Lindenberg
genauen und wahrheitsgetreuen Bericht zu erstatten. Mit dem 10. Februar, d.i.
mit dem Aschermittwoch, war die den Lindenberger Jungfrauen gewährte
allerletzte Frist abgelaufen. Da die von Herrn Hofgerichtsadvokaten v. Wänker
meisterhaft ausgeführte Rekursschrift einfach als „unbegründet“ zurückgewiesen
oder erklärt wurde, so blieb diesen 50 Jungfrauen nichts anderes übrig, als
Herz und Hände verdoppeltem Eifer zu Gott und unserer makellosen Himmelskönigin
zu erheben. Schon seit dem Sonntag vor Dreikönig beteten und opferten dieselben
in ihrer einfachen, aber ansprechenden und schöngeschmückten Gnadenkapelle
alle Tage vor dem ausgesetzten hochwürdigen Gut. Um 1/2 8 Uhr begann das Amt
mit Erteilung des sakramentalen Segens, wobei die Schwestern tagtäglich mit den
hl. Meß- und Segensgesängen sich beteiligten, die sie, einfache,
kunstloseBauernmädchen, seit 11-12 Jahren mühsam erlernt hatten und an Sonn-
und Festtagen nach Kräften auszuführen pflegten, unterstützt von einem ganz
neuen Orgelwerke.
Je nach dem Amte sangen sie ein gar liebliches Muttergotteslied nach einer in Rom üblichen, ganz einfachen und volkstümlichen Melodie. Sofort beteten je vier Schwestern von Stunde zu Stunde wechselnd vor dem Allerheiligsten ihre üblichen Stundengebete, ganz besonders aber solche, die ihrer bedrängten Lage am angemessensten waren, bis abends nach dem Komplet, die von ihnen gleichfalls immer frischer und munterer gesungen und mit dem feierlichen Segen geschlossen wurde. Ganz besonders kräftig respondierten die jungfräulichen Sängerinnenauf das vom Priesterje einen Ton höher angestimmte: Defensor noster, aspice ["Gott der du unser Schirmer bist, sieh an den Feind und seine List"Sic.] mit den Worten: Insidiantes reprime, guberna tuos famulos, quos sanguine mercatus es - und ließen sie zum Schluß dieser ihrer eucharistischen Tagesandacht abermals freudig das erwähnte „Lied zu Maria von der immerwährenden Hilfe“ ertönen. Je drohender die Gefahr wurde, desto mehr steigerte sich der Eifer dieser Schlachtopfer des hl. Altarsakraments, so daß es sogar nötig wurde, ihnen Schranken zu setzen. Die war besonders der fall während der letzten Fastnachtstage.
Der Aschermittwoch war bei wesentlich gleicher Gottesdienstordnung ungestört vorüber. Die Gendrmen und Brigadiers, die vorher in der näheren und entfernteren Umgebung häufiger und zahlreicher als gewöhnliche sich zeigten, vermutlich um zu erkunden, ob die Schwestern vor der verhängnisvollen Frist ihr Heiligtum verließen, wurden an diesem Tage nicht mehr sichtbar. Am 11. ds. Mts., also am verflossenen Donnerstage, hatte der Gottesdienst in der eben beschriebenen Weise vor dem Sanctissimum kaum begonnen, da wurde die Hofbesitzerin aus ihrem Chore an die Pforte gerufen. In aller Frühe hatten sich nämlich die mit dieser ungewöhnlichen Exekution beauftragten obrigkeitlichen Behörden auf den Weg gemacht, fuhren, wie man sagt, bei Nacht und Nebel in einem Omnibus bis nach Rechtenbach, an den Fuß des Lindenbergs, und erstiegen sofort, den bequemeren Weg über St.Peter umgehend, von da aus die Höhe des Lindenberges. Wie es beim Oeffnen der Pforte der Haupteigentümerin zu Mut war, wird jeder fühlen, der nicht bereits ganz empfindungslos geworden. Augenblicklich sollte das Haus von den Schwestern (mit Ausnahme der zwei Hausbesitzerinnen und 6-7 weltlich gekleideten Jungfrauen, sog. Lehr- und Kosttöchtern) geräumt werden. So lautete der Befeht. Sturm und Regen wetteiferten mit der Eile der Exekution, überboten noch das gleichfalls stürmische Wetter vom 18. Dez., wo die erste und einzige Untersuchung stattfand, und vom Vorabend der hl. Weihnachtsfestes, wo die erste Sentenz vom Bezirksamtsmann Haas in mehr als energischer Weise den beiden Vorsteherinnen eröffnet worden war. Aus dem Munde der Wälder im Tal hörte man die Aeußerung fallen: keinen Hund bei solchem Wetter jemand aus dem Hause jagen. Selbst die Diener der Obrigkeit, abgehärtete, ausgediente Krieger sah man gerührt, mit Tränen in den Augen. Die Leute geben die Zahl des auf dem Lindenberg und in St.Peter selbst erschienenen Polizeipersonals auf 12-15 Mann an. Ich kann dies nicht genau verbürgen. Nur soviel ist gewiß, daß von Gendarmen oder Brigadiers nicht nur M.-Lindenberg selbst ganz umstellt war, sondern daß auch ihr etwa 8-10 Minuten von der Kapelle in der Gemarkung Eschbach gelegenes Hofgebäude, sowie die in St.Peter ihnen eigentümliche Wohnung besetzt wurde, um die überall etwas Ein- und Ausgehenden zu überwachen und zu inquirieren. Man ist es der Wahrheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit schuldig, hier öffentliche zu bezeugen, daß der mit dem Vollzug so gemessener Befehle beauftragte Polizeikommissär mit sichtbarer Teilnahme und möglichster Schonung auftrat. Auf die dringende Bitte der haus- und Hofbesitzerin, der Veronika Benitz aus Breitnau, gestattete derselbe, daß der begonnene Gottesdienst noch vollendet werden durfte. Der Priester selbst, der, vor dem Allerheiligsten stehend und das hl. Kreuzopfer in unblutiger Weise erneuernd, von all diesen äußeren Vorgängen nichts wußte, ließ wie bisher nach Vollendung des beiderseits mit ungewöhnlicher Kraft und Festigkeit gesungenen Amtes das hochwürdigste Gut noch ausgesetzt, mußte aber dann diesmal seinen recessus, die übliche Danksagung nach dem hl. Opfer, in ähnlicher Weise beschleunigen, wie einst die Kinder Israels am Tage der Flucht aus Aegypten. Bis auf 12 Uhr, so lautete das äußerste Ultimatum, sollte keine der genannten Jungfrauen mehr im Hause sein, widrigenfalls hätte es beiderseits herzzerreißende Auftritte geben müssen. Sie dankten Gott und der göttlichen Mutter, doch noch diese allerletzte Frist und die Möglichkeit erlangt zu haben, mit der allernötigsten Kleidung etc. sich zu versehen und das letzte Mal am so lieb gewordenen gemeinsamen, schwesterlichen Tische auch dem Leibe die nötige Kraft zu geben, so gut es unter solchen Umständen gehen mochte; wie sie an diesem Donnerstage (dem allwöchentlichen Gedächtnistag der Einsetzung des heil. Altarsakraments) und wie sie bereits seit dem Sonntage vor Dreikönig alle ihre Seele zu diesem harten und so heiligen Kampfe mit dem Leib des Herrn, mit dem Brot der Starken gekräftigt hatten.
Inzwischen eilte der Priester, der den Gottesdienst abgehalten hatte, eiligen Laufs über die Höhen zwischen M.-Lindenberg und St.Peter durch Kot, Sturm und Regen, um teils unterwegs, teils in St.Peter selbst an den Türen christlicher und barmherziger Familien anzuklopfen und um Aufnahme der verjagten Schwestern zu bitten. Das Hofgut selbst liegt, wie gesagt, in der Gemarkung Eschbach, während die von den Jungfrauen seit 1855 gemeinschaftlich bewohnten Gebäulichkeiten neben der Lindenbergkapelle in die Gemeinde Unteribental gehören. Auch in jenes alte, ganz baufällige Oekonomiegebäude wurde ihnen die Zuflucht untersagt. In dem eine starke halbe Stunde vom Lindenberg gelegenen St.Peter, wohin dieser eingepfarrt ist, besitzt eine der Jungfrauen, Katharina Ruf, gebürtig aus St.Peter selbst, ein niedliches Wohnhaus mit kleinem Oekonomiegebäude. Kraft zweier in das Grundbuch eingetragener Verträge haben in demselben außer der genannten Eigentümerin selbst noch acht andere Personen auf 20 Jahre Wohnrecht. Aber auch in dieses Haus wurde ihnen der Eintritt gewaltsam verwehrt, mit Ausnahme der Eigentümerin und ihrer ältesten Gefährtin, der Magdalena Pfändler von Zarten.
Als der obengenannte Priester, Wilhelm Thummel, Spiritual des Priesterseminars, wieder auf den Lindenberg zurückgekehrt war, begab er sich in die Wallfahrtskapelle, um das noch immer ausgesetzte Allerheiligste zu reponierne und vorher den auf ihrem neuen Chor versammelten Schwestern (für jetzt) das allerletzte Mal den sakramentalen Segen zu erteilen. Das war das letzte „Genitori“ und das letzte „Gelobt und gebetet sei ohne End´ das allerheiligste Altarssakrament!“ - das seit 11 Jahren so oftmals die aus Nah und Fern herbeiströmenden Pilgern erbaut hat. Orgel, Gesang und Gebt der Schwestern. das Tag und Nacht ohne Unterlaß aus Herz und Mund aus mehr als einem halben Hundert katholischer Jungfrauen für Fürst und Vaterland, für Weltliche und Geistliche, für Zeitliches und Ewiges, für Lebendige und Abgestorbene, insbesondere für das so nahegelegene Priesterseminar der großen, schon so lange und immer härter bedrängten Erzdiözese wie ein lieblicher Wohlgeruch vor der geheimnisvollen Bundeslade des neuen Bundes aufstieg, - sie müssen jetzt alle weichen, wie einst das Kind Jesus mit Maria und Joseph sich genötigt sah, in der Fremde einen Zufluchtsort zu suchen. Unterdessen waren die in aller Eile zubereiteten Leiterwägen herbeigeschafft worden. Es waren drei, bestimmt, diese unschuldige Schlachtopfer unter Sturm und Regen nach St.Peter zu verbringen. Die Schwestern, diese jungfräulichen Bräute des gekreuzigten Welterlösers im hhl. Altarssakramente, nachdem sie mit der allernötigsten Kleidung und mit P. Iso Walsers „Buch der Ewigen Anbetung“ sich versehen und im Geiste ihrem Schöpfer und Erlöser dieses harte Opfer dargebracht und dem Schutze ihrer schmerzhaften himmlischen Mutter sich empfohlen hatten, - erschienen nacheinander an der Pforte des Hauses, über welcher das liebliche Bild der jungfräulichen Himmelskönigin glänzt, vor dem Herrn Polizeikommissär, wurden nach dem obrigkeitlich aufgenommenen Verzeichnisse sorgfältig kontrolliert und bestiegen sofort schweigend wie Lämmer, die zur Schlachtbank geführt werden, die bereit gehaltenen Leiterwägen, eingedenk des makellosen Lammes, das seinen Mund nicht auftat, als es auf Kalvaria zur Schlachtbank geführt wurde. Was sie Einzelnen dachten und fühlten beim Austritt aus ihrem so stillen, friedlichen Schwesternhause, beim Besteigen der Wägen und bei deren Abfahrt, und als die ihnen und allen aufrichtigen Christenseelen aus nah und Fern so lieb gewordene Gnadenkapelle immer mehr aus den Augen schwand und dann auf demselben Wege, auf dem sie so oftmals paarweise bei Hitze und Kälte frohen Herzens, gestärkt durch Gebet, Betrachtung der hl. Kommunion und Opfer, auf den Feldern ihres sichtbarlich so gesegneten Hofgutes zur mühsamen Tagesarbeit sich verteilten - was sie auf diesem Wege fühlen mußten, auf welchem sie kaum einige Wochen zuvor die Leiche ihrer ältesten Mitschwester, einer 68 jährigen Witwe aus Breitnau, die der göttliche Bräutigam noch zur rechten Stunde in eine bessere Heimat zu sich geholt, zum Friedhof nach St.Peter geleitet hatten - das ist nur Gott dem Allwissenden bekannt. Einst wird es offenbar werden, an jenem Tage nämlich, wo Fürsten und Völker, Regenten und Regierte, Schwache und Mächtige vor dem Richterstuhle des lebendigen, dreieinigen Gottes erscheinen werden.