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Die Frauen auf dem Lindenberge bei St.Peter im Schwarzwald

Von
Dr. Emil Friedberg Ord. Professor der Rechte an der Universität Leipzig.
In: Der Staat und die katholische Kirche im Grossherzogthum Baden seit dem Jahre 1860..., Band 1, Mit amtlichen Aktenstücken.
Leipzig, Verlag von Duncker & Humblot. 1871, Teil V., Seiten 62-68,

Im Jahre 1852 traten mehrere katholische Frauen zu einer religiösen Vereinigung zusammen und lebten gemeinsam aber ohne eine bestimmte Verfassung in einem Hause welches Eine unter ihnen gekauft hatte. Später siedelten sie sich neben der Capelle auf dem Lindenberge in der Gemeinde Unteribenthal an und nachdem zwei Mitglieder einige Zeit in einem Kloster des heiligen Franziskus bei Zug verweilt hatten und dort eingekleidet waren wurde nach ihrer Rückkehr auch auf dem Lindenberge unter Leitung der mit ihnen eingetroffenen Ida Hubmann die dritte Regel des heiligen Franziscus angenommen, ein Ordenskleid Professleistung und andere klösterliche Einrichtungen eingeführt.

Die Zahl der Mitglieder wuchs seitdem auf 46 Ordensschwestern und 2 Novizen und auch die der Anstalt gewidmeten Geldmittel hoben sich durch das Eingebrachte der Schwestern und testamentarische Zuwendungen derart, dass das Kloster sich i. J. 1868 abgesehen von den eigentlichen Klostergebäuden im Besitze von zwei beträchtlichen Hofgütern befand.

Entstehung der Communität

Im Herbste 1868 wurde dem Ministerium des Innern von diesen Verhältnissen Anzeige gemacht und es erfolgte eine Untersuchung um den rechtlichen Charakter der Communität festzustellen.

Dabei ergab sich, dass die Frauen nach der dritten Regel der Brüder und Schwestern von der Busse oder des dritten Ordens des heiligen Franziscus lebten, dass die jetzige klösterliche Verfassung vom Jahre 1860 datire, dass die Frauen öffentliche feierliche Gelübde ablegten, wie denn auch noch keine aus dem Kloster ausgetreten war, dass die ewige Anbetung gehalten werde, das Haus nur bei nothwendigen Geschäften verlassen und Besuche nur hinter dem Gitter empfangen werden durften. (Erklärungen der Vorsteherin Hubmann und der Schwester Veronika Benitz). Die Staatsregierung musste deswegen zu der Ansicht gelangen, dass entgegen den Bestimmungen des Staatsgesetzes hier ein religiöser Orden ohne Genehmigung der Regierung entstanden sei und verfügte demgemäss am 22. Dezember 1868 auf Grund des § 4 des Vereinsgesetzes vom 21. November 1867 die Auflösung des Ordens.

Im Auftrage der Vorsteherin wurde aber gegen diese Anordnung Namens der „Brüderschaft“ Recurs eingelegt und die Zurücknahme der Ministerialverfügung erbeten.

Die Beschwerdeschrift suchte zunächst darzuthun, dass es sich hier keineswegs um einen religiösen Orden, sondern nur um eine religiöse Brüderschaft handle, die lediglich den Vorschriften des Vereinsgesetzes unterworfen sei und weder zu ihrer Entstehung einer staatlichen Genehmigung bedürfe, noch durch staatliche Willkür aufgelöst werden könne.

Rechtlicher Charakter derselben:

Ein religiöser Orden, so lautete die Ausführung der Recursschrift, besitze stets die Rechte einer juristischen Person, der Eintritt erfolge durch Ableistung der vota solennia und durch die Verpflichtung auf eine vom Papste bestätigte Regel, die bei weiblichen Orden stets die Clausur vorschreibe.

Alle diese Voraussetzungen aber fänden im vorliegenden Falle nicht statt da die Mitglieder des Lindenberger Institutes nur einfache Gelübde ablegten, demnach auch die Vermögensfähigkeit nicht verlören. Ueberhaupt sei ja die Regel des heil. Franz gerade für Laien bestimmt, um diesen beim Verbleiben in der Welt und ihrem Berufe Anweisung zu einem gottseligen Leben zu geben.

Endlich habe weder der Erzbischof die Genehmigung zur Begründung eines Klosters ertheilt, noch würden von ihm die Gelübde abgenommen.

Die eigenthümlichen Argumentationen der Recursschrift verfehlten auf die Entschliessung der Regierung jeder Einwirkung.

Einmal widersprachen die von der Oberin des Lindenberger Institutes und den Schwestern abgegebenen Erklärungen so wie die durch Zeugenaussagen festgestellten Thatsachen geradezu den Angaben der Recursschrift.

Die abgelegten Gelübde waren von der Oberin selbst nicht als widerrufliche oder ihrer zeitlichen Geltung nach beschränkte angesehen worden, so dass ihnen die wesentlichsten Merkmale der vota simplicia fehlten. Das Gelübde der Armuth, welches nur im votum solenne enthalten ist 1), wurde unbestritten auf dem Lindenberge abgelegt. Eine Clausur wurde in Wahrheit gehandhabt, da selbst den nächsten Angehörigen der Schwestern der Zutritt und Verkehr mit denselben nur in beschränkter Weise gestattet war; und wenn auch die Schwestern gemeinsam - freilich unter dem Gebote des Stillschweigens -  dem Kloster nahe gelegene Felder bebauten, so war das doch auch bei der Clausur mit bischöflicher Genehmigung vollkommen möglich.

Allerdings wurden die Gelübde nicht vom Erzbischofe, wohl aber durch einen Geistlichen, den Dekan Lender - wie die Oberin selbst aussagte - im bischöflichen Auftrage abgenommen, und wenn auch die erzbischöfliche Registratur versicherte, keine Acten über das Lindenberger Institut zu besitzen, und die erzbischöfliche Lindenberger Curie die Bestätigung desselben als Kloster nicht ertheilt zu haben behauptete, so lag doch auf der Hand, dass die Wirksamkeit des Staatsgesetzes bezüglich der Entstehung von Klöstern vollkommen illusorisch gemacht worden wäre, falls sie von dem Umstande hätte abhängen sollen, ob die erzbischöfliche Curie für gut fände ihre Archive zu öffnen, oder ob sie es für zweckmässig erachtete, zur Umgehung der staatlichen Bestimmungen von einer ausdrücklichen Bestätigung neuer Klosterinstitute Abstand zu nehmen und diese stillschweigend zu dulden.

Auch der Mangel der Corporationsrechte sprach nicht gegen die Klosterqualität des Lindenberger Institutes. Denn so lange die staatliche Gesetzgebung dem Orden die Corporationsrechte nicht verliehen hatte, konnte er natürlich dieselben nicht besitzen, und da er sie nicht erhalten hatte, so musste auch selbstverständlich den einzelnen Mitgliedern formell dem bürgerlichen Gesetze gegenüber die Vermögensfähigkeit erhalten bleiben, wobei sich übrigens auf dem Wege testamentarischer Festsetzungen zu Gunsten des Institutes dasselbe erreichen liess, wie bei völliger Vermögenslosigkeit der einzelnen Schwestern 2).

1) Permaneder Kirchenrecht (Landshut 1856). § 170. S. 263

2) Die amtlichen Erhebungen auf dem Lindenberge ergaben in dieser Beziehung: Am 26 Sept 1861 testirte Juliana Hügle; sie setzte vier Schwestern als Erben ein mit Anwachsrecht für den Fall des Vorabsterbens. - 19. Febr 1863. Crescenz Rombach setzt ihre im Kloster befindliche Schwester zur Universalerbin ein. - 1. März 1865. Therese Roder testirt, gleichlautend mit Juliane Hügle, indem sie drei Schwestern einsetzt. - 1856. Magdalena Heizman: vier Schwestern mit der Auflage die Hälfte zu verwenden. Ihr Vater sagte aus, dass seiner Tochter bei ihrer Aufnahme die Bedingung gestellt worden sei, ihr Vermögen der Anstalt zuzuwenden. Aus ihrer Erbschaft (1081 Fl.) erhielt er im Vergleichswege 275 Fl., wobei er noch den Grabstein setzen lassen musste.

Der Umstand, dass die Tertiarier-Regel in der That zuerst für Laien gegeben wurde, konnte an diesen Erwägungen um so weniger ändern, als aus der ursprünglichen Wurzel allmählig eine Klosterregel erwachsen war, die schon im Jahre 1395 die päpstliche Genehmigung erhalten hatte.

Stellte nach allem diesen die Staatsregierung die factisch ermittelten Momente zusammen 1), um auf den juristischen Charakter des Lindenbenger Institutes einen Rückschluss zu thun, so ergab sich, dass von einer Confraternität keine Rede sein konnte.

Denn in dieser fehlt vor allen Dingen ein gemeinsames Leben, eine vita communis, welche auf dem Lindenberge vorhanden war. Es kommen ferner gar keine Gelübde, auch nicht vota simplicia, vor während Gelübde auf dem Lindenberge unzweifelhaft abgelegt wurden und nur deren juristischer Charakter streitig war.

Endlich fehlt bei den Confraternitäten eine Regula, welche alle Lebensverhältnisse ordnet, während auf dem Lindenberge das Gelübde sich auch auf die Befolgung der Regel erstreckte 2).

War aber das Lindenberger Institut nicht als Confraternität aufzufassen, so konnte es nur ein Kloster oder eine Congregation sein.

Eine nähere Erörterung aber, welcher dieser beiden Fälle Platz greife, war für die Staatsregierung schon deswegen unnöthig, weil das Gesetz beide gleichmässig behandelte.

1) Die Generalverzeichnisse des Pfarramtes St.Peter bezeichneten die Schwestern als „Klosterfrauen“. Der Geschäftsführer derselben, Gremmelsbacher, erklärte am 27. Dezember 1862 vor dem Notar Glykhart: „Das Kloster der Kapuzinerinnen Maria Hilf auf Lindenberg hat kein Vermögen“

2) Vgl. über die Rechtsverhältnisse der Confraternitäten: Schulte Lehrb. d. KR. 2. Aufl. 1868. S. 480.  

Denn § 11 des Staatsgesetzes vom 9. October 1860 sprach zwar ausdrücklich nur von der an die Staatsgenehmigung geknüpften Einführung eines religiösen Ordens und einzelner Anstalten eines solchen. Aber die Regierungsmotive bemerkten, dass in der gedachten Bestimmung die Grundsätze des I. Badischen Constitutionsedictes aufrecht erhalten werden sollten, welches lediglich von Gesellschaften und Instituten sprach, die sich für einen kirchlichen Zweck bilden würden. Dass aber unter diesen Gesellschaften auch die Congregationen zu verstehen seien, war selbstverständlich und auch praktisch durch die i. J. 1845 ertheilte staatliche Genehmigung des Ordens der barmherzigen Schwestern - einer quasiregulären Genossenschaft - illustrirt worden.

Es konnte auch um so weniger angenommen werden, dass das Gesetz v. 1860 die Congregationen nicht mitumfasse, als die Regierung sonst sogar unter das Maass der Befugnisse freiwillig heruntergegangen wäre, welches selbst das Concordat der Staatsgewalt gewährt hatte, und wonach für die Einführung von Congregationen ein Einvernehmen der Staatsbehörde festgesetzt wurde.

Somit wurde der Recurs gegen die Regierungsverfügung zurückgewiesen und die Aufhebung des Institutes auf dem Lindenberge befohlen.

Es war selbstverständlich, dass diese von den kirchlichen Parteigängern sehr drastisch in Scene gesetzt wurde.

Aufhebung derselben:

Die Jungfrauen auf dem Lindenberge warteten geduldig den äussersten von der Regierung für die Räumung des Hauses gestellten Termin ab, um dann über das Eintreffen der Executivbehörde sehr erstaunt und im äussersten Maasse verwundert zu erscheinen. Der Umstand, dass an dem Tage der Austreibung heftiges Regenwetter herrschte musste mit dazu beitragen, dem ganzen Gemälde wie es das officiöse Organ der Freiburger Curie darstellte, einen düsteren Charakter zu verleihen; und um des tiefsten Eindruckes auf gefühlvolle Seelen gewiss zu sein, hiess es dort: Selbst die Diener der Obrigkeit, abgehärtete Krieger, sah man gerührt mit Thränen in den Augen 1).

Uebrigens war mit der polizeilichen Ausweisung der Ordensschwestern die Angelegenheit noch nicht erledigt.

1) Jahrg. 1869. No. 9. S. 65.

Während ein Theil der Jungfrauen sich in das Elsass begab, kauften acht andere kluge Jungfrauen, die das Oel in ihren Lampen nicht ausgehen lassen wollten 1), einen Eigenthumsantheil an dem Klostergebäude, und begaben sich bei Nacht und Nebel heimlich in dasselbe.

Wieder wurde ihnen der Befehl eröffnet, das Haus zu verlassen - denn die Absicht der Gesetzumgehung sprang zu deutlich in die Augen - wieder richteten sie einen Recurs an das Ministerium und wieder wichen sie nur polizeilicher Gewalt.

Die ultramontane Presse:

Die s.g. katholische Presse bemächtigte sich übrigens des dankbaren Stoffes mit mehr Eifer als Geschmack und Erfolg. Eine Brochüre betitelt: Das erste Brandopfer der Offenburgerei oder die Treibjagd auf dem Lindenberge. Ein Halihalo von M Hägele appellirte in der naivsten Weise sogar an das pekuniäre Interesse der badischen Landesbewohner, welche jetzt die schönen bisher von den Lindenberger Schwestern bezogenen Einnahmen den Franzosen überlassen müssten.

Der Verfasser wollte - um den Geist, welcher durch die badische ultramontane Literatur weht, hier kurz zu kennzeichnen, - den gegenstandlos und sinnlos gewordenen Bund zwischen Thron und Altar lösen. Christlich geblieben ist der Altar, neuheidnisch ist geworden der Thron. Zeitgemäss und sachgemäss dagegen ist geworden der Bund der unterdrückten und verfolgten Ultramontanen mit jedem ehrlichen Manne, der Front macht gegen den gemeinsamen, bloss von der Uneinigkeit lebenden und abermals auf Uneinigkeit speculirenden Hauptfeind, Front wider den Allen gemeinsamen Feind, wider die Allmacht des s.g. Staates 2)

1) Jahrg. 1869. No. 17. S. 129.

2) Der Verfasser versucht dabei den Begriff eines Revolutionäres festzustellen, indem er „die berechtigte und pflichtgemässe Nothwehr eines in seinen heiligsten Rechten und Gütern misshandelten Volkes oder Standes nicht dazu rechnet“....... haben endlich auch in deutschredenden Landen der kleine Mann und der Fabrikarbeiter angefangen, sich zu regen wider die durch und durch revolutionäre Allmacht des todten Kapitals, so wie gegen die weisse Sklaverei der Grossindustrie mitten im Christenland, so kann ein billigdenkender Mensch ihnen bloss den besten Erfolg wünschen.“ Dass der Verfasser mit diesen socialistischen Sympathien gleichzeitig den Standpunkt der Freiburger Curie vertritt, ergiebt sich aus dem Hirtenbriefe des Weihbischofs Kübel bezüglich der Feiertage. 

Auch das Freiburger Diöcesanblatt öffnete aufs Neue seine Spalten dem Lindenberger Conflicte, bis die Aufmerksamkeit dieses Pressorganes sich einem anderen Gegenstand von allerdings nur lokaler Bedeutung der aber wenigstens einige Agitation in der Stadt Freiburg ermöglichte, zuwenden konnte 1).

1) Der Freiburger Magistrat hatte in den dortigen Anlagen einige Figuren aufstellen lassen. Gegen diese, „bei deren Anblick selbst anständige Heiden erröthen müssten,“ eröffnete das Blatt einen „Freiburger Bilderstreit“.