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Die Frauen auf dem Lindenberge bei St.Peter im Schwarzwald |
Von |
Im
Jahre 1852 traten mehrere katholische Frauen zu einer religiösen Vereinigung
zusammen und lebten gemeinsam aber ohne eine bestimmte Verfassung in einem Hause
welches Eine unter ihnen gekauft hatte. Später siedelten sie sich neben der
Capelle auf dem Lindenberge in der Gemeinde Unteribenthal an und nachdem zwei
Mitglieder einige Zeit in einem Kloster des heiligen Franziskus bei Zug verweilt
hatten und dort eingekleidet waren wurde nach ihrer Rückkehr auch auf dem
Lindenberge unter Leitung der mit ihnen eingetroffenen Ida Hubmann die dritte
Regel des heiligen Franziscus angenommen, ein Ordenskleid Professleistung und
andere klösterliche Einrichtungen eingeführt.
Die
Zahl der Mitglieder wuchs seitdem auf 46 Ordensschwestern und 2 Novizen und auch
die der Anstalt gewidmeten Geldmittel hoben sich durch das Eingebrachte der
Schwestern und testamentarische Zuwendungen derart, dass das Kloster sich i. J.
1868 abgesehen von den eigentlichen Klostergebäuden im Besitze von zwei beträchtlichen
Hofgütern befand.
Entstehung
der Communität
Im
Herbste 1868 wurde dem Ministerium des Innern von diesen Verhältnissen Anzeige
gemacht und es erfolgte eine Untersuchung um den rechtlichen Charakter der
Communität festzustellen.
Dabei
ergab sich, dass die Frauen nach der dritten Regel der Brüder und Schwestern
von der Busse oder des dritten Ordens des heiligen Franziscus lebten, dass die
jetzige klösterliche Verfassung vom Jahre 1860 datire, dass die Frauen öffentliche
feierliche Gelübde ablegten, wie denn auch noch keine aus dem Kloster
ausgetreten war, dass die ewige Anbetung gehalten werde, das Haus nur bei
nothwendigen Geschäften verlassen und Besuche nur hinter dem Gitter empfangen
werden durften. (Erklärungen der
Vorsteherin Hubmann und der Schwester Veronika Benitz). Die Staatsregierung
musste deswegen zu der Ansicht gelangen, dass entgegen den Bestimmungen des
Staatsgesetzes hier ein religiöser Orden ohne Genehmigung der Regierung
entstanden sei und verfügte demgemäss am 22. Dezember 1868 auf Grund des § 4
des Vereinsgesetzes vom 21. November 1867 die Auflösung des Ordens.
Im
Auftrage der Vorsteherin wurde aber gegen diese Anordnung Namens der „Brüderschaft“
Recurs eingelegt und die Zurücknahme der Ministerialverfügung erbeten.
Die
Beschwerdeschrift suchte zunächst darzuthun, dass es sich hier keineswegs um
einen religiösen Orden, sondern nur um eine religiöse Brüderschaft handle,
die lediglich den Vorschriften des Vereinsgesetzes unterworfen sei und weder zu
ihrer Entstehung einer staatlichen Genehmigung bedürfe, noch durch staatliche
Willkür aufgelöst werden könne.
Rechtlicher
Charakter derselben:
Ein
religiöser Orden, so lautete die Ausführung der Recursschrift, besitze stets
die Rechte einer juristischen Person, der Eintritt erfolge durch Ableistung der
vota solennia und durch die Verpflichtung auf eine vom Papste bestätigte Regel,
die bei weiblichen Orden stets die Clausur vorschreibe.
Alle
diese Voraussetzungen aber fänden im vorliegenden Falle nicht statt da die
Mitglieder des Lindenberger Institutes nur einfache Gelübde ablegten, demnach
auch die Vermögensfähigkeit nicht verlören. Ueberhaupt sei ja die Regel des
heil. Franz gerade für Laien bestimmt, um diesen beim Verbleiben in der Welt
und ihrem Berufe Anweisung zu einem gottseligen Leben zu geben.
Endlich
habe weder der Erzbischof die Genehmigung zur Begründung eines Klosters
ertheilt, noch würden von ihm die Gelübde abgenommen.
Die
eigenthümlichen Argumentationen der Recursschrift verfehlten auf die
Entschliessung der Regierung jeder Einwirkung.
Einmal
widersprachen die von der Oberin des Lindenberger Institutes und den Schwestern
abgegebenen Erklärungen so wie die durch Zeugenaussagen festgestellten
Thatsachen geradezu den Angaben der Recursschrift.
Die
abgelegten Gelübde waren von der Oberin selbst nicht als widerrufliche oder
ihrer zeitlichen Geltung nach beschränkte angesehen worden, so dass ihnen die
wesentlichsten Merkmale der vota simplicia fehlten. Das Gelübde der Armuth,
welches nur im votum solenne enthalten ist 1), wurde unbestritten auf dem
Lindenberge abgelegt. Eine Clausur wurde in Wahrheit gehandhabt, da selbst den nächsten
Angehörigen der Schwestern der Zutritt und Verkehr mit denselben nur in beschränkter
Weise gestattet war; und wenn auch die Schwestern gemeinsam - freilich unter dem
Gebote des Stillschweigens - dem Kloster nahe gelegene Felder bebauten, so war das doch
auch bei der Clausur mit bischöflicher Genehmigung vollkommen möglich.
Allerdings
wurden die Gelübde nicht vom Erzbischofe, wohl aber durch einen Geistlichen,
den Dekan Lender - wie die Oberin selbst aussagte - im bischöflichen Auftrage
abgenommen, und wenn auch die erzbischöfliche Registratur versicherte, keine
Acten über das Lindenberger Institut zu besitzen, und die erzbischöfliche
Lindenberger Curie die Bestätigung desselben als Kloster nicht ertheilt zu
haben behauptete, so lag doch auf der Hand, dass die Wirksamkeit des
Staatsgesetzes bezüglich der Entstehung von Klöstern vollkommen illusorisch
gemacht worden wäre, falls sie von dem Umstande hätte abhängen sollen, ob die
erzbischöfliche Curie für gut fände ihre Archive zu öffnen, oder ob sie es für
zweckmässig erachtete, zur Umgehung der staatlichen Bestimmungen von einer
ausdrücklichen Bestätigung neuer Klosterinstitute Abstand zu nehmen und diese
stillschweigend zu dulden.
Auch
der Mangel der Corporationsrechte sprach nicht gegen die Klosterqualität des
Lindenberger Institutes. Denn so lange die staatliche Gesetzgebung dem Orden die
Corporationsrechte nicht verliehen hatte, konnte er natürlich dieselben nicht
besitzen, und da er sie nicht erhalten hatte, so musste auch selbstverständlich
den einzelnen Mitgliedern formell dem bürgerlichen Gesetze gegenüber die Vermögensfähigkeit
erhalten bleiben, wobei sich übrigens auf dem Wege testamentarischer
Festsetzungen zu Gunsten des Institutes dasselbe erreichen liess, wie bei völliger
Vermögenslosigkeit der einzelnen Schwestern 2).
1)
Permaneder Kirchenrecht (Landshut 1856). § 170. S. 263
2)
Die amtlichen Erhebungen auf dem Lindenberge ergaben in dieser Beziehung: Am 26
Sept 1861 testirte Juliana Hügle; sie setzte vier Schwestern als Erben ein mit
Anwachsrecht für den Fall des Vorabsterbens. - 19. Febr 1863. Crescenz Rombach
setzt ihre im Kloster befindliche Schwester zur Universalerbin ein. - 1. März
1865. Therese Roder testirt, gleichlautend mit Juliane Hügle, indem sie drei
Schwestern einsetzt. - 1856. Magdalena Heizman: vier Schwestern mit der Auflage
die Hälfte zu verwenden. Ihr Vater sagte aus, dass seiner Tochter bei ihrer
Aufnahme die Bedingung gestellt worden sei, ihr Vermögen der Anstalt
zuzuwenden. Aus ihrer Erbschaft (1081 Fl.) erhielt er im Vergleichswege 275 Fl.,
wobei er noch den Grabstein setzen lassen musste.
Der
Umstand, dass die Tertiarier-Regel in der That zuerst für Laien gegeben wurde,
konnte an diesen Erwägungen um so weniger ändern, als aus der ursprünglichen
Wurzel allmählig eine Klosterregel erwachsen war, die schon im Jahre 1395 die päpstliche
Genehmigung erhalten hatte.
Stellte
nach allem diesen die Staatsregierung die factisch ermittelten Momente zusammen
1), um auf den juristischen Charakter des Lindenbenger Institutes einen Rückschluss
zu thun, so ergab sich, dass von einer Confraternität keine Rede sein konnte.
Denn
in dieser fehlt vor allen Dingen ein gemeinsames Leben, eine vita communis,
welche auf dem Lindenberge vorhanden war. Es kommen ferner gar keine Gelübde,
auch nicht vota simplicia, vor während Gelübde auf dem Lindenberge
unzweifelhaft abgelegt wurden und nur deren juristischer Charakter streitig war.
Endlich
fehlt bei den Confraternitäten eine Regula, welche alle Lebensverhältnisse
ordnet, während auf dem Lindenberge das Gelübde sich auch auf die Befolgung
der Regel erstreckte 2).
War
aber das Lindenberger Institut nicht als Confraternität aufzufassen, so konnte
es nur ein Kloster oder eine Congregation sein.
Eine
nähere Erörterung aber, welcher dieser beiden Fälle Platz greife, war für
die Staatsregierung schon deswegen unnöthig, weil das Gesetz beide gleichmässig
behandelte.
1)
Die Generalverzeichnisse des Pfarramtes St.Peter bezeichneten die Schwestern als
„Klosterfrauen“. Der Geschäftsführer derselben, Gremmelsbacher, erklärte
am 27. Dezember 1862 vor dem Notar Glykhart: „Das Kloster der Kapuzinerinnen
Maria Hilf auf Lindenberg hat kein Vermögen“
2)
Vgl. über die Rechtsverhältnisse der Confraternitäten: Schulte Lehrb. d. KR.
2. Aufl. 1868. S. 480.
Denn
§ 11 des Staatsgesetzes vom 9. October 1860 sprach zwar ausdrücklich nur von
der an die Staatsgenehmigung geknüpften Einführung eines religiösen Ordens
und einzelner Anstalten eines solchen. Aber die Regierungsmotive bemerkten, dass
in der gedachten Bestimmung die Grundsätze des I. Badischen
Constitutionsedictes aufrecht erhalten werden sollten, welches lediglich von
Gesellschaften und Instituten sprach, die sich für einen kirchlichen Zweck
bilden würden. Dass aber unter diesen Gesellschaften auch die Congregationen zu
verstehen seien, war selbstverständlich und auch praktisch durch die i. J. 1845
ertheilte staatliche Genehmigung des Ordens der barmherzigen Schwestern - einer
quasiregulären Genossenschaft - illustrirt worden.
Es
konnte auch um so weniger angenommen werden, dass das Gesetz v. 1860 die
Congregationen nicht mitumfasse, als die Regierung sonst sogar unter das Maass
der Befugnisse freiwillig heruntergegangen wäre, welches selbst das Concordat
der Staatsgewalt gewährt hatte, und wonach für die Einführung von
Congregationen ein Einvernehmen der Staatsbehörde festgesetzt wurde.
Somit
wurde der Recurs gegen die Regierungsverfügung zurückgewiesen und die
Aufhebung des Institutes auf dem Lindenberge befohlen.
Es
war selbstverständlich, dass diese von den kirchlichen Parteigängern sehr
drastisch in Scene gesetzt wurde.
Aufhebung derselben:
Die
Jungfrauen auf dem Lindenberge warteten geduldig den äussersten von der
Regierung für die Räumung des Hauses gestellten Termin ab, um dann über das
Eintreffen der Executivbehörde sehr erstaunt und im äussersten Maasse
verwundert zu erscheinen. Der Umstand, dass an dem Tage der Austreibung
heftiges Regenwetter herrschte musste mit dazu beitragen, dem ganzen Gemälde
wie es das officiöse Organ der Freiburger Curie darstellte, einen düsteren
Charakter zu verleihen; und um des tiefsten Eindruckes auf gefühlvolle Seelen
gewiss zu sein, hiess es dort: Selbst die
Diener der Obrigkeit, abgehärtete Krieger, sah man gerührt mit Thränen in den
Augen 1).
Uebrigens
war mit der polizeilichen Ausweisung der Ordensschwestern die Angelegenheit noch
nicht erledigt.
1)
Jahrg. 1869. No. 9. S. 65.
Während
ein Theil der Jungfrauen sich in das Elsass begab, kauften acht andere kluge Jungfrauen, die das Oel in ihren Lampen nicht ausgehen lassen
wollten 1), einen Eigenthumsantheil an dem Klostergebäude, und begaben sich
bei Nacht und Nebel heimlich in dasselbe.
Wieder
wurde ihnen der Befehl eröffnet, das Haus zu verlassen - denn die Absicht der
Gesetzumgehung sprang zu deutlich in die Augen - wieder richteten sie einen
Recurs an das Ministerium und wieder wichen sie nur polizeilicher Gewalt.
Die
s.g. katholische Presse bemächtigte sich übrigens des dankbaren Stoffes mit
mehr Eifer als Geschmack und Erfolg. Eine Brochüre betitelt: Das
erste Brandopfer der Offenburgerei oder die Treibjagd auf dem Lindenberge. Ein
Halihalo von M Hägele appellirte in der naivsten Weise sogar an das pekuniäre
Interesse der badischen Landesbewohner, welche jetzt die schönen bisher von den
Lindenberger Schwestern bezogenen Einnahmen den Franzosen überlassen müssten.
Der
Verfasser wollte - um den Geist, welcher durch die badische ultramontane
Literatur weht, hier kurz zu kennzeichnen, - den gegenstandlos und sinnlos
gewordenen Bund zwischen Thron und Altar lösen. Christlich geblieben ist der Altar, neuheidnisch ist geworden der Thron.
Zeitgemäss und sachgemäss dagegen ist geworden der Bund der unterdrückten und
verfolgten Ultramontanen mit jedem ehrlichen Manne, der Front macht gegen den
gemeinsamen, bloss von der Uneinigkeit lebenden und abermals auf Uneinigkeit
speculirenden Hauptfeind, Front wider den Allen gemeinsamen Feind, wider die
Allmacht des s.g. Staates 2)
1)
Jahrg. 1869. No. 17. S. 129.
2)
Der Verfasser versucht dabei den Begriff eines Revolutionäres festzustellen,
indem er „die berechtigte und pflichtgemässe Nothwehr eines in seinen
heiligsten Rechten und Gütern misshandelten Volkes oder Standes nicht dazu
rechnet“....... haben endlich auch in deutschredenden Landen der kleine Mann
und der Fabrikarbeiter angefangen, sich zu regen wider die durch und durch
revolutionäre Allmacht des todten Kapitals, so wie gegen die weisse Sklaverei
der Grossindustrie mitten im Christenland, so kann ein billigdenkender Mensch
ihnen bloss den besten Erfolg wünschen.“ Dass der Verfasser mit diesen
socialistischen Sympathien gleichzeitig den Standpunkt der Freiburger Curie
vertritt, ergiebt sich aus dem Hirtenbriefe des Weihbischofs Kübel bezüglich
der Feiertage.
Auch
das Freiburger Diöcesanblatt öffnete aufs Neue seine Spalten dem Lindenberger
Conflicte, bis die Aufmerksamkeit dieses Pressorganes sich einem anderen
Gegenstand von allerdings nur lokaler Bedeutung der aber wenigstens einige
Agitation in der Stadt Freiburg ermöglichte, zuwenden konnte 1).
1) Der Freiburger Magistrat hatte in den dortigen Anlagen einige Figuren aufstellen lassen. Gegen diese, „bei deren Anblick selbst anständige Heiden erröthen müssten,“ eröffnete das Blatt einen „Freiburger Bilderstreit“.