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Eine
Fahrt ins Kirchzartener Tal
Freiburger
Zeitung 6./7. November 1937
Badische Chronik der Freiburger Zeitung
Zu einem der schönsten Ausflüge in die nähere Umgebung der
Schwarzwaldhauptstadt Freiburg gehört eine Fahrt ins
Kirchzartener Tal, die sich mit dem Besuch eines der
bedeutendsten und wichtigsten Denkmäler aus der Vorgeschichte
unserer Heimat, der keltischen Volksburg Tarodunum verbinden
läßt.
Der Ausgangpunkt unserer Wanderung ist Littenweiler, das vor
der Eingemeindung nach Freiburg (1. Januar 1914) eine Filiale
von Kappel war. Nachdem das Dorf vorher Eigentum der Herren
von Snewlin gewesen, wurde es 1520 von Hans Erhard von
Neuenfels an den Deutschorden in Freiburg verkauft, Bei dem
berüchtigten Zug des französischen Marschalls Tallard durch
das Kappeler und Dreisamtal im Jahre 1704 wurde das Dorf in
einen Trümmerhaufen verwandelt. Nur langsam erhoben sich die
Gebäude aus Schutt und Asche wieder. Über dem Dorf erhebt sich
die nach einer einstmals dort gestandenen Kapelle genannte
Anhöhe von St. Barbara, von der aus sich ein prachtvoller
Blick über das Dreisamtal bis zu den Höhen von St. Peter und
St. Märgen bietet.
Die Volksburg Tarodunum
An der sogenannten Bruckmühle vorbei gelangen wir nach
Kirchzarten, dem Hauptort jener alten Mark Zarten (Marcha
Zardunum), die einstmals den ganzen Bezirk von Ebnet bis an
die fürstlich fürstenbergische Landgrafschaft Baar umfaßte.
Seinen Ursprung verdankt das Dorf Zarten dem keltischen
Refugium Tarodunnum. In seinen acht Büchern von der
Länderkunde zählt Ptolemäus (um 130 n. Chr.) unter den
„Städten“ Germaniens Tarodunum auf. Lange wurde von den
Gelehrten über die Lage dieser Niederlassung gestritten, bis
es dem badischen Naturforscher Oken gelang, nachzuweisen, daß
diese Siedlung in der Mark Zarten gelegen sein mußte. Er
machte darauf aufmerksam, daß sich der Name Zarten
lautgesetzlich von Tarodunum ableiten lasse, Die älteste
deutsche Benennung stammt aus dem Jahre 765 und heißt Zarduna,
814 und 818 Zardunum. Später hat sich der bekannte Freiburger
Geschichtsforscher Heinrich Schreiber mit Tarodunum
beschäftigt. Das Hauptverdienst für die Erforschung der Anlage
gebührt Geheimrat Fabricius und Professor Leonhardt, die durch
größere Grabungen und Untersuchungen im Jahre 1901 feststellen
konnten, daß es sich hier, wie schon der Name besagt — dunum
heißt Berg — um eine keltische Anlage handelt.
Die Fläche, die eins Tarodunum einnahm, liegt zwischen dem aus
dem Höllental kommenden Rotbach und dem Wagensteigbach, die
sich westlich der Station Himmelreich bis auf 670 Meter nähern
und dann kurz oberhalb von Zarten vereinigen. Da die Böschung
nach beiden Seiten hin in einer Höhe von 12 bis 15 Meter steil
abfällt, war dieses Gelände für eine Verteidigung sehr gut
geeignet. Nur von einer Seite, von Osten her, konnte man
leichter in diesen Raum hineingelangen; er wurde dort aus
diesem Grunde durch eine besonders starke Verteidigungsanlage,
die aus einer starken Mauer und einem Graben bestand,
geschützt. Es ist der sogenannte Heidengraben, der sich in
einer Länge von 670 Meter über die Hochebene hinzieht. Die
Grabung ließ außen einen ursprünglich 12 Meter breiten und 4
Meter tiefen Spitzgraben erkennen. Innerhalb erhob sich eine
Mauer von über 8 1/2 Meter Stärke; Vorder- und Hinterfront
bestanden aus mächtigen Steinblöcken, die Füllung dazwischen
aus gelbem Kies, in dem große Mengen von Holzkohlen und eine
Anzahl etwa 20 Zentimeter langer eiserner Nägel gefunden
wurden, ein Beweis für den gemischten Holz- und Steinbau.
Demnach wurde ein Holzfachwerk erstellt und die Zwischenräume
mit Steinen ausgefüllt. In der Mitte der Ostseite wurde an ein
Tor mit aufspringenden Türmen und eine durchgehende gestückte
Straße nachgewiesen, die noch im Mittelalter benützt wurde.
Auch die anderen Seiten längs der Bäche waren befestigt, hier
erhob sich ein Randwall, der aus einer Mauer und einer
mächtigen Schüttung aus Lehm und Kies dahinter bestand. So
konnte die Mauer von den Verteidigern leicht bestiegen werden,
zugleich wurde die Schüttung nach vorne gestützt. Da jedoch
keine Anzeichen vorliegen, daß sich hier eine dauernde größere
Siedlung befand, ist anzunehmen, daß Tarodunum eine
Zufluchtsstätte war, in die sich die Bevölkerung in Notzeiten
mit Hab und Gut flüchtete.
Aus der Geschichte Kirchzartens
Kirchzarten, das 1125 noch als Kilizartun, 1297 als
Kilchzarten genannt wird, kam Ende des 10. Jahrhunderts an das
Kloster Einsiedeln, doch behielt St. Gallen den ihm gehörigen
Dinghof und den Pfarrsatz, welche Rechte es 1297 an die
Johanniter in Freiburg verkaufte. Im Jahre 1320 verkauften die
Johanniter die hohe und die niedere Gerichtsbarkeit an den
Ritter Kuno von Falkenstein, und 1450 kam das Dorf an Johann
Snewlin von Landeck zu Wisneck, der fünf Jahre später vom
Kloster St. Märgen auch die Vogtei erhielt und seine Rechte in
Zarten an die Stadt Freiburg abtrat, die im Jahre 1462 vom
genannten Kloster die Obervogtei des Klosters, den Dinghof zu
Zarten, das Gut Birkenreuthe und alles Eigentum des St.
Märgener Klosters im Tal erworben hatte.
Aus einer Urkunde aus dem Jahre 1397 geht hervor, daß in
Zarten alljährlih drei Dinggerichte abgehalten wurden; das
erste „ze mitten Hornung“, das andere „ze mitten meygen“
(Mitte Mai), das dritte Gding „an den nächsten Tag nach sant
Remigen Tag (im Oktober) so man dem Gotzhus zinset“.
Um das Jahr 1496 wurde die Talvogtei errichtet. Die 14
Vogteien des Tales wurden nach Kirchzarten, in dessen Schloß
der Talschaffner residierte, eingepfarrt. Erst im Jahre 1818
verkaufte Freiburg seine Güter in Kirchzarten und behielt nur
das große Hofgut Birkenreuthe.
Kaum ein Jahrzehnt des 15, und kaum ein Jahr des beginnenden
16. Jahrhunderts ist ohne einen Bauernaufstand. Sie sind ein
Zeichen der unbefriedigenden Lage der Bauern in großen
Gebieten Deutschlands besonders im Südwesten und im Süden, wo
der Bundschuh in Lehen (1518) und der „arme Konrad“ in Bühl
nur mit großer Mühe unterdrückt worden waren. Die Unruhen
begannen wieder im Mai 1524 im Gebiet von St. Blasien, die
Bewegung ebbte trotz des Anschlusses der Hegauer Bauern gegen
den Winter zu wieder ab. Dann aber griff sie auf den Breisgau
über und im Februar 1525 stand plötzlich das ganze schwäbische
Land im Aufruhr.
Verhältnismäßig spät rückte der Bauernkrieg an Freiburg selbst
heran, als die Bauern konzentrisch auf die ihnen am meisten
verhaßte Stadt zuzogen. Vom Schwarzwald herunter kam der
Schwarzwälder Haufe unter Hans Müller von Bulgenbachh. Sein
Weg führte vom Hegau aus über Hüfingen, Vöhrenbach, Triberg,
St.Georgen, Furtwangen, St.Märgen nach Kirchzarten, wo sie ein
zweiter Haufe, der von St.Blasien über Todtmoos herunterkam,
mit jenem vereinigte. Das Hauptquartier wurde in Kirchzarten
aufgeschlagen. Täglich sandten die Bauern Briefe nach
Freiburg, die zur Übergabe und zum Anschluß an die Sache der
Bauern aufforderten. Als aber der Freiburger Stadtrat keine
Antwort mehr gab, rückten die Bauern gegen Freiburg. und
besetzten den unbewachten Schloßberg. Die Lage war dadurch
unhaltbar geworden, besonders, da man auch der Bürgerschaft
nicht sicher war, von der ein großer Teil mit den Bauern
sympathisierte. So kam es zu einem Waffenstillstand, dem am
28. Mai 1526 der Einzug der siegreichen Bauern und am Tage
darauf der Abschluß einer „Christlichen Vereinigung“ folgten.
Wie Freiburg kam auch das ihm gehörende Kirchzarten von 1679
bis 1697 unter französische Oberhoheit. Neue Drangsale brachte
der Durchzug Moreaus. durch das Höllental (1796). Bei dem
großen Brande im Jahre 1807 blieben in Kirchzarten nur wenige
Bauten erhalten, so die Kirche, die schon im Jahre 816 genannt
wird. Die heutige Pfarrkirche stammt in ihren Hauptteilen aus
dem Anfang des 16. Jahrhunderts. In der Kirche ist das Grabmal
des Ritters Kuno von Falkenstein, des Erbauers der nach ihm
benannten Burg im Höllental besonders bemerkenswert.
Das alte Schloß — die Talvogtei
Ihren Besitz im Dreisamtal ließ die Stadt Freiburg von der
Talvogtei bei Kirchzarten aus bewirtschaften. Das „alte
Schloß“, eine der größten Wasserburgen des Breisgaus, wurde im
Bauernkrieg wie die anderen Burgen der Gegend von den
aufrührerischen Bauern belagert und zerstört, bald aber wieder
aufgebaut. Die geräumige, hufeisenförmig gebaute Burg liegt
westlich von Kirchzarten in der Höhe der Bahnlinie, die am
Rand des ausgefüllten Weihers vorbeiführt. Der Hof ist in der
westlichen Hälfte von dreistöcktigen Gebäuden umgeben; die
andere Hälfte ist durch eine Mauer geschützt. Die Nordostecke
ist durch einen Geschützstand ausgefüllt, an der Südostecke
liegt eine kleine Scheune, die aber erst später errichtet
wurde. In der durch die beiden Flügel gebildeten Ecke steht,
ähnlich wie beim sogenannten Schloß in Staufen , ein
Treppenturm. Er ist nach außen achteckig, die schiefen Fenster
sind profiliert. Die drei Geschosse der schmucklosen Bauten
mit ihren einfachen, offenbar erst später eingesetzten
Fenstergewänden zeigten früher auf der Westseite keine
Fensteröffnungen sondern nur (die jetzt vermauerten)
Schießscharten. Auf dem geraden Sturz des Turmportals sind
zwei Wappenschilde (Vorderösterreich und Freiburg) und die
Jahreszahl 1621 erkenntlich.
In diesem „Schloß“ wohnte bis 1806 der Freiburger Talvogt oder
Talschaffner, dem das Talamt unterstand. Er erhob den Zehnten
und hielt Gericht im Namen Freiburgs.
Zu diesem Talamt gehörte außer den städtischen Besitzungen in
Zarten, Kirchzarten, Wagensteig, St.Märgen und Himmelreich das
Gut Birkenreuthe, das im Laufe einer langen Geschichte gar
oftmals seinen Herrn wechselte. Vor seinem Überganq an
Freiburg war es Besitz des bekannten Freiburger
Stadtschreibers Fanz Ferdinand Mayer von Fahnenberg. Das
jetzige Schloß, ein einfacher rechteckiger Bau aus dem Anfang
des 18. Jahrhunderts, ist wie die Talvogtei ebenfalls eine
Wasserburg. Noch vor einigen Jahren waren die nördlichen
Weiher mit Wasser gefüllt, die allmählich versumpften und
zugeschüttet wurden.
Kirchzarken als Kurort
Die idyllische Lage des Dorfes, das milde Klima und die guten
Unterkunftsverhältntsse ließen Kirchzarten als erfolgreichen
Erholungs- und Kurort aufblühen. Es war namentlich der Kur-
und Verkehrsverein, der in den vergangenen Jahren eine rührige
Propaganda durchführte, die von Erfolg gekrönt war, was die
von Jahr zu Jahr steigenden Übernachtungsziffern deutlich
zeigen. Dazu kommt, daß Kirchzarten ein gegebenes
Standquartier für viele Tal, und Höhenwanderungen ist. Von
St.Peter aus läßt sich der Kandel ohne größere Anstrengung
erreichen. Eine andere Straße führt über den Notschrei durch
das Wiesental und zum Schauinsland. Über den Stübenwasen geht
es hinauf zum Feldberg. Durch das Wagensteigtal führt eine
andere Straße nach St.Märgen und zum Thurner. Die durch das
wildromantische Zastler Tal führende Straße windet sich hinauf
zum Rinken und dann ebenfalls zum Feldberg. Viel begangen wird
auch der über den Giersberg mit seinem herrlichen Rundblick
führende Pfad nach dem Hinterwaldkopf.
Mit dem Ausbau Kirchzartens als Kurort ging die Verschönerung
des Ortsbildes Hand in Hand, Nicht nur die Gaststätten, Hotels
und Pensionen wurden neuzeitlich eingerichtet, sondern auch
die Eigentümer der Privathäuser trugen durch eine Erneuerung
ihrer Häuser bei, den Kurfremden den Aufenthalt so behaglich
als möglich zu machen.
Der aufstrebende Luftfkurort Kirchzarten ist auch ein sehr
beliebtes Ausruhplätzchen für Ruhestandsbeamte und andere
Menschen geworden, die nach ihrer Arbeit Ruhe notwendig haben.
So entstanden in den vergangenen Jahren eine stattliche Anzahl
neuer Landhäuser; eine besondere Zierde des Dorfes bildet die
in der Nähe des Bahnhofs gelegene Lindenau.
Viel zur Hebung des Fremdenverkehrs hat auch das 1934
errichtete Strandbad mit seiner großen Liegewiese beigetragen,
die sich während der Sommermonate immer großen Zuspruchs
erfreuen.
Da der Bahnhof immer die Visitenkarte eines Ortes ist und die
räumlichen Verhältnisse keineswegs mehr den Anforderungen des
gesteigerten Verkehrs entsprachen. wurde 1936/37 ein
umfassender Umbau des Bahnhofsgebäudes Kirchzarten
durchgeführt, das heute einen sehr netten freundlichen
Eindruck macht. Die Bahnsteige wurden neu geteert, Sitzbänke
angebracht, der Schalterraum wurde wesentlich erweitert,
ebenso das Dienstzimmer, die bisher primitiv und eng gewesen
waren und wie der ganze frühere Bau noch aus jener Zeit
stammten, da es weder einen Sommer- noch einen Winterverkehr
noch viel weniger einen Verkehr von Kurgästen gab, wie er
heute schon fast selbstverständlich ist. Auch der
Bahnhofsvorplatz wurde neu hergerichtet und kann nachts
beleuchtet werden. So kann auch ein Bahnhof durch
Verschönerung des Ortsbildes beitragen!
Daß Kirchzarten einen so erfreulichen Aufschwung als Kurort
nahm, ist mit ein besonderes Verdienst des Kur- und
Verkehrsvereins, der namentlich in den Jahren 192 bis 1935
eine intensive Propaganda in Westdeutschland entfaltete. So
ist es erklärlich, daß neben den Kurgästen aus Berlin,
Stuttgart, Pforzheim und andern Orten namentlich die
Rheinländer immer sehr stark vertreten sind.
Wie uns Bürgermeister Zimmermann und der Geschäftsführer des
Verkehrsvereins, Schillinger, mitteilten, war der Kurbetrieb
auch in diesem Sommer sehr befriedigend. Die Gasthäuser und
Pensionen waren immer überfüllt, so daß Privatquartiere in
Anspruch genommen werden mußten, um alle Erholungsuchenden
unterzubringen, unter denen sich sehr viele finden, die alle
Jahre nach Kirchzarten kommen, das sie seiner landschaftlich
anmutigen Lage, seines milden Klimas und seiner preiswerten
Unterkunftsverhältnisse wegen ins Herz geflossen haben.
BSch