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Geschichtlicher Streifzug durch das
Höllental
Von A.
Fahrner, Freiburg i. Br.
Badische Chronik
der Freiburger Zeitung
Sonntag, 20 Oktober 1935
Wo heute der geruhsame Wanderer oder der flinke Autofahrer
sorgenfrei durch das Höllental kommt und die einzigartige
Schönheit dieser einmaligen Landschaft bewundert, zogen einst
der Pilger, der Bauer und der Kaufmann mit dem mit Gütern
beladenen Saumtier klopfenden Herzens des Weges. Hatte das
mächtige Felsenmeer für jene schon etwas Schreckhaftes, so war
die Furcht vor den räuberischen Ueberfällen der Herren von
Falkenstein, die gleich räuberischen Spinnen in ihrem
Raubritternest lauerten, noch viel größer. Während die ersten
Ritter dieses Namens noch zu den Besten des um 1200 erstmals
erwähnten Geschlechtes zählten, sanken deren Nachkommen zu
beutegierigen Mordgesellen herab. Als den Bürgern der
aufblühenden Stadt Freiburg das Treiben der gemeingefährlichen
Gesellen zu bunt wurde, zogen sie mit vereinten Kräften vor die
Burg (1389), die sie, wie die Gesichte erzählt, mit eisernen
Kugeln beschossen. Hatte doch wenige Jahre zuvor ihr Mitbürger,
der Mönch Berthold Schwarz, das Schießpulver in Deutschland
erfunden. Die Burg wurde dem Erdboden gleichgemacht, die
Ueberlebenden als Gefangene nach Freiburg geführt. Nur wenige
Mauerreste künden heute von der ehemaligen Burg Falkenstein. Der
schmale Pfad durch die Hölle konnte nur zu Fuß oder mit
Saumtieren benützt werden, während der Wagenverkehr durch den
Schwarzwald für viele Jahrhunderte über die Nessellachen führte.
Beim sogenannten Schupphof (Postschuppen) in der Nähe des
heutigen „Hirschen“ in Buchenbach wurden die Güter auf Maulesel
verladen und auf einem Saumpfad über die Pfaffeneck zum alten
Postwirtshaus „Zum Rößle“ auf die Nessellachen geführt, von wo
aus der Weitertransport mit Wagen erfolgte. Erst um die Mitte
des 18. Jahrhunderts wurde der Saumpfad durchs Höllental fahrbar
gemacht. Die alten Gasthäuser in der Falkensteig sowie die „Alte
Post“ und der „Sternen“ erlebten damals ihre Glanzzeit.
Anläßlich der Brautfahrt der österreichischen Kaisertochter
Maria Antoinette nach Paris, die ihre letzte Fahrt durch ihre
deutsche Heimat war, wurde 1770 der Hirschsprungfelsen gesprengt
und das dort besonders schmale Sträßchen verbreitert. 1857
endlich erfolgte der Ausbau der Höllentalstraße zu einer breiten
Landstraße, auf der sich in der Folgezeit ein sich immer mehr
steigernder Verkehr von Freiburg durch das Höllental in das der
Donau und zum Bodensee entwickelte. Auf der Bergstrecke stellten
die Gasthofbesitzer die Vorspannpferde für die Lastwagen. Damals
war der urwüchsige Bennitz Besitzer des weit bekannten
„Zwei-Tauben“-Wirtshauses. Er hatte halb Europa bereist, bevor
ihm das Höllental zur zweiten Heimat wurde, und hatte für jeden
Gast einen guten Witz parat. In seinem Stall standen 41
Vorspannpferde. Während des Bahnbaues übernahm er die Kantine im
Barackenlager und später die Bahnhofrestauration in
Hirschsprung, Als junge Wanderer hielten wir oft fröhliche
Einkehr bei dem witzigen Alten, dessen Augen immer schalkhaft
unter dem Käpple hervor blinzelten, wenn er das Kartenspiel mit
folgenden Worten einleitete: „Spielet ehrlich ich kann's nicht!“
Bald nach der Eröffnung der Eisenbahn-Linie Offenburg - Basel
kam der Wunsch auf, auch durch das Höllental eine Eisenbahn zu
bauen, um die Baar auf schnellem Wege mit dem Breißgau zu
verbinden und zugleich auch die Schönheit des Höllentals
größeren Volkskreisen zugänglich zu machen. Als im Jahre 1845
die erste diesbezügliche Eingabe der Aemter Bonndorf und
Stühlingen, welche den Bau einer Bahn von Freiburg über
Neustadt, Bonndorf, Stühlingen nach Schaffhausen forderten, in
Karlsruhe eintraf, war die Regierung nicht wenig überrascht. Als
sich dann auch noch Donaueschingen mit dem Vorschlag und dem
Wunsch einer Linienführung über Neustadt meldete, ließ die
Regierung ein Gutachten ausarbeiten, das geradezu vernichtend
lautete: Man nannte den Gedanken einer Eisenbahn auf die Höhen
des Schwarzwaldes „verrückt“. Als die Möglichkeit einer
Fernverbindung von Wien über Ulm, Freiburg, Kolmar, Paris zu den
immer lebhafteren Wünschen einer Verbindung durch das Höllental
hinzukam, wurden neue Projekte ausgearbeitet. So bestand die
Absicht, die Bahn von Buchenbach über Wagensteig und Breitnau
auf die Höhe von Hinterzarten zuführen. Die Ausführung des
Projektes, in dem 26 Tunnels vorgesehen waren, wäre auf über
zwei Millionen Gulden zu stehen gekommen. Auch eine
Linienführung über das Elztal wäre zu teuer gekommen. Mit der
Erbauung der Rigibahn nach dem System des Schweizer
Ingenieurs Riggenbach (1871) wurde das erste Projekt durch das
Höllental selbst wieder tatkräftig aufgenommen. Am 24. Mai 1882
genehmigte der damalige Badische Landtag den Bau der Bahn, mit
dem im Jahre 1884 begonnen wurde. Am 28. Mai 1887 fuhr der erste
Zug durch das Höllental. Die Baukosten der 34 Kilometer langen
Strecke betrugen insgesamt 6 737 300 Mark.
Nach der Fertigstellung der Höllentalbahn ging der
Schwarzwaldverein mit unermüdlicher Tatkraft an die Erschließung
des neuen Wandergebietes. Da mit der Erbauung der Höllentalbahn
und der Erweiterung des Wegenetzes immer weitere Ausflugsziele
gesteckt werden konnten, sah man Sonntag für Sonntag große
Scharen von Wanderern, die links- und rechtsseitig des
Höllentals der Höhe zustrebten. Auch der Riese der
Schwarzwaldberge, der Feldberg, war nun leichter und bequemer zu
besteigen als früher, da der Weg noch von Freiburg aus durch das
Zastler Tal oder Wilhelmer Tal führte. Die Gastwirte
schmunzelten, denn ihre Häuser, das alte Himmelreichwirtshaus,
die "Zwei Tauben", das frühere "Gasthaus zum Löwen", der "Adler"
in Posthalde und der "Sternen" in Höllsteig waren Sonntags mit
frohen Wanderern besetzt.
Als mit dem sich besonders nach dem Kriege von Jahr zu Jahr
steigernden Kraftverkehr der Fußgänger die Landstraße durch das
Höllental immer mehr mied, entschloß sich der Schwarzwaldverein,
mit finanzieller Hilfe des Staates, des Kreises und der Stadt
Freiburg, einen staubfreien Weg durch das Höllental anzulegen.
Viele Schwierigkeiten waren aus dem Weg zu räumen, bis der
romantische Jägerpfad am 16. Mai 1926 eröffnet werden konnte,
der dem Wanderer die Möglichkeit gibt, die Schönheit des
Höllentals unbehindert und ungestört zu genießen.
Immer wieder wird der Blick durch die wildromantische Partie
beim Hirssprungfelsen mit dem 40 Meter über der Straße auf
steilem Felsen stehenden Hirsch gefesselt. Nahdem durch einen
Sturm im Winter 1873/74 der erste 1856 erstellte hölzerne Hirsch
heruntergeschleudert worden war, teilte wenige Jahre später der
zweite Hirsch das gleiche Schicksal. Acht Jahre blieb der Felsen
ohne Hirsch, bis drei Freiburger Bürger im Jahre 1886 auf eigene
Kosten den dritten Hirsch, wieder aus Holz, ausstellen ließen,
der im Jahre 1904 völlig zerstört war. Da dem Tal das
Wahrzeichen erhalten bleiben sollte, ließ der Schwarzwaldverein
im Jahre 1907 den noch heute stehenden 2 Meter hohen und 350
Kilogramm schweren Hirsch aus Metall erstellen. Ihn wird wohl
kein Sturm mehr zerstören...
Und schließlich noch einige kurze Daten aus der Geschichte des
Höllentals: Die Oswaldkapelle bei Höllsteig wurde schon im Jahre
1148 vom Bischof von Konstanz geweiht. Zu der Nikolauskapelle in
Falkensteig, 1606 erbaut, dringt von Allerheiligen bis Anfang
März kein Sonnenstrahl. Noch weniger Sonne hat die Mühle im
Löffeltal, wo sie sich erst Mitte März wieder zeigt. Jedes Jahr,
wenn schon alles grünt und sproßt, kann man beim
Posthaldespringbrunnen noch ansehnliche Reste des vereisten
Brunnens sehen. Ein weiteres Kuriosum ist die Tatsache, daß im
wasserreichen Höllental das Stationsgebäude in Höllsteig
jahrelang ohne Wasserleitung war und erst seit einem Jahre durch
ein Pumpwerk Wasser in das Gebäude geleitet wird. Früher wurde
das Wasser in großen Kannen von Hinterzarten mit dem Zug nach
Höllsteig gebracht. Die Industrie war ebenfalls mit einem
mittleren Betrieb vertreten. Die weitbekannte Freiburger Firma
Ph. A. Fauler kaufte 1859 das Himmelreichwirtshaus mit großen
forst- und landwirtschaftlichen Gütern an und verlegte einen
Teil ihres Betriebes an den Eingang des Höllentals. - Das
Hochwild war früher und ist auch heute wieder im Höllental
vertreten. Seit zwei Jahren zeigt sich wieder eine Gemse, die
durch Aussetzen von vier weiteren Gesellschaft bekam. Seit Jahr-
zehnten wird der Klettersport im Höllental gepflegt; so werden
der Paulcketurm und der Falkenstein von geübten Kletterern gern
erstiegen. Leider hat dieser Sport auch schon mehrere Opfer
gefordert; bekannt ist der tragische Absturz des berühmten
Alpinisten Dr. Tauern im Jahre 1926.
1895 und 1896 wurde das untere Höllental von schweren
Unwetterkatastrophen heimgesucht. 1895 war der Bahnbetrieb
Hirschsprung - Himmelreich durch einen schrecklichen Wolkenbruch
drei Tage unterbrochen. Im Bahnhofsgebäude drang Schutt und
Geröll von der Berghalde bis in den zweiten Stock. Bei den „Zwei
Tauben“stand das Wasser bis zum Geländer. Ein Waschzuber diente
als Nachen. Im März 1896 riß ein Unwetter vier Brücken weg, die
Höllentalstraße war bis zur Hälfte aufgerissen. Etwa 500
Festmeter Holz beim Hirschsprung wurden weggeschwemmt und im
Hirschsprungdobel weitere 40 Ster Holz.
Wohl wenige Freiburger gibt es, die das Höllental wirklich
kennen, noch weniger kennen seine reiche Geschichte. Die
vorstehenden Ausführungen versuchen mit der Erweiterung des
Wissens um seine Geschichte die Liebe zum Wandern durch das Tal
der Hölle - das romantische Höllental - zu fördern.