Geschichte des Gasthauses zum Himmelreich |
Karl Motsch Alemannische Heimat, Nr. 5, 1937 |
Daß eine
solch wichtige Handels-und Verkehrsstraße wie die durch das Dreisamtal
auch mit Wirtschaften gesegnet war, ist eigentlich selbstverständlich,
und wir finden auch seit dem Mittelalter, da die Urkunden etwas
reichlicher fließen, genügend Nachrichten von Wirtschaften und
Gastherbergen, die an dieser alten Straße lagen. Die zahlreichen
Fuhrleute und Kaufherren, die diese Straße gezogen kamen, mögen wohl
angesichts der unwirtlichen Berge ein gelindes Grauen bekommen haben
und faßten dann bei einem reichlichen Trunke wieder etwas Mut für die
beschwerliche Durchquerung des Gebirgspasses; auch gab es jedesmal
einen Freudentrunk, wenn man obenherab kam und Mann und Roß den Abstieg
hinter sich hatten. Die Kaufleute hatten da genügend Gelegenheit, vor
und nach dieser schweren Fahrt sich zu stärken, einen Imbiß einzunehmen
und auch zu übernachten. Schon um das Jahr 1550 gibt eine Urkunde
Nachricht von vier Wirtschaften im Kirchzartener Tal, und eine davon
war die im Himmelreich. Etwas weiter zurück reichen die Nachrichten von
der Wirtschaft im Wagensteigtale - Hirschen - und der Wirtschaft in
St.Märgen - Krone -. Beide sind schon im Jahre 1505 erwähnt, von der
letzteren ist schon im 15. Jahrhundert eine Nachricht vorhanden, wo im
Jahre 1410 ein Hanman Schurmeyer Wirt von St.Märgen war.
Als durch die schlechte Bewirtschaftung und Bedrückung das Kloster St.
Märgen immer mehr Gebiete verkaufen musste, hatte auch Freiburg einen
großen Teil des Dreisamtales im Jahre 1462 aufgekauft und einige Jahre
später in Kirchzarten die Talvogtei errichtet. Die Stadt Freiburg ließ
nun in den Jahren kurz nach 1500 alle Güter, die nun zur Stadt
gehörten, aufzeichnen und im Beraine vom Jahre 1505 niederlegen
(Stadtarchiv Freiburg). In diesem Beraine sind zum ersten Male die
Güter, die zu dem Hofe gehörten, genannt und beschrieben. Es sind dies
vor allem zwei größere Gebiete, die mit Kölners Matte und Albrechts
Halde bezeichnet sind, hauptsächlich diese beiden bilden das große
Hofgut, das wir später unter dem Namen Himmelreich finden. Woher diese
eigentümliche Bezeichnung herrührt, erfahren wir aus einer
Güteraufstellung vom Jahre 1340, gleichzeitig die erste Erwähnung des
Gutes. Damals zinst Claus der Kölner von einem Leben, ,,da si - er mit
seinen Leuten - uffe sitzend“, also von einem Hofgute, das er besitzt.
Weiter bezahlt er Zinsen „von dem nidern grunde, dem man sprichet des
kölners grunt und des kölners brüel“. Der andere Gewann-Name, Albrechts
Halde, kommt ebenfalls in diesem Beraine von 1340 vor, dort ist
allerdings der Name in seiner ursprünglichen Gestalt wiedergegeben, aus
dem Namen Obrecht ist später Albrecht geworden: Johann Oprecht zinst
von einem Gute ,,lit in slintis grunt“, Heinrich und Johann Oprecht
zinsen von einer Matte und von einem Berge ,,lit hinter oprechts huse“.
Ein Menschenalter später hören wir wieder von dieser Besitzung. Am 23.
Juli 1397 saß der Abt Johann von Sankt Märgen zu Gericht in dem Garten
des Johann Vogt, der nächst dem Dinghofe im Dorfe Zarten lag und setzte
zusammen mit seinen Lehensleuten im Zartener Tale die Rechte des
Klosters St.Märgen auf, den sog. Dingrodel von Zarten. Alle Hof- und
Lehensgüter sind darin angegeben, die Abgaben der Klosterleute und die
Zinsen von Grund und Boden. Zur besseren Verwaltung sind drei
Meierämter eingerichtet, zu dem einen Meieramt in Wagensteig gehört
„des Kölners Lehen und des Löwen lehen ze wißnegge“. Das erstere
umfaßte nun wohl, wie sich aus der Zusammenstellung ergibt, den
östlichen Teil des Dreisamtales um die beiden Taleingänge zum
Wagensteig- und zum Höllental, in deren Mitte das große Hofgut und
einige andere Höfe lagen. Der Name Löwen Leben ging allerdings später
verloren, bei der Teilung des Lebens in kleinere Hofgebiete hatte er
keine Berechtigung mehr, dabei kam aber schon bald nach 1500 der Name
Himmelreich auf. Ebenso verschwand die Bezeichnung des Kölners Leben,
nur einen Ueberrest haben wir noch in dem Beraine vom Jahre 1505 in dem
Gewann-Namen Kölners Matte, aber auch diese findet sich später nicht
mehr.
Zur Zeit der Aufstellung des Beraines hatte das Gut Augustin Knebel in
Besitz, darauf war es Eigentum eines Conrad Kapp und dann seines Sohnes
Jörg Kapp. Kurze Zeit nachher, etwa um die Jahre 1560, spielt ein
interessanter Prozeß, und im Verlaufe der Verhandlungen erfahren wir
auch, daß das Gut schon damals eine Wirtschaft war. Ein ,,Thomann
Lindenmeyger, seßhaft im Himmelreich“ besaß vier Jucherten Matten, die
sog. Mühlenmatten, die früher zu dem Gute des Paule Duffner in
Kirchzarten gehörten. Dieser frühere Besitzer Duffner erhebt nun
Eigentumsansprüche auf die Matten, Lindenmeyer kann sich jedoch
ausweisen: er habe ,,das Himelreich oder die herberg im Himelreich mit
ihrer zugehördt“ dem Jakob Ferber abgekauft nach einem Kaufbrief, „den
er bey handen“, darin waren die vier Jucherten Matten genau angegeben.
Duffner glaubt aber sich durchsetzen zu können, und er sagt vor Gericht
aus, sie haben schon „vor zwey oder drey hundert Jaren zu seinen
Güettern gehördt“. Bei einer zweiten Gerichtsverhandlung bringt Duffner
ein altes Urbar vom Kloster Günterstal mit aus dem Jahre 1530, worin
sein Gut mit den Matten ebenfalls aufgezeichnet ist und beweist durch
die Abgabe eines Zinses an dieses Kloster sein Eigentumsrecht auf diese
Matten. Aber auch dieser Beweis nützt ihm nichts, in einem Urteilsbrief
vom Jahre 1563 verbleiben die umstrittenen Matten im Eigentum des
Thomann Lindenmeyer, er hatte sie in rechtem Kaufe von Jakob Ferber
erhalten. Dieser Jacob Ferber war der Vormund einer Anna Vischer, die
sich mit einem Sebastian Zyblin verheiratet hatte und die Tochter eines
Wilhelm Vischer war, des vorigen Besitzers des Gasthauses zum
Himmelreich. Dieser Wilhelm Vischer ist schon im Jahre 1535 erwähnt, im
Jahre 1540 tritt er bei einer Gerichtsverhandlung als Zeuge auf,
,,sesshaft zu Himelreich, 49 Jahre alt. Am 4. Oktober 1589 erhält der
Sohn des Thomann Lindenmeyer, Ulrich, das Hofgut, er behält es aber
nicht lange, sondern gibt es am 13. Februar 1593 schon wieder ab an
Mathis Totter, den ,,alten zu Kirchzarten“.
Das Gut umfaßte ,,zwei heuser samt dem steine steckle, was darinnen
nutt und nagel fest . . . das kürchlein, auch die Schmidc samt müle und
mülengeschirr“, auch ein Weinwagen mit fünf Fässern waren dabei, der
Kaufpreis betrug 2920 Gulden, eine für damalige Zeiten außerordentlich
hohe Summe. Das „steine steckte“ steht heute noch vor dem Gasthaus; im
zweiten Stock befand sich ein besonders schönes Zimmer, in welchem
früher der Talvogt Gericht gehalten hatte. Das „kürchlein“, das sich
ebenfalls noch beim Hofe befindet, liegt etwas abseits an der Straße
und ist leider heute durch die immer mehr sich verbreiternde Landstraße
etwas unansehlich geworden. Diese kleine Kapelle hatte wie auch
verschiedene andere Kapellen des Tales einen Kapellenfond, der sich aus
gelegentlichen Stiftungen und aus den Erträgnissen des Opferstocks
zusammensetzte. Die Bauern der umliegenden Höfe borgten gerne bei
diesen Kapellenfonds Geld, sofern solches gerade vorhanden war. Jacob
Rappenecker der um 1650 im Himmelreich Wirt war, nahm selber bei der
Kapelle 50 Gulden auf, er verhandelte dabei mit zwei Executores
(Kapellenpflegern), die den Fonds zu verwalten hatten. Er bezahlt dafür
einen jährlichen Zins von 2 1/2 Gulden und verpflichtet sich
gleichzeitig, das Kirchlein instandzuhalten und dem Priester, wenn er
Gottesdienst halten will, helfend beizustehen und ihm nach jedem
Gottesdienst einen Imbiss zu verabreichen. Der Talvogt Christoph Schal
und der Vogt von Kirchzarten, Georg Steinhart nehmen als Pfleger diese
Verpflichtung entgegen. Auch im Kirchenbuch der Pfarrei Kirchzarten
findet sich um das Jahr 1765 ein Eintrag, wonach das Fest dieses
kleinen Heiligtums am Tage des hl. Apostels Jakobus, am 25. Juli jedes
Jahres, gefeiert und eine heilige Messe in der Kapelle gelesen wird.
Nach dem Gottesdienst erhält der Priester seine Vergütung und ein
Frühstück von dem dortigen Wirte.
Der Dreißigjährige Krieg warf seine Schrecknisse auch in das
Kirchzartener Tal; Brand und Plünderung waren die steten Begleiter
eines Zuges Soldaten über den Schwarzwald. Die Bewohner konnten nichts
anderes tun, als möglichst rasch zu verschwinden und wenigstens das
Allernotwendigste mitzunehmen. Das Gebiet gegen den Feldberg über
Albersbach war ein gern aufgesuchtes Flüchtlingsgebiet, da sich dorthin
wegen der Unwegsamkeit nicht so schnell ein Soldat verirrte. Wie es dem
Gasthaus zum Himmelreich während dieser Kriegswirren erging, ist nicht
bekannt, es fehlen während dieser Zeit die Akten; erst um die Mitte des
Jahrhunderts fließen die Nachrichten wieder reichlicher. Doch scheint
man bald wieder frischen Mut gefaßt zu haben, der zähe Arbeitssinn des
Schwarzwälder Bauern hatte in kurzer Zeit wieder aus den Ruinen
frisches Leben erblühen lassen. Auch im Gasthaus wurde bald wieder eine
frohe Einkehr gehalten. So war vom 8. bis zum 11. November 1665 ein
großes Freischießen im Himmelreich, Geldpreise waren ausgesetzt, und
nach allen umliegenden Höfen und Weilern ergingen Einladungen. Als
Schützenmeister walteten Michel Ganter und der Wirt Jacob Rappenecker.
Wie dieser auf die Wirtschaft kam, ist nicht mehr bekannt. Am 10. April
1644 heiratete er, er stammte aus dem Weiter Brand, eine Susanne
Dengler aus Kirchzarten. Das Geschlecht der Dengler war mehrere
Generationen lang auf der damals größten Wirtschaft in Kirchzarten
ansässig, es war das Gasthaus zum Rindsfuß - heute Fortuna -, auf
welchem kurz nach 1600 ein Andreas Dengler Wirt war. So brachte die
junge Wirtin schon etwas Wirtsblut mit ins Himmelreich. Schon im
Spätjahre finden wir die beiden dort, am 22. November 1644 wird ihnen
ihr Stammhalter Andreas geboren, und es ist ausdrücklich im Kirchenbuch
zu Kirchzarten angegeben: in dem Himmelreich. Eine Tochter von ihm
heiratete einen Schmid Jakob Schlemmer, der am 26. März 1669 von seinem
Schwiegervater die Schmiede mit Haus und Garten in Pacht erhält. Er
bezahlt ihm dafür jährlich 45 Gulden Pacht und hat ihm außerdem seine
vier Pferde zu beschlagen. Dieser Jakob Schlemmer betreibt aber neben
dem gewöhnlichen Pferdebeschlagen noch eine Waffenschmiede. Um die
Erzeugnisse zu verkaufen, erhält er am 29. März 1670 vom Talamt die
Erlaubnis, an Sonn- und Feiertagen nach dem Gottesdienst in Kirchzarten
seine Waffen öffentlich feilzuhalten und er bezahlt dafür ein Standgeld
von 8 Batzen.
Jakob Rappenecker stirbt im Alter von 65 Jahren am 2. Januar 1672.
Seine Witwe Susanne Dengler fühlt sich aber noch sehr rüstig und
heiratet schon ein halbes Jahr nachher den Christian Winterhalter,
dessen Vater Mathis „ Würth und Gastgäb im Alten Weg, Neustädter Amts“
war. Sie gibt aber das große Hofgut nicht ab und bleibt Besitzerin,
„weilen sie das Gut in ihren Handen zu behalten resolvieret“, sie war
also danach eine sehr entschlossene und energische Wirtin. Auch diesen
Mann überlebt sie, er stirbt am 10. Juni 1684. Sie ist jetzt zwar schon
hochbetagt, kann sich aber immer noch nicht vom Hofe trennen. Der
künftige Besitzer, Mathis Rappenecker, wartet schon längst auf die
Uebergabe; am 15. Dezember 1684 vergleicht sie sich mit ihm, er bekommt
zwar das Gut, sie behält aber ,,die mehrere Meisterschaft“. Erst am 31.
Januar 1688 wird ihm endgültig das Hofgut zugeschrieben, er erhält es
um 2750 Gulden. Nach ihrem Tode wird am 25. Januar 1689 nochmals eine
Verteilung vorgenommen. Mathis Rappenecker lebt aber nur wenige Jahre
als Wirt auf dem Gasthaus, schon am 5. Februar 1694 stirbt er. Seine
Witwe Ottilia Steiert, der er drei Kinder hinterlassen hatte, heiratet
am 10. August 1694 einen Andres Strohmeier aus Bleibach, der ihr die
Summe von 900 Gulden mit in die Ehe bringt. Diese Mitgift ist ihm
allerdings zum Verhängnis geworden. Er hat zwei erwachsene
Schwiegersöhne einen in Simonswald und den anderen in Kirchzarten;
beide fechten nun diesen Betrag an und es entsteht ein langer und
unerquicklicher Streit aus dieser Sache.
Da der einzige Sohn Christian Rappenecker früh stirbt, erhält die
Tochter Susanna das Hofgut. Sie holt sich auch einen Wirt zum Ehemann,
den Johann Steiert aus Kirchzarten. der dort auf dem Ochsen gewirtet
hatte. Er zieht mit ihr auf das größere und schönere Gasthaus im
Himmelreich und verpachtet den Ochsen an den Michel Wangler am 10. Juni
1728. Im gleichen Jahre erhält er von seinem Schwiegervater Andreas
Strohmeier das Hofgut endgültig zugeschrieben. Aus dieser Aufstellung
erfahren wir auch genau den gesamten Umfang dieses Gutes, es umfaßte
damals „das sogenannte Himmelreich sambt wirtschaft, Mihlin, Schmitten
und viel dazue gehörige schöne Güetter“.
„Erstlich ein groß Wirtshaus sambt gerechtigkeit, doplet, auch einfache
Scheuren und Stallung, darinnen zwey keller und ein neugewölbter. Item
ein neugebauene schmitten, nebst Stallung undt Scheuren sambt schmitten
werthzeug, Amboß, und all Ihriges. Im gueten Standt. Item ein
neugebauene Mahlmihlin mit zwey Gängen sambt darzue gehörigen
Mihlingeschirr. Item Ein mit Stainen gemeuertes Hauß sambt zwey kellern
- das alte „staine steckhle“ vor der Wirtschaft -. Item ein von Stainen
aufgeführtes bachhauß sambt einer angesezten behaltnus“. Dieses
„behaltnus“ fand man vor einigen Jahren beim Umbau als eine Art
geheimen Raum zwischen zwei Mauern, auf einer Leiter konnte man
hinuntersteigen, es war aber trotz eifrigen Suchens leer. Solche
versteckte Orte, in der Sprache des Talvolkes „G’halt“ genannt, sind
noch da und dort an einigen Höfen vorhanden. Größer und sicherer
ausgebaut finden sie sich in Klöstern und in reichen Patrizierhäusern
in der Stadt. „Item ein spichert. Item ein dreyfach gebauter schweine
stahl undt holtzhauß. Item ein Kirchlein so auch lauth altem
kauffbrieff zum Gueth verkaufft worden, welches der Bauer zu
unterhalten hat.“ Dazu kommen noch 36 Jucherten Matten, die teilweise
mit Obstbäumen besetzt sind, außerdem 56 Jucherten Acker, teils im Tal,
teils am Berg und noch ein großes Stück Wildfeld und Wald. Der neue
Besitzer Hans Steiert erhielt dieses ganze Hofgut um 6800 Gulden.
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts war dann ein Peter Hauser auf der
Wirtschaft, dessen Nachkommen wir nach 1800 wieder finden. Seine Witwe
Maria Zähringer hatte am l. Juli 1771 einen Michael Frei vom Rainhof
geheiratet, der bis gegen die Jahrhundertwende auf der Wirtschaft war.
Wieder ein Peter Hauser hatte um die 50er Jahre des vorigen
Jahrhunderts die Wirtschaft mit allen Gütern an die Firma Philipp
Fauler verkauft, in deren Besitz es heute noch ist.