zum Inhaltsverzeichnis  

VON FREIBURG ZUM FELDBERG

Aus:
Heimat am Oberrhein
Eine Sammlung heimat- und zeitgeschichtlicher Lesestücke
von Hans Mecking und Josef Weber
Verlag Herder Freiburg 1961
Zum Gebrauch von Volks- und Mittelschulen



Das schönste Breisgauer Schloß
Hohe Pappeln überragen das Ebneter Schloß. Der Eschbach fließt an seiner Mauer vorbei. Die Dreisam plätschert vorüber. An der Längsmauer braust der Höllentalverkehr entlang. Doch ist innerhalb der hohen Mauer eine Welt für sich, eine friedliche Welt wie aus alten Zeiten. Groß ist der Schloßpark. Groß ist auch das Schloß selbst. Durch ein schönes Tor gelangt man in den äußeren Schloßhof. Ein Pavillon behütet das Tor. Der Basler Architekt Johann Jakob Fechter hat den Plan entworfen. Während der Bauarbeiten hat man den Freiburger Baumeister und Künstler Johann Christian Wenzinger herangezogen. Er hat die schöne Gartenfassade errichten lassen. Von ihm stammen auch die herrlichen Sandsteinfiguren im Garten. Sie stellen die vier Jahreszeiten dar. Es war ein Glück, daß Wenzinger mitarbeiten durfte. Nach seinen Plänen wurde das schönste Treppenhaus, das die Breisgauer Schlösser haben, gebaut. Und zu allem hin hat der Kunstmaler Benedikt Gambs, der sonst in großen Kirchen schöne Deckengemälde gemalt hat, auch hier im Schloß von Ebnet solche geschaffen.
So hat der Freiherr Johann Ferdinand von Sickingen um 1750 das schönste Schloß des Breisgaus erhalten.
Schon im Jahre 1111 bestand das Dorf Ebnet. Es gehörte der adeligen Familie der Schnewlin von Landeck. Die einzige Erbin, Anna von Landeck, heiratete im Jahre 1568 den Freiherrn von Sickingen. So kam Ebnet an die Sickinger. Mit Ebnet waren verbunden halb Littenweiler, Breitnau und die Burg Wiesneck. Der Erbauer des heutigen Schlosses hatte auch in der Salzstraße in Freiburg ein schönes Haus. Den Sommer aber verbrachte er in seinem Ebneter Schloß. Heute ist die Freiherrnfamilie von Gayling Besitzer des Schlosses.

Die alte Talvogtei im Dreisamtal
Neben der Höllentalbahn liegt vor der Einfahrt zum Bahnhof Kirchzarten ein großes Haus, das gar nicht zu den andern Häusern des Ortes paßt. Man sieht dem Haus sein hohes Alter an. Es ist eine große, hufeisenförmig angelegte Burg. Der Bahnlinie zu kehrt der Bau seine große Längswand mit nur wenigen Fenstern. An der kürzeren Westseite waren früher überhaupt keine Fenster, sondern nur Schießscharten in vier Stockwerken übereinander. Dagegen zeigt die Dorfseite des Hauses lange Fensterreihen. In der Ecke zwischen dem Längsflügel und dem östlichen Seitenflügel steht der Treppenturm. Er ist nach außen achtseitig und hat schräg aufsteigende Doppelfenster. Innen ist er rund. Über der Eingangstüre ist ein Wappen von Freiburg und Österreich mit der Zahl 1621. Eine Wendeltreppe führt in die oberen Stockwerke.
Wie kommt diese kleine „Veste“ nach Kirchzarten? Was hat uns das Wappen mit der Jahreszahl zu sagen?
Um das Jahr 1492 besaß die Stadt Freiburg viele Güter im Dreisamtal, nämlich in Zarten, in Kirchzarten, in Wagensteig, St. Märgen und Himmelreich und dazu das Gut Birkenreute. Inmitten dieser Güter wurde eine Wasserburg gebaut. Dahinter fühlte sich der Talvogt wohlgeborgen. Er mußte im Namen der Stadt Freiburg Gericht halten. Er erhob auch von den Bauern, die Untertanen der Stadt Freiburg waren, den Zehnten.
Im Bauernkrieg von 1525 wurde das Wasserschloß zerstört. Nach jenem Krieg wurde es wieder aufgebaut. Der Wassengraben wurde zugeschüttet.
Bis zum Jahre 1806 wohnte der Freiburger Talvogt in der „Talvogtei“. In diesem Jahre wurden die Freiburger Besitzungen unter die Gemeinden des Dreisamtales verteilt. Allein das Gut Birkenreute verblieb noch der Stadt.

Was ist „Tarodunum“?
Fast nicht zu glauben ist es, und doch ist es so: vor sechstausend oder achttausend oder gar schon zehntausend Jahren lebten Menschen im Dreisamtal. Ihre einfachen Hütten standen an der Dreisam bei Ebnet, Littenweiler und Zarten. Hier fand man an einigen Stellen kleine Werkzeuge und Hausgeräte, die sie aus Stein zurechtschlugen. Es war die mittlere Steinzeit, als diese Talbewohner in der Dreisam fischten und in den nahen Waldtälern jagten. Die Funde von steinernen Pfeilspitzen auf dem Stübenwasen und bei Breitnau sagen uns, daß sie ihre Jagdgänge bis auf die Schwarzwaldhöhen ausdehnten.
Darauf mag es Jahrtausende still gewesen sein im Dreisamtal. Wir besitzen erst wieder ein Zeugnis von Menschen, die vor und kurz nach Christus gelebt haben. In der Rheinebene, am Kaiserstuhl, am Tuniberg und im Elsaß legten die Kelten ihre Äcker an, trieben Jagd und Fischfang und benutzten Waffen und Geräte aus Eisen. Sie wurden öfters durch Volksstämme bedroht, die aus andern Teilen Europas in die Rheinebene zogen. Das veranlaßte sie, Fliehburgen anzulegen. So fanden sie auch den Weg ins Dreisamtal. Das Dreieck zwischen dem Rotbach, dem Wagensteigbach und der heutigen Landstraße von Station Himmelreich nach Buchenbach schien hierfür günstig zu sein. Nach zwei Seiten hin fällt das Gelände um mehrere Meter steil zu den Flußauen hin ab, und auch nach Westen schiebt sich eine Böschung bis zum Zusammenfluß des Rotbaches und des Wagensteigbaches vor. So bot sich dieser Teil des Dreisamtals zur Anlage einer Fliehburg geradezu an. Allein am Ostrand mußten sie noch einen künstlichen Wall errichten. Aber auch die Steilränder wurden durch Mauern verstärkt. Noch heute ist diese Verfestigung des Burgringes an einigen Stellen als erhöhter Geländestreifen zu erkennen, so längs des Rotbachdammes südlich der Höllentalstraße von der Bahnschranke beim „Brand“, am Schulhaus von Burg vorbei bis zum Rainhof und am Wagensteigbach beim Pfisterhof. Beim Birkenhof liegen die zu einer Mauer aufeinandergeschichteten Bachwacken stellenweise noch bloß. Östlich des Rainhofes zieht sich von der Straße aus eine wallartige Erhöhung über die Bahnlinie hinweg. Es ist der Rest des befestigten Ostrandes der alten Keltenburg. Die Gesamtlänge des Ringes der Burg betrug sechs Kilometer. Der Name „Burg“ für die heutige Gemarkung besteht also zu Recht.
Der Gebirgswall umrahmte wie damals den Platz des alten Tarodunum: im Norden der Flaunserrücken, der Lindenberg, dahinter der Kandel, im Osten der Otten und die Nessellache, im Süden der Hinterwaldkopf mit dem Rotheck, der Hochfahrn und das Rappeneck. Die Kelten hatten den Bergen und Bächen eigene Namen gegeben, so Kandel, Belchen, Rhein, Glotter, Elz, Dreisam, die heute noch bestehen. Auch der Name „Tarodunum“ ist in den Ortsnamen „Zarten, Kirchzarten und Hinterzarten“ erhalten.

Das Oberrieder Kreuz
Wo sich Brugga- und Zastlertal vereinigen, liegt das Dorf Oberried. Seine Pfarrkirche gehörte einst zu dem Kloster der Wilhelmiten. Über dem Portal steht die Jahreszahl 1687. Es zeigt das Jahr der Instandsetzung an; denn über 200 Jahre stand das Kloster verwaist, und die Mauern waren eingefallen. Im Chor der Kirche steht ein Hochaltar mit Figuren aus der Künstlerhand des Breisgauer Meisters Johann Christian Wenzinger. An der Nordwand der Kirche hängt ein altes Kruzifix. Sein Alter wird auf rund 500 Jahre geschätzt. Der überlebensgroße Leib des Gekreuzigten scheint nicht aus Holz geschnitzt zu sein. Er gleicht in seiner blaßgrünen Färbung und den blauen, hervortretenden Adern einem wirklichen Leichnam. Die Haupt- und Barthaare sind aus echtem Menschenhaar. Von diesen erzählen sich die Menschen des Tales, daß sie aus dieser Holzgestalt gewachsen seien. Auch das Lendentuch ist aus altem, verblichenem weißgrauem Leinen. Eine seidene Schürze überdeckt es.
Weil dieser Kruzifixus durch seine naturgetreue Ausführung ein solch erschreckendes Bild seines Leidens abgibt, hat sich um ihn eine Legende gewoben, die die Herkunft dieses Kreuzes aufzeigen soll.
Vor etwa 500 Jahren holten drüben am Rheinufer ein Knecht und eine Magd auf einem Wagen Futter. Plötzlich sahen sie auf dem Rhein einen eigentümlichen Gegenstand herabschwimmen, der allmählich ans Ufer trieb. Sie gewahrten alsbald ein Kreuz von sonderbarem Aussehen. Der lebensgroße Körper des Heilandes sah wie eine Leiche aus, die im Wasser gelegen hatte. Die beiden zogen das Kreuz aus dem Rhein und banden es ihrer Kuh auf den Rücken. Damit gingen sie in das nächste Dorf, um den Dorfpfarrer zu fragen, was zu tun sei. Doch dort brachten sie die Kuh gar nicht zum Stillstehen. Der Pfarrer gab ihnen den Rat, sie sollten das Tier laufen lassen, wohin es wolle. Die Kuh zog mit ihrer sonderbaren Last durch Freiburg ins Dreisamtal nach Oberried. Vor dem Kloster machte sie halt. Darin sahen die Menschen eine Fügung Gottes und brachten das Kreuz in die Kirche. Von arm und reich, von hoch und niedrig wird dieses Kreuz seitdem verehrt.

Die wilde Schneeburg
Hoch über dem Tal der Brugga liegen am westlichen Abhange des 1261 Meter hohen Hochfahrns die Trümmer der wilden Schneeburg. Die Schnewlin, ein Freiburger Rittergeschlecht, haben hier in dieser wilden Gegend für ihre Vögte und Lehensleute diese Trutzburg errichten lassen. Sie hat also nichts mit Schnee zu tun, sondern sie hat den Namen von ihren Erbauern. Wild wird sie genannt, weil sie in einer felsigen und unwegsamen Gegend steht. Auch wird sie so genannt zum Unterschied von der anderen Schneeburg auf dem Schönberg.
Durch die wilde Schneeburg beherrschten die Ritter Kolmann, Verwandte der Schnewlin, das Oberrieder Tal und den Weg nach Todtnau. Sie lebten in dauernder Fehde mit den Freiburgern, denen sie Schaden zufügten, wo immer sie konnten. Die Kolmann lauerten den Kaufleuten auf, überfielen sie, beschlagnahmten die Waren und setzten die Kaufleute im Turm ihrer Zwingburg gefangen. Auch die Mönche von St. Wilhelm sollen viel zu leiden gehabt haben. Diese griffen daher zu einer List und ließen ihren Pferden die Hufeisen verkehrt aufnageln. So täuschten sie die Raubritter über ihren Weg und ihr Reiseziel.
Eines Tages gelang es den Freiburgern, Heinrich Kolmann gefangen zusetzen und ihn im Turm hinter Schloß und Riegel zu bringen. Der andere Bruder, Wilhelm, ergriff danach zwei Freiburger Kaufleute und warf sie in den Turm seiner Trutzburg. In einem Vergleich vor Gericht beschworen dann die Ritter Kolmann mit einem feierlichen Eid, in Zukunft der Stadt Freiburg keinen Schaden mehr zuzufügen und Urfehde zu halten. Kaum war Heinrich freigelassen, so wurde Wilhelm eidbrüchig, begann seine Raubtaten aufs neue und schädigte die Stadt auf alle Weise.
Da riß den Freiburgern die Geduld. Mit ihren Verbündeten zogen sie vor die Burg und nahmen sie nach kurzer Zeit ein. Der letzte Schneeburger soll, so berichtet die Sage, durch den Verrat seiner Dienerin den Tod gefunden haben. Durch ein Zeichen tat sie kund, daß ihr Herr beim Mahle sitze. Die Freiburger schossen nun durch das bezeichnete Fenster, trafen den Ritter zu Tode und zerstörten die Burg.
In den folgenden Jahren zogen die Freiburger gegen andere Raubritternester zu Felde und brachen die Burgen Scharfenstein im Obermünstertal und Falkenstein im Höllental. Danach hatte Freiburg Ruhe.

Die Mönche von St. Wilhelm
An der Straße, die von Oberried zum Notschrei führt, zweigt an der Hohen Brücke ein Sträßlein in das St.Wilhelmer-Tal ab. Es ist ein einsames Schwarzwaldtal. Heute reihen sich doch einige Höfe der Straße und dem Bach entlang. Vor siebenhundert Jahren aber betrat außer einem Jäger kaum ein Mensch das Tal.
Und doch suchten in den zwanziger Jahren des 13. Jahrhunderts fromme Klosterfrauen aus dem Frauenkloster Günterstal bei Freiburg ein Plätzchen, auf dem sie ein Klösterlein erbauen könnten. Sie führten ihr Vorhaben auch aus und blieben einige Jahre im stillen Tal. Aber die Sommer waren kurz, dafür die Winter um so länger und strenger. Die Nonnen kehrten deshalb wieder in das mildere Günterstal zurück.
Fromme Männer zogen in das verlassene Kloster ein. Es waren Mönche aus dem Orden der Wilhelmiten. Sie ertrugen die Unbilden des Schwarzwaldwinters besser als die Nonnen, vergrößerten das Kloster und bauten eine Kirche. Einige hundert Jahre lebten Wilhelmitermönche im Tal. Durch sie kam das Tal zu seinem heutigen Namen. Auch der Name Meierhof, den heute noch ein Hof trägt, erinnert an das Wirken
der Mönche.
Schließlich siedelten sie nach Oberried über und errichteten dort ein neues Kloster. Im St.Wilhelmer-Tal aber verfielen Kloster und Kirche.

Im Höllental stehen die Trümmer der Burg Falkenstein
Hingeschmiegt an die schroffe Felswand des Höllentales liegen die etwa 40 Häuser des Ortes Falkensteig. Wenige Schritte von der Bundesstraße 31 entfernt, die durch den Ort zieht, fließt mit geschwätziger Eile der Rotbach, auch Höllenbach genannt. Über dem Bach drüben verläuft an den südlichen Berghängen der Jägerpfad. Dieser Fußpfad gewährt den naturliebenden Menschen ein ungefährdetes Wandern durch das Höllental.
Über dem Ort erhebt sich auf halber Höhe das efeuumwucherte Ruinengemäuer eines Wartturms, Bubenstein genannt. Hier hausten die Waffenknechte der Falkensteiner. Von diesem Turm konnte man den engen Weg ins Tal leichter übersehen. Kurz vor dem Hirschsprungfelsen, fast an der engsten Stelle der Schlucht, steigt die nördliche Felswand steil empor. Auf der Höhe stehen, von der Straße kaum erkennbar, die Trümmer der Burg Falkenstein. Die Herren dieser Burg waren ursprünglich Lehensleute der Herzöge von Zähringen. Neben einem ansehnlichen Eigenbesitz, vornehmlich in der Gegend von Kirchzarten, hatten die Ritter von Falkenstein das Gebiet zwischen Breitnau-Hinterstraß-Hinterzarten und Kirchzarten zu Lehen. Um die Mitte des zwölften Jahrhunderts hören wir zum erstenmal von einem Ritter Cuono de Falkenstein.
Trotzig stand die Burg auf steiler Höhe, mit ihren engen Fenstern und hohen Hohlziegeldächern gleichsam wie mit dem Felsen verwachsen. Als Wappenzeichen wählten sich die Falkensteiner einen zwischen zwei roten Regenbogen auf grünem Dreiberg schwebenden Falken.
Über den Falken im Wappen berichtet die Sage:
Ritter Kuno war in seiner Ehe mit der Edelfrau Ida ohne Kinder geblieben. So beschloß er, an einem Kreuzzug teilzunehmen und am Heiligen Grabe für die Erhörung seines Wunsches nach Kindern zu beten.
Beim Abschied hinterließ er seiner Gemahlin die Hälfte seines Ringes. Sieben Jahre sollte sie auf seine Rückkehr warten, dann aber frei sein. Durch viele Schlachten wurde bald im Gelobten Lande das Schwert des Falkensteiners berühmt. Zuletzt aber geriet er doch in die Hände des Sultans und schmachtete jahrelang im tiefen Kerker. Endlich wurde er befreit und trat seine Heimreise an. Unterwegs aber verirrte er sich in den unermeßlichen Wäldern. Da trat der Versucher an ihn heran und versprach, ihn bis zum kommenden Morgen in seine Heimat zu bringen; denn die Wartezeit liefe morgen ab. Kuno willigte unter einer Bedingung ein, daß seine Seele ungefährdet bleibe, wenn er wachend die Fahrt überstehe. Sofort verwandelte Satan sich in einen Löwen, den der Ritter bestieg. Tief unter sich ließen sie Länder und Meere zurück. Aber trotz aller Anstrengung, sich wach zu halten, fielen dem erschöpften Ritter immer wieder die Augen zu. Da flog unversehens ein Falke herbei, setzte sich auf das Haupt des Ritters und hielt den Schlaftrunkenen mit seinem Schnabel und dem Schwunge seiner Flügel wach. In Kirchzarten setzte ihn der Böse auf einem Steine ab, der heute in der Ecke des Gasthauses „Fortuna“ — damals „Zum Rindsfuß“ genannt — eingemauert sein soll.
Frau Ida hatte getreulich sieben Jahre gewartet. Schließlich gab sie dem Drängen ihrer Freier nach und erwählte einen unter ihnen. Gerade kam der Brautzug aus der Kirche, und Kuno mischte sich unter die Gäste und folgte zur Burg. Er nahm teil an dem festlichen Mahle und trank auch der Braut zu. Nachher ließ er den Becher zurückreichen, in den er die Hälfte des Ringes warf. Seine Gemahlin Ida erkannte die Hälfte und ließ die andere Hälfte in den Becher fallen. Beide Teile vereinigten sich geheimnisvoll. Jetzt erkannte sie ihren Gemahl und bat ihn um Verzeihung. Der Freier und die Hochzeitsgäste aber zogen eilends davon. Seit dieser Zeit führen die Falkensteiner den Falken mit den geschwungenen Flügeln im Wappen. Ihre Ehe aber ward mit Kindern gesegnet.
Die späteren Nachkommen waren schlimme Raubritter. Kein Kaufmann, kein Bauer oder frommer Pilger zog ungefährdet diese Straße. Sie wurden ihrer Habe beraubt und die Kaufleute in ihrem Turm gefangen gehalten. Endlich wurden sie vom kaiserlichen Gericht in Rottweil in die Acht erklärt. Darauf zogen die Freiburger mit ihren bewaffneten Helfern in das Tal, eroberten die uneinnehmbar scheinende Felsburg und zerstörten sie. Mehrere Knechte wurden aufs Rad geflochten, die Falkensteiner selbst schwer bestraft. Die Burg durfte nie mehr aufgebaut werden. Ihr Geschlecht verfiel von da an und starb aus.

Durch das Höllental
Jahrtausende war der Schwarzwald unbewohntes Gebiet. Wege gab es keine. Als die Kelten in Tarodunum-Zarten eine Fliehburg anlegten, mögen sich einige in das Tal des Höllenbaches vorgewagt haben. Auch die Alemannen siedelten sich nur am Rande der Vorberge des Schwarzwaldes an. Wie eine Mauer trennte sie der Schwarzwald von den Siedlern auf der Baar.
Kurz vor 1100 kamen die Grafen von Weilheim-Teck in den Breisgau. Als Herzöge von Zähringen hielten sie mit ihrem Heimatland Schwaben und ihrem Hauskloster St.Peter die Verbindung durch das Eschbach- oder Glottertal aufrecht. Über den Hohlen Graben, Kalte Herberge, gelangten sie in das Urachtal. Man darf an die damaligen „Straßen“ nicht heutige Maßstäbe anlegen. Sie waren weder gepflastert noch geteert. Die Karrenräder schnitten tief ein, und bei Regen stand das Wasser in den Rillen.
Zur gleichen Zeit saßen die Falkensteiner im Höllental auf ihrer Burg gleichen Namens. Durch das enge, schluchtenreiche Tal führte nur ein bescheidener Saumpfad. Seit dieser Zeit steht auch die Oswaldkapelle bei Höllsteig. Sie war die Pfarrkirche der wenigen Bauern Hinterzartens und Breitnaus. Ihre Höfe standen „vor“ und „hinter der Straß“. Seit denTagen, da die Zähringer mit dem Augustinerkloster St. Märgen, das die Grafen von Hohenberg um 1200 gründeten, in Fehde lagen, wurde die „neue Straß“ durch das Wagensteigtal die eigentliche Verbindung des Breisgaus mit der Baar und Villingen, der Schwesterstadt Freiburgs.
Durch die „Wagensteige“ zogen die Bauernheere im Bauernkrieg in den Breisgau, marschierten im Dreißigjährigen Krieg österreichische, bayerische, schwedische und französische Truppen. Auch später, Ende des 17. Jahrhunderts und im 18. Jahrhundert, blieb die Wagensteige die große „Heerstraße*.
Der Zustand der Wagensteige wurde immer schlechter. Was Wunder, daß der Ruf nach einer besseren Straße laut wurde. So wandten sich die Uhrenhändler und Glasträger des hohen Schwarzwaldes an die breisgauischen Stände mit der Bitte um eine bessere Straße, und zwar durch das Höllental. Am 20. März 1753 traten die Stände — heute würde man Landtag sagen — in Freiburg zusammen, um über die Ausbesserung der schlechten Höllentalstraße zu beraten. Die Vertreter des Adels, der hohen Geistlichkeit und der Städte beschlossen, aus ihr einen „guten und wandelbaren Güter- und Postweg“ von 24 bis 30 Fuß Breite zu machen. Aber die Arbeiten gingen nur langsam voran. Da trat ein Ereignis ein, das den Straßenbau beschleunigte: eine königliche Hochzeit. Die Tochter der Kaiserin Maria Theresia, Maria Antoinette, sollte französische Königin werden. Ihre Brautfahrt war eine lange, beschwerliche Reise von Wien durch Tirol, den Schwarzwald und über den Rhein nach Paris. Hinter dem Brautwagen folgten noch 51 schön geschmückte Wagen. Am 4. Mai 1770 kam der lange Zug ins Höllental. An der Hirschsprungenge waren Felsen weggesprengt worden. Auch sonst hatte man die Straße ausgebessert. Der Verkehr auf der Höllentalstraße nahm in den folgenden Jahren rasch zu. Vom Breisgau her kamen Wein- und Getreidefuhren das Tal herauf. Der Schwarzwald schickte große Holzfuhrwerke ins „Land“ hinaus. Aber schwierig wurde es, wenn ihnen die gelbe Postkutsche mit den goldenen Buchstaben „Paris-Wien“, „Diligence“ genannt, begegnete. Im Sternenwirtshaus, dessen Wirtshausschild stolz die Aufschrift „A l’Etoile d’or“ trug, machten die Fuhrleute gerne halt, und die Postkutscher wechselten ihre Pferde.
Vollständig ausgebaut war die Straße durch das Höllental aber erst am 22. November 1860, so daß wir mit Recht von einer „hundert- jährigen Höllentalstraße“ sprechen können. Der Ausbau kostete 140000 Gulden. Viele Italiener waren damals beim Straßenbau eingesetzt worden.
Heute rasen die Autos über die Asphaltstraße. Vielleicht verlangsamen ihre Fahrer das Tempo beim Hischsprungfelsen und schauen kurz zu dem bronzenen Hirsch hinauf oder gönnen der alten Oswaldkapelle einen kurzen Blick.
Seit dem Jahre 1887 keucht auch ein Zug durch das enge Tal. Der badische Ingenieur Robert Gerwig, der schon vorher die Schwarzwaldbahn erbaut hatte, war auch mit dem Bau der Höllentalbahn beauftragt worden. Am 21. Mai 1887 fuhren die ersten Reisenden mit dem Zug talaufwärts. Robert Gerwig erlebte diesen Tag nicht mehr. Er war zwei Jahre vorher gestorben.
Der Bau der Höllentalbahn hatte acht Millionen Mark gekostet. Es mußten während des Baues viele Felsen gesprengt und teils 20 Meter hohe Mauern errichtet werden. Sieben Tunnels waren nötig. Der obere Hirschsprungtunnel ist mit seinen 69 Metern der kürzeste, der Finsterranktunnel mit 284 Metern der längste Tunnel. 41 größere und kleinere Brücken wurden gebaut. Die gewaltigste und längste unter ihnen, die Ravennabrücke, überspannt mit ihren auf hohen Pfeilern ruhenden Betonklötzen die wilde Ravennaschlucht. Zwischen Hinterzarten und Titisee liegt das Geleise in einem moorigen Hochtal.
Groß ist der Höhenunterschied für die kurze Strecke mit 27 Kilometern von Freiburg bis Hinterzarten. Der Freiburger Hauptbahnhof liegt 268 Meter über dem Meere, die Station Himmelreich 455 Meter, Hirschsprung 559 Meter und Hinterzarten, der höchste Punkt der Bahnstrecke, 893 Meter. Auf der sieben Kilometer langen Strecke von Hirschsprung bis Hinterzarten steigt die Bahn auf jedem Meter fünf bis sechs Zentimeter. Hier half in früheren Jahren eine zweite Lokomotive schieben. Die Zahnradbahn fährt seit 1936 nicht mehr. Heute überwindet eine elektrische Lokomotive mühelos alle Steigungen. Der Bau der Höllentalbahn hat sich gelohnt. Selbst heute, im Zeitalter des Autos, ist der „Höllentäler“ voll besetzt. Er bringt die Wanderfreunde an den Ausgangsort ihrer Wanderungen in den Schwarzwald. Im Winter fährt er Hunderte und Tausende von Schifahrern auf die verschneiten Höhen. Ob mit dem Zug oder mit dem Auto, eine Fahrt durch das Tal der „Hölle“ übt immer einen besonderen Zauber aus. Damit aber die Wanderer nicht zu kurz kommen, ist für sie — abseits der Straße — der Jägerpfad angelegt worden, der dem wild strudelnden Wasser des Rot- oder Höllenbaches folgt.

Ein wilder Schwarzwaldbach
Von der Ravennabrücke blicken die Zugreisenden hinunter auf den schäumenden Ravennabach. Gerne winken sie den Wanderern zu, die den Weg in die Ravennaschlucht einschlagen.
Seit alten Zeiten steht am Rotbach, am Beginn der Schlucht, das Sternenwirtshaus. Als vor 200 Jahren die Kaufleute aus dem fürstenbergischen Amt Neustadt nach Freiburg fuhren, mußten sie dem Sternenwirt ihren Zoll entrichten. Am „Sternen“ begann der gefährliche Aufstieg zur Höhe. In St. Oswald, der ursprünglichen Pfarrkirche für Breitnau und Hinterzarten, verrichtete der Fuhrmann sein Gebet. Der heilige Oswald, dessen Kapelle schon seit vielen hundert Jahren im Höllental steht, sollte sie auf ihrer beschwerlichen Reise beschützen.
Als unsere Dichter die Schönheit der Natur entdeckten und das Rauschen der Wälder und das Tosen der Wasserfälle in ihren Gedichten beschrieben, wollten viele Menschen diese Naturschönheiten kennenlernen. Schon damals wanderten die Freiburger gerne ins Höllental. Sie nahmen vielleicht ein Forellenessen mit feurigem Roten im „Sternen“ ein. Der Postwagen der Verkehrslinie Paris-Wien machte hier halt. Mancher vornehme Gast stjeg ab. Adolf Faller, der Besitzer des „Sternen“, und der Kreuzwirt Josef Rombach von Breitnau erbauten den Wanderweg durch die Ravennaschlucht. Sie mußten Holztreppen, Galerien und Holzbrücken anlegen. Ein verheerendes Hochwasser hat am 11. Juni 1895 sämtliche Brücken und Galerien und große Teile des Weges weg-gerissen. Auch 1910 hat ein Hochwasser dem wiedererstellten Weg sehr geschadet. Aber immer wieder haben naturliebende Menschen den Weg ausgebessert. Und wie ehedem wandern die Schwarzwaldfreunde gerne durch die Ravennaschlucht und kehren ein im Sternenwirtshaus.

Die Löffelschmiede im Höllental
Beim Sternenwirtshaus im Höllental schwingt sich die Straße in einer großen Kurve zum Berghang hin. Dort zweigt ein Wanderweg in die enge Talschlucht des Rotbaches ab. Wenige Häuser nur stehen am Bach entlang. In diesen Häusern wurden vor langer Zeit Löffel geschmiedet. Das kam so:
Die frommen Brüder des Klosters St. Blasien beteten nicht nur, sie mußten auch eine weltliche Arbeit treiben. Sie schnitzten Holzfiguren und -gegenstände und trugen sie zu den Menschen im Rheintal. Die Schwarzwaldbauern machten es ihnen im Winter nach. In der Gegend um Neustadt, um St. Blasien, in Bernau und Schluchsee saßen die Bauern und ihre Söhne an langen Winterabenden in der warmen Stube und schnefelten und schnitzten allerlei Gerät, das man im Haus gebrauchen konnte: Kübel, Zuber und Bottiche, Holzschachteln, Rechen, Löffel, Gabeln und Sensenstiele, Holzschuhe, Faßhahnen und Siebe, Sestermaße, Kochlöffel und Mausefallen, Kraut- und Rübenhobel und Spinnräder. Noch vor 50 Jahren war diese Holzschneflerei eine richtige Hausindustrie, sogar die älteste des Schwarzwaldes.
Nun brachte einmal ein Hausierer aus dem Erzgebirge einen Löffel aus Blech mit. Im Jahre 1740 gründeten Anton Weißer aus Schönwald und Johann Ketterer aus Schonach die erste Schwarzwälder Löffelschmiede. Die runden Blechlöffel hatten anfangs noch hölzerne Stiele. Später verstand man es, den ganzen Löffel aus Eisenblech herzustellen. „Was andere können, kann ich auch“, dachte Andreas Fäßer. Mit seinen Brüdern richtete er im Löffeltal eine Löffelschmiede ein. Der Rotbach trieb die Räder und damit die Hämmer der Schmiede. Die Räder sind heute stumm. Der Betrieb ist eingegangen. Aber der Name Löffeltal erinnert noch an das alte Schwarzwaldgewerbe.

Maria in der Zarten
Kaum ist der „Höllentäler“ über der Ravennabrücke drüben, ist durch die beiden Tunnels der „Steige“ gekrochen, fährt er auch schon im Bahnhof Hinterzarten ein. Das schöne Schwarzwalddorf liegt in einem weiten Hochtal. Ein großer Baumeister hat das Tal geschaffen. Der Herrgott selbst hat den Baumeister bestellt. Das Eis des großen Feldberggletschers war es. Es kam über den Sattel bei Erlenbruck aus dem Bärental herüber, überfiel die Wanne von Hinterzarten und erfüllte das Tal von Breitnau. Auch im Löffeltal machte es sich zu schaffen.
Als das Eis verschwunden war, sickerte ein Bächlein an seiner Stelle. Aus dem Mathisleweiher rann der Rotbach, der einmal die Dreisam mitbilden sollte. Auf dem moorigen Boden gediehen Birken. Noch zeugt das Hochmoor von Hinterzarten von der Eiszeit.
Nach und nach kamen Bauern. Sie bauten ihre Höfe an diese und jene Berghalde. Eine Kapelle brauchten sie auch. Sie verehrten ein Muttergottesbild. Hinterzarten war damals noch ein Teil der Mark Zarten. Sie nannten die Muttergotteskapelle „Maria in der Zarten“. Immer mehr Bauern siedelten sich im Hochtal an. Aber noch standen die Höfe weit auseinander. Um die Höfe war viel Grasland. Einen Teil pflügten sie um. Sie säten Gerste und Hafer. Nach einigen Jahren pflügten sie ein neues Graslandstück um. Das alte durfte ausruhen und wieder einmal für ein paar Jahre Wiese werden. Sie nannten solches Bauernland Heufeld-Äcker. Am Waldrand oben mähten sie das Gras nicht. Dorthin trieben sie das Vieh auf die Weide. Aber auch dort pflügten sie einen Streifen um zu einem Bergacker. Man erkennt ihn an den zerlegbaren Stangenzäunen. Wo man gerade einen Zaun um einen Acker herum brauchte, konnte man ihn rasch zusammensetzen.
Mit der Zeit bekam Hinterzarten mehrere Häusergruppen, einen Bahnhof, eine Schule und eine Kirche. An den alten Wegen liegen die einzelnen Weiler, die Höfe „in der Windeck“, „auf der Steig“. Daran sieht man, wie das Dorf aus einzelnen Häusergruppen entstanden ist. Vor 200 Jahren bauten die Bauern für ihr Vieh Berghäusle.
Taglöhner und Waldarbeiter, später auch Uhrmacher, wohnten darin. Sie waren die „Häusler“. Zuletzt kamen Hotelbauten und Pensionen hinzu. Und immer noch ist Hinterzarten am Wachsen. Es ist ein schöner Kurort geworden. Sommers und winters kommen Menschen, die den Schwarzwald lieben.