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Die Hofverfassung auf dem Schwarzwald dargestellt an der Geschichte des Gebiets von St.Peter
von Eberhard Gothein.

Zwei Aufgaben liegen der Wirtschaftsgeschichte ob: sie soll die materielle und soziale Entwicklung grosser Gruppen, der Landschaften, der Stände, schliesslich des ganzen Volkes schildern, und doch zugleich die Lebensgestaltung der kleinsten Kreise bis herab zur Einzelexistenz ergründen. Nie kann sie von dieser zweiten Aufgabe absehen, wenn sie die erste richtig lösen will; denn alles Kulturleben, zumal aber das wirtschaftliche, fusst zuletzt auf dem individuellen Dasein. Namhafte politische Historiker haben deshalb noch neuerdings eine Kulturgeschichte überhaupt für unmöglich erklärt. Daran gewöhnt, dass die politische Entwicklung sich in einer fortlaufenden Reihe von Ereignissen vollzieht, dass jedes einzelne unter diesen ein Moment des Fortschreitens enthält und daher keines von ihnen vom Historiker übersehen werden darf, halten sie es für undenkbar, dass es je gelingen könne, die schier unübersehbare Menge von Thatsachen des Kulturlebens in ein Bild zusammenzufassen.

Ist aber diese Menge wirkch unübersehbar? Der Zweifel löst sich, sobald man erst die einzelnen bestimmten Aufgaben ansieht. Wer über Zunftwesen oder über bäuerliche Zustände eine Untersuchung anstellt, wird mit seinem Urteil gewiss nicht zurückhalten, bis er sämtliche Innungen oder Dörfer durchgearbeitet hat. Das Einzeldasein ist zwar das Wichtige und seine Darstellung ist unumgänglich, aber es wiederholt sich; und man hat genug gethan, wenn man den Umkreis von Bedingungen dargestellt hat, innerhalb deren sich jenes differenzieren kann. Darauf kommt es also an: richtig die Typen zu wählen, an diesen aber auch alle Lebensbeziehungen, bis zu den kleinsten und feinsten, zu ergründen. Es ist dies die Methode, die in der Sozialstatistik der Gegenwart zur Herrschaft gelangt ist, und auch für die Sozialgeschichte ist sie die fruchtbarste.

Einen solchen Typus will ich hier für die mit Gehöften besiedelten Schwarzwaldlandschaften geben. Nicht als ob ich glaubte, oder als ob es bei der Natur historischer Quellen möglich wäre, dass an einem Beispiel alle Punkte, die in Frage kommen, auf's deutlichste sich ausprägten. Ich habe selber bisweilen die Darstellung übergreifen lassen in die nächst angrenzenden Thäler. Die eigene Oekonomie der Klöster und selbst die der Unterthanen, weiterhin der Zerfall der grossen Meierhöfe und noch manches andere lässt sich anderwärts besser verfolgen; nirgends aber liegt die Entwicklnng des Rechtes so klar wie hier, nirgends, so viel ich bis jetzt sehe, auch der Gang der Besiedlung, ihr zeitweiliges Rückschreiten und ihre Wiederaufnahme. Auch das ist nicht gering zu schätzen, dass das vollständige Aktenmaterial einen genauen Einblick in die soziale Entwicklung nach dem Bauemkrieg verstattet.

Gerade die Wechselbeziehung von Recht und Wirtschaft, durch welche mehr als durch irgend etwas anderes der Wohlstand und die soziale Lage eines Standes bedingt wird, habe ich an diesem besonderen Beispiel klar legen wollen. Die Thatsache, die aus dieser Untersuchung erhellt, dass das Sonderrecht der Schwarzwaldhöfe erst ein spätes Kind der Not ist, dass diese Absonderung vom Landrecht unumgänglich geworden war, wollte man nicht, dass aus der Heimat einer kräftigen Bevölkerung von neuem eine Waldwüste werde; diese Thatsache giebt auch heute noch nach mehr als einer Hinsicht zu denken.

I.
Im Jahre 1093 verlegte Herzog Berthold II. das Benediktinerkloster des h. Petrus von Weilheim in der Neckarau unter dem Berge Teck in die Nähe jener Burg Zähringen im Breisgau, nach der sich sein Geschlecht damals nannte. Er wählte eine bisher wenig besiedelte Gegend des Schwarzwaldes, jenes hügelige Hochplateau, das sich an den Kandel und Flaunser im Osten anlehnt, und von dem in tief eingeschnittenen Thälem die Wildgutach, die Glotter, der Eschbach, die Ibenthaler und Wagensteiger Bäche herabströmen. Die Strassenzüge, welche vor Erschliessung des Höllenthales allein die Verbindung zwischen Breisgau und Baar vermittelten, gehen über dieses Plateau, das durch sie zum Knotenpunkte der Schwarzwälder Landschaften gemacht wird. Mit dem Kloster St. Märgen, das am oberen Ende des bequemsten Anstieges, der Wagensteige, wenig später gegründet wurde, teilte sich St.Peter späterhin in seinen Besitz.

Jene Verlegung des Weilheimer Klosters, das an seinem neuen Sitze die bevorzugte Familienstiftung der Zähringer wurde und ihre Grabstätte bis zum Erlöschen des herzoglichen Geschlechtes blieb, entsprach der Verschiebung der zähringischen Macht selber von der schwäbischen Baar nach dem Breisgau und Burgund. Sie vollzog sich in einer Zeit, als der erneute Aufschwung des Benediktinerordens in Schwaben durch die Hirschauer Kongregation sich ebensowohl in eifriger politischer Parteithätigkeit als in einer Fülle von Gründungen in unkultivierten Gebieten kund that. Zellen, die sich mit der Zeit zu Klöstern auswuchsen, und Abteien, die gleich Anfangs mit ansehnlichem, weit im Land zerstreuten Güterbesitz ausgestattet waren, suchten gleichmässig gern die Einsamkeit der Bergwälder auf, in deren Rodung und Besiedlung die Benediktiner ihre altbewährte Geschicklichkeit wiederum erproben konnten.

Von früher her besass St.Peter in Schwaben eine Reihe von Höfen; reicheren Besitz erlangte es jetzt noch im Breisgau und in Burgund; nur in seiner nächsten Umgebung, im Schwarzwald, verfügte es noch über kein Eigentum. Verschiedene Dynasten und freie Herren des Breisgaues beanspruchten damals, gleichviel unter welchem Rechtstitel, Stücke des Waldes, ohne dass sie über die Abgrenzung zu festen Vereinbarungen gekommen wären.(In der Unbestimmtheit des Ausdrucks der Schenkungsurkunden giebt sich die Unbestimmtheit der Besitzverhältnisse selber kund. Der Graf von Nuwenburg k. B. schenkt überhaupt nur seinen Anspruch an den Wald, gleichviel ob er innerhalb oder ausserhalb der in der ersten Grenzbeschreibung angenommenen Grenzen liege.) Sie hatten oberflächliche Besiedlungen teils zugelassen, teils selber veranlasst, aber erst durch die Klöster kam Regelmässigkeit und Beständigkeit in die Kolonisation. Von verschiedenen Seiten erhielt auch St.Peter das Territorium in seiner Nachbarschaft. Erst im Jahre 1111 übergaben ihm die Söhne Bertholds II., Berthold III. und Konrad einen dem Klostergebäude benachbarten Neubruch Namens Gottschalksgereute (Wahrscheinlich eine einzelne Brennwirtschaft, wie diese im Schwarzwald überall der eigentlichen Kolonisation vorangehen, keinesfalls aber, wie Baumann zu v. Weech R.S.P. Freib. Diöz.-Ärch. XV, S. 176 vermutet, ein Gewann. Ein solches würde eine bereits bestehende und zwar dorfmässige Besiedlung mit Gemengelage voraussetzen.) und „jenen nicht geringen Teil des Schwarzwald genannten Waldes, der sich von dem Neubruch ziemlich umfangreich in die Länge und Breite erstreckt". Nicht lange Zeit nach dieser ersten Schenkung fügten die beiden Brüder eine zweite Rodung dem Kloster gegenüber zu, ein Edelmann Arnold von Kenzingen schenkte den Weiler Ror sowie den ganzen Teil seines Eigentumes am Walde und bedang sich eine Familiengrabstätte in der neu zu erbauenden Kirche, endlich gab der Graf Erlewin von Nuwenburg (Nimburg) „seinen ebenfalls ausgedehnten Anteil am Walde".

Schon am Ende des Jahres 1111 war aus diesen Schenkungen im wesentlichen jenes Gebiet zusammengekommen, welches uns fortan im Besitze von St.Peter begegnet. Nur ganz im allgemeinen ward es freilich zunächst umschrieben durch einige Bäche, Quellen und Bergrücken; erst eine spätere Zeit fügte in den so vorgezeichneten Rahmen eine grössere Anzahl von Punkten, wie sie zur Bestimmung der Grenzen in einem dichter besiedelten Gebiet nöthig geworden waren. (Dies das Resultat, das aus dem im Rotulus sehr verworren vorliegenden Material gewonnen werden kann. In diesem sind nämlich drei miteinander nicht vereinbare Urkunden auf den 27. Dez. 1111 datiert (nicht 1112 wie im Druck steht VI kal. Jan. anno ab incarn, dorn. MCXII iodict. V fer. IV geht ins vorhergehende Jahr zurück und stimmt auch nur für dieses), und zwar: A. Vergabung des novale Gotescalchsgrüitte samt Bestätigung der früheren Dotation des Klosters und Zusicherung, dass Zähringische Dienstmannen Schenkungen an dasselbe machen dürfen. Hierauf folgen einige undatierte Nachträge: 1) non post multum temporis die Schenkung des zweiten novale mit einer von A. verschiedenen Zeugenreihe; 2) Schenkungen des Arnold von Kenzingen und des Grafen von Nuwenburg (R.S.P. S. 139 f.). B. Bezeugung der Schenkung des gesamten, durch 14 Punkte umschriebenen Gebietes, mit der Bemerkung, dass die Kenzinger und Nimburger Schenkung mit inbegriffen seien; Zeugenreihe wie A mit Hinzusetzung Zähringischer Dienstmannen, die in A. summarisch erwähnt sind (R.S.P. 141 f.). C. Wörtliche Wiederholung von B. aber mit einer genaueren Grenzbeschreibung von 30 Punkten (R.S.P. p. 155). Diese Urkunde C. ist auszuscheiden. Sie steht am untersten Ende des Rodels (aber auf der Vorderseite, daher in der Ausgabe in der Mitte) von viel jüngerer Hand als der übrige Text in Charakteren aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts geschrieben. Sie stellt sich also als eine Verarbeitung der älteren Urkunde mit einer den damaligen Verhältnissen entsprechend veränderten Grenzbeschreibung dar. Speziell sieht man, dass nach dem Tribergischen hin und nach den Thälern Nordera und Welschenordera (LangenOrdnach und Joosthal) genaue Grenzen nötig geworden sind. Dort sind 6, hier 7 neue Bestimmungspunkte eingeschoben. Die Diskordanz zwischen A. und B. löst sich, sobald man in A. nicht die Schenkungsurkunde, sondern eine Beglaubigung derselben vor den am 27. Dezember mit den Herzögen zu St.Peter versammelten Freien und Ministerialen sieht. Dann würde die erste Schenkung und die Bestätigung der alten Besitzungen durch die Herzöge beim Antritt der Erbschaft ihres am 13. April 1111 gestorbenen Vaters erfolgt sein, im Lauf des Jahres folgten die weiteren Vergabungen, so dass am Ende desselben die in B. ausgesprochene Arrondierung erreicht war. Die Bestimmung der angeführten Punkte giebt Baumann a. a. 0. Nachzutragen ist, dass „zem Burgstal" im Wildgutachthal bis zum vorigen Jahrhundert als „Heidenschloss* vorkommt.)

Erst nachdem diese Bestimmungen getroffen waren, führte die thatsächliche Besiedlung zu Auseinandersetzungen mit den Nachbarklöstern, die von verschiedenen Seiten mit der Kolonisation vorgehend in der Mitte leicht zusammenstiessen. Schon 1121 erfolgte eine Vereinbarung mit St.Märgen, wonach dieses zwei Lehen abtrat, aber die Erlaubnis erhielt, seine Rodungen im Verfolg des Bergrückens, der zwischen Ibenthal und Wagensteig hinzieht, bis an die Gutach auszudehnen. Die Zerrüttung, die bald in jenem Kloster eintrat, liess es von diesem Rechte nie Gebrauch machen. Sodann schlichteten 1265 die Äbte von St.Georgen und St.Märgen die Streitigkeiten mit Friedenweiler in der Baar. Auch von diesem erhielt St.Peter zwei Lehen, die unterhalb seines Hofes zu Waldau gelegen waren, gegen Verzicht auf weitere Ausdehnung seiner geistlichen und weltlichen Rechte. Und erst 1449 entschied der Freiburger Rat, dass an die Güter, die St.Peter schon im 12. Jahrhundert ausserhalb seines gestifteten Bezirks im Glotterthal erworben hatte, die Abtei Waldkirch keinerlei Ansprüche zu erheben habe.

Das waren geringe Änderungen; wichtiger war es, dass die weltlichen Vei'treter des Klosters selber, die Erben seiner Stifter, in seinem Gebiet auf eigene Hand Besiedlungen vollzogen und über dieselben verfügten. Deutlich war das ganze Ibenthal in die Schenkung eingeschlossen, 6 in demselben gelegene Lehen - vorbehaltenes Vogtsgut also - hatte noch dazu bald darauf der Abt von Herzog Berthold eingetauscht Später aber - man wusate nicht seit wann - gehörte das untere Ibenthal Freiburger Ministerialen, die auf dem Schlosse Wyler am Ausgang ins Dreisamthal sassen. Das Weistum dieser Bauerschaft giebt die Nachricht, dass ihre Altvorderen ihre Lehen empfingen von der Herrschaft von Freiburg und dass die Herrschaftsrechte alsdann als rechtes Mannlehen an den Hof von Wyler geliehen wurden. Diese Bauern waren nicht wenig stolz auf ihre unmittelbare Belehnung, sie liessen sich von ihrer Obrigkeit mit „ir Herren" anreden und dieser Anrede entsprach die freie Stellung, die sie einnahmen; vor allem waren sie darauf bedacht, dass den benachbarten Gotteshäusern keinerlei Gerichtshoheit, sondern nur ihre gebührenden Zinsen zustehen. An den alten Zusammenhang mit dem oberen Thal erinnerte nur der gemeinsame wechselseitige Weidgang und die geringe Steuer, die sie für die Nutzung der AUmendwäider nach St, Peter zahlten.

II.
Auch die weiteren Schicksale derjenigen Bauerschaften, die bei dem Kloster verblieben, wurden wesentlich bestimmt durch das Verhältnis der Kastvögte zu ihren geistlichen Herren. Einfacher als es damals schon üblich war, lagen anfangs hier die Bedingungen. So lange das zähringische Herzogsgeschlecht blühte, behielt St.Peter den Charakter einer Familienstiftung und die Kastvogtei war in der That eine Herrschaft. Nur die notwendige Zusicherung, dass der „Vogt für den Landbesitz" im Kloster selber nichts zu schaffen haben solle, war in der päpstlichen Bestätigungsbulle enthalten 1; ein Recht, sich denselben zu wählen, wie es sonst grösseren Abteien zustand, war weder ausdrücklich hervorgehoben, noch hätte es zur Geltung gebracht werden können. Wenn neue Herzoge von neuem die Schenkungen ihrer Vorfahren bestätigten, dann verzichteten sie noch ausdrücklich auf ihr Recht an denselben. Sie versprachen aber auch das unmittelbare Verhältnis des Klosters zu ihrem Hause dauernd zu wahren, niemals einen Vogt zwischen sich und dem Kloster zu ernennen. Doch scheint es, dass sie es mit diesem Versprechen nicht besonders genau genommen haben.

Dies alles änderte sich mit dem Aussterben des Geschlechtes. Die Aussicht, unter das Reich zu kommen, die sich anfangs bot, hatte für St.Peter viel Verlockendes; aber mit Gewalt bemächtigte sich der Allodialerbe der Zähringer im Breisgau, Graf Egeno von Freiburg, der Vogtei im Kloster selber und in seinen Besitzungen auf seinen Erbanspruch hin. Geraume Zeit nachdem Egeno seinen Frieden mit dem Kaiser gemacht, fügten sich erst die Mönche in das Unvermeidliche. Sie wählten ihn zu ihrem erblichen Vogt und zum Verteidiger ihrer sämtlichen beweglichen und unbeweglichen Güter; der jeweilige Besitzer der Stadt Freiburg unter seinen Nachfolgern sollte auch die Kastvogtei verwalten.

Ausdrücklich war hierbei bestimmt worden, dass seine Vogtei sich soweit erstrecken solle wie einst die zähringische, auch über die Güter in entfernten Gegenden. Aber dies blieb ein leeres Wort, denn die Macht der Freiburger erstreckte sich eben nicht mehr wie die der Zähringer auch nach Schwaben und der burgundischen Schweiz; also war auch ihr Schutz daselbst wertlos. Jedoch nicht einmal in dem gesamten geschlossenen Gebiet der Abtei auf dem Schwarzwald innerhalb der 1111 festgesetzten Grenzen behaupteten sie ihr Recht. Die Gemeinde Neukirch jenseits der Wildgutach erkannte die Vogtei der jeweiligen Inhaber der Herrschaft Triberg an und hielt sich zu dem benachbarten Furtwangen. Als der alte Klosterhof zu Waldau aufgeteilt wurde, wählte man für dieses neue Dorf den Herren der angrenzenden Thäler, den Grafen von Fürstenberg, zum Vogt.(Rechte von Waldau. Grimm W. I. 8. 358.) Dieselben Gründe, welche in unserer Zeit dazu geführt haben, dieses alte, durch 7 Jahrhunderte lang zusammengehörige Gebiet in 3 verschiedene Bezirksämter zu verteilen, machten sich also auch im Mittelalter in der Verteilung der Vogtrechte geltend.

In dem Reste der Kastvogtei schalteten die Freiburger unbedingt als Landesherren. „Unser rechter Herr und Kastvogt" hiess der Graf andauernd den Mönchen, selbst als man daran ging, seine Befugnisse nach Möglichkeit einzuschränken; er selber bezeichnete sich als Vogt über Leute, über Gut, über Holz und über Twing und Bann, wie die genannt sind, und er verfügte oft genug eigenmächtig über diesen Machtbereich. Auch einen Untervogt scheinen die Grafen wieder gesetzt zu haben, eben jene Herren von Wyler, zu deren Gunsten dem Kloster das untere Ibentha] entzogen wurde.(Ztschr. 12, S. 395 f. 13/5. 1342 bestimmte Bussen bei Verletzung einer Anordnung des Grafen Konrad sollen zwischen ihm und Heinrich Meier von Wyler oder seinen Erben geteilt werden.) Viel schlimmer war es, dass St.Peter auch in die unaufhörlichen Fehden gezogen wurde, in denen die Grafen ihren Wohlstand zerrütteten. Um die Einbussen, die es durch diese und durch die grossen Epidemien des 14. Jahrhunderts erlitten hatte, zu ergänzen, gab der Papst 1382 eine Erweiterung der geistlichen Rechte in den schweizerischen Besitzungen; noch vorher hatte aber das Kloster selbst das unbequeme Band zu lösen versucht. Im Jahre 1361 erwirkte es eine Urkunde Karls IV., vermöge deren St.Peter ewig unmittelbar zum Reiche gehören und Niemand sich irgend welches Vogtrechtes oder Gewaltes darüber unterwinden sollte. Eine solche Kaiserurkunde hatte aber wenig auf sich; sie konnte höchstens als Reserve für Notfälle angesehen werden. Man liess sich zwar auch von späteren Kaisern, Friedrich III. und Maximilian, die Reichsfreiheit bestätigen, an den wirklichen Verhältnissen änderte aber das gar nichts. Der einzige Erfolg war, dass im 16. Jahrhundert, als längst die österreichische Landeshoheit festgestellt war, der Abt einige Male von den Reichsprälaten als einer der ihrigen in Anspruch genommen wurde, um seinen Beitrag an Reichsauflagen zu zahlen.

Inzwischen achteten die Grafen das Schutzrecht über die alte zähringische Stiftung so gering, dass sie 1393 die Vogtei sogar einem Freiburger Gastwirt als Pfand für aufgesammelte Schulden übertrugen.(Ztschr. 20 S. 329.) Schon 2 Jahre darauf erfolgte eine dauernde Verpfändung der „Vogtei" über die 3 Thäler Eschbach, Iben, Ror und das übrige Gebiet des Klosters mit Leuten, Gütern, Gerichten, Steuern, Nutzen, Zinsen, Diensten und Frohnden, mit Acker, Holz, Feld, Wasser, Wunne und Waide. Nur die „Kastvogtei" des Klosters selbst, also die Vertretung desselben in Rechtssachen, und einen Anteil am Gute todeswürdiger Verbrecher samt dem Wildbann behielt sich der Graf vor; alles übrige empfingen als Pfand für 600 fl. die Freien von Blumeneck; die Unterthanen wurden angewiesen, ihnen zu huldigen und Gehorsam zu schwören.(Ztschr. 20 S. 332.)

Für ein geistliches Territorium gab es kein bedenklicheres Schicksal als die Vogtei eines solchen benachbarten kleineren Adligen. Man sah die Folgen am deutlichsten in der nächsten Nachbarschaft, in St.Märgen. Dort war es nicht selten, dass die Streitigkeiten zwischen Abt und Vogt mit der Ermordung des ersteren beendigt wurden. Gegen die Ansprüche des Freiherrn, der sein Pfand nach Möglichkeit ausnutzen wollte, suchte und fand der Abt beim Mangel aller Privilegien - von dem bedeutungslosen Karls IV. abgesehen - Zuflucht nur in den Rechtsweisungen der Bauern. Auf sein Ansuchen wiesen im Jahre 1416 24 erfahrene Männer aus den einzelnen Thälern die Rechte, welche von Alters her der Vogtei zugehörig seien. Natürlich kehrte das Weistum seine Spitze gegen den Vogt. Der Abt allein erscheint in ihm als Herr und nur ihm haben die Bauerschaften zu schwören. 4 Jahre später kam ein Vertrag zustande, in dem das Stift das nötige Geld vorschoss, um für die Freiburger die Pfandschaft zurückzukaufen; eben auf den Grundlagen jenes Weistums erfolgte derselbe. Zwar liess man jetzt jene Bestimmung über die Huldigung fort und jedes Recht blieb dem Kastvogt gewahrt, wenn sich ein solches noch nachträglich ergeben sollte, aber die materiellen Einschränkungen, über welche im Weistum erkannt war, blieben bestehen. Die Einkünfte der Vogtei bezog einstweilen das Kloster für seinen Vorschuss, nur die Pflichten lagen wieder beim Kastvogt; aber eben diese Pflichten waren auch seine Herrschaftsrechte.

Auch nach der Einlösung setzte sich die einmal begonnene Zersplitterung fort. Die Vogtei über das kleine Thal Rechtenbach zwischen Eschbach und Ibenthal ward besonders verpfändet und kam ganz von der Kastvogtei ab; von deren übrigen Einkünften ward der „Vogthaber", den die Bauern für den Schutz der Hausfreiheit gaben, getrennt und verkauft. So arg herabgebracht war die Kastvogtei ! Aber selbst der Rest von Berechtigungen war noch bedeutend genug, um sie in kräftiger Hand wieder zu dem zu machen, was sie dem Namen nach noch war: „eine Herrschaft mit fürstlichen hohen Obrigkeiten", Im Jahre 1451 kam sie an die Markgrafen von Baden-Hachberg; und wie vor kurzem sich die Äbte der bäuerlichen Rechtsprechung gegen den Vogt bedient hatten, so geschah jetzt das Umgekehrte: der Vogt nahm sich der Ansprüche der Bauern gegen den Abt an. Durch Vermittlung des Markgrafen Rudolf kam die Festsetzung der verschiedenen Rechte in dem grossen Dingrodel zustande, einem der vollständigsten Bauemrechte, die uns erhalten sind. In seinen wesentlichen Teilen eine Zusammenfassung der in den einzelnen Hof- und Dorfordnungen bisher zerstreuten Bestimmungen bringt er in dem, was er Neues bietet, bedeutende materielle Erleichterungen für die Bauern. Das genügte, um der Autorität der Kastvögte wieder die bedeutendste Stärkung zukommen zu lassen.

III.
Von diesen äusseren Schicksalen der Kastvogtei waren die Befugnisse, die ihr zustanden, abhängig. Von der Vertretung des Gotteshauses nach aussen hin bei Prozessen und Rechtsverhandlungen, die dem Kastvogt oblag, sowie von dem Schutz, den er im Notfall mit gewaffneter Hand gewähren musste, können wir hier absehen. Diese Pflichten lagen im Wesen jeder Kastvogtei; hier gehen uns nur die Berechtigungen an, die sich auf das Gebiet von St.Peter selber beziehen.

Durch die Schenkung der Zähringer und die übrigen Vergabungen war das Kloster St.Peter Grundherr in einem bedeutenden zusammenhängenden Teil des Schwarzwaldes geworden. Aber es hatte nicht mehr Privilegien für dies Gebiet erhalten, als es auch sonst in seinen zerstreuten Höfen besass. Auch so war die Summe der öffentlichen Rechte, die der Grundherr in seinem Dinghöfe über die zu demselben gehörigen Bauern ausübte, eine bedeutende. Nicht nur die Entscheidung über Erbschaften und Verkäufe von liegendem Gut gehörte hierher, sondern sein Anrecht auf Fälle. Besthaupt und Bestgewand verschaffte ihm auch die Rechtsprechung über Vieh und Hausrat, und selbstverständlich wurden die Bussen für Frevel in Feld und Wald hier verhängt. Gerade das war aber die Frage, ob nicht auch die Vögte sich eine Herrschaft an Grund und Boden zuschreiben und demgemäss Verfügungen treffen dürften. Die Formeln, in denen sie ihr Anrecht umschrieben, zeigen, dass sie solche Ansprüche erhoben; und wir sahen, dass sie bei den Ansprüchen nicht stehen blieben. Vom Silberbergwerk im Suggenthal erlaubte Graf Egeno eigenmächtig kraft seines Vogtrechtes über die Güter des Klosters den grossen Entwässerunssstollen zu ziehen; den Eschbachern verbot sein Nachfolger bei schwerer Busse weiter Mühlen in ihrem Thal zu bauen und in ihnen mahlen zu lassen, ohne auch nur des Grundeigentums von St.Peter zu gedenken. Man sieht, die Entziehung des unteren Ibenthales war nur ein Glied in einer Kette von ähnlichen Übergriffen.

Sich die Rechte, die aus seiner Grundherrschaft herflosseo, zu sichern, darauf zielten die Rechtsweisungen, die die Äbte veranlassten, besonders ab. "Alle Gerichte ohne Diepstal und ohne Erdfall sind des Gotteshauses, diese zwei sind eines Vogtes*. sagte schlechthin das älteste Dingrecht, das in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zurückreicht. Die genauere Festsetzung ist der Zweck des Weistums von 1416: ausser dass hier wiederholt jede andere Gerichtshoheit. als die über das Blut, dem Kastvogt abgesprochen ward, wurde ihm auch jede Verhaftung untersagt - schon früher war bestimmt worden. dass auch der Totschläger vom Pfleger des Klosters zu Händen genommen und von ihm erst dem Vogt überantwortet werde - : nur beim Abt darf ein Unterthan Klagen anbringen und nur dieser hat ihn zu strafen, wenn er dies Gebot übertreten; überhaupt hat der Vogtherr nichts zu gebieten über des Gotteshauses Leute und Gut, weder im Holz, noch im Feld, weder auf den Seldgütern noch auf den Lehen, denn alles ist dem Kloster von der Herrschaft Zähringen frei ledig Gott zu Lob und ihren Seelen zu Heil gegeben worden.

Solche Beschränkungen fanden erst ihr eigentliches Fundament darin, dass dem Vogt das Recht abgesprochen wurde seine eigenen Unterbeamten, „des Kastvogts Untervögte", wie sie regelmässig heissen, zu ernennen. Auf jenes Privileg Bertholds IV., dem Kloster keinen Zwischenvogt in alle Zukunft geben zu wollen, konnte man sich dabei nicht berufen; denn dort waren wirkliche Stellvertreter des Kastvogts gemeint, wie jene Meier von Wyler, die aus dem ansehnlichsten Geschlecht des Breisgaus, dem der Schnewelin, stammten. Die Untervögte dagegen sind selber Bauern, niedere Vollzugsbeamte ohne alle eigene Autorität. Es war natürlich, dass der Kastvogt die Ernennung derselben für sich beanspruchte. So stand sie ihm in dem kleinen, besonders verpfändeten Rechtenbach auch später noch zu, und nur, dass sie mit Wissen des Abtes und der Bauern erfolge, war erforderlich. Umgekehrt sollte nun in der eigentlichen Kastvogtei, wie man jetzt die bei derselben zurückgebliebenen Gebiete selber nannte, der Abt nach Willkür den Untervogt bezeichnen, zunächst auf 1 Monat, um zu erproben, ob er der Bauerschaft genehm sei, und bezeichnend genug setzt erst der Vertrag von 1420 hinzu „dem Kastvogt und seinen armen Leuten". War dies nicht der Fall, so wiederholte er die Ernennung dreimal, bis er den geeigneten fand. Der Untervogt war also thatsächlich des Abtes Beamter, dem er auch zugleich mit dem Kastvogt schwur, und dieser hatte auch für seine Verpflegung zu sorgen: wenn er die Steuer sammeln ging, so sollte man ihm im Gotteshause Essen und Trinken geben, dass er der armen Leute (sc. der Unterthanenschaft) schonen möge, und er sollte einen Nagel haben in der Klosterküche an der Säule, daran er sein Schwert henken möge. Eben auf dieses Sammeln der Steuer beschränkte sich jetzt seine Thätigkeit, erst im grossen Dingrodel wird ihm wenigstens wieder ebenso wie des Klosters Amtleuten das Recht zuerkannt Friede zu gebieten, wo aus einem Streit die Gefahr des Auflaufes oder Aufruhrs sich ergeben könnte.

Wenn nun trotzdem der Kastvogt einen Anteil erhielt an den Bussen für Frevel, über die er nichts zu entscheiden hatte, so geschah es um des Schutzrechtes willen, das er über Land und Leute ausübte. Er garantierte die gesamte öffentliche Gewalt, von der er selber nur einen Teil besass. So war es besonders der Fall mit den Ding- und Freihöfen des Klosters. Wer den Frieden in denselben brach, zahlte gleiche Busse an den Abt und an den Kastvogt, „dass er einem Abt soll helfen die Freiheit behalten des Kastvogts". - Das war die Bestimmung, welche wirklich galt; ebenso illusorisch wie die Reichsfreiheit von St.Peter selber war es dagegen, wenn das Hofrecht fortfuhr: „item Hus und Hoff ist gefrygt als ander unser fryung kungen und keiseren, der da fräfelty, ist vervallen 100 Mark goldes, das halb einem Appt und das ander halb einem keyser."

Was dem Vogt ganz zu eigen blieb, war nur die Gerichtsbarkeit über das Blut. Es schien wenig; so aber war nun einmal das Rechtsbewusstsein des Volkes geartet, dass ihm dieses eine Recht als der entscheidende Teil der Gerichtshoheit überhaupt galt. Und eben dieses Recht konnte der Abt nie besitzen. Das kanonische Hindernis „ecelesia non sitit sanguinem" bestand noch in voller Kraft; und wenn irgend ein anderes Gebot des Kirchenrechtes, so entsprach dieses dem sittlichen Bewusstsein des Volkes. „Da es einem an seinen Leib gienge, da hat ein Herr von St.Peter nicht darob zu richten, denn es gieng ihm an sein Amt" sagt das Weistum der Seldgüter und allen übrigen Weistümem liegt dieselbe Anschauung zu Grunde. Sobald im Gerichte es dem Verbrecher an Hals und Hand geht, steht der Abt vom Vorsitz auf, legt seinen Stab nieder und nimmt ihn erst wieder auf, wenn der Urteilsspruch ergangen ist.

Aus der Kriminalhoheit folgten von selbst Schutzrechte bestimmter Art, die im Mittelalter viel wichtiger waren als jener Schutz, der durch nachträgliche Bestrafung von Diebstahl und Mord gewährt wurde. Nach deutscher Auffassung gebührte bekanntlich dem Totschläger von Seiten der Obrigkeit viel mehr Schutz vor der Rache der Blutsfreunde als Verfolgung. Ebenso wie in den freien Bürgerschaften der Städte, so trat auch in diesen, vorwiegend mit freien Leuten neu besiedelten Gebirgsgegenden diese uralte Anschauung wieder lebhaft hervor zu einer Zeit, als sie anderweitig schon im Rückschreiten sich befand. Das älteste Dingrecht bestimmt: „Ist das, dass einer, der auf des Gotteshauses Gut gesessen ist, den andern zu Tod schlägt, so soll des Gotteshauses Pfleger darfahren und soll den fahen, ob er ihm werden mag, und soll alles sein fahrend Gut führen in des Gotteshauses Schurhof und soll da nehmen den Dritteil des Gutes und soll die andern zwen Teil und den Mann, der den Schaden hat gethan, überantworten einem Vogt: der mag wohl sich selber die zween Teil behalten, ob er will; und soll der Vogt den Mann schirmen vor des Mannes Freunden, den er hat erschlagen, und soll ihn geleiten sicherlich mitten auf den Rhein oder mitten auf den Schwarzwald mit seiner Kost. Bedarf er seiner fürbas, so soll er es, als es ihm beliebt, thun." Diese Bestimmungen spinnen die späteren Dingrechte und Weistümer weiter aus. Jene 2 Drittel der Habe soll der Vogt nicht sowohl für sich als vielmehr zum Unterhalt des friedlosen Mannes behalten, zu 3 Gerichtstagen soll er ihn sicher führen und dort mit den Verwandten des Erschlagenen tädingen; die Grenzen des Breisgaus, bis zu denen er ihn nach Jahresfrist geleiten soll, werden genauer bestimmt: mitten auf den Rhein bei Breisach oder bei Lintpurg, an die Bleicha, mitten auf den Schwarzwald und den Sausenhart.

Die beginnende Umwandlung in den strafrechtlichen Anschauungen, wenn nicht des Volkes so doch der Obrigkeiten während der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zeigt sich darin, dass im grossen Dingrodel diese Bestimmungen unterdrückt sind; an ihrer Stelle wird jetzt das gewöhnliche Maleflzgericht auch auf den Totschläger ausgedehnt. Der Vogt besetzt es mit 24 ehrbaren Leuten aus den Thälern und den Seldgütern, sie versammeln sich am Schwibbogen an der Wegscheide vor dem Kloster. Ist der Übelthäter entwichen, so soll man nach des Herren (des Vogtes) Klag dreimal nach den 4 Zeichen hin, welche den gefreiten Hof umgaben, dem Übelthäter rufen, die Klage zu verantworten.

Auch jetzt noch blieb ein Recht straflosen Totschlages übrig, wenn derselbe in Wahrung des Hausrechtes vollführt worden war. Auch in den Dingrodel fand die alte Bestimmung Aufnahme, die dem Thäter nur gebot den Leichnam des entseelten Friedbrechers durch ein Loch unter der Schwelle zu ziehen und ihn alsdann von jeder Busse lossprach. Immerhin sind diese Befugnisse der Selbsthilfe geringer als in dem benachbarten Unteribenthal. Dort durfte jeder Bauer den Gemeindehirten erschlagen, wenn er ihn bei der Heerde schlafend auf seinem Acker traf.

Mit dem Schutze des Friedlosen durch den Vogt hängt aber überhaupt ein Schutzrecht desselben über die Unterthanen zusammen. Beide verbindet das Weistum der 24 Bauern von 1415 mit einander: „Wäre es, dass ein Abt über einen Mann erzürnt würde, so möchte er wohl einen Vogtherrn bitten, dass er ihm in Gnad hülfe", und vorher: „wäre auch, dass ein armer Mann beschwärt würde und ihm ein Abt nicht möchte helfen, so mag er einen Vogtherren anrufen". Späterhin fasst man dies geradezu dahin, dass ein Unterthan, dem der Abt Gewalt thue, den Vogt; der, dem es der Vogt thue, den Abt zu seinem Schutze anrufen dürfe. In Waldau, wo die Äbte bei der Vogtswahl ein solches Aufsichtsrecht von vornherein hatten umgehen wollen, war deshalb auch bestimmt worden: „Wäre die Sach, dass jemandes Leib und Gut erteilet würde nach des Landes Sitten Ungnade, die Busse soll einem Abt verfallen sein und nicht einem Vogt, und soll sich derselbe dann mit dem Abt richten nach eines Abts Gnaden und Hulden, als von Alters her ist kommen." Und doch war auch in Waldau, wo nochmals 1499 das Kloster sich seine Rechte durch ein vom Freiburger Rat beglaubigtes Weistum zusichern liess, die blosse Gemeinsamkeit der Blutgerichtsbarkeit ein stärkeres Band als jenes der gemeinsamen Grundherrschaft. Auch die übrige Rechtsentwicklung folgte jener nach. Als 1525 das Kloster die Kastvogtei ganz von Fürstenberg abgelöst hatte - jetzt ersetzte die österreichische Landeshoheit bereits die Kastvogtei - hielten sich die 10 Bauern von Waldau hartnäckig an die Rechtsgemeinschaft mit den benachbarten Fürstenbergischen Thälern Nordrach und Joosthal. Das St.Petrische Recht war seit dem grossen Dingrodel besser als das ihre; aber sie wollten es nicht haben.

In Neukirch vollends übten die Äbte gar keine Gerichtsbarkeit aus; nur die Wiedem war dort gefreit und die Bauern mussten versprechen, keinen Meier zu setzen ohne des Abtes Wissen, denn einen eigenen Meierhof besass das Kloster hier nicht. Die Entwicklung hatte hier den entgegengesetzten Weg eingeschlagen wie in der Kastvogtei, aber auch in dieser gab schon das Schutzrecht für sich allein einem kräftigen Kastvogt eine rechtliche Grundlage, das Kloster seinem Willen zu unterwerfen. Auf ihm fussend, eben auf ein solches durch die Rechte vorgesehenes Anrufen der Unterthanen hin, setzte Markgraf Rudolf die grösste Verbesserung in der materiellen Lage der Bauern durch.

IV.
War eine solche nötig? War die wirtschaftliche Lage der Bauern schlechter als ihre soziale? Denn dass diese letztere wenig zu wünschen übrig liess, ist schon aus dem bisher Gesagten klar. Fügen wir hinzu, dass die Person des Unterthanen auch gegen willkürliche Verhaftung, sein Eigentum gegen willkürliche Pfändung ausreichend geschützt war. Erst wenn er den dritten Gang nach der Steuer umsonst gethan, durfte der Untervogt ein Pfand nehmen, das in des Klosters Freihofe unter dem Frieden desselben einstweilen aufbewahrt wurde. Verhaftet aber durfte ein belehnter Mann, dem Weistum von 1415 zufolge, nur dann werden, wenn er mit seinem Gute sein Unrecht nicht bessern konnte. Ein schädlicher Mann, der im Verdacht stehe flüchten zu wollen, sollte von des Gotteshauses Knechten ins Gefängnis am Kloster geführt werden.

Gleichmässig erstreckten sich diese Berechtigungen auf Freie und Leibeigene. Die Mehrzahl der in den Thälern angesiedelten Bauern waren Freie, aber Gotteshausleute sassen mitten unter ihnen; die Meier selber, die Vertreter der Herrschaft und die Vorsitzenden der Bauerschaft in den Dinggerichten, werden meistens zu jenen gehört haben; in Rechtenbaeh war es sogar Erfordernis, dass der Meier ein eigener Mann sei. Hier hatte nun diese Mischung einmal die Folge, dass das Recht der Eigenleute durch sie verbessert wurde. Wenigstens die Fallschuidigkeit hatte die beiden Geburtsstände von einander unterscheiden sollen; aber wie wir noch sehen werden, war dieselbe aus dinglichen Gründen auch für die freien Leute eingeführt worden, und frühzeitig bildete sich die Praxis aus, dass man auch von den Leibeigenen nur ein Besthaupt oder Bestgewand forderte. Der Fall für das Gut hebt den Fall für den Leib auf, sagten die Bauern.

Keinerlei Beschränkung des Kaufs und Verkaufs, nicht einmal eine solche des freien Zuges lag auf den Leibeigenen. „Wer auch bei lebendem Leib fährt von dem Gut, ist er schon des Gotteshauses eigen, so giebt er keinen Fall, das Gotteshaus muss des Falles warten, bis dass er stirbt" hiess es im ältesten Dingrecht. Wenn ebendort festgehalten wird, dass dem Gotteshause sein Fall gebühre, wo auch die Eigenen, Mann oder Weib, hinkommen, so liegt hierin eben auch stillschweigend die Anerkennung, dass jeder hinziehen dürfe, wohin er wolle, ohne sich zuvor der Leibeigenschaft entledigt zu haben. Später, als das Kloster in den Nachbargebieten umherspüren liess nach Abkömmlingen früherer St.Petrischer Leibeigenen, ward diese Bestimmung eine Last, damals war sie ein Vorteil. Auch noch der grosse Dingrodel macht ohne Unterschiede den freien Zug nur davon abhängig, dass der Wegziehende seine Schulden ans Gotteshaus oder an Unterthanen bezahlt habe. Die in fast allen Schwarzwaldweistümern sich wiederholende Bestimmung, dass der Wegziehende bis zu den Grenzen des Gaues sicher geleitet werden soll, findet sich in unserem Gebiet wenigstens in dem kleinen Rechtenbach. Ebensowenig sind die Leibeigenen in Bezug auf die übrigen politischen und persönlichen Rechte benachteiligt. Erst gegen das Ende des 15. Jahrhunderts fing man, wie allerwärts, so auch hier, wieder an die Zügel der Leibeigenschaft straffer zu ziehen. Das erste Zeichen hiervon ist, dass im grossen Dingrodel das Verbot der Verhaftung, so lange die Habe für die etwaige Busse ausreichen würde, eingeschränkt wird auf die freien Lehensleute. Es soll nicht gelten für die Leibeigenen, die Ehehalten des Klosters und die Seldener. Für letztere hatte die Bestimmung nie gegolten; auch im Weistum von 1415 war nur für die Lehenleute des Gotteshauses dies Recht anerkannt. So waren denn die Unterschiede des Besitzes wichtiger als die der Freiheit, selbst da, wo es im weitesten Sinne auf die Sicherung eben dieser Leibesfreiheit ankam.

Dreierlei Güter gab es von Anfang an im Gebiet von St.Peter: Meierhöfe, Lehen, Seldgüter (aus Seldgüter machte man später Seelgüter). Zu diesen könnte man als eine 4. Klasse noch den Besitz adliger Ministerialen rechnen, wie solcher sowohl in Eschbach als in Iben im 12. Jahrhundert bezeugt ist. Auch später griffen einzelne Höfe, über welche die Hoheit Adligen der Nachbarschaft zustand, ins St.Petrische Gebiet ein. Meierhöfe besass das Kloster ursprünglich wohl in jedem Thal einen, jedenfalls in Eschbach, Iben und Waldau. (In den kleineren Thälern: Rechtenbach und Lauterbach konnte wohl von jeher der Dinghof ein gewöhnlicher Bauernhof gewesen sein.) Hier auf den grossen eigenen Gutswirtschaften des Klosters sassen Meier als Teilbauern. In sämtlichen Thälern hatten die Bauern ihre Höfe als Erblehen mit sehr weitgehender Verfügungsfreiheit erhalten, auf der Höhe aber, in weitem Umkreis um das Gotteshaus, war das Land als Seldgut ausgegeben, rund um das Klostergebäude selber dehnten sich weite Matten und einige Felder, das „Ingerüte", aus; hier betrieben die Mönche Vieh- und Landwirtschaft im Eigenbau.

Die Seldner sassen teilweise als Zeitpächter auf ansehnlichen Gütern, teilweise als kleine Leute in Häuschen mit ein wenig Ackerfeld. Bis zum grossen Dingrodel war ihr Recht ein wenig gutes, von dem der Schupposen auf den Schweizer Besitzungen des Klosters nicht verschiedenes. „Der Abt allein hat Kraft und Recht die Güter zu setzen und zu entsetzen und damit zu thun und zu lassen, wie er will und ihm füget ohne alle Gefährde." Demgemäss mussten die Inhaber ihre.Güter von jedem neuen Abt um Erschatz empfangen, der Verkauf von Immobilien war ihnen ganz untersagt, der von Mobilien sehr beschränkt. Auch in den andern Vogteien sassen einzelne Leute zu Seldrecht; als fahrende Leute, die nicht Vieh haben, aber Jahr und Tag auf des Gotteshauses Gütern bleiben, werden sie bezeichnet. Damit man sie dulde, gaben sie dem Vogt jährlich 1 Schilling, dem Kloster leisteten sie einen Frohntag. Weigerten sie sich dessen, so sollte man sie treiben aus des Gotteshauses Gerichten und dazu verbieten, dass sie Niemand hause noch hofe.

In allen Vogteien, auf dem Seldgut ebenso wie in den Thälern, bestand eine Frohnhofsverfassung zu Recht, die sich in nichts von der üblichen Form einer solchen unterscheidet. Einen markgenossenschaftlichen Zusammenhang hatte es hier nie gegeben; an keine Gemeinde des ebenen Landes und an keinen Nachbar im Gebirge knüpfte die Bauerschaften irgend welcher gemeinsame Besitz von Wald und Waide, irgend eine wechselseitige Berechtigung auf Beholzung und Viehtrieb. Sie waren gegründet auf dem freien Eigentum eines einzelnen Grundherrn, des Abtes von St.Peter; dessen Dinghof war der politische Mittelpunkt für jedes Thal, das Kloster selbst derjenige des ganzen Gebietes. Urteile, die „stössig" wurden, oder solche, die dem Meier zu nahe an des Gotteshauses Rechte zu gehen schienen, wurden deshalb auch vor das Gericht gezogen, welches der Abt in Person an dem Thorweg des Klosters besetzte. (Rechte von Rechtenbach.)

Dreimal jährlich kamen die Bauern zur Rechtsprechung in den Dinghöfen zusammen; jeder musste bei Gefahr einer Geldbusse erscheinen. Mitte Februar war der wichtigste Dingtag. Dann wurde der Dingrodel verlesen, wie früher unzweifelhaft die Einzelrechte der Thäler, die in ihm aufgegangen waren. Nur an diesem Tage wurden Übertragungen von Gütern vorgenommen und Streitigkeiten über solche ausgetragen, nur wenn ein Hof von einem neuen Lehenmann besetzt ward, durfte dieser auch in der Zwischenzeit einen Untergang fordern, der die Grenzen seines Lehens bestimmen sollte. Wollte der Abt selber das Ding abhalten, so war in den entfernteren Thälern wie Rechtenbach für standesgemässe Aufnahme gesorgt. Ein Mahl für den Herren, ein Huhn und eine Stange für seinen Sperber, ein Kissen für seinen Windhund sollten bereit sein. Auf dem Wege hielten bestimmte Bauern ihm den Steigbügel und führten sein Ross am Zaum; sie waren dafür von dem geringen Dinggeld befreit. Kam der Abt nicht selber, so führte der Meier den Vorsitz, er verbannte das Gericht und forderte alsdann die Beisassen auf, ihrem Eid gemäss alles zu rügen, was ihnen busswürdig dünke, sei es auf den Feldern und Wäldern des Gotteshauses, des Vogts, des Meiers oder auch auf den eigenen.

Auch ausserhalb der Dinggerichte übte die Bauerschaft einige Befugnisse aus. So sollte sie die Erbteilung vornehmen, damit der Abt sein Dritteil erhalte. Sie war unparteiisch, die Leibeserben und das Kloster aber beide interessiert.

Eine Frohnhofverfassung dieser Art gab mehr Freiheit, als sie eine zurückgekommene Markverfassung oft geben konnte. Diese Summe von Berechtigungen war gerade gross genug, um bei den Bauern, die sie besassen, den Wunsch rege zu erhalten, dass die wirtschaftliche Lage diesen günstigen sozialen Bedingungen entspreche. Hierbei kam es, wenn nicht in erster Reihe, so doch sehr wesentlich auf die Last an Steuern und Diensten an, die auf dem Bauer lag. Für die soziale Lage war es ein Vorteil, zweien Herren zu dienen, sobald dieselben untereinander haderten, aber hier zeigten sich die Nachteile eines solchen Verhältnisses. Die Einkünfte des Vogts waren freilich nicht gross, wie man schon aus der Geringfügigkeit der Pfandsummen erkennen kann; noch 1525 erklärte Markgraf Ernst, absichtlich etwas niedrig; die Vogtei bringe ihm nur 25 fl. ein. Eine feste Abgabe von 10 fl. Heller für die Blutgerichtsbarkeit, von jedem bewohnten Haus 1/2 Malter Haber und 2 Hühner als Gebühr für den Schutz des Hausfriedens und 20 Pfund Heller Steuer, das sogenannt« „Unrecht", das ist für ein Gebiet, welches ursprünglich etwa 140 Höfe enthielt, nicht zu viel. Dazu kam sein Anteil an den Bussen.

Weit bedeutender natürlich waren die Leistungen an das Gotteshaus. Die Meiereien werden damals nicht anders, als es bei den neugegründeten seit dem Ende des 15. Jahrhunderts geschah, zum Teilbau gegen halben Erwachs des Viehes, einem Anteil von mindestens 1/3 an der Ernte und einer bestimmten Lieferung von Butter und Käse ausgesetzt gewesen sein. Diese grossen Höfe - von dem im Ibenthal wissen wir, dass er gleich 7 Bauerlehen war - ebenso wie die Klosterwirtschaft selber waren auf Bestellung durch Frohnden angewiesen. Dass im ältesten Dingrecht von solchen nicht geredet wird, hat nicht viel zu sagen, denn das Weistum von Espach, das offenbar nur ein Nachtrag zu jenem Dingrecht ist, bestimmt dieselben. Hier ist es nun ein grosser Vorteil, dass die Frohnden gemessene sind; nur die Baufrohnden waren auch in späterer Zeit ungemessen, doch wurden sie natürlich verhältnismässig selten gefordert. Je 4 Lehen gaben einen Pflug zum Ackern im März und einen zum Umbrechen der Brache im Mai, zur Heuernte im Ingereut auf der Klostermatte sendet jedes Lehen 2 Fröhnder. Die Verpflegung gab das Kloster, zwar gut, aber offenbar nur so, wie es gewöhnlich war. Zu einem Feste, bei dem selbst das Gotteshaus der rohen Genusskraft dieser mittelalterlichen Bauern seine Zugeständnisse machen musste, gestaltete sich dagegen die Leistung der an sich schwersten Frohnd, der Weinfuhren im Herbst.

Die Weingegenden des Breisgaus waren ein Gebiet, in dem sich ein Klosterhof an den andern reihte, wie der übrigen Stifter, so auch von St.Peter. Bis Bettberg (bei Stauffen) und Malterdingen waren die Fuhren zu senden; auf jeden Wagen sollten 7 Saum geladen werden, für mehr brauchten die Fuhrleute keine Gewähr zu übernehmen. Bei der Abfahrt von St.Peter wurden sie reichlich mit Brot und Weck versorgt, vor dem Laden an der Bestimmungsstelle erhielten sie „ein ehrbarliches Essen" und ein- oder zweimal zu trinken. Damit sie auf dem Wege der Versuchung besser widerstehen könnten, erhielt jeder Wagen 1 Viertel Wein „darum dass sie den andern unbekümmert lassen". Bei der Einfahrt in Freiburg bekamen sie von Neuem 2 Brote. Da die Wege oft genug elend waren und man mit den schweren Fuhren auf die Äcker ablenken musste, so ging ein Klosterbruder zum Schutze mit. Kam ein Bannwart um die Ladung zu pfänden, so breitete jener seine Kutte vor die Wagen zum drastischen Zeichen kirchlicher Vorrechte. Gelangten die Wagen nun endlich in St.Peter an, so wurden die Ochsen ausgespannt und in eine hierzu bestimmte Matte getrieben, vor dem Abladen gab es ein ehrbar Morgenbrod und ein- oder zweimal zu trinken.

Die Schlussscene aber giebt man am besten mit den Worten des Weistums selber wieder: „und so sie entladen, so soll man sie auf das Haus führen und soll man ihnen essen und trinken geben genug. Und soll man dann einen Ohmzuber darsetzen und des Weins darein thun, so sie gebracht haben, und ein Schäffel darein legen, und soll jedermann selber trinken, und es soll der Kellermeister den Keller, der Koch die Küche beschliessen (sc damit sie nicht von den Trunkenen gestürmt werden); und wäre es, dass sie trunken würden und den Kellermeister oder den Koch schlügen, so sollen sie Niemanden darum bessern (keine Busse zahlen) und sie sollen also trinken, dass zween den dritten nicht könnten auf einen Wagen bringen".

Man hat sich wohl versucht gefühlt der Beurteilung der bäuerlichen Zustände im Mittelalter solche Bestimmungen und ähnliche, nie die auch in St.Peter nicht fehlende, dass im Hause der Kindbetterin nur der Kopf des Zinshuhns genommen werden solle, zu Grunde zu legen. Das ist nun freilich sehr verkehrt. Die Frohnden waren hier Nebensache; als das Weistum niedergeschrieben wurde, bedang sich das Kloster schon aus, dass es statt derselben, sobald es wolle, auch eine entsprechende Geldabgabe nehmen dürfe. Der Nachdruck lag hier auf anderen Forderungen.

Zwar auf den regelmässigen Abgaben lag er auch nicht. Selbst die Vogtsteuer war noch bedeutender als die Geldabgaben ans Kloster, 5 Pfennig zu jedem Dinggericht, 3 Pfennig Zins zum Andreastag für jedes Lehen. Die Naturalabgaben folgten der Billigkeit gemäss dem Gang der bäuerlichen Wirtschaft: zu Ostern Eier, zum Mai Käse, zum Herbst Hafer. Hier zeigt sich nun aber sofort das Charakteristische der mittelalterlichen Abgaben. Obwohl die Gleichheit der Lehen einen objektiven Massstab für die Belastung giebt, und dieser teilweise auch in Anwendung gebracht wird, hält man sich doch mit Vorliebe an besondere und an einmalige Abgaben. Mit besonderen Leistungen war jeder Bauerhof belastet und keine Spur einer Regel ist hierbei zu erkennen. In dem entlegenen Waldau gaben die Bauern nur Käse und Butter als Zins, ein Bauer sogar 144 Käse mit der Bestimmung: »es soll jeder Käs im Maien ein Napf 2er Pfennige wert sein". Auf den Seldgütem war der Zins überhaupt beweglich. Wie die Verschiedenheiten auch bei gleichen Lehen ursprünglich entstanden sind, ob durch Rückstände und Vorschusse oder auf andere Weise, das entzieht sich unsrer Kenntnis. Die Erhebung dieser Abgaben vollzog der Meier; bei Tageslicht war ihm der Zins in die Wohnung zu bringen, damit er erkenne, ob Münze und Frucht auch von guter Gattung seien.

Und wichtiger noch als diese besonderen Abgaben waren die Abzüge, die man je einmal in grösserem Betrag vom Vermögen der Bauern machen konnte, die Fälle, Erschätze und Dritteile. So ungleichartig und unregelrnässig wie die Zinse waren, kam man trotz musterhafter Buchung in den Rodeln bei der Erhebung selbst zu einer sehr nachsichtigen und schlaffen Praxis. Einen wahrhaft vollendeten Ausdruck erhält dieselbe in der Bestimmung: „Wer den Haber nicht gibt zu St. Andreastag, der soll ihn geben zu St. Nikolaustag oder zu St. Thomastag oder zum spätesten zu St. Hilariustag; wer ihn dann nicht gibt, der soll ihn zum März auf den Pflug bringen (sc. zur Frohnd); und thät er auch das nicht, so soll er dem Herren so viel mehr bezahlen als davon versäumt wird." Um so schärfer trieb man jene Abzüge ein, die ihrer Natur nach gehässig waren; gerade weil der Bauer nur widerwillig den besten Ochsen aus dem Stall, die Bäuerin das Feiertagsgewand der Mutter aus dem Schrein giebt, war Gewalt und Strafandrohung nötig. Der Meier sollte, wenn Verdacht falscher Angaben vorlag, selbdritt in den Stall dringen, das beste Haupt selber schätzen, und der betrügerische Bauer verlor auch noch das Rind, welches er zuvor an Stelle des gebührenden gegeben hatte. Die Fallschuldigkeit war, wie schon oben bemerkt wurde, auch auf die freien Leute ausgedehnt, als Entgelt für die Nutzung des Waidgangs und der Beholzung in des Klosters Wäldern; denn eigentliche Allmenden besassen diese neuangesiedelten Gemeinden nicht. Zum Fall, der nur beim Tode gegeben wurde, trat der Erschatz, in der Höhe eines vollen Jahreszinses, der jedesmal beim Empfang eines Lehens bezahlt wurde. Beides aber war geringfügig im Vergleich mit der im Schwarzwald fast überall gebräuchlichen Dreiteiligkeit. Ihr zu Folge wurde bei jedem Besitzwechsel des Guts, sei er nun durch Tod oder durch Veräusserung erfolgt, die gesamte fahrende Habe, ausgenommen Hausgeschirr, aufgeschnittenes Fleisch, verschnittenes Tuch, Hühner, Gänse und Vieh, das jünger als jährig war, von der Bauerschaft in 3 Teile zerlegt; einen derselben wählte der Abt für sich. Ward aber das Gut von dem lebenden Besitzer verkauft, so gab er überhaupt vom Kaufpreis ein Drittel, ausser wenn er sich wieder im St.Petrischen Gebiet unter denselben Bedingungen ankaufte.

Endlich machte sich die Thatsache. dass ein geistliches Stift Grundherr war, und dass seinen Konventualen die Seelsorge oblag - in Neukirch und Waldau waren Filialen - auch darin geltend, dass die Zehnten mit den übrigen Abgaben an dieselbe Stelle abgeführt wurden. Es war das schätzbarste Privileg, welches eine Bulle des Papstes Honorius II. in den ersten Zeiten des Klosters gegeben hatte, wonach kein Bischof einen Anspruch auf Zehnten erheben sollte auf den Gütern, welche auf Kosten und durch die Arbeit der Klosterleute kultiviert werden würden. Auch mit diesem Rechte war man aber glimpflich verfahren. Statt des Naturalzehnten gab man bestimmte Abgaben - ausgenommen war nur der Hanf - an Stelle des grossen Zehnten für das Lehen 1 Pfennig,, ebensoviel für Haus und Garten an Stelle des kleinen, der Blutzehnte, in dieser viehzüchtenden Gegend weitaus der wichtigste, war höher angesetzt, denn für jedes Kalb, gleichviel ob man es aufzog oder verkaufte, wurde 1 Pfennig gegeben, für Kleinvieh entsprechend viel. Wie es mit dem Heuzehnten gehalten werden solle, blieb im Unbestimmten und gab in späterer Epoche Anlass zu ernstlichem Streit. Auch die individuellen religiösen Beiträge waren in dem kleinen geistlichen Gemeinwesen gesetzlich bestimmt und fanden im grossen Dingrodel mit andern kirchlichen Vorschriften ihre Stelle: so das Opfer an den 4 hohen Festen, das jeder geben musste, der schon zur Frohn tauglich befunden war, und das Seelgerät derer, die schon zum Sakrament gegangen. Die Gemeinde wurde hierbei als Einheit aufgefasst: beim Todesfalle eines Ansässigen musste aus jedem Hause Mann und Frau opfern, bei dem eines „eilenden Menschen" - zugezogener Fremder, wie es deren bei völliger Freizügigkeit und bedeutendem Bedarf an Knechten viele gab - wenigstens eines von beiden.

Überblicken wir die Summe dieser Leistungen, so erscheint ihre Anzahl gross, ihr Betrag dennoch gering. Das war nicht der Fehler mittelalterlicher Steuerverfassungen, dass man sich Steuerobjekte entgehen liess; im Gegenteil zeigt sich darin geradezu ein gewisser Scharfsinn: bei jedem Erwerb, bei jeder Phase der Produktion dem Oberherrn seinen Anteil zu sichern. Die Schwäche lag in dem Mangel an jedem objektiven Massstab oder doch in dem Mangel an Konsequenz in der Durchführung eines solchen, in der Zersplitterung der Steuersumme in winzige Beträge, endlich in dem Ungeschick, mit dem man beträchtliche Summen gerade da erhob, wo eine Schonung angezeigt war. Die Mehrzahl der hier aufgeführten Abgaben verfehlte ihren Zweck, weil sie nichts einbrachten; die eine aber, welche diesen Zweck erfüllte, die Dreiteiligkeit, that es in einer Weise, die für den Wohlstand der Unterthanen bedenklich war. Sie genügte dazu, dass sich Jene beim Kästvogt „merklich beklagten, allzu beschwert zu sein und mit Ernst baten solchen Dritteil abzulassen".

Wenn sie nun aber in der Mitte des 15. Jahrhunderts meinten, unter einer solchen Steuerverfassung nicht weiter bestehen zu können, wenn ihnen der Augenschein Recht gab, indem man von Jahr zu Jahr den Schwarzwald unter diesem Rechte mehr veröden sah, so wirkten hierbei doch noch andere Ursachen mit, die in der Wirtschaftsweise und im Privatrecht der Bauern selber belegen waren.

V.
Unschwer erkennt man noch jetzt beim Durchwandern jener Thäler die ursprüngliche Form der Besiedlung, und die Pläne geben erwünschten Aufschluss über jede Einzelheit. Denn mit bewundernswerter Genauigkeit sind solche im vorigen Jahrhundert von den Benediktinern des Klosters hergestellt worden, bei denen Mathematik und Geometrie eine Lieblingsbeschäftigung war, und die ihre Kenntnisse ebenso gern zur Unterweisung der Uhrenmacher unter ihren Bauern wie zur Aufnahme ihres Gebietes verwendeten.

Die Art der ursprünglichen Aufteilung war dieselbe, wie sie schon früher im Odenwalde, zuerst im Gebiet der Abtei Lorsch, üblich war, wie sie später in den unebenen Gegenden der kolonisierten Slavenländer zur ausgedehnten Anwendung kam, und wie sie noch heut den Berg- und Hügellandschaften Schlesiens das Gepräge aufdrückt: von der im Grunde gelegenen Hofraite steigt, meist senkrecht auf den Thalzug und den Dorfweg gerichtet, das Ackerfeld als langer, schmaler Streifen auf und endet am Hochwald, von dem ein Stück noch zur Hufe gehört. Besonders für die Thäler war eine solche Art der Besiedlung günstig; auf der Hochebene, um das Kloster herum, lagen die nicht nach Lehen gemessenen Seldgüter.

Die Höfe, welche wir heutzutage sehen, und die nun schon seit Jahrhunderten bestehen, sind doch nur ausnahmsweise die ursprünglichen. Mannigfache Wandlungen haben sich seit der ersten Besiedlung in den meisten Thälern vollzogen. Die Frohnhofverfassung, die anfangs hier herrschte, war darauf angelegt, dass um grosse, von Laienbrüdern oder Meiern bestellte Klosterhöfe Lehenleute angesetzt wurden, die von jener grossen Wirtschaft abhängig waren, die „in den Hof gehörten". Reiche Bauern zu schaffen war nicht die Absicht. Wenn in der zwei Jahrhunderte späteren Besiedlung des slavischen Ostens sofort neben dem Dominium die Erbscholtisei oder das Vogtsgut (im dort üblichen Sinne) mit vier und mehr Hufen gebildet und noch eine Anzahl von Doppelhüfnern umher gelegt wurden, so weist das eben auf einen andern wirtschaftlichen Zustand hin, wie er sich in einem fremden Lande bei eigentlicher Kolonisation ergiebt. Die Besiedlung des Schwarzwaldes im 11, Jahrhundert war im Vergleich mit jener nur die Ausdehnung eines bereits ringsum bestehenden Wirtschaftssystems unter geringen Abänderungen auf eine zeither unbenutzte Gegend. Es ist kaum zweifelhaft, dass anfangs entweder alle oder doch weitaus die meisten Bauern nur ein einzelnes Lehen erhielten. In den abgelegenen Vogteien, Waldau an den Quellen der Ordnach, Lauterbach am Kandel, die von der Mobilisierung des 14. Jahrhunderts nicht ergriffen wurden, blieb dieser Zustand dauernd. Hier finden wir immer dieselben 10 Bauern auf 10 Einzellehen, dort dieselben 5 Bauern und 5 Lehen und dazu ein Halblehen, das durch seinen Namen „das Schulmeisterlehen" auch in seiner Bestimmung gekennzeichnet wird.

Wie gross war ein solches Lehen ? Denn ein Flächenmass soll mit dem Wort bezeichnet werden, wie sonst mit „Hufe", und nicht ein blosses Abhängigkeitsverhältnis. In Rechtenbach war z.B. bestimmt, dass dem Bauern im Dinghof, dem die Bewirtung des Abts oblag, das halbe Lehen 7 Schuh breiter gemessen werden solle als den übrigen Bauern. Wie breit das Lehen dieser sei, wird nicht gesagt. Auch liegt es in der Natur der Sache, dass gerade, wenn man eine Art von Gleichheit des Besitzes festhalten wollte, man im schmalen Thalgrund mit steilen Gehängen nicht ebenso verfahren durfte wie im breiten mit sanften Lehnen. Mir sind aus dem gesamten Gebiet von St.Peter ausser der eben genannten nur noch zwei Grössenbestimmungen bekannt: im Recht des Dinghofes von Espach wird bestimmt, dass der Zaun um Haus und Hof so weit sein soll, dass ein jeglicher Mann mit einem ziemlichen Stein von einem End zu dem andern werfen möge, und ebenso wird noch 1419 eine Halde zum Roden verliehen, .breit eines Steinwurfs unter dem Arme weg". Diese urwüchsige, einst in der Heidenzeit dem hammerschleudemden Bauerngott geheiligte Art der Besitzergreifung und Abmarkung kam also hier noch im 15. Jahrhundert in Anwendung, und wir dürfen annehmen, dass sie noch früher die allgemein übliche war.

Für die Längenausdehnung des Lehens, die nur durch Wald und Berg, nicht durch den Nachbarhof eingeschränkt war. gab es erst recht nicht bestimmte Vorschriften. In dem, mit dem oberen ursprünglich zusammengehörenden unteren Ibenthal galt das Recht: „Wer zu Ywa bauen will, der soll zu seinem Hof ausfahren an die Strasse, und wo er dann Gut in dem Thal hat, da soll er fahren auf das Lehen, darauf er bauen will, und soll fahren über das Seine an dem ebenen Land, so fern er mag bis an den Berg, und so er an den Berg kommt, so soll er neben sich schlagen und soll die Quer fahren bis auf das dritte Lehen; dann soll er sich wieder herumkehren und soll fahren auf das Lehen, darauf er bauen will, und soll ihm das Niemand wehren; und was er darüber Schaden thut, das soll er gelten nach der Bauern Schätzung." Danach gab es also einen festen Besitz nur an dem Thalboden, im übrigen galt ein ziemlich weites Okkupationsrecht.

Diese Zustände waren freilich im St.Petrischen längst überwunden. Hier bestand eine strenge Flurordnung; nur dass ein eigentlicher Flurzwang bei diesen zusammenhängenden Acker- und Wiesenstreifen nicht möglich war. „Alle Güter sind bannwürdig, so hoch der Etter geht vom Bach auf. Also dass keiner dem andern darauf fahren mag mit dem Vieh nach St.Jörgentag bis St.Gallentag. Danach mag einer wohl zu dem andern fahren in die Halme, aber nach St.Gallentag; wo eine Kuh hingeht, so geht auch die andere daneben", heisst es im Dingrodel, nicht anders als es von einer im Gemenge liegenden Flur der Rheinebene heissen könnte. Aber die Ausnahme ist hier wichtiger als die Regel. „Wer recht Adelheu erntet oder rechte Ochsenweide, davor soll man hüten bis 14 Tage nach St.Martinstag. " Das Prinzip der Weidegemeinschaft soll also nicht ganz aufgegeben werden; in Wirklichkeit geht aber auf den Schwarzwaldgütern nach dem 25. November keine Kuh mehr auf die Weide.

Die vom Etter, dem Dorfzaun, eingefasste, beständig bebaute Flur hiess auch hier die „Oesch"; ausserhalb derselben waren Einfänge erlaubt; diesen gegenüber aber wahrte man strenger das Recht der Gemeinschaft. Nur Felder, die einer mit Mist bauen möchte, also nicht etwa raumverschwendende Reutfelder waren hier erlaubt. 10 Jahre wartete man, ob sie der Besitzer von Neuem düngen werde, dann wurden sie wieder gemeine Weide.

Ackerbau wurde, wie die Naturalwirtschaft es mit sich bringt, mehr getrieben als der Natur des Landes eigentlich angemessen ist. Der Plan der Herrschaft aus dem vorigen Jahrhundert, der die einzelnen Bestellungsarten unterscheidet, zeigt geradezu ein Überwiegen der Ackerflur; und nichts weist darauf hin, dass etwa damals der Wiesenbau gegen frühere Zeiten zurückgetreten sei. Nun wissen wir leider nicht, wie lang die Zwischenpausen der Bestellung waren, jene Bestimmung, welche erst nach 10jährigem Unterlassen der Düngung das Ackerfeld seinem Besitzer entzieht, lässt auf eine Feldgraswirtschaft mit langen Pausen schliessen, und die Erwähnung des Brachens im Mai würde für sich allein noch auf keinen rascheren Turnus schliessen lassen. Mühselig war die Bestellung, zumal bei der Unvollkommenheit der Äckergeräthe. Bei der Ackerfrohn mussten mit jedem Pflug 4 Knechte gehen: der eine sollte den Pflug heben, der andere treiben, der dritte vorgehen, der vierte mit einer Haue die Raseuschollon (Wäsem) umkehren; dazu kam noch ein Knabe zur Aushilfe. Die Arbeiter erhielten ein ehrbar Morgenbrot mit Wein oder mit Eier und eine reichliche Abendmahlzeit, der Knabe 2 Knechtbrode, der Eigentümer des Pflugs - je 4 Lehen stellten einen - einen Weck in der Grösse, dass sieben aus einem Sester Weizen gehen, also von einem beträchtlichen Umfang. Dazu kam das Futter für die Ochsen, deren die Bergwirtschaft vier, bisweilen sechs auf den Pflug brauchte. Wenn man trotz dieser Auslagen die Leistung noch auf 20 Pfennig schätzte, die also dem Arbeitslohn entsprechen würden, so fragt man sich billig, ob denn der Ertrag auch so hohe Kosten, die schon die Bestellung erforderte, lohnen mochte, Winterkorn war nur an wenigen Stellen zu säen möglich. Zehntregister sind zwar erst aus dem 17. Jahrhundert erhalten, aber hier handelt es sich um Verhältnisse, die sich nicht ändern. Danach entfiel nur 1/15 bis 1/12 der Ernte auf Roggen, das übrige war Hafer und „Mischleten", d. h. ein Gemenge von Hafer mit Hülsenfrüchten. (Aus Waldau und Neukirch, wo der Zehnt in natura erhoben wurde. Eschach und Ibenthal sind natürlich milder aber auch viel steiler.)

Bei einer extensiven Wirtschaft hätten sich die Haferernten allenfalls gelohnt, aber man wollte dieselbe nicht; die Reutfelder, die an so vielen anderen Stellen des Schwarzwalds dauernd üblich blieben, hat man hier stets auszuschliessen versucht, sobald einmal erst geordnete Verhältnisse Platz griffen. (Vgl. weiter unten den Gang der erneuten Besiedlung vom Ende des 15. Jahrhunderts ab.) Nur das Dungfeld war, wie wir sahen, sogar ausserhalb des Etters erlaubt. Dem, der düngen wollte und nicht Streu genug hatte, war das Laubraffen gestattet; Schaden, den er etwa dabei gethan, sollten die nächsten Nachbarn abschätzen.

Solcher Sorgfalt ungeachtet, oder vielmehr gerade weil dieselbe den Ackerbau unrentabel machte, lag das Hauptgewicht der Wirtschaft auf der Viehzucht. Auf diese baute auch das Kloster seine Einkünfte; der Vieh Wirtschaft entsprachen die eigenen grossen Matten, die Verpflichtung einzelner Bauern, Klosterkühe mit den ihren auf die Weide zu nehmen, der Blut und Heuzehnten, das Besthaupt und die Dreiteiligkeit der fahrenden Habe, die das Vieh am meisten traf. Der Bauer sorgte für guten Wiesenbau; die Neigung der Thäler macht die Berieselung der Wiesen leicht, jeder Anstösser hatte Recht an das Wasser, nur sollten die Fische, deren Fang als Herrenrecht dem Abt zustand, nicht Schaden nehmen; bedurfte man aber in heissen Sommern auch noch des Restes des Wassers, so wurden die Fische besonders verwahrt. Übrigens nahm man es auch mit dem Fischfang nicht besonders genau, wie die sehr dehnbare Bestimmung des Espacher Weistums zeigt: „So es darzu kommt, dass ein Mann siech wird oder eine Frau, so soll man ihnen in den Bach gehen fischen zu einem Teller, dass sie den Gelüst büssen und nicht mehr noch fürder."

Der Verkauf von (Blumen) Heu war untersagt, nicht nur aus dem Gebiet sondern auch aus jedem einzelnen Gericht. Auch so hätte noch die eigene Heugewinnung und der Weidgang auf der Ackerflur der Gemeinde nicht genügt; es war eine Allmend nöthig. Nicht gerade bedeutend sind die Stücke, welche die Äbte aus den Hochwäldern ausschieden und welche Allmend genannt wurden, ohne es im rechtlichen Sinne zu sein. Nicht nur die Fallschuldigkeit erinnerte die Bauern daran, dass sie nur einen prekären Besitz an diesen Büschen hatten. sondern auch die ausdrückliche Bestimmung, dass dem Abt dasselbe Nutzungsrecht wie den Lehenleuten an denselben zustehe. Nur die kleine Vogtei Ror hatte einen grossen Bezirk in den Buchenwäldern am Kandel, in die sie ausser den eigenen Schweinen und denen des Klosters auch auswärtige, hierher verstellte einzuschlagen berechtigt war.

Breite Wege, für die stattlichen Viehheerden der Bauerschaft berechnet, führten auf die Allmend, je 3 Ruten weit, die Rute 24 Schuh lang war die Bestimmung; weiterhin, wo das Vieh sich schon zerstreut hatte, genügten 2 Ruten.

An dieser Wirtschaftsweise hat die Folgezeit, bis ganz veränderte Verkehrsbedingungen den Fruchtbau bis aufs bescheidenste Mass zurückführten, wenig geändert, nur dass im Beginn der Neuzeit die einzelnen Höfe sich vielfach mit ihrem Weidgang separierten; eine um so grössere Veränderung dagegen brachte schon das Mittelalter in den Besitzverhältnissen.

Nehmen wir als wahrscheinlich an, dass das Lehen bei der ersten Vergabung berechnet war auf die Arbeit und den Unterhalt der einzelnen Bauersfamilie, dass es Ackerland besass, so viel als ein Pflug, bedient von 4 Knechten und bespannt mit 4 Rindern, im ortsüblichen Wechsel der Felder bestellen konnte. Eine solche Abmessung hätte nicht anders als billig erscheinen können, aber sie war demungeachtet unpraktisch; denn die Viehwirtschaft auf den Bergen kann keine so kleinen Leute brauchen, wenn sie sich irgendwie rentieren soll. Wie es nun auch mit der ersten Absicht bei der Austeilung der Lehen gestanden haben mag, so viel ist sicher, dass diese zu klein aus der zu besiedelnden Flur ausgeschnitten waren. Die Folgezeit hat überall dazu geführt, dass die Anzahl der Höfe sich zusammenzog, dass 2, 3 und mehr Lehen nur noch ein Gut bildeten.(Eine Ausnahme bildet im St.Petrischen nur Waldau; denn auch in Lauterbach wurde noch im 16. Jahrhundert die Gehöftezahl kleiner. Waldau aber ist erst später als die andern Vogteien durch Zerschlagung des Klosterhofes entstanden. Da hat man denn in diesem ganz auf Viehzucht angewiesenen Hochthal die Lehen von vornherein grösser gemessen. Für diese Annahme giebt es einen bestimmten Anhalt. Bei der Grenzberichtigung mit Friedenweiler 1265 wurden duo feuda von diesem abgetreten. Diese „2 Lehen" haben aber später immer nur einen Hof, den Schneehof, gebildet und wurden gerade sowie die andern Güter als Einzellehen gezählt.) Wo die Güterzersplitterung verwehrt war, wie in Neukircb, das sich zur Herrschaft Triberg hielt, vollzog sich diese Kumulierung einfach. In der Mitte des 15. Jahrhunderts kamen dort auf 47 Lehen nur 21 Höfe. Unter diesen waren nur 8 Einzellehner. Später ist die Anzahl der Höfe noch etwas zurückgegangen. Bis zum Beginn unseres Jahrhunderts betrug sie 19.

Derselbe Prozess, aber mit mancherlei schmerzlichen Zwischenstadien vollzog sich, wo Grund und Boden stückweise verkauft werden durfte und das Erbe unter den Berechtigten gleich verteilt wurde. Denn noch gab es kein Sonderrecht der Schwarzwaldhöfe; auch die Ordnungen der Frohnhöfe, die doch ohne Rücksicht auf das Landrecht die Rechtsverhältnisse in ihrem Bereich ordnen konnten, entfernten sich selten von dem allgemeinen Brauch. Zwar enthalten die reichen Rechtsquellen von St.Peter gerade über das Erbrecht an Immobilien nichts, aber wenn irgendwo, so sind wir hier berechtigt, eine Rechtsgleichheit mit den nächsten Nachbarn, die von St.Petrer Gebiet umschlossen wurden, und die teilweise sogar zum Kloster gehört hatten, anzunehmen.

In dem Weistum der Unterthanen von St.Märgen von 1397 (Bei Grimm Wstmr. I. 336-346 als Dingrodel von Zarten S. 345.) entschieden die Lehenleute auf Anfrage des Abtes, ohne dass ein einziger Widerspruch sich erhoben hätte, dass Kinder, welche erben, wenn sie miteinander teilen wollen, jegliches seinen Teil empfahen soll und haben nach des Gotteshauses Recht. Sie übernahmen damit freilich auch alle Pflichten des belehnten Mannes; die Fälle vervielfachten sich also, während sie einen Vorträger geben durften, sobald sie ungeteilt im Hofe sitzen blieben. Die gleiche Erbteilung an Grund und Boden bestand also zu Recht, aber es bot Vorteile, wenn man auf sie verzichtete und die Hausgemeinschaft bewahrte. In diesem Fall aber war derjenige, welcher der Obrigkeit gegenüber die Familie vertrat, nicht sowohl Eigentümer des Hofes als vielmehr Vorträger der Erbgenossen. Hieraus ergab sich ganz naturgemäss das Minorat. Überall bei Vorträgereien war es das erste Interesse der Genossen - gleichviel ob sie in Gütergemeinschaft geblieben waren oder nicht - dass ihr Vertreter möglichst jung sei, damit desto seltener beim Todesfall Besthaupt und Erschatz gegeben werden müsse. So war denn auch im Schwarzwald der Jüngste längst nomineller Erbe, ehe er der wirkliche wurde.

Noch deutlicher erhellen diese Verhältnisse aus dem Weistum des Unteribenthales, welches nirgends die alte Rechts- und Wirtschaftsgemeinschaft mit St.Peter verleugnet. In diesem wird es sogar für nötig befunden zu bemerken, dass die an den Frohnhof zu Wyler gebundene Herrschaft über das Thal nicht ein Erbe sei wie andere, in denen alle Kinder eins gleich dem andern zur Erbschaft berufen seien, sondern ein rechtes unteilbares Mannlehen. Hier finden wir denn auch Grundsätze des Erbrechts ausgesprochen, wie sie insgemein nur auf einer Stufe weitgehender Mobilisierung des Eigentums Geltung haben. Stirbt ein Ehegatte, so ist jedem lebenden Kind sein Anteil zugefallen, wenn es will, und dem überlebenden Teil auch das seine. Sämtliche haben volle Verfügungsfreiheit über ihre Erbportion, nur das Haus solle dem überlebenden Gatten bleiben, nach dessen Ableben aber ebenso wie anderes Gut geteilt werden. So wird den Eltern auch das Recht zugesprochen, ihre Kinder mit fahrender Habe auszurichten, wie sie wollen, ohne dass ihre „Genossen" irgend ein Recht des Einspruchs haben; und auch wenn sie das liegende Gut angreifen, soll davon nur das Dritteil an die Herrschaft gegeben werden.

Diese Bestimmungen sind geradezu deshalb gegeben, um das gleiche Erbrecht aller Kinder und die volle Verfügungsfreiheit des Besitzers zu gewährleisten. Aber es ist die Frage, ob nun auch die Interessenten von diesen Berechtigungen regelmässig Gebrauch machten, oder ob vielmehr dem Recht durch eine entgegengesetzte Sitte die Wage gehalten wurde. „Jeglichem Kind ist sein Teil gefallen, wenn es will" sagt das Weistum des Ibenthals; und dass sie nicht immer wollten, dass die Hausgemeinschaft unter der Trägerei des Jüngsten sogar gewöhnlich bewahrt wurde, zeigt eine andere Bestimmung. Nach dieser erhält der Herr sein Dritteil fahrender Habe beim Erbgang immer vom Jüngsten, d. h. dieser ist rechtsgiltiger Vorträger. Dasselbe "Weistum, welches als Rechtsatz so schroff wie kein anderes die ausnahmslose Erbgleichheit ausspricht, bietet also zugleich eine der ersten sicheren Spuren des thatsächlich herrschenden Minorates.

Aber auch zugegeben, dass die Berechtigung für sich allein der überkommenen Sitte, zumal wenn diese einige materielle Vorteile bot, noch nicht den Boden abgrub, - soviel war sicher, dass der Güterzersplitterung, der grössten Gefahr für eine Bergbevölkerung, mit diesem Rechte Thür und Thor geöffnet war. Geradezu eine Prämie auf dieselbe ward vollends durch die geltenden Vorschriften über Kauf und Verkauf von liegender Habe gesetzt. Bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts finden sich in der Dreisam- und Elzgegend keinerlei Vorzugsrechte der Gemeindegenossen, nur wenige der nächsten Erben. Das Gewöhnliche ist, wie es im Weistum von Kirchzarten 1395 bestimmt ward, dass jeder Verkauf öffentlich vor der Bauerschaft geschehen müsse, und dass dabei das Gut erst dem Obereigentümer, darauf dem Gerichtsherrn anzubieten sei. Dann mochte es schlechthin dem gegeben werden, der es wollte; die Herrschaft dachte nur daran, sich ihr Drittel zu sichern.

Nicht anders war es in St.Peter. Das älteste Dingrecht kennt zwar ein Vorzugsrecht der Erben. Ihnen muss das Gut zuerst, dann dem Gotteshause angeboten werden, verkauft muss es ihnen aber nur dann werden, wenn sie ebensoviel geben, als andere Leute. Der Verkauf soll zwar öffentlich nach gemeiner Schätzung geschehen, aber dies nur deshalb, damit das Kloster durch heimlichen höheren Preis nicht an seinem gebührenden Drittel betrogen werde.

Die Kreditgeschäfte, die sich eben erst im städtische Verkehr ausgebildet hatten, waren im 13. Jahrhundert von den Bauern bereits in ihrem Interesse verwendet worden. Auch bei diesen suchte die Grundherrschaft sich nach Möglichkeit einen Vorteil zu sichern. Sie bestimmte: bei allen Gülten von Korn, Wein oder Geld, die an den drittelspflichtigen Bauer abgeführt werden, sollte auch das Gotteshaus sein Dritteil erhalten, dieselben wurden also zum Inventar des Hofes gerechnet; dagegen lehnte sie ab, an den Gülten, mit denen der Hof etwa belastet sei, einen Anteil zu übernehmen. Diese Verpflichtung fiel den Erben allein zu.

Vergessen wir nicht, dass wir es mit einem Gebiet zu thun haben, dessen eigentliche Besiedlung erfolgt war in einer Zeit rascher wirtschaftlicher Entwicklung, einer Entwicklung, die so beschleunigt war, dass man sie wohl gar Revolution genannt hat. Es ist nur natürlich, dass damals eine so weitgehende Freiheit der Verfügung, eine solche Erleichterung der Mobilisierung herrschte, wie weder früher noch später.

Es war nur die Konsequenz dieser Richtung, dass dem Zerschlagen der Güter nichts in den Weg gelegt wurde; aber unbegreiflich ist es, dass man dasselbe durch wohlwollende Rechtsauslegung beförderte. „Wenn einen Lehenmann Not angeht, so mag er um seine Schulden zu bezahlen sein liegend Gut angreifen, so weit, dass er selber nach dem Urteil seiner Nachbarn noch auf dem Hof bleiben kann. Wird er aber von Alter und Siechtum schwach, so mag er alles verkaufen bis an das Haus; wenn es an dies kommt, so mag er die Wände um und um verkaufen und erst wenn er an die sechste Säule kommt, so soll er zu den Herrn sprechen: „Geht her und nehmt den Dritteil und lasst mir die zwei Teile, denn ich vermag nicht mehr zu bleiben." Und das soll ihm niemand wehren." So galt das Recht im Unteribenthal. Es war nur eine Scheinabgabe, mit der man den Herren abfand, wie es deren im Mittelalter manche gab.

Nicht anders war es im benachbarten Rechtenbach. Wer vor Alter das seine angreifen muss, dass er möchte essen und trinken, darf Haus und Hof verkaufen bis an die Firstsäule. Von der soll er dann den dritten Pfennig geben. Viel allgemeiner hatte aber diese Begünstigung für alle Zerstückelung schon das älteste Dingrecht ausgesprochen: dass jeder aus seinem Gut verkaufen dürfe Feld, Matten, Wald, wenig oder viel, und so lange er nur überhaupt etwas behalte, kein Drittel zu geben brauche. Erst wenn er den letzten Rest losgeschlagen und mit dem Erlös ausser Landes gehen will, soll man von diesem Rest das Drittel fordern.

Solche Bestimmungen standen nicht nur im Dingrodel sondern auch im Gedächtnis der Bauern eingeschrieben, und der Erfolg liess nicht auf sich warten. Im ersten genauen Urbar der Klostergüter tritt er klar zu Tage. Dasselbe beruht im wesentlichen auf einer allgemeinen Renovation der Einkünfte vom Jahre 1420; für die Verzeichnung der Bergthäler ist aber ein etwas späterer Zeitpunkt anzunehmen. Es spiegelt den Zustand ab, der unmittelbar vor Erteilung des grossen Dingrodels herrschte. Da finden sich in Eschbach, Iben, Ror, Rechtenbach nur noch wenige Güter in ihrem alten Zustand. Ein Hof in Ror ist z. B. zusammengesetzt aus 1/2 + 1/4 + 1/8 + 1/20 früherer Lehen, von einem andern Lehen ist erst 1/8, dann 1/20 verkauft worden. In den anderen Vogteien ist es nicht besser. Güter, die aus 5 Stücken verschiedener Lehen zusammengesetzt sind, finden sich auch hier. Von 16 damals in Vorder-Eschbach vorhandenen Höfen hat gerade die Hälfte Veränderungen in ihrem Besitzstand aufzuweisen. Das Kloster selber war mit dem Beispiel vorangegangen. Wie der Hof in Waldau zerschlagen worden war, so auch der im Ibenthal; die 7 Lehen des Meierguts waren stückweise an 4 verschiedene Bauern gekommen. Auch in Eschbach war zur Zeit des grossen Dingrodels der Rest des Meierhofs ein Lehen geworden.

In dieser Güterbewegung tritt aber eine bestimmte Tendenz hervor. Die Mobilisierung des Grundbesitzes kann ebensowohl zur Zersplitterung wie zur Anhäufung dienen; ob das eine oder das andere geschieht, hängt vorzugsweise von der wirtschaftlichen Rentabilität ab. In der Rheinebene führte sie zur Zersplitterung, im Schwarzwald zur Zusammenziehung der zu kleinen Güter. Die Zersplitterung war zwar Anfangs auch hier erste Folge, aber sie war nur ein Zwischenzustand. Die Kumulierung, die sich in Neukirch einfach vollzogen, kam hier etwas später zustande. Schon das erste Urbar zeigt sie. Auf die 38 Lehen in Iben, deren Einzelnamen sie der Mehrzahl nach als Einzelgüter zeigen, kommen nur noch 19 Höfe, im nächsten Urbar sind es nur noch 17, noch später 14; auf 28 in Vordereschbach 16. Anderwärts beginnt die Zusammenziehung erst etwas später; in dem kleinen, sich nach dem Flaunser zu öffnenden Steurenthal bestehen damals noch 7 Höfe, am Ende des Jahrhunderts sind es nur noch 4, in Rechtenbach 11, später 7.

Ehe es aber so weit kam, hatte man die Fehler einer Rechts- und Wirtschaftsverfassung, die für die natürlichen Verhältnisse dieser Gegend nicht passte, gründlich zu büssen gehabt. Die auffallende Thatsache, dass im Lauf des 15. Jahrhunderts fast überall auf dem Schwarzwald Klagen über die Verödung, über den Rückgang der Bevölkerung ertönen, findet hier ihre Erklärung. Nicht nur die Anzahl der Höfe ging zurück - was kein Schaden war - sondern vielfach auch der Anbau; denn öfters blieben ganze Lehen oder Teile von solchen wüst liegen, ihre Bewirtschaftung war unter dem herrschenden System unrentabel geworden. Unter den 11 Gütern in Ror, die aus den früheren 16 zusammengezogen waren, lagen zwei wüst, in Eschbach ebenfalls zwei. Der Vogt liess damals an der ihm gebührenden Steuer etwas nach; dieselbe war, wie wir sahen, eine feste Summe.

Gewöhnlich aber waren die Vögte zu solchen Zugeständnissen nicht geneigt; noch weniger wollten die Bauern durch die Quoten der wüsten Höfe ihren Anteil erhöht sehen. Das Kloster musste also den Ausfall auf sich nehmen. So verordnete es zuerst das Weistum von 1416: „Die 24 haben auch nie anders gehört von Alters her, wenn der Vogt die Steuer sammelt und sie will von den öden Gütern, die in der Vogtei wüst liegen und einem Vogtherrn steuerbar sind, da soll ein Untervogt in den Schürhof (des Gotteshauses) gehen, bis dem Vogtherr die Steuer wird, die von den öden Gütern geht, und sonst nicht." Noch im grossen Dingrodel wurde diese Bestimmung wiederholt. Gerade damals war die Gefahr eines weiteren Rückgangs gross, jedenfalls grösser, als wir sie aus den Angaben der Urbarien allein ersehen würden. Sie machte die schärfsten Strafandrohungen nöthig. „Ein Abt mag auch die öden Güter zu bauen gebieten binnen 3 Monaten und sie zu besetzen. Wer solches Gebot überführe, den mag er strafen um 3 Pfund Pfennige. Aber der gebauten und behauseten Güter halben mag ein Abt gebieten, die in Monatsfrist zu besetzen; welcher das überführe, bessert dem Gotteshaus 1 Pfund Pfennig, so oft als es geschehe."

Hielte man sich an solche Bestimmungen allein, so möchte man zur Ansicht kommen, dass die Entwertung des Grundbesitzes fast bis zur Wertlosigkeit desselben geführt habe, und dass man die Bevölkerung halb mit Gewalt auf den Gütern habe zurückhalten müssen. Hin und wieder hat man in der That an eine erneute Besiedlung denken müssen. In Rechtenbach beschwerte sich der Inhaber der Vogtei, ein Schnewelin von Wisneck, im Jahre 1459: etliche Lehengüter seien wüst und öde und lägen unverliehen da, so dass weder ihm sein Vogtrecht noch dem Abt sein Zins würde; eine Reihe von Ausständen habe er schon zu verzeichnen. Er verlangte, dass entweder das Gotteshaus diese Güter und das ganze Thal zu seinen Händen nehme, dasselbe neu besetze und ihm dann die gebührende Steuer verbürge, oder dass man ihm dasselbe zu thun überlasse, in welchem Falle er dann den Bodenzins geben wolle. Man vereinigte sich auf diesen zweiten Vorschlag; der Junker sollte „in demselben Thal die Lehen und Güter alle zu seinen Händen nehmen, die ganz besetzen und entsetzen nach seinem Willen und bessern Nutz". Diese letzte Konsequenz fand man auch mehrfach anderwärts.

Auch das Kloster versuchte hin und wieder verlassene Höfe neu zu besetzen und unbenutzte Waldstriche roden zu lassen. Die Bedingungen, unter denen solche Besiedlungen angestellt wurden, geben an sich schon kund, wie leer und schwankend hier alle Besitzrechte geworden waren. In den grossen Waldungen, die zwischen dem Kloster und Waldau lagen, hatte früher einmal eine Glashütte gestanden. Sie war längst eingegangen und die durch sie hergestellten Waldblössen waren zu Seldrecht ausgethan. Als dies 1426 wieder geschah, wurde im Kontrakt hinzugesetzt : „Wenn einer kommt und das vorgenannte Gut behausen und besitzen will, so soll ich, meine Erben und alle meine Nachkommen von dem Gute stehen und dabei dem Gotteshaus nicht schuldig sein um den Fall."' (Zur Cbarakterisierung früherer wirtschaftsgeschichtlicher Untersuchungen sei erwähnt, dass diese Urkunde von Mone als Beispiel für Glasmacherei in Mittelalter publiziert worden ist. Der Beständer war ein Bauer aus dem nächstgelegenen Thal „Welschenordena", aus ihm macht Mone einen Glaser, der aus der wälschen Schweiz oder Franche-Comté stammen soll. Ztschrft. 12 S. 414 f.)

Auf den Hochflächen am Ursprung der Glotter war vor nicht langer Zeit ein grosser Pachthof angelegt worden, der Schönauerhof, der den bedeutenden Jahreszins von 10 Pfund Pfennig zahlen sollte; aber nur die Hälfte war 1447 noch zu verleihen möglich. Hier handelt es sich um eine Pachtung nach Seldrecht, aber auch die Möglichkeit ein eigenes Lehen zu erwerben hatte wenig verlockendes. Über einen Wald, der zur Rodung verliehen wurde (1447) nach dem Rechte, wie in Eschbach, ward bestimmt; „Wollen die Erben das Gut nicht erben, so sollen die Herren von St. Peter und sie jeglicher Teil zwei ehrbare Männer nehmen, die da aussprechen den Nutz und Schaden des Waldes, dass er wiedergebracht werde dem Gotteshaus."

So vieles kam zusammen, um die wirtschaftliche Lage des Schwarzwaldbauern herabzudrücken unter seine sozialen Berechtigungen : Ein Abgabensystem, das noch mehr unpraktisch als drückend war, eine Güterverteilung, die die Portionen des Einzelnen zu klein geschnitten hatte, eine Landwirtschaft, die im Dungfeld regelmässig Halmfrüchte bauen wollte, wo solche nur ganz extensiv gebaut werden konnten, ein Erbrecht und Obligationenrecht, das die Mobilisierung des Grundeigentums beförderte! Wenn nun auch diese Mobilisierung in sich selbst ein Heilmittel trug und die Anzahl der kleinen Güter allmählich zu Gunsten grösserer Höfe zusammenschrumpfen liess, so war ein solcher Prozess doch mit schmerzlichen Zuckungen verbunden, und er vollzog sich aufs Geratewohl in einem Gebiet, wo eine Gemengelage landwirtschaftlicher Parzellen gleichbedeutend mit dem Ruin der Landwirtschaft war. Die Verödung, welche man fürchtete, die man zum Teil schon hereinbrechen sah, war für sich allein vollgiltiger Beweis, dass irgend etwas nicht in Ordnung sei, dass irgendwelche Reformen vorgenommen werden mussten.

Die Bauern hatten selber eine solche Reform in dem thatsächlich herrschenden Minorat gefunden; aber man musste sich billig die Frage vorlegen, wie lange denn die Hausgenossenschaften unter Vorträgerei des Jüngsten bestehen bleiben würden, wenn das geltende Recht so wenig Rücksicht auf sie nahm?

In solchen Zuständen fanden die Keime allgemeiner Bauernunzufriedenheit, deren weitere Ursachen wir hier nicht zu erörtern brauchen, ihre Nahrung; (Vgl. hierüber meinen Aufsatz: „Die Lage des Bauernstandes am Ende des Mittelalters, vornehmlich in Südwestdeutschland", Westdeutsche Zeitschr. IV. 1.) die Nähe der Schweiz that auch das ihrige, um zu schüren. In St.Peter aber erwuchsen aus dieser Unzufriedenheit in der That Verbesserungen. Die „Zweiung zwischen den ehrbaren Leuten der Vogtei und dem Abt" muss schlimm gewesen sein, wenn sich auch der Abt entschloss, den Kastvogt, den gefürchteten Nebenbuhler in der Herrschaft, um seine Vermittlung anzugehen. Das aber, was man von beiden Seiten wollte, war vernünftig: eine genaue Festsetzung „ihrer beider Recht, Gewohnheit und Herkommen", die nun jetzt nicht nur für dieses und jenes Thal, sondern für die ganze Kastvogtei gelten sollte; diese bestand noch aus den Thälern Eschbach, Iben, Ror, Lauterbach und den Seldgütern. Zu diesem Zwecke wurden ausser den alten Dingrödeln auch die ältesten Unterthanen und die Nachbarn zu Ebnet, St.Märgen u.s.w. verhört von den Schiedsleuten, welche die Parteien, und dem Obmann, den der Markgraf gegeben hatte. Man verfuhr so, um wirklich alles das und nur das in dem neuen grossen Dingrodel zu vereinigen, was für ein Bauernrecht des Schwarzwaldes in jener Zeit von Wichtigkeit war. Deshalb sind in diesem grossen Dingrodel die Auslassungen nicht minder wichtig als die Zusätze, die zu den alten Bestimmungen gemacht wurden.

Das wichtigste war, dass die Dreiteiligkeit vom Kloster aufgegeben wurde. Hundert Gulden gaben die Unterthanen sofort als Ablösungssumme und verpflichteten sich im Übrigen Erschatz zu geben, einfachen bei jedem Erbe, doppelten beim Verkauf, von beiden Kontrahenten je einen. Einfacher Erschatz hatte schon immer gegeben werden sollen, und die Bemessung gleich einem Jahreszins war sehr gering; er betrug in den vier Vogteien für jedes Gut nur 8 Schilling. Stillschweigend ward an Steile des alten Begriffs „Lehen" das allgemeine „Gut" eingeführt, obwohl die jetzigen Güter doch fast durchweg mehr als ein altes Lehen betrugen. Am grössten war der Gewinn für die Seldgüter, denn deren Inhabern ward hierdurch das Erbrecht an ihren Gütern gewährt; wirtschaftlich unterschieden sie sich fortan von den Lehenleuten nur dadurch, dass ihr Grundzins nicht fest bestimmt war. Da wollte es nicht viel besagen, dass das Gotteshaus sich diesen Erschatz dauernd sichern wollte, und bestimmen liess: er solle Herrenrecht sein und kein Verbieten, Versetzen und Pfänden solle ihm Schaden bringen.

Wichtiger wäre noch eine Änderung des Erb- und Verkaufsrechtes gewesen; aber hier zeigte sich, dass die Mitte des 15. Jahrhunderts nicht mehr die Zeit für neue durchgreifende Rechtsbildungen war. Man begnügte sich damit, den Grundsatz auszusprechen, dass die Güter nicht „zergengt" werden sollten; um ihn zu erreichen, stellte man nur die Forderung auf, dass keine eigenen Güter des Gotteshauses verkauft werden dürften ohne Wissen des Abtes und seines Amtmannes. Die Unteilbarkeit der Höfe war also zunächst nur Verwaltungsmassregel, aber sie wurde bald durch die regelmässige Anwendung Recht. Ferner ward das Vorzugsrecht der Erben und des Gotteshauses beim Verkauf verschärft. Damit es auch zu rechter Anwendung käme, soll dreimal öffentlich feilgeboten werden; in Gegenwart des Amtmanns und einiger Gerichtsleute erfolgt der Zuschlag. Man ging noch weiter und führte jetzt zuerst das „Zugrecht" ein, demzufolge auch nach geschehenem Verkauf die Erben und der Abt, wenn sie gute Sicherheit gaben - also nicht einmal baare Zahlung - das Gut um denselben Preis, den ein Fremder gegeben, von diesem lösen konnten.

Es war im Vergleich zu der früheren Verkehrsfreiheit ein gewaltiger Rückschritt in die Gebundenheit, aber die Bauern haben sich nicht gegen ihn gesträubt; fast möchte man im Hinblick auf die übrigen Bestimmungen des Dingrodels glauben : auch diese seien aus ihrer eigenen Anregung hervorgegangen. Gegen weitere Einschränkungen des Verkehrs, wie sie dann in den Polizeiordnungen des folgenden Jahrhunderts beliebt wurden, haben sie sich freilich um so entschiedener gewehrt. Das Minorat wurde sehr bald, ohne dass besondere Bestimmungen darüber getroffen worden wären, Gewohnheitsrecht. Es bedeutete jetzt aber wirkliche Erbfolge in Eigentum des Gutes, nicht bloss Vorträgerei. Das gewöhnliche war, dass der Vater bei Lebzeiten dem Jüngsten das Gut zu einem sehr ermässigten Preise verkaufte und sich ein Leibgeding ausmachte, die erste und die dritte Wahl im Stall; bei den neuangelegten Gütern in Wildgutach ward ein Altenteil mit besonderem Häuschen gleich von vornherein ausgesondert. Aber auch wenn die Eltern starben und der jüngste Erbe unmündig war, wurde das Gut nur für ihn verwaltet. Das Zugrecht sorgte im Notfall dafür, dass der Hof nicht aus der Familie komme; aber man bestand selten auf diesem höchst bedenklichen AuskunftsmitteL Schon in den alten Dingrechten war bestimmt, dass das Gotteshaus das Erbe Unmündiger verwalten solle. Der Abt ernannte die Pfleger, und bäuerliche Schiedsleute entschieden auch die etwa sich ergebenden Streitfälle. Bei diesen oft verwickelten Anlässen schulten die Bauern jene natürliche, oft von ihnen gemissbrauchte Gabe juristischen Denkens, die den Schwarzwälder auszeichnet.* (Ein einzelner Rechtsfall giebt hier wohl besser als alle Auseinandersetzung eine Vorstellung von der Art der Rechtspflege. Ein Hof in Ror fällt 1576 dem jüngsten Erben zu. Während dessen Unmündigkeit wird derselbe einem älteren Bruder auf 20 Jahre nach sehr billiger Schätzung um 1000 fl. in Kauf gegeben, die er mit 56 fl. verzinsen soll, den Männern der auswärts verheirateten Schwestern wird die Zuggerechtigkeit zugebilligt. Der Käufer gerät in Schulden und muss 1592 für mundtodt erklärt werden. Die Pfleger des Jüngsten wollen nun den Hof lösen und sich mit den Gläubigern auseinandersetzen, der derzeitige Inhaber will ihn als Eigentümer behalten, versteigern und mit dem Erlös seine Schulden decken. Die Schwäger stimmen ihm hierin bei mit dem Begehren: was etwa über 1000 fl. erlöst werde, als Abfindung zu erhalten, weil sie selber nicht in den Kauf zu stehen gedenken. Die „Vierleute**, das Dorfgericht, entscheiden: der Vorgenannte soll das Gut behalten und der Gantprozess gegen ihn als Eigentümer beginnen, aus der Masse sollen aber zuvor 200 fl. für den jüngsten Bruder und 20 fl. für die Schwäger ausgeschieden werden.)

Die Rechtsentwicklung des Mittelalters ward für St.Peter durch den Dingrodel abgeschlossen; auch die wirtschafliche Entwicklung war hiermit in ein ruhiges Geleise gekommen. Die Anzahl der Höfe ist in den Vogteien von Ende des 15 Jahrhunderts bis in das unsere unwandelbar dieselbe geblieben; selbst der 30jährige Krieg hat zwar einzelne Höfe zeitweise wüst gelegt und mancherlei Besitzwechsel in den Familien gebracht, aber jene Zahlen hat auch er nicht dauernd geändert. Fast überall war man auf der Hälfte der ursprünglich ausgegebenen Lehen angelangt. Das will um so mehr sagen, als nun sehr bald die Bewirtschaftung eine viel bessere wurde und an Stelle des Weidgangs im Wald immer mehr Matten zur Heugewinnung zubereitet wurden. 1625 konnte der Abt, ohne Widerspruch zu finden, erklären: vor 100 Jahren sei nicht die Hälfte, höchstens ein Drittel der Matten vorhanden gewesen, wie sie nun seit etwa 50 Jahren genutzt würden. Ein untrügliches Zeichen des Fortschreitens ist auch, dass die alte Weidegemeinschaft als Last empfunden wurde. Die Rorer Bauern erklärten 1594: „Wenn die Hirten also zusammenkommen, haben sie einandern vielmal abgetrieben oder je einer dem andern zu Nachteil und Trotz, soviel er kennt, die Waid genutzt, dahero dann zwischen den Lehenleuten und Nachbarn bisweilen Widerwillen, Verhassung und Missverstand sich erregt und noch weiter zutragen hätte mögen"; deshalb hatten sie sich unter einander verglichen, die Wege verlegt und baten um Bestätigung dieser Änderungen am Dingrodel. Die Separation war so vorgenommen worden, dass höchstens zwei Nachbarn mit einander zu treiben brauchten.

In der Zeit gegen Ende des 15. Jahrhunderts, als die Schwarzwaldwirtschaft wieder anfing rentabel zu werden, begannen die Äbte ausserhalb der alten Vogteien neue Kolonisationen, die sich während des ganzen 16. Jahrhunderts fortsetzten. Noch besass das Gotteshaus unmittelbar den grösseren Teil des Gebietes in den Hochwäldern, die von den sogenannten Allmenden verschieden waren. Der grosse Wald, der sich vom Kandel nach dem obern Glotterthal absenkt, das ganze Wildgutachthal mit seinen Bergen und die breiten Bergrücken, die sich vom Ibenthal bis Waldau ausdehnen, über die der grosse Weg von St, Märgen nach dem Turner und weiter nach Urach führte, gehörten hierzu. Die Besiedlung geschah derart, dass man zunächst im Wildgutachthal Holzknechten auf 4 Jahre einzelne Loose zum Abholzen des Baumwuchses überwies. Nur durch die Runsen, welche den felsigen Thalrand furchen, teilte man die Grenzen ab. Es war möglich, das Holz zum Bergwerk nach Simonswald zu flössen; trotzdem wurde der Zins aufs niedrigste bemessen auf 1 fl., oder auch nur auf ein paar Batzen.

Die eigentliche Kolonisation wurde alsdann eben mit Simonswälder Bergleuten vollzogen, fremden Leuten von Salzburg, Schwatz, Tegernsee, die sich hier ansässig machen wollten. „Ein wild ungemessen Feld, ungefährlich auf 12 Juchert geschätzt" heisst es in den Verleihungsbriefen; aber man weiss bis zur Gegenwart, dass solche 12 Juchert, die man durch Bach, Runsen und Berggrat abgrenzt, im Schwarzwald 120 mindestens bedeuten wollen. Ist ein solches Feld „gesäubert, geräumt, ausgestockt, gereutet zu Matten, Ackerfeld und Weiden gerichtet und gemacht", so soll es fortan ein rechtes Erb und Eigen sein; aber bei „Pen und Strafe in den Lehenrechten begriffen", darf ein solches Gut ohne Vorwissen der Abte nicht versetzt, beschwert, verkauft, vertauscht oder in anderer Weise veräussert werden. Lehenrecht, das jetzt längst aufgehört hatte, ein besonderes Standesrecht zu sein, musste also, da die Zeit der Ausbildung neuer Hofrechte längst vorbei war, jetzt dazu dienen, um diese Bauergüter strenger zu binden. Die Lasten, welche den neuen Höfen aufgelegt wurden, waren massig; man bemass den Zins etwas höher als es in den alten Vogteien der Fall war, auf 1 Pfund Pfennig und den Erschatz dementsprechend - ein Holzschlägel als Symbol der Waldkultur war beizufügen - an Frohnden wurde jetzt aber nur noch 1 Tag im Jahre gefordert, dieser aber auch höher als bisher, nämlich gleich 1 Schilling geschätzt. In allem Übrigen sollte auch hier der grosse Dingrodel gelten.

In ganz ähnlicher Weise verfuhr man auch an den andern Stellen. Man verlieh „Möser" und Wälder gegen eine kleine Recognition, aber ohne dauernde Rechte; gewöhnlich, wenn einige Zeit verstrichen war, erhob das Gotteshaus Ansprüche, und wenn es zum Prozess kam - denn gutwillig weicht kein Bauer vom Felde, das seine Arbeit hergestellt - schloss man vor der Entscheidung einen Vergleich, durch den gegen höheren Zins festes Eigentum gegeben wurde. So bildete man nach und nach neue Vogteien mit wenigen aber ziemlich grossen Höfen, ausser Waldgutach noch Glashütten, Hochstrass, Hinterstrass. Für diese Besiedlungen befand man aber das Recht der Seldgüter gut genug, und dem Sinken des Geldwerts ebenso wie dem fortschreitenden Wohlstand gemäss liess man am Ende des 16. Jahrhunderts den Zins auf denselben gehörig steigen, teilweise auf das Drei- und Vierfache. Es waren gute Zeiten für die Schwarzwälder; ihr Vieh, Butter und Käse fand reichlich Absatz, jene eben erwähnte Ausdehnung der Wiesenwirtschaft lohnte, der Rest der alten Naturalzinse verlor sich beinahe, man wusste nicht recht wie. Die Butter- und Käselieferungen von Waldau machen einfachen Geldzinsen Platz. (Naturallieferungen finden sich nur noch bei einzelnen neuen Höfen. Das Breitmoos musste ausser 4 Pfd. Pfg. und 2 Fällen auch 2 Käse, deren jeder aufs wenigste 10 Pfd. wiegen soll, und 10 Pfd. Anken geben. Ebenso blieb der Vogtbaber.)

Nun konnte nur die Frage sein: blieb auch die soziale Lage des Bauern so günstig wie es die wirtschaftliche geworden war? Die Beantwortung musste im 16. Jahrhundert ungünstig ausfallen.

VI.
Auch im 16. Jahrhundert hing die soziale Lage der Bauer» ab von den öffentlich-rechtlichen Verhältnissen. Hatten sie bisher den Kastvogt anrufen dürfen gegen den Abt, den Abt gegen den Kastvogt, so sollte ihnen fortan eine dritte öffentliche Gewalt ganz anderer Art entgegentreten mit Befugnissen und Machtmitteln weit grösser, als die engumschriebenen der Vögte waren.

Ällmählig hatte sich die Territorialhoheit der Habsburger im Breisgau ausgebildet. Auch in ihr waren Vogtrechte über Klöster jeder Art, denen in diesem Landstrich fast die Hälfte des Grundeigentums zustand, ein Hauptbestandteil; auch wo sie solche nicht rechtsgiltig besassen, fielen sie ihnen von selber zu; denn wer allein Schutz bieten konnte, der war auch naturgemäss Vogt. So stand es auch zwischen Österreich und St.Peter. Das Kloster hatte seine nutzbarsten Besitzungen als Höfe rings im vorderösterreichischen Gebiet, und wie einst das Vogtrecht der Freiburger über die burgundischen Besitzungen, so ward jetzt das der Hachberger über die breisgauischen, abgesehen von dem geschlossenen Gebiet, illusorisch. Von Anfang an wurden die Äbte von St.Peter mit zu den Breisgauer Ständen gezählt, und als sich in den burgundischen Wirren die ständische Verwaltung erst recht ausbildete, sass ein Abt des Gotteshauses mit in der Regierung, die von den Ständen gebildet wurde.

Unterdess waren auch die Markgrafen ihrerseits bestrebt, wenigstens in der Kastvogtei, „ihre fürstliche hohe Obrigkeit" dauernd festzustellen. Sie liessen es sich z.B. einmal 1494 ausdrücklich von dem bäuerlichen Gericht bezeugen, dass ihnen das ganze Vermögen eines gehängten Diebes allein zugefallen sei; sie wollten von einer Teilung mit dem Abt nichts wissen. Aber gerade der Versuch, wiederum die Sache der Bauern gegen den Abt zuführen, missglückte. (Die Akten, teils Briefe und Verhandlungen, teils Verhöre der Bauern über die folgenden Ereignisse, liegen in grösster Vollständigkeit vor.) Abt Jodokus wollte den Dingrodel für die kümmerlich gewordenen Einkünfte des Klosters wenigstens nach Möglichkeit ausnutzen. Das konnte nicht anders geschehen als dadurch, dass er auf die einzige gehässige Abgabe, auf die einfache Fallschuldigkeit aller Freien und die doppelte der Leibeigenen eifriger drang, als bisher Brauch gewesen. Aber auch Rechte, die den Bauern im Dingrodel verbrieft waren, stellte er in Frage. Die Gemeinden lehnten sich auf; es waren die schwülen Jahre vor dem Ausbruch des Bauernkriegs (1519) - sie baten den Abt: sie bei ihren alten Bräuchen und Herkommen zu lassen. Dieser rief seinerseits den Kastvogt, den Beschützer der Gotteshausrechte, gegen die Ungehorsamen auf, verlangte, dass er seinen Hofmeister, Junker Nagel, mit gewaffneter Mannschaft zur Exekution sende und die Rädelsführer nach Badenweiler gefangen führen lasse. Des Markgrafs Amtmann, Franz von Roggenbach, weigerte sich diesen Wünschen nachzukommen, und er fand bei Markgraf Ernst Beistimmung. Denn mit diesem Handel verflocht sich ein anderer, der dem Markgrafen unmittelbar an seine Hoheitsrechte zu gehen drohte. Das Regiment von Ensisheim und die Stände hatten eine Steuer ausgeschrieben, und der Abt erhob diese vorderösterreichische Schätzung auch in der Kastvogtei. Nur ein Teil der Bauern, die auf dem Walde gesessenen, fügte sich, die in den Thälern erklärten: „Nur gebeten sei der Abt bisher nach Ensisheim gegangen, dort mit zu tagen; und auch sie hatten wiederum nur auf sein Bitten mit den österreichischen Unterthanen gesteuert, wie es in den Burgunderkriegen der Fall gewesen. Jetzt aber solle hieraus eine Verpflichtung werden; das sei wider Herkommen und ihnen unleidlich." Der Abt rief gegen diesen mehrfachen Ungehorsam die Ensisheimer Regierung an, und die Bauerschaften wurden vor diese zitiert.

Sie waren nicht gesonnen zu geben, und wandten sich nun ihrerseits 1522 an den Markgrafen, ihre Abgeordneten fanden besseres Gehör bei diesem als zuvor der Abt. „Da haben ir fürstl. Durchlaucht uns geantwortet," berichten sie selber, „ir mögen wol da (in Ensisheim) erscheinen, aber nichts handeln; denn die Sach g'hör im zu. Und under anderm geredt: Was Mangels hat der Abt ab mir, hat er mir doch khein Hund zogen oder Knecht über Nacht behalten? Ich hab im gar kein Übertrang thon, haben ir etwas Unrechts thon, ich kann euch woll selbst strafen. Ich will meinem Amtmann schreiben, das er 1 Pferd oder 12 in das Kloster leg, das der Abt sehe, das ich Herr und Kastvogt sey." Diesen energischen Beweis seiner Landeshoheit trat er auch wirklich an. Der Abt weigerte sich, die unliebsame Einquartierung aufzunehmen und zu beköstigen; die Folge war nur, dass sie sich selber in Küche und Keller häuslich niederliess.

In dieser erregten Zeit machte ein solcher einzelner Gewaltschritt übermässiges Aufsehen, denn von jedem erwartete man, dass er den Funken ins Pulverfass werfe. Unter den Vorwürfen, die gegen den Markgrafen erhoben wurden, war keiner bitterer und heftiger, als dass er in so gefährlichen Zeitläufen die Bauern aufhetze. Der Abt selber, und noch lebhafter als er die Stadt Freiburg, bei der er verburgrechtet war, riefen die Ensisbeimer Regierung gegen den Markgrafen an; aber dieser erklärte, hier nicht antworten zu wollen, nur vor dem Reichsregiment in Nürnberg habe er Rede zu stehen. Demgegenüber berief sich der Abt, der auf einmal vergessen zu haben schien, dass sein Vorgänger sich von Maximilian 1498 auf dem Freiburger Reichstage die Reichsfreiheit hatte bestätigen lassen, auf die kundbare, althergebrachte Landeshoheit Österreichs über St.Peter. Der Kastvogt, erklärte, er habe keinerlei Recht weder die Unterthanen zum Ungehorsam zu verleiten, noch sie zu Rechtstagen in sein Gebiet zu bestellen, noch ihm, dem Abt, zu verbieten in Ensisheim Recht zu suchen; ihm stehe nichts zu als die Ausübung des Blutbanns.

Die Gemüter erhitzten sich und die Stände waren bereit, nötigenfalls Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Der Markgraf fühlte sich vereinsamt und es ward ihm etwas schwül. Unter der Hand bot er König Ferdinand die Kastvogtei zum Kauf an, um so von dem bösen Handel loszukommen. Die Nachricht hiervon erregte bei den Bauern die höchste Bestürzung. Sie sandten wiederum zwei Männer um Auskunft zu erbitten und ausweichend erwiderte ihnen der Markgraf: „Ich hab meinem Herrn Vettern die Kastvogtey umb 1000 fl. angebotten; aber ich gedenk nit, dass er's oder ein anderer kauffen werd, denn ich hab im Jar nit mer dan 25 fl. darvon. Ich bin Kastvogt da, und mag mich dessen niemants entsetzen." Wegen 25 fl. jährlich lässt sich aber auch Niemand in einen so ernsten Streit ein; hier handelte es sich thatsächlich um mehr, um die fürstliche Herrschaft in einem nicht kleinen Gebiet.

Schon im nächsten Jahre brach der grosse Bauernkrieg aus, der unzählige solcher kleinen zuvorgehenden Zwistigkeiten in sich verschlang. Die St.Peterer Bauern nahmen natürlich auch an demselben Teil; in der Brandschatzung, die den Besiegten auferlegt wurde (ed. Poinsignon Ztschr. 37 S. 79 f.) finden sich Waldau, Ror, Ibenthal angegeben, Eschbach und Rechtenbach wollte hingegen der Abt vertreten. Die Vermittlerrolle, die Markgraf Ernst im Kriege mit mehr Wohlwollen als Kraft zu spielen suchte, findet ihre Erklärung erst in jener ererbten Stellung des Hachbergers zu den Bauern.

Noch ehe der Sturm ausgetobt hatte, schon im Jahre 1526, vollzog sich der Übergang der Kastvogtei von Baden an Österreich. Sie bedeutete nur, dass die Landeshoheit der Habsburger voll anerkannt und jeder zuwiderlaufende Anspruch ausgeschlossen wurde. Die 1000 fl. streckte das Gotteshaus vor - auch sind sie nie zurückbezahlt worden und später erwarben die Äbte auch noch förmlich die Kastvogtei (Zwei Jahre später 1528 auch noch die Vogtei über Waldau. Neukirch stand als zu Triberg gehörig so wie so unter Österreich), - dafür erhielt es sämtliche Einkünfte und ebenso sämtliche Gerechtigkeiten des Kastvogts, ausgenommen die „landesfürstlichen Obrigkeiten als Landreisen, Steuern, Appellationen". Der Abt genoss fortan dieselben, nicht knapp bemessenen Rechte wie die übrigen breisgauischen Stände.

Die Bauern waren vom Markgrafen einfach angewiesen worden, dem Gotteshaus und der Regierung zu schwören; zunächst schien sich ihre Lage nicht zu verschlimmern, denn der Dingrodel wurde feierlich erneuert, mit allen Bestimmungen, obwohl viele derselben, seitdem es keinen besonderen Kastvogt mehr gab, ihren Sinn verloren hatten. Aber diese Erneuerung geschah mit dem stillen Vorsatz, bei günstigerer Gelegenheit ein Recht einzuführen, das den Vorstellungen grundherrlicber Machtvollkommenheit besser entsprach als diese mittelalterliche auf Vertrag und bäuerlicher Weisung beruhende Verfassung. Die Freiheiten des Dingrodels galten den Äbten jetzt als „Missbräuche entstanden aus der nichtigen Rechtsprechung der Altvorderen der Supplikanten"; und man gab in den späteren Prozessschriften offen zu: 1526 gleich nach dem Bauernaufruhr habe man mit „mehrerem Glimpf verfahren müssen", seitdem man sich aber des Aufstands und Ungehorsams so viel nicht mehr zu besorgen gehabt, habe man auch die Zügel der Regierung strenger angezogen.

Unzufriedenheit und Misstrauen hatte es ja auch vorher zwischen Äbten und Bauern genug gegeben, das ist aber die soziale Bedeutung eines grossen historischen Ereignisses, dass es mit seiner Wucht dauernd auf den Gemütern lastet, dass auf lange Epochen hinaus das Verhältnis der Volksgruppen zu einander unabhängig von den lokalen Zuständen durch seinen Eindruck bestimmt wird. So steht in Folge des Bauernkriegs während des 16. Jahrhunderts die Landbevölkerung überall thatsächlich unter Ausnahmegesetzen, Es ist die Zeit, in der in jedem kleinsten Territorium Polizeiordnungen, eine verzwickter als die andere, aufsprossen. Im Anfang des 17, Jahrhunderts findet sich wohl der Fall, dass eine solche Ordnung der Lebensführung zur Zurückdrängung der einreissenden Üppigkeit von den bäuerlichen Behörden selber gewünscht wird; im 16. aber sind sie noch alle darauf berechnet, dem unruhigen Geist der Landbevölkerung ein Joch aufzulegen. Der Argwohn hat sie insgesamt diktiert.

Der Schwarzwald weist eine Überfülle solcher Erzeugnisse auf; als ihre Verfasser lernen wir meistens die „Sekretäre" kennen, juristische Magister, höhere Schreiber, die den Äbten und Adligen unentbehrlich waren, um ihnen durch den Wirrwarr der Rechtsverhältnisse durchzuhelfen und in die noch grössere Konfusion der Einkünfte einige Ordnung zu bringen. Solchen Wert mass man diesen Polizeiordnungen bei, dass man sie in St.Peter fortan an Stelle des Dingrodels verlesen liess. Auch dieser enthielt einzelne polizeiliche Bestimmungen, aber sie waren von harmlosester Art: Vorschriften über die geistlichen Pflichten, Kirchenbesuch und Prozessionen, Opfer und Sonntagsruhe, und die schon 1415 ausgesprochene Zusicherung, dass allein der Abt die Spiele zu verbieten berechtigt sei, gehören hierher.

In der ersten Polizeiordnung von 1568 wird die göttliche Verpflichtung der Obrigkeit, den Bösen zu strafen, den Guten zu schirmen, an die Spitze gestellt und das Recht daraus gefolgert, Polizeiordnungen mit allen Geboten und Verboten, wie sich die Unterthanen gegen Gott, die Obrigkeit und gegen einander verhalten sollen, aufzustellen und je nach Gelegenheit zu mehren und zu mindern. Es ist die bekannte Staatsauffassung, wie sie sich gleichmässig unter dem Einfluss der italienischen Renaissance und der deutschen Reformation ausgebildet hatte. Aber diesem väterlichen Anfang entspricht die Fortsetzung sehr wenig. Nach dem Verbot der Gotteslästerung, mit dem billig begonnen wird, folgt sogleich die Drohung: wenn vor oder nach dem Gottesdienste Bauern auf dem Kirchhofe zum Schwatzen stehen bleiben, so sollen sie von Beamten, die eigens dazu verordnet sind, aufgefordert werden, sofort auseinanderzugehen; und wer für sein Stehenbleiben nicht einen ernstlichen Grund angeben kann, soll sogleich in die „Katze", einen Strafkäfig, geführt werden. Man denke hierbei an die allgemeine Schwarzwaldsitte, die bei einem Land zerstreuter Höfe sich von selber ergiebt, dass die Bauern nach dem Kirchgang wohl eine halbe Stunde lang in Gruppen stehen bleiben, heutzutage allerdings mit schwarzwäldischer Schweigsamkeit! In gleich ängstlicher Weise werden die kleinlichsten Bestimmungen über Wirtshausbesuch, Übernachten und Fremdenherbergen getroffen, als ob man sich in einer kleinen italienischen Despotie befände; aus allem und jedem sieht die Furcht vor Verschwörungen und Aufläufen hindurch.

Mit solchen Massregeln ward man freilich der bäuerlichen Unbotmässigkeit nicht Herr. Zwischen diese Bestimmungen sind fortwährend Klagen gemischt, dass nicht einmal die gewöhnlichsten Rechte des Klosters respektiert werden, dass man auf seinen Matten die Zäune einreisse, in die Saat und den Wieswachs die Schweine treibe, dass dem willkürlichen Roden und dem Fällen von Sägblöcken in den Klosterwäldern kein Einhalt zu thun sei.

Der nächste energische Abt Joachim Münsinger ging ans Werk, die Ziele, die man sich schon früher gesetzt hatte, wirklich auszuführen. Über seine, in alle althergebrachten Zustände tief einschneidende Polizeiordnung von 1582 entspann sich ein fast 50jähriger, auf beiden Seiten mit grösster Heftigkeit geführter Rechtsstreit, in dem schliesslich nur ein Teil der ursprünglichen Herrschaftsforderungen durchgesetzt werden konnte. Aus der Fülle der Prozessschriften, die hin und her gewechselt wurden, mögen hier wenigstens einige der bezeichnenden Punkte ausgehoben werden.

Völlig in ihrem Rechte waren die Äbte, wenn sie nach und nach die Waldordnungen verschärften, - die endgiltige Ordnung ward 1602 gegeben -; mit Schwenden ebenso wie mit rücksichtslosem Eintreiben von Vieh, das man aus dem ebenen Land zur Sommerweide annahm, war übel gehaust worden, auch die kleine Jagd hatten überall die Bauern sich zugeeignet. Die Rügegerichte halfen nichts, denn es war Brauch geworden, dass nach vorhergehender Verabredung in einer besonderen, nicht von der Obrigkeit bestellten Versammlung der Lehenleute, nur ein einziger Wortführer aufgestellt wurde, der sämtliche Freve! vortrug und rügte. Von einer persönlichen Verpflichtung zum Rügen der Nachbarn wollten diese unabhängigen, auf geschlossenen Hofgütern sitzenden Bauern nichts wissen. Aber auch Schmähworte und Schläge, die im Wirtshaus vorgefallen, erklärten sie für unrügbar und meinten trotzig : der Abt als ein geistlicher Herr habe ja andere Mittel, z.B. das Predigen, wenn er die Sitten verbessern wolle.

Was nun die Wälder anlangt, so bestritten sie dem Kloster nicht das Recht für seine Hochwaldungen ohne Weiteres zu verordnen, was ihm gutdünke; in den Allmenden dagegen sei dies überflüssig, denn sie seien von selber darauf bedacht diese zu schonen; entschieden verwahrten sie sich gegen eine Ausdehnung der Forstordnung auf ihre eigenen Büsche. Den Seldgütern bestritt der Abt überhaupt das Eigentum an solchen; ihr Recht, meinte er, erstrecke sich nur soweit, als Pflug und Sichel gehe, auch die Freiheit von der Stocklosung für Bauholz, die sie zum Ersatz für ihre bedeutenden Wegefrohnden genossen, wollte er ihnen nicht mehr zugestehen. Die übrigen Bauern sollten - so war befohlen worden - mit dem Verkauf von Holz und Brettern aus ihrem Eigen an seine Zustimmung gebunden sein; die Anlage von „Reittböden", d. i. Neurodungen wurde erschwert, die Verleihung solcher um einen Zehnten statt um einen festen Zins verboten, denn Zehnten gebührten bloss dem Abt. Auch von der Zeitleidenschaft, der Jagdlust, war der geistliche Herr erfasst, und übel empfanden es die Bauern, dass sie nun auch wie andere ihresgleichen Jagdhunde halten sollten, deren jeder soviel Brod frass, dass man einen Knecht davon hätte erhalten können.

Diese Ansprüche hat das Kloster in der That alle fallen lassen müssen; die Bauern sollten sich - so ward entschieden - nur an die allgemeine breisgauische Waldordnung halten.

Weit tiefer griffen andere Verkehrsbeschränkungen, die der Abt auferlegen wollte. Die Erneuerung der Bestimmung, dass die Lehengüter nur mit seiner Zustimmung verkauft und versetzt werden dürften, ward dahin ausgedehnt, dass auch der Austausch von Äckern und Matten zwischen den Höfen nur mit seinem Willen geschehen dürfe. Eine rationelle Abrundung war auch nach der Schliessung der Höfe nötig geblieben als Heilmittel für die vorangegangene Zersplitterung. Hiergegen hatten die Bauern nichts einzuwenden. Wohl aber war der Verkehr mit fahrender Habe bisher fast völlig frei gewesen. (Die einzige auch jetzt wieder erneuerte Beschränkung, welche das Besthaupt dem Kloster sichern sollte, ausgenommen.) Jetzt ward das im Dingrodel verbriefte Recht freien Handels mit Eisen und Salz auf die Hofbesitzer beschränkt, d. h. es wurde das Hausiergewerbe, das im Schwarzwald immer von Bedeutung war, dem Willen des Abts unterworfen.

Doch solcher Handel war geringfügig im Vergleich mit dem Viehhandel, besass doch ganz Iben zur Zeit des Dingrodels nur einen gemeinsamen Thalkessel, der im Dinghof aufbewahrt ward und in Herbstzeiten bei den einzelnen Bauern zur Sauerkrautbereitnug, ,dem Gumpostsieden" herumging. Gerade den Viehhandel, von dem die Wirtschaft des Bauern ganz abhing, wollte aber der Abt monopolisieren. Er stellte eigene Metzger und Viehhändler auf, diesen musste alles verkäufliche Vieh angeboten und, falls man sich über den Preis nicht einigen konnte, nach der Schätzung zweier unparteiischer Leute überlassen werden. Gegen solche Bevormundung lehnte sich der Bauernverstand am entschiedensten auf. Der Abt hatte sich darauf berufen, dass alle Obrigkeit hohen und niederen Standes berechtigt sei eine Fleischordnung zu machen, damit die Unterthanen nach Notdurft mit Fleisch versehen würden. Solche gedankenlose Übertragung städtischer Verwaltungsgrundsätze auf ländliche Territorien war damals etwas ganz gewöhnliches. Die Bauern wiesen die Haltlosigkeit solcher Ansprüche nach; sie gingen weiter und erklärten: es sei gemeines Recht, dass sich der Käufer und nicht der Verkäufer einer Waare zuerst anmelde. Sie bewiesen, dass der Zwang, mit jedem Verkauf so lange zu warten, bis es dem Metzger gefällig sei das Vieh zu besichtigen, nur dazu diene die Preise zu drücken, dass dieser Beauftragte des Klosters wohl gar Vieh zum Schein gekauft habe, wenn es billig gewesen, dann ein Steigen des Preises abgewartet und nun erst das Vieh abgeholt und bezahlt habe.

Der Abt hatte hierauf nur zu erwidern: die Bauern hätten hinterher schon zu billigerem Preis an fremde Metzger verkauft, als ihnen vorher vom Klostermetzger geboten worden sei. Jene aber blieben die Antwort nicht schuldig; „Ist es nicht auch seltsam" - so schrieben sie zurück - „dass einer oft ein Gut Anfangs hoch verkaufen konnte aber hernach wolfeil hingeben muss? Dass aber ein solcher zu seinem Schaden auch noch solle gestraft werden, das ist unbillig," Ganz und gar lehnten sie auch die unparteiische Abschätzung ab: „ist uns nicht gelegen, nicht Herkommen, ja unerhört". Wo seien solche Unparteiische zu finden und wie lohne ein Viehverkauf ihre Kosten? - In der That, die Äbte mussten auch diesen Anspruch fallen lassen.

Es hätte kaum Wert diese Dinge anzuführen, die doch nur zeigen, dass die Schwarzwälder ihren gesunden Menschenverstand zu brauchen wussten, handelte es sich nicht um das letzte Viertel des 16. Jahrhunderts, die Zeit der Preistaxen, der Korn-, Wein-, Woll-, Viehschläge. Anderwärts fanden gerade die Unterthanen in dieser Fürsorge der Regierungen, die ihnen das Brod vorschnitt, Beruhigung; nur die Wirtschaft der grossen ungeteilten Höfe erzog das Volk zur Abneigung gegen solche Bevormundung.

Besser wussten die Äbte ihre übrigen Forderungen durchzusetzen. Da war zuerst der Heuzehnte. Im Dingrodel stand eine vieldeutige, abgebrochene Zeile ein blosses „von Hewzehnten" mitten unter den Bestimmungen, dass anstatt des Naturalzehnten von Korn und Vieh bestimmte Geldabgaben gezahlt werden sollten. Der Abt las: „von Heu Zehnten", die Bauern ergänzten eine vermutliche Lücke „von Heuzehnten so und soviel Pfennige". Jedenfalls war seit Menschengedenken nie ein Zehnter gezahlt worden, sondern nur eine geringfügige Geldabgabe. Der Abt berief sich darauf, dass die bäuerlichen Steuern im Vergleich zum Wohlstand allzu gering seien, und dass offenkundig der Wiesenbau den Fruchtbau immer mehr verdränge, die Bauern behaupteten dagegen: bei solcher doppelten Belastung der Viehzucht, durch Blutzehnten und Heuzehnten, könnten sie nicht bestehen. Sie erregten den heftigsten Zorn des Abtes dadurch, dass sie wiederum den vom Bauernkrieg her ererbten Grundsatz vertraten: die Zehnten, die nur das alte Testament gebiete, seien durch das neue abgethan. „Wer das ausschreie," erklärte der Abt, „unterstehe sich, Gott den Allmächtigen seines ewigen Priestertums, seines ewigen göttlichen Opfers und Lobes zu berauben." Über diesen Punkt haben sie am längsten prozessiert; aber sie verloren schliesslich.

Die gesamten Händel erhielten deshalb den Namen des Heuzehntenstreites; viel wichtiger aber als diese wirtschaftlich ganz berechtigte Mehrbesteuerung war es, dass der Abt durchdrang mit der Forderung, die Freizügigkeit zu beschränken und seine halbvergessenen Rechte über die Leibeigenen geltend zu machen. Auf der gleichmässig geübten Freizügigkeit, für die der Kastvogt selber bürgte, hatte allerwärts im Schwarzwald der geltende soziale Zustand beruht. Dem war nicht mehr so; ein Territorium nach dem andern war mit Beschränkungen vorgegangen; es war für die übrigen schwierig sich von dieser rücklaufigen Bewegung auszuschliessen.

So hatte denn auch Abt Joachim 1582 bestimmt: Wenn ein Unterthan nach Lösung seiner Verpflichtungen ausser Landes ziehen wolle, so solle er zuvor beweisen, dass die Herrschaft, unter die er ziehe, ihrerseits keinen Abzug von ihren Unterthanen fordere. Konnte er dies nicht, so musste auch er einen Abzug zahlen, nicht weniger als den 10. Pfennig, d. h, nach den damals üblichen Güterpreisen 100- 300 fl. Noch bestand die Zugfreiheit mit einigen Schwarzwaldherrschaften, mit Fürstenberg, Kastelberg, St.Blasien, aber gerade die nächsten Nachbarn, Triberg, Waldkirch, die Sickinger Herrschaft, die Stadt Freiburg für St.Märgen hatten sie aufgehoben. Anfangs hatte man zu St.Peter, als Waldkirch anfing Heiratsgut dem Abzug zu unterwerfen, ebensolches, das nach Waldkirch gehen sollte, zurückgehalten, Dabei hatte man die Zustimmung der Bauern gehabt. Nun aber beutete man selber die Repressivmassregeln als Geldquelle aus.

Der Standpunkt der Bauern war sehr einfach. Sie erklärten: „Abzug sei überhaupt ein neues inventum und den Rechten der Vernunft nicht gemäss; was man auch in Nachbarherrschaften darüber verfügen möge, es gehe sie gar nichts an und ändere ihr Recht nicht." Jedoch, obwohl sie 40 Jahre lang ihren Protest wiederholten, half er ihnen nichts. Die Ordnung des Ziehens war nun einmal nach neueren Begriffen ein unveräusserliches Hoheitsrecht.

Formell im Unrecht waren die Bauern bei ihrem Protest gegen die Massregeln, welche die Leibeigenen betrafen. Der Abt wollte nur die Rechte, welche der Dingrodel gewährte, zur Vollziehung bringen. Aber diese Rechte waren bisher nie in strenger Geltung gewesen, weder die allgemeine Fallbarkeit aller Freien, noch das doppelte Besthaupt der Leibeigenen, noch das Sonderrecht des Klosters, dass seine Leibeigenschaft auch von den Vätern nicht nur von den Müttern auf die Kinder erbe. Alles dies schärfte die Polizeiordnung von neuem ein. Die Berufung der Bauern auf den allgemeinen Landesbrauch half ihnen ebensowenig als die Klage: der Abt wolle sie nun sämtlich leibeigen machen. Ein Recht hatte die Neuordnung gelassen: der unfreie Mann durfte von St.Peter wegziehen, ohne sich der Leibeigenschaft zu entledigen, während jeder hereinziehende dies gethan haben musste. Das lag aber nur im Interesse des Klosters selber. Mit seinem Recht der schlechteren Hand konnte es bald ringsum in der Nachbarschaft immer mehr Bauernfamilien seiner Leibeigenschaft unterwerfen. Darüber ist denn auch bald neuer Streit entbrannt.

So hartnäckig dieser 46jährige Zwist auch war, ist er doch mit strengster Wahrung der Rechtsformen von beiden Seiten geführt worden. Es war eine haltlose Befürchtung, die einmal 1613 auftauchte, dass es zum Aufstand kommen werde. Ein phantastischer Bauernknecht, Martin Heitzmann aus Neukirch spann solche Pläne. In dieser Zeit allgemein verbreiteten Zauberwahnes hatte er sich durch tolle Aufschneidereien, durch Vorspiegelung von vergrabenen Schätzen u. dgl. bei einzelnen Bauern in Achtung zu setzen gewusst. Er schrieb sich selber Briefe, in denen er sich als Beauftragten der Bauerschaft darstellte, und ging mit diesen um Hilfe für einen Aufstand zu werben nach dem Hauensteinischen. Allein in Rickenbach nahmen ihn die Vorsteher der Einung selber gefangen. Er wanderte einige Jahre lang aus einem Turm in den andern. Dass er aus einem der festesten Gefängnisse auf wunderbare Weise entkam, bezeugte den Bauern, dass er wirklich das Geheimnis des unsichtbarmachenden Farnsamens besass. Wieder festgenommen ward er nach St.Peter ausgeliefert. Dort hätte man gern herausgebracht, was denn eigentlich an der Verschwörung sei. Allein es ergab sich nur, dass Heitzmann mit verschiedenen Bauern tüchtig auf die Obrigkeit geschimpft und ihr allerlei Böses angewünscht hatte. Das war nichts Aussergewöhnliches. Man fand es schliesslich gerathen, ihm nicht als Aufrührer, sondern als Zauberer den Prozess zu machen, nachdem man den üblichen Hexenunsinn in ihn hineingefoltert hatte.

Durch ganz Deutschland, ja beinahe durch ganz Europa, ging im 16. Jahrhundert das Bestreben, den Bauernstand zu strengerer, wirtschaftlicher und sozialer Unterwürfigkeit zu bringen. Was hier im Schwarzwald geschah, das sind nur die letzten Wellen dieses Sturmes. Im Vergleich zu ihren Forderungen hatten die Äbte doch nur wenig erreicht. Die Bauern würden sogar noch weiter gekommen sein, hätten sie nicht starrsinnig auf der Gesamtheit ihrer Beschwerden bestanden. Die gütliche Verhandlung, die ihnen ein friedliebender Abt einmal anbot, wiesen sie schlechthin von der Hand; schon dieses Entgegenkommen galt ihnen als Zeichen von der Schlechtigkeit der gegnerischen Sache. "Denn" - so schrieben sie zurück, "wer ein gerechte Sach hat, der begehrt kein Vertrag oder gütliche Handlung; sonderlich aber dass alle Oberkeit also beschaffen und genatürt, dass sie an habenden Rechten und Gerechtigkeiten inen nichts begeben, sondern bei denselbigen sich selbsten handhaben."

Das ist wahrhaft ein Sinnspruch des Bauerntrotzes und Misstrauens, wie sie die soziale Entwicklung dieser Zeit mit sich brachte!

VII
Der 30jährige Krieg machte sich mit seinen ärgsten Schrecken nicht allzubald in St Peter bemerklich Im letzten Stadium des grossen Heuzehntprozesses konnte der Abt darauf verweisen dass in diesen Zeiten sich der Bergbauer besser befinde als der auf dem flachen Land Es kam wohl vor dass auf einem verschuldeten Hof wenn der Viehbestand durch die Soldaten weggetrieben war die Kinder auf die Erbschaft verzichteten aber die Kreditoren Bauern derselben Vogtei lösten doch immerhin aus dem Boden und dem todten Inventar noch 1150 fl mit 850 fl sofortiger Anzahlung Bald aber mehrten sich die Bankerotte das Kloster zog einen Hof nach dem andern ein in den Zinsbüchern begegnen wir allerlei neuen Namen Seit 1626 konnte das Kloster seine Beamten nicht mehr besolden Dem Sekretär Magister Dornblüth gab man deshalb 1638 einen solchen heimgefallenen Hof an Zahlungsstatt indem man ihm dessen Werth noch für 1000 fl anrechnete Aber in den nächsten drei Jahren konnte er weder die Kontributionen noch die Zinsen zahlen die Bauern waren am allerwenigsten gesonnen den gelehrten Anwalt ihres Herren von den gemeinsam zu tragenden Lasten zu befreien Der arme Magister war froh 1642 von seinem Hof und seinen Verpflichtungen ohne einen Pfennig Geldes loszukommen. Nach dem Frieden liquidierte das Kloster seine Schulden. Ein Kapital von 1400 fl., das 1622 aufgenommen worden war, wurde jetzt auf 500 fl. reduziert, und dies war nur das gewöhnliche Verhältnis. Auch die Bauern fanden sich für den Vogthaber, der sich zu unerschwinglicher Masse summiert hatte, bei den Herren von Sickingen mit 70 fl. ab und erneuerten dann die alte Ordnung; sie verzinsten jetzt untereinander die Kaufgelder höchstens mit 4 % und gewöhnlich wurden Zinsen nur ausbedungen, wenn die Kaufsumme mehr als 4 Jahre rückständig blieb.

Die schlimmen Zeiten für den Schwarzwald waren mit dem westfälischen Frieden nicht beendet; gerade in den Franzosenkriegen war der Breisgau der Schauplatz der Kämpfe und der Heeresdurchzüge. Das Kloster St.Peter als strategisch wichtiger Punkt war diesen besonders ausgesetzt. Wiederholt brannte es ab, der Konvent ging ins Exil, blieb oft Jahre hindurch auswärts. Am Ende des Jahrhunderts konnte man lange Zeit wieder keine Zinsen bezahlen und musste die Forderungen von Neuem ermässigen lassen. Auch den Bauern war es fast unmöglich, die Kriegssteuern aufzubringen, die Vogtei Ror musste zur Deckung einen Teil der Allmend verkaufen (1710).

In diesen Drangsalen erprobte der Schwarzwälder seine Zähigkeit. Nach dem 30jährigen Krieg lagen trotz Allem weniger Höfe wüst als einst in den ruhigen Zeiten des 15. Jahrhunderts. Im Jahr 1662 war die Zahl in Eschbach im Vergleich zu 1618 nur um 3, in Iben um 2, in Ror gar nicht zurückgegangen; und die Lücken wurden bald gefüllt. Der allgemeine Preisrückgang hat sich im Schwarzwald gerade am wenigsten gezeigt, und dies duldet keine andere Erklärung, als dass man sich sofort wieder auf eine tüchtige Viehwirtschaft geworfen hat, die dem Flachland das bewegliche Kapital lieferte, von dem es durch den Krieg völlig entblösst worden war.
(Einige Preisverhältnisse gewähren auch in die Privatwirtschaft wieder einen genauen Einblick. Im Jahre 1669 werden in Rechtenbach 3 Juchert Klostermatten zu Eigen verkauft für 210 fl. 1692 ein Lehenhof in Ror - der ärmsten Vogtei - mit 30 Stück Vieh, als 11 Stieren, 5 Kühen, 4 Jährling, 8 Kälbern, 1 Ross und Füllen, allem Geschirr und der angeschnittenen Leinwand um 2120 fl. rauher Landeswährung an den jüngsten Sohn, also unter dem Preise; ein Leibgedinge ward vorher abgeschichtet. 1692 wird einer Bauernwittwe in Ror von ihren Stiefkindern der Hof verkauft. Hierbei der Versuch, nach Immobilien und Mobilien zu scheiden. Zu ersteren gehören Haus und Hof samt der Mühle, der Schlaifwagen mit Latten, Lotheisen und Achse, der Ackerpflug mit der Besserung (Dünger) zusammen im Wert 1620 fl., zu letzteren: 7 Kühe, 12 Stiere, 4 Jährling, 4 Kälber, 5 Gaisen, 3 Schweine, Futter, Stroh, das gesamte Wagengeschirr und ein Brachpflug zusammen 745 fl. Die Früchte im Felde sollen nach der Ernte geteilt werden, Hausrat und Vorräte hatte man schon zuvor geteilt.)

Es fehlte auch jetzt nicht an Streit zwischen Abt und Unterthanen. Wieder erhob die Vogtei Ror die alte Beschwerde über willkürliche Ausdehnung der Leibeigenschaft und ging direkt an den Kaiser nach Wien. Auf Grund des Dingrodels wurde sie abgewiesen, jedoch vom Abt in Gnaden der bedeutenden Prozesskosten entlassen. Aufs hartnäckigste weigerten sich dagegen die im Tribergischen angesessenen Leibeigenen des Klosters, das besondere Recht desselben anzuerkennen. Von Neukirch aus hatten sich durch die Vererbung in männlicher Linie die unfreien Klosterleute in immer wachsender Anzahl verbreitet. Nur drei Geschlechter, Faller, Kirner, Löffler nahm ursprünglich das Gotteshaus für sich in Anspruch, aber mit Hilfe dieser drei Namen könnte man noch heut den halben Schwarzwald leibeigen machen. Im 17. Jahrhundert waren es bereits 30 Hofbesitzer geworden, die man so beanspruchte. Schon im 16. Jahrhundert hatten die Proteste der Bauern begonnen und die wechselnden Inhaber der Herrschaft Triberg waren nicht eben geneigt ihre Exekutivgewalt dem Nachbar zu leihen. Im Jahre 1670 versuchte der Abt noch einmal seinen Rechtsanspruch durchzusetzen; bis 1739 währte der Prozess. in dem die Bauern keine Kosten scheuten, um die Entscheidung hinauszuschieben. Endlich 1739 entschloss sich das Kloster die Ablösungssumme von 4000 fl. anzunehmen, welche die gesamte Bauerschaft aufbrachte, um endlich diese unausgesetzte Gefahr für ihre Leibesfreiheit abzuwenden.

Schon seit dem Ende des 30jährigen Krieges war die Zeit solcher Ablösungen gekommen. Bereits 1663 hatten die Bauern sich so der Vogtsteuer, die in der Kriegszeit verpfändet worden war, entledigt. Es war dabei der Wert der Verpflichtung zu Rauchhühnern je 28 Hühner = 100 fl. angeschlagen worden. Die, welche nicht sofort die Ablösung in Geld vornehmen konnten, gaben 10 Jahre hindurch doppelte Steuer und waren dann auch frei.

Weiterhin kam es 1739, nachdem schon ein Prozess begonnen, zu einem Vergleich, in dem die Bauern der ungemessenen Baufrohnden entlassen wurden; dagegen verpflichtete sich die Gesamtheit der Unterthanen bei Bauten 5 Fuhren zu 6 Pferden wöchentlich zu geben. Den Rest der Frohnden räumte die josephinische Gesetzgebung hinweg. Der kaiserliche Befehl, dass auf allen Kameralgütern und ebenso auf allen städtischen, Kloster- und Stiftungsgütern des Breisgaues an Stelle der Frohnden eine jährliche Natural- oder Geldabgabe treten solle, wurde von den Bauern mit beiden Händen ergriffen. Nur die Baufrohnden blieben nach dem Rezess von 1789 bestehen; sämtliche Pflug-, Holz-, Mähder-, Häcker-, Jagd- und Vogtsfrohnden wurden billig abgeschätzt, und für die Hofbauern gleich Haferabgaben von 2 - 11 Sester, für die Tagelöhner mit eignem Rauch gleich 15 kr. gesetzt. Aber auch diese Abgabe sollte wiederum abgelöst werden; - damit ging man über den kaiserlichen Befehl noch hinaus -; nach dem mittleren Fruchtpreise, der im Jahre 1788 zu Freiburg zwischen Martini und Weihnachten gelte, durfte man sie kapitalisieren und abzahlen.

So war wiederum wie im 15. Jahrhundert das wirtschaftliche Schicksal der Bauerngüter durch die Gegenwirkung von Regierung und Grundherrschaft bestimmt worden. Denn das liegt in der Natur selbst einer wohlwollenden geistlichen Herrschaft, dass sie ihre Berechtigungen zwar milde handhabt aber jeder Änderung an denselben widerstrebt.

Die Ansprüche der Äbte waren zwar ganz die alten geblieben, in Wirklichkeit aber war seit langem das Verhältnis zwischen ihnen und den Unterthanen das beste. Nach einer Rechtsbelehrung, die man 1743 einem benachbarten Adligen zugehen liess, sollte man freilich meinen: die Zügel der Leibeigenschaft seien damals straffer angezogen gewesen als je zuvor. Danach wird Leibschilling und Fastnachtshuhn jährlich gefordert, bei jeder Erbschaft der Abzug, bei jeder Niederlassung, auch wenn der Ortswechsel im eigenen Gebiet stattfindet, ein Einkaufsgeld erlegt. Diese Aufzeichnung spricht aber mehr die Wünsche als die Thatsachen aus, denn erst 1739 hatte man den Bauern zugesichert, dass in alle Ewigkeit kein Leibschilling und kein Leibhuhn von den Unfreien gefordert werden solle. Die Freizügigkeit ward nicht nur von dem Tagelöhner, sondern auch von den Bauern trotz des Abzugs reichlich ausgenutzt. Im St.Peterschen Gebiet ist die erste Heimath der Uhrenfabrikation und des Uhrenhandels. Eine Glashütte in Neukirch soll trotz kurzer Dauer den ersten Anstoss zur Schwarzwaldindustrie gegeben haben. Hier beschäftigt uns diese Umwandlung der Erwerbsverhältnisse nicht. Sie betraf weniger die Hofbauem als die erblosen Brüder und Verwandten und bereitete dem von neuem einreissenden, die mildthätige Armenpflege des Klosters belastenden Armenwesen ein Ende. Wie sehr sich aber das Urteil über die Bauern selber bei ihren Herren geändert hatte, das tritt am deutlichsten darin hervor, dass eben der Abt von St.Peter, der geistvolle Philipp Steyrer, es war, der mit feinem Sinn die Anfänge dieser Schwarzwaldindustrie geschildert hat, um das Bild derselben auf die Nachwelt zu bringen und seinen Bauern bei dieser ein Denkmal zu setzen. So hat das 18. Jahrhundert, das Zeitalter der Humanität, der wechselseitigen, aufrichtigen, wenn auch bisweilen etwas weichmütigen Schätzung aller Stände und Menschen auch hier seinen Segen geäussert.

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Möge eins aus der Schilderung, die hier gegeben wurde, hervorgehen; es ist verkehrt, nur eben beim Bauernstand allem die Momente des Beharrens aufzusuchen, jede Veränderung an diesen äusseren Einflüssen zuzuschreiben und die eigenen Bewegungen desselben nur als Reaktion gegen solche fremde Einflüsse anzusehen; es ist unwissenschaftlich: durch Weistümer zu wandeln wie durch eine Wiese, um die Blumen der Rechtsaltertümer zum Strauss zu pflücken, es ist willkürlich: jede Einrichtung, die ein altertümliches Ansehen hat, wie die Strenge des Familienrechts, Gebundenheit des Erbgangs und des Verkehrs auch ins graue Altertum zurückzudatieren. Die allgemeinen Gesetze des Fortschreitens gelten auch für den Bauernstand. Jede Zeit stellt ihre Aufgaben an ihn, die gelöst sein wollen. Wird, gleichviel durch weiche Schuld, die Lösung versäumt, so rächt sich das durch Erstarrung, die mit Rückschreiten gleichbedeutend ist. Die Bauerschaften des Schwarzwaldes bieten das Bild eines beinahe stetigen Voranschreitens, einer seltenen Klarheit des Blickes gegenüber den wechselnden Aufgaben. Nicht überall im Schwabenlande ist es so gewesen.
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