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Des Hochwürdigsten Herrn,
Herrn Martin Gerberts
nunmehro
des HeiI. Röm. Reichs Fürsten und Abts des Reichs-Stifts St.Blasien auf dem Schwarzwald et. et.

Reisen durch Alemannien, Welschland und Frankreich,

welche in den Jahren 1759. 1760. 1761. und 1762. angestellet worden, von dem hohen Herrn Verfasser selbsten mit vielen Zusätzen,  besondern Anmerkungen und schönen Kupfern zur Erläuterung derer Alterthümern vermehrt und verbessert, und aus dem Lateinischen in das Deutsche übersetzt, 
auch mit zwey Registern der Orte und merkwürdigsten Sachen versehen von J.L.K.

Ulm, Frankfurt und Leipzig, 1767.
Auf Kosten Johann Conrad Wohler, Buchhändler

Auszug


Kloster St. Peter.

Es ist durch ein besonders Glück und einen merkwürdigen Zufall geschehen, daß zu dem berühmten und herrlichen Kloster des S. Petrus auf dem Marcianischen oder Schwarzwald endlich der Stammort derer Herzoge von Zåringen zurück gekehret. In diesem Kloster hatten sie ihren Begräbnißplatz, von seinem ersten Stifter, dem zweyten Berthold an, welchen er sich und seinen Nachfolgern vor dem Altar des H. Kreuzes bestimmet , und welchen die meisten mit Frauen und Kindern bis auf Berthold V. daselbst erlanget haben. Berthold hat diesen Ort mit vieler Sorgfalt aussuchen lassen, als welcher sich zum Klosterleben und zu der klösterlichen Einsamkeit ungemein wohl schicket, indeme er mit Feldern, Vieheweyden, Wäldern und Wässern reichlich versehen ist, und mitten aus einem Strich Berge lieget, allwo allmählig fast in der Runde herum die Hügel aus der Ebene emporsteigen.

Berthold berief in das neue Kloster die Hirsauischen Brüder vorn H. Benedicts-Orden aus dem Flecken Weilheim, woselbst von dem Vater des Stifters ehemals ein Kloster gebauet worden. Sie kamen dahin den ersten Heumonat des Jahres 1093. die Kirche wurde eingeweihet von Gebharden, Bischofen zu Constanz, aus eben diesem Zåringischen Geschlechte den 30. Heumonat an dem Festtag des H. Petrus in den Ketten. Unter einer grossen Zusammenkunft von Fürsten, Aebten, und der ehrwürdigen Geistlichkeit. Dabey waren der Herzog Berthold, Wilhelm von Burgund, und Gottfried aus den Grafen von Calw, sieben Aebte stunden in der Verrichtung bey, nämlich der von dem Ort selbst, der von Hirsau, Schafhausen, Petershausen, Etenheim , von St.Blasien und St.Georg mit ihren Weihpriestern, Pröbsten und Dechanten der Constanzischen, Baselischen und Strasbuschischen Kirche, und eine unzählige Menge von Personen beyderley Geschlechtes.
 
Dieses Kloster wurde oft durchs Feuer verzehret, den letzten Brand hat es von einem Haufen Soldaten erlitten, die man dahin geschicket, den Feind daraus zu vertreiben, und die zu diesem Ende Feuer eingeleget haben. Solches ist nun nebst der herrlichen Kirche und den Thürmen erst gänzlich hergestellet worden. Vornehmlich ist der sehr zierliche Büchersaal reichlich versehen und versichert, so weit nämlich die menschliche Vorsicht reichet, die fressende Feuerflammen abzuhalten, welche hauptsächlich denen unvergleichlichen Schätzen des gelehrten Vorraths gefährlich sind. Diese anzuschaffen und zu vermehren sorget der Hochwürdige Abt Philipp Jacob nach allen Kräften, damit er diesen seinen Parnaß denen Musen bequem und eigen mache. Man kann sichs leicht vorstellen, daß auch grosse Bemühungen nicht hinreichend sind, einen so großen Verlust der alten Urkunden und Handschriften wieder herzustellen und gut zu machen. Doch findet sich hier ein sonderbarer pergamentener Band von der grösten Form, auf welchem erstlich das Leben des Raymund Lullus nebst gemahlten Bildern stehet, mit einer beygefügten Erklärung jeglicher Figuren, und wie es die nicht undeutliche Anzeigen geben, von der eigenen Hand des Verfassers geschrieben. Es fängt sich also an: Die Absicht, warum ich nachfolgende Mahlerey hieher setzen lassen, ist gedoppelt. Einmal, damit man den Ursprung wüste, von wem und wie diese Kunst entstanden, und andere Künste und Bücher des Raymundes. In den zwey letztern Gemåhlden wird ein Chorherr vorgestellet , der etwas in das Kürzere bringet , diesem reichet Raymund verschiedene Bücher dar, und spricht dabey also: Den Text sollst du zwar nicht verstümpeln, hingegen kannst du aus allen dasjenige erwählen, was am nützlichsten und am verständlichsten ist ec.

In dem andern Bild stellet Raymund den Abkürzer der Königinn, nämlich von Frankreich und Navarra, mit dreyen Büchern vor. Das erste wird angezeiget als ein vorangesetzter kurzer Begrif, das mittlere eine Auswahl, das unterste, die erste AuswahI, gesammIet und geordnet nach der Absicht des Raymunds aus hundert fünf und fünfzig Büchern des Raymunds. Hernach: Es fängt sich an der kurze Begrif aus den Künsten des Raymunds ausgelesen, und nach dem Befehl der Königinn von Frankreich und Navarra erhöhet. Der Theil, welcher den Verstand des Menschen zur Kunst zubereitet. Den ganzen kurze Begrif in seiner Ausdehnung betrachtet. Der folgende Theil oder Prüfung, oder Bestätigung der erfundenen Wahrheit. Und das auf der ersten Tafel. Hierauf folget: der vorhergehende Zubereitungs-Theil. Hernach, von dem ersten Theil, von dem zweyten Theil bis auf den achten Theil dieser Kunst. Wir bemerken dieses mit Fleiß denjenigen zu lieb, welche vielleicht einmal sichs könnten einfallen lassen, die Ausgabe der Werke des Raymund Lullus, welche mit so grossen Kösten (zu Maynz) neulich angefangen worden, vollends zu Stande zu bringen; oder denenjenigen, welche die Zusätze der Bollandischen Lebensbeschreibungen ans Licht stellen.
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Mit diesen und andern Zierrathen und Schmuck seine Braut, das ist, seine Bücherkammer, die vorhin schon so gezieret ist, zu beschenken und noch mehr auszuschmücken, unterlässet der grosse Freund der Gelehrsamkeit, der Abt, keinesweges. Diese alle anzuführen, gestattet der enge Raum dieser Blätter nicht, noch auch, mit was vor einer Liebe und Höflichkeit er uns mit sich von Freyburg in sein Kloster geführet, uns daselbst aufgenommen, und unsere Bemühungen unterstützet , und uns endlich schmerzlich entlassen, da wir ein Verlangen trugen, wiederum zu unserer vaterländischen Luft auf dem Schwarzwald zurücke zu kehren.

Oberriedt

Wir sind also von hieraus zu dem Kloster Oberriedt von unserer St.Blasischen Versammlung hinunter gestiegen. Conrad Sturn hat die Jahrbücher dieses Klosters zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts beschrieben. Aus denselben lernen wir, daß es anfänglich von den Klosterfrauen aus dem Günthersthal bewohnet gewesen, wie dann auch noch jezo ein berühmtes Kloster adelicher Jungfrauen in Günthersthal sich befindet. Hieher begaben sich dieselben, woselbst das Kloster anfangs in einer gräulichen Wüste zwischen gähen Felsen und Bergen gestanden. Weilen aber die zarten Jungfrauen die strenge Kälte und das Ungemach der Witterung nebst andern verschiedenen traurigen Zufållen nicht ertragen konnten, so wurde diesem Kloster nachgehends der Name des H. Wilhelms (welcher in dem 4ten Band seiner gelehrten Ergözlichkeiten S.301 aus dem Namen Polyander weiß kein Mensch was für einen Mann machet: indem hier auf den Apostel Petrus und Johannes angespielet wird,  daß, gleichwie Petrus, zu dem Grabe Christi, welches unter dem Namen Polyander angezeiget wird, zwar am letzten gekommen, aber doch am ersten hineingegangen, also Petrus Schoiffer zwar später zu dem Geheimniß der Kunst gekommen, doch am ersten hineingedrungen.) beygeleget, von dem Ordensstifter, dessen Ordens-Jünger den von den Klosterfrauen verlassenen Ort im Jahr 1249 in Besitz genommen, nachdeme dieser Orden im Jahr 1157 von dem H. Wilhelm, dem grossen Toskanischen Einsiedler und Einwohner, einem Mann von wundersamer Heiligkeit, und durch den sel. Albertus seinen Schüler in denen Gegenden Deutschlands vielmehr, als von dem Herzog von Aquitanien gleiches Namens gestiftet und fortgepflanzet worden. Denn einige Ordensleute von belobtem Orden aus der Versammlung Mariäpforten, welche auf die Fortpflanzung ihres Ordens bedacht waren, bekamen Nachricht von dem Ort, welchen die Klosterfrauen verlassen, und giengen dahin. Sie besuchten diesen Ort mit vieler Gemüths-Bewegung, wie solches P. Conrad Sturn erzählet, sie nahmen dasjenige, was sie sahen, als ihr Eigenthum mit Freuden an, und kehrten zurücke. Sie erhielten sofort mit leichter Mühe auf eben die Bedingniße, unter welchen ehemals von dem Thengischen Geschlechte, diese von den Edlen von SchnewIin, welchen das Land nach einem Lehenrecht von den Aebten zu St.GalIen verliehen war, eben diese Güter in Oberriedt und Verlibach, als eben des vorbesagten Klosters. Der Ordens-Obere hielte darauf einen Rath mit seinen Brüdern, und schickte einen Obern mit drey Brüdern dahin, welche diesem neuen Pflanzort, wie es bey dem Orden gewöhnlich war, ihre Klöster nach dem Namen der seligsten Jungfrau Maria zu nennen, den Namen Mariäkron beygeleget. Da sie nun ebenfalls diesen rauhen Ort nicht ausstehen konnten, so begaben sie sich in die Vorstadt von Freyburg im Brisgau irn Jahr 1262. Jedoch nicht lange darnach erwachte das Verlangen wieder in den alten Wald zurücke zu kehren vornehmlich in dem Bruder Johannes von Urberg, welcher, nach der im Jahr 1266 erhaltenen Erlaubnis der Obern, einen einigen Gesellen, Namens Burchard, einen Layenbruder, mit sich genommen, und wieder in die Wüste, die nun den Namen des H. Wilhelms führte, zurücke gegangen, da indessen die übrigen in der Vorstadt geblieben. Er wollte wieder einen neuen Pflanzort aufrichten, und bath sich zu seiner Unterstützung von den Ordens-Meistern einige Brüder aus. Dieses Kloster wurde hierauf in einen etwas freyern Ort, nach Oberriedt versetzet, woselbsten es noch dermalen stehet. Im Jahr 1725 ist solches nebst andern zweyen Klöstern in Sion und bey Mengen wegen ihrer Armuth unserm Orden und Versammlung zu St.Blasien zugeschlagen worden.

Feldberg.
Es liegt dasselbe an der Wurzel des höchsten Berges in dem Schwarzwald, welcher der Feldberg genennet wird. Wiewolen andere ihn lieber Vehberg oder Viehberg heissen wollen von der Viehweyde, welche man aus demselben häuffig und fett antrift, und die zur Mastung der Thiere ungemein tauglich ist. Es bringet nämlich das bergigte Erdreich, vornehmlich, wo sich solches um den Gipfel in viele und weite Ebenen ausbreitet, gewisse Kräuter unter dem Gras und allerhand heilsame Wurzeln hervor, welche sowohl zur Heilung, als zur Mastung des Viehes sehr nüzlich sind. Ja sie sind auch für die Menschen heilsam, so daß ehemals die Kräuterverständige von weiten Orten hergekommen, und diesen Berg ausgesuchet.
 
Gleichwie aber der Zugang auf den höchsten Gipfel sehr beschwerlich ist, also ist hingegen die Aussicht zumal bey heiterm Himmel ungemein angenehm. Man kann hier allenthalben herumsehen nicht allein über den ganzen weiten Hercynischen und Marcianischen Wald, und den Berg Abnoba, sondern auch bis an die Gipfel des Jurassus und Vogelbergs, die Schweizerische Alpen und die darzwischen liegende ebene Landschaften und weite Felder, in welchen sich holde Wiesen, ergiebige Weingårten, fruchtbringende Aecker, krümmende Flüsse, Wälder, Städte, Dörfer und was nicht mehr ? dem Auge darstellen auf einem Berg, welcher an sich ungebauet und unbewohnbar ist. Es ist auch hier die gemeine Sage, welche Schöpflin von dem Berg Bel anführet, nämlich im höchsten Sornmer zeigten sich auf dessen Gipfel die Abend-und Morgendämmerungen der auf einander folgenden Tage soschnell hintereinander, daß zur Nacht nur eine kleine Zeit übrig bleibe. Diese betrügliche Meinung haben wir nebst mehr andern aus eigener Erfahrung inne geworden , doch daß uns weiter keine Lust ankommt, solches noch ferner zu versuchen.

Nämlich im höchsten Sommer, wenn die Hitze am grösten ist, wird solche durch das Wehen der kühlen Winde daselbst gemåßiget. So bald aber die Nacht einbricht, welches hier um eine halbe Stunde später geschiehet, so blasen die Winde dergestalten stark , daß es scheinet, der Aeolus wolle alle seine Kräften versuchen. Wir waren durch den Vulcan wider die Kälte. nicht mehr geschützet, denn an welchem Theil des angezündeten Feuers wir uns zu wärmen gedachten, fielen entweder aus der einen Seite die Funken über uns her, oder auf der andern nahm der Wind die Kraft der Wärme weg, und trieb sie auf die Gegenseite. Wir hatten also kein anders Mittel zu unserm Schutz übrig, als eine schleunige Flucht über den rauhen, gåhen und steinigten Rücken des Berges, wo uns die Wurzeln von uralten Bäumen im Wege lagen.

Hier sind die Quellen des Alb-Flusses, welchen wir bis an unser Kloster St.Blasien gefolget sind. Weswegen ehemals die ersten Einwohner die Brüder an der Alb genennet worden, und der Ort die weisse Zelle, mitten in den Wäldern. Dem Fluß selbst hänget der Name von den Alpen an, wie wir oben von Herrenalb und Frauenalb gesagt in dem ähnlichen Albegäu oder Alpegäu, welche mit vielen andern gleiches Namens von den Alpen den Namen erhalten.