Die Burg Wiesneck unter dem
Hochadel der Frühzeit
Die Geschichte der Burg Wiesneck beginnt mit einem Verhängnis,
nämlich mit der Nachricht ihrer Zerstörung; geschehen im Jahr
1079. Soweit es Urkunden bis heute offen werden lassen, ist
das die früheste Nennung der Burg — aber eben in dem
tragischen Zusammenhang, daß sie dem eroberungsdurstigen
Markgrafen Bertold von Zähringen ein Hindernis war, von ihm
berannt und zerstört wurde, als er, über den Schwarzwald
herüber in den Breisgau herein-brach. Bertold stammte aus dem
Schwäbischen, doch hatte seine Familie auch im schweizerischen
Thurgau Besitz, und daraus war er in Händeln mit königstreuen
und dem Kloster St. Gallen ergebenen Landesherren vertrieben
worden. Auch Händel im Schwäbischen machten ihm den Boden
heiß. War es nun ein Racheakt, daß Bertold, dort vertrieben,
sich dafür an den Gütern des Klosters St. Gallen im Breisgau
schadlos halten wollte? Tatsächlich waren weite Gebiete im
vorderen Breisgau und im Dreisamtal — so Kirchzarten, das eine
St. Gallus geweihte Kirche besitzt - im Eigentum des St.
Galler Klosters. Es ist nicht auszuschließen, daß selbst die
Burg Wiesneck ursprünglich im Landbesitz des Klosters St.
Gallen war, und daß sie zu Lehen den Grafen von Haigerloch als
Burgherren übertragen ward.(2) Auch dieses Grafengeschlecht
stammte, wie das zähringische, aus dem Schwäbischen. Von ihm
zweigten sich alsbald die Grafen von Hohenberg ab. Wichtig als
Ausgangslage ist festzuhalten, daß Wiesneck mit dem Kloster
St. Gallen auf eine nicht näher beschriebene Weise verknüpft
war (wohl durch Vogteirechte über hiesige Klostergüter). Für
Bertold jedenfalls war die Burg eine gegnerische Bastion, und
er berannte sie.
Der Freiburger Historiker Prof. Karl Schmid zitiert in seiner
Darstellung des Bertoldschen Feldzugs (3) eine St. Galler
Annale, die an Bertold nicht viel Gutes läßt. Sie
charakterisiert ihn „als einen Gegner, der aus Haß gegen König
Heinrich (Heinrich IV., von dem noch zu reden sein wird) den
ganzen Breisgau durch Raub und Brand verwüstete und aus den
dort gelegenen Besitzungen des Gallusklosters so sehr Nutzen
gezogen habe, daß die Brüder viele Jahre weder vom Wein, noch
vom Getreide, noch von anderen Abgaben irgend etwas zum
Unterhalt erhielten. Bertold soll nach diesem Bericht
schrecklich gehaust haben.“
Eine parallele Überlieferung dieser Vorgänge, wenn auch viel
später aufgezeichnet, jedoch verlässig aus St. Galler
Unterlagen übernommen (durch den Gallus Öhems aus Radolfzell)
bringt ergänzend hinzu, was gerade uns interessiert. Diese
Stelle aus des Gallus Öhems Chronik sei, auch wenn sie das
Wesentliche der Tatsachen wiederholt, schon ihrer schönen
Sprache wegen, hereingenommen: „Markgraf Berchtoldus von
Zeringen, ain offner vind küng Hainrichs ...gewan die edlen
schloss Zimbre und Wisneg und zwang alle die von dem Brisgöw
und den Schwartzwald sitzende under sin herschafft,und die
gütter und zins Sant Gallen, an denen örtren am maisten tail
ligende,nam er in und brucht sy zü sinem nutz, also das er in
vil jaren weder von korn, win und anderen früchten den brüdern
zu Sant Gallen nit aines hallers wertvolgen ließ.”
Hier haben wir es schwarz auf weiß. Mit Schloß Zimbre ist
Herrenzimmern am oberen Neckar in der Nachbarschaft des St.
Gallischen Thalhausen gemeint. Daneben aber wird Wiesneck
eindeutig benannt. Schmid versichert, es bestehe keine
Veranlassung, die Glaubwürdigkeit dieser Überlieferung in
Frage zu stellen, und er faßt zusammen: Für die Erschliessung
des Schwarzwaldes spielte die Burg Wiesneck eine nicht
unwichtige Rolle; Bertold hat seine Mannschaft vom oberen
Neckargebiet her über den Schwarzwald hinweg offenbar dort in
den Breisgau hineingeführt, wo an exponierter Stelle im
Zartener Becken die Burg Wiesneck stand. Sie mußte Bertold
nehmen, wollte er erfolgreich durch das Dreisamtal in die
Rheinebene vorstoßen.
Die Burg Wiesneck hat also schon vor dem Eindringen der
Zähringer in den Breisgau existiert. Wann aber wurde sie
erbaut? Die Gründung dürfte in die Mitte oder zu Beginn der
zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts zu setzen sein. Zwar
spricht eine versprengte Buchenbacher Notiz davon, sie habe
schon um das Jahr 1000 bestanden, das ist aber wenig
wahrscheinlich, bis jetzt auch von keiner Seite bestätigt.
Träfe es zu, würde es einer Vorrangstellung gleichkommen.
Denn, wie Joseph Schlippe, ein Experte für die Burgen im
Breisgau ausführt, (4) begann, um das Jahr 1000 einsetzend,
erst nach und nach ein Netz von Burgen sich über das Land
auszubreiten. Vorher saßen die Fürsten in Talresidenzen.
Schlippe gibt als Beispiel: „Während Karl der Dicke noch in
Neudingen (Baar), also auf einem Königssitz im Tal residierte,
entstand um 1000 die Burg Fürstenberg, der neue Sitz der
Herren von Neudingen, als Burg auf dem Berggipfel. Und als
Antwort darauf zogen die Herren von Geisingen aus ihrem
Stammsitz im Dorf Geisingen a. d. Donau alsbald hinauf auf den
Wartenberg und bauten sich hier ihren burglichen Sitz. Seit
etwa um 1000 n. Chr. zieht also die politische Führerschicht,
der Hochadel, von den Höfen in der Ebene hinauf in die festen
Häuser auf Bergeshöhen, wie es die veränderte ritterliche
Kampfesweise und Verteidigungskunst erforderte. Daneben
bewahrt die Wasserburg den Typ des ehemaligen Herrenhofes der
Ebene, freilich jetzt in wehrhafter Form. In der ersten Epoche
der Burgengründungen, im 11. Jahrhundert, war nur der Hochadel
als die eigentliche Reichsaristokratie von den Königen mit dem
Burgenbau als Regal (nutzbarem Hoheitsrecht) bedacht.“Das
Erstaunliche an dieser Darstellung ist doch, daß Schlippe
betont, nur der Hocharistokratie sei das Recht der
Burgengründung erteilt worden. Demnach befand sich die Burg
Wiesneck, auch wenn sie erst in der zweiten Hälfte
des„Burgenjahrhunderts“ errichtet wurde, durchaus in vornehmer
Gesellschaft. Für die Wiesnecker Burgherrn bestanden sogar
verwandschaftliche Beziehungen zum Königshaus, und so waren
sie auch gesinnungsmäßig mit dem Königshaus verbunden.
Um die Situation der Zeit, man kann auch sagen, den Zwiespalt
der Zeit besser zu verstehen, verlassen wir für eine kurze
Spanne unseren engen Dreisamtäler Bezirk und versuchen zu
überblicken, wie es denn „draußen“ aussah, im Großen, im
Reich, das ja immer noch war und hieß „Das Heilige Römische
Reich Deutscher Nation“.
Versetzen wir uns in die Zeit zwischen 1050 und 1100. 1050
wird Heinrich IV.geboren, der vorletzte der fränkischen
Kaiser. Innerhalb der deutschen Lande mit 4 Jahren zum
deutschen König erhoben, wird er mit 12 Jahren entführt, dann
von seinen Anhängern wieder befreit. Wo ein Kind (vertreten
durch seine Mutter) regiert oder regieren möchte, haben die
Reichsfürsten leichtes Spiel. Sie sind in Wahrheit die
Mächtigen, die unternehmen, was ihnen beliebt und dient. Ihr
Wortführer ist zu der Zeit Welf, der Herzog von Baiern.
Heinrich, der junge König, die ihm verliehene Macht sich
anerobernd, stützt sich auf die ihm ergebenen Ministerialen,
besonders solche aus Franken und Schwaben. So entsteht der
Gegensatz der Losungen „Hie Welf“ (die Fürsten) - „Hie
Waiblinger!”(die Königstreuen). Zu den internen Bedrängnissen
im Reich kommt für Heinrich IV. noch hinzu seine hart auf hart
gehende Auseinandersetzung mit Papst Gregor VII. um die
Investitur-, die Einsetzungsrechte, wobei die Fürsten auf
Papstseite stehen. Heinrich unterliegt in diesem Streit, wird
mit dem Bannbelegt und beugt sich schließlich der päpstlichen
Macht und Hoheit in dem denkwürdigen Kniefall zu Canossa
(1077). Es ist eine Zeit dramatischer Kämpfe der Dynastien um
Macht und Vorherrschaft - und in diese Kämpfe sind die
Anfangsschicksale der Burg Wiesneck eng verflochten. Ihre
Herren waren eben, genau wie die Äbte des Klosters St. Gallen,
auf der „Waiblinger“-Seite; die Zähringer hingegen gestandene
„Welfen“.
Die Einnahme der Burg Wiesneck im Jahre 1079 durch Bertold Il.
scheint ausser allem Zweifel zu stehen. (5)
Demnach war ihr Widerstand gebrochen; aber war sie damit auch
bereits unbewohnbar verwüstet und entvölkert ? Anders gesagt:
Hatte Bertold mit der Bezwingung der Burg die Grafen von
Haigerloch zugleich auch aus ihrer Herrschaft vertrieben?
Keineswegs. Diese Herrschaft umfasste einen reichen
Besitzstand. War die hochgelegene Burg Wiesneck ihr
Mittelpunkt, so gehörten im Dreisamtal dazu die Siedlungen
Bickenreute, Geroldstal, Zarten, Burg, Ebnet und Attental;
weiter in der Rheinebene Güter zu Merdingen, Endingen, Tiengen
und Herdern bei Freiburg.(6) Wie das Leben auf der Burg und um
sie herum weiterging, bleibt dunkel, wir wissen es nicht. Und
doch gibt es da einen Leuchtpunkt. Plötzlich erscheint in
einer Schaffhausener Urkunde aus dem Jahre 1096 (es handelt
sich um einen Gütertausch) ein Adelbertus comes de Wisenseggi
und Brono frater eius, also ein Graf Adalbert, der sich
unverstellt Graf von Wiesneck benennt. Das wäre sinnlos, wenn
ihm dort der Boden unter den Füßen entzogen gewesen wäre. Und
es gibt noch ein weiteres markantes Zeugnis, daß das
Geschlecht derer von Haigerloch in der Gegend lebendig
anwesend war und zu bleiben gedachte: Die Gründung des
Klosters St. Märgen im Jahre 1118 durch den Bruder des Grafen
Adalbert, den zuvor schon genannten frater eius, Bruno. Bruno
von Haigerloch war Domprobst am Münster in Straßburg, aber in
dieser Zeit auch als Staatsmann engagiert, nämlich von 1112
bis 1122 Kanzler Heinrich V., hatte also eine beachtliche
Stellung am Hof. Man hat, sagt Prof. Schmid (S. 127), davon
auszugehen, daß der Straßburger Domprobst und Reichskanzler
die geistliche Stiftung um des Heiles seiner Seele willen
vornahm und zwar auf Grund und Boden, der aus dem Besitz
seiner Familie stammte. Im Hintergrund mögen auch dynastische
Gründe (Verstärkung der Herrschaft) hereingewirkt haben.
Jedenfalls wurde mit der Gründung zugleich den Herren auf der
Burg Wiesneck die Schutzvogtei über das Kloster übertragen.
Das wirkte sich, solange die Grafen von Haigerloch und
anschließend die von Hohenberg auf der Burg zu sagen hatten,
für das Kloster gewiß zum Guten aus. Später jedoch, etwa ab
1300, als der Niederadel die Burg übernahm, die Geschlechter
von Blumeneck und Snewelin ans Ruder kamen, hatte dieses mit
der Burg verknüpfte Vogteirecht für das Kloster böse Folgen;
es wuchs sich zu einer Art Oberherrschaft aus oder wurde von
den Wiesnecker Machthabern so ausgelegt. Da wurden die
Beschirmer zu Bedrohern. Davon wird im folgenden Kapitel zu
berichten sein.
Bleiben wir in der Frühzeit. Weit geschäftiger als die
Wiesnecker Grafen waren die Zähringer Herzöge gewesen. Bertold
Il. verlegte bereits 1091 sein bis dahin in Weilheim/Teck
beheimatetes Hauskloster nach St. Peter, und er stattete es
offenbar auch gut aus, besorgte ihm ansehnliche Güter. Nie
hören wir bis in den Dreißigjährigen Krieg hinein bei ihm von
Leiden. Dieses Kloster, St. Peter und Paul geweiht, bestand
also schon 17 Jahre vor dem in St. Märgen. Am Rand des
Schwarzwaldes, zur Rheinebene hin, nicht gar weit von St.
Peter entfernt, hatten die Zähringer indessen sich auch einen
Stammsitz geschaffen, die Burg Zähringen, ebenso in Freiburg
auf dem Schloßberg eine Burg, die heute völlig eingeebnete
„Burghalde“, und nicht zu vergessen, eines der Zähringer
Hauptwerke: Sie gründeten 1121 die Stadt Freiburg.
Nun liegen die beiden Klöster St. Peter und St. Märgen (dieses
Maria geweiht, auch Marienzelle genannt) nur eine gute Stunde
Fußweg von einander entfernt, und es war vielleicht doch auch
ein Herausforderung des Domherrn Bruno, sich den St. Peterner
Benediktinern mit seinen Augustiner Chorherrn so dicht an die
Seite zu setzen. Geistliche Orte wollen friedlichen Zwecken
dienen, doch waren mit den Klöstern in den schwach
besiedelten, entlegenen Höhen des Schwarzwalds auch
Rodungsaufgaben in die Wälder hinein verknüpft. So konnte es
nicht ausbleiben, daß in Kürze die Klöster miteinander
stritten um Grenzrechte. Es mischten sich die Oberherren ein,
die Zähringer und die Wiesnecker, und in diesen
Auseinandersetzungen taucht nun abermals die Burg Wiesneck auf
als zerstört. In der Akte des Konstanzer Bischofs Ulrich von
1121, der den Grenzkonflikt zwischen den streitenden Parteien
beilegte, heißt es, die Grenze zwischen den Gebieten der
Klöster verlaufe „per crepidinem montis a diruto castro
Wisenecge”, über den Rücken des Berges von der zerstörten Burg
Wiesneck aus usw..
Man fragt sich: Ist das nun tatsächlich in so kurzem Abstand
von 42 Jahren eine zweite Vernichtung? Die Urkunde sagt nichts
vom Hergang der Zerstörung, nennt kein Wann; es wird nur
konstatiert, sie sei zerstört. Die Historiker sind vorsichtig,
um nicht zu sagen ratlos, wann die Zerstörung nun wirklich
geschah. Es gibt nämlich bereits aus dem Jahr 1111 eine St.
Peterner Urkunde (Rotulus Sanpetrinus), in der vom castrum
dirutum Wisenegga, vom zerstörten Kastell Wiesneck die Rede
ist, und zu allem Überfluß auch noch eine Grenzstreitakte vom
Jahre 1136, in der zum dritten Mal der Burg Wiesneck der
Zustand der Zerstörung bestätigt wird. Lassen wir es, es muß
offen bleiben. Tatsache bleibt indessen, daß die Zähringer,
wann auch immer, der Burg den Dämpfer versetzt haben. Die
Zähringer hatten offenbar etwas gewaltsam Unwiderstehliches an
sich. Sie wirkten konsequent und erfolgreich um die Mehrung
ihrer Macht — auch im Guten. Sie gründeten und förderten. So
nennen sich die Städte Villingen, Neuenburg a. Rh., Offenburg,
Rheinfelden, aber auch Freiburg in der Schweiz und Bern, und
eben, wie schon erwähnt, Freiburg i. Br. Zähringerstädte ! Auf
der anderen Seite ist aber festzuhalten, daß sich die Herren
der Burg Wiesneck bei allem Mißliebig-Widrigen in ihrem Besitz
durchaus behauptet haben - ja, sie überlebten die Zähringer,
denn deren Geschlecht starb schon 1218 aus.
Da das Kloster St. Märgen mit Wiesneck eng verknüpft ist, sei
dorthin noch einmal der Blick gelenkt. War die Gründung des
Domprobstes Bruno 1118 an sich schon mit dem Risiko der
Rivalität verbunden, so hatte Bruno zudem in der Besetzung des
Klosters mit Geistlichkeit keine glückliche Hand. Bertold
Il.war für sein Kloster St. Peter gewiß gut beraten, zum
Großteil landvertraute Mönche, die auch einfachen
Verhältnissen standhalten konnten, darin zu behausen. Bruno
hingegen ließ für seine Marienzelle - aus welch einer höheren
Sicht heraus ? — Kanoniker aus Toul in Frankreich kommen. Es
zeigte sich alsbald, daß die fremden Chorherren mit den rauhen
Bedingungen des Schwarzwaldes überhaupt nicht zurechtkamen.
Krankheiten stellten sich ein, Sprachschwierigkeiten im Umgang
mit den Einheimischen erschwerten das Leben - das Kloster
geriet schnell in eine Existenzkrise, so daß (nach Schmid
S.126) „der Konstanzer Bischof eingreifen und die aus dem
Westen gekommenen Kleriker nach Hause schicken mußte, um den
Bestand der Gemeinschaft zu retten“. Es waren also zunächst in
der Eigenstruktur veranlagte Mängel, die dem Kloster zu
schaffen machten. In der abgelegenen Höhe bestand das
Klosterleben nicht nur in einem kontemplativen Einhalten der
Regeln, sondern war an einen harten Tageslauf gebunden, an
Arbeit, auch mit Hacke und Spaten. Schließlich festigte sich
das Kloster durch den regenierten Mönchsbestand, und so lange
die Grafen der Burg Wiesneck es beschirmten, hatten die Mönche
eine gute Zeit.
Um die Mitte des 12. Jahrhunderts übertrugen die Grafen von
Haigerloch den gesamten Wiesnecker Besitz an die Grafen von
Hohenberg, und deren Herrschaftszeit auf der Burg währte bis
zum Jahre 1293. Aus dieser fast anderthalb Jahrhunderte
dauernden Regentschaft der Hohenberger über unser Tal wissen
wir so gut wie nichts. Nur von dem allerletzten Grafen von
Hohenberg auf Wiesneck, dem Grafen Albrecht Il., wissen wir
plötzlich noch einmal erstaunlich viel. Seine Gestalt wird
plastisch sichtbar. Mit Dank folge ich hier Max Weber.(7) Wir
sehen einen Fürsten von Format, durch den für eine kurze
Spanne Zeit Atem der Welt in die Wiesnecker Gefilde kam. Graf
Albrecht Il. war der Schwager des Königs Rudolf von Habsburg
und durch dieses enge Band mit der Reichspolitik verflochten.
Die zeitgenössischen Geschichtsschreiber berichten seitenweise
über ihn und seine vielseitige Tätigkeit, ganz besonders
Ottokar von Steiermark in seiner berühmten Reichschronik.
„Es war aber“ (und nun Max Weber wörtlich) „seine eigene viel
gepriesene Persönlichkeit, die ihn dazu befähigte, 'die Stütze
des Reichs und ganz Schwabens zu sein' (Kumier). Durch seine
Tapferkeit und seinen Mut bewährte er sich in sieben Feldzügen
seines Schwagers Rudolf. Nicht minder begabt für Politik
zeigte er sich als fast ständiger Begleiter des Königs, dem er
beim Zurückgewinnen verlorenen Reichsguts so wichtige Dienste
leistete, daß dieser ihn zum Landfriedensrichter in Schwaben
und Elsaß bestellte. Und so ist es auch nicht erstaunlich, daß
König Rudolf diesen 'berühmten, überragenden Mann!' (vir
famosus et mirificus. Johannes von Viktring) am Ende seines
Lebens den Kurfürsten zu seinem Nachfolger vorschlug. Sie
wählten ihn nicht, wohl weil er ihnen zu "stark, mächtig und
tapfer! war (Ottokar). Er aber setzte sich mit gleichem Eifer
für Rudolfs Sohn, Herzog Albrecht, ein; im Kampf für dessen
Krone opferte er in heldenhaftem Einzelkampf sein Leben. So
beliebt war der Hohenberger, daß nach dieser Schlacht bei
Oberndorf 1298 die Bauern seinen Tod rächten.
Gewiß haben die Bauern im Dreisamtal mit der gleichen
Begeisterung zu ihrem 'Landesvater' aufgeblickt, wenn er auf
der Burg zu Wiesneck einritt. Dort mag er sich von einer
anderen Seite gezeigt haben, nämlich als vollendeter Ritter
seiner Zeit. Als hervorragender Reiter in Turnieren wird er
bezeichnet, den geistigen Anforderungen, die an die Besten
dieses Standes gestellt wurden, entsprach er durch seine Milde
und Wohltätigkeit und seine hohe Verehrung gegen die Frauen.
Mit den berühmten Helden im „Rosengarten“ (dem Heldenepos aus
dem Sagenkreis um Dietrich von Bern) vergleicht ihn Mathias
von Neuenburg, wenn er bei der Geschichte Rudolfs von Habsburg
ein eigenes Kapitel einfügt "Von dem tapferen und milden
Grafen Albrecht von Haigerloch und Hohenberg, dem ersten der
zwölf Recken'. Und wer nur ein wenig Phantasie hat, der kann
sich Graf Albrecht vorstellen, wie er auf Wiesneck im trauten
Kreis der edelsten Kunst der Ritter diente, dem Minnesang.
Zwei Minnelieder, die er gedichtet hat, sind uns in der
berühmten Manesseschen Liederhandschrift erhalten. (Sie sind
im Anschluß an dieses Kapitel wiedergegeben.) Die Heidelberger
Liederhandschrift enthält auch eine Miniatur: Graf Albrecht
Il. von Hohenberg im Gefecht von Leinstetten-Oberndorf am
17.April 1298, in dem er den Tod fand. Mit dieser glanzvollen
Persönlichkeit endet die Herrschaft der Hohenberger im
Kirchzartener Tal. Der ursprüngliche Plan, einen großen
Flächenstaat hier im Südwesten zu errichten, war den
Hohenbergern ebensowenig geglückt wie den Zähringern ... Die
vielen Feldzüge Albrechts und seine ständigen Reisen in
königlichem Dienst verschlangen große Summen, nicht weniger
die Hofhaltung des heiteren geselligen Ritters, am meisten
wohl die standesgemäße Ausstattung von sechs Töchtern, die
alle in die ersten Familien einheirateten. So war Graf
Albrecht genötigt, die Herrschaft Wiesneck und die mit ihr
verbundene Vogtei über St. Märgen im Jahre 1293 zu
veräussern... 1020 Mark Silber bezahlte der Freiburger
Patrizier Burkard Turner“
So weit die Ausführungen von Max Weber über das Ende der
goldenen Zeit in Wiesneck.
Die Herrschaft der Snewelin und Blumeneck auf Wiesneck
Mit dem Verkauf der Burg mit allem umliegenden Besitz und
allen Rechten an den Freiburger Burkard Turner 1293 begann
eine neue Zeit. Die Ära des Niederadels setzte ein. In ihm
waren tüchtige Unternehmer herangewachsen, wahre Praktiker.
Sie waren zunächst als Ministerialen den hohen Herrn
dienstbar, bekamen aber ihr Lehen zu eigen und unterliefen
alsbald durch ihre finanzielle Überlegenheit die, denen sie
vormals dienten und die sie nun ablösten.Sie wurden Patrizier
geheißen. Auch Burkard Turner war ein Patrizier. Er hatte den
Hauptanteil an den um diese Zeit hochergiebigen Silberminen im
Suggental, etwas nordwärts von Freiburg im Vorland des
Glottertals gelegen. Burkard Turner besaß (nach Ott) „ein
riesiges Vermögen“ und kaufte vermutlich Wiesneck seiner
Wälder wegen, denn er brauchte für die Silbererzverhüttung
viel, viel Holz.(9) Doch währte die Herrschaft der Turner auf
Wiesneck nur kurze 25Jahre.
Schon 1318 finden wir neue Herren, und abermals ein Freiburger
Patriziergeschlecht: die Snewelins. Ob diese Familie bei den
Turnern eingeheiratet oder die Burg käuflich erworben hat,
blieb bisher ungeklärt. Die Snewelins erwiesen sich in der
Folgezeit als Eigner, die mit allen Mitteln, bis hin zurGewalt
und dabei den päpstlichen Bann nicht scheuend, ihre Rechte und
das, was sie dafür hielten, ausnützten. Dies vor allem dem
Kloster St. Märgen gegenüber. Es ging dabei um die
Vogteirechte, genauer um die Natural- und Geldsteuern, die das
Kloster als Schutzzoll an seine Beschützer in Wiesneck zu
zahlen hatte. Durch eine radikale Auslegung der „Gerechtsame“
seitens der Herren von Wiesneck über das Kloster, geriet
dieses in eine völlige Abhängigkeit von ihnen und in
demütigende Zustände. Welch ein Wandel seit der Frühzeit des
Klosters sich da vollzogen hat, wird deutlich, wenn man die
freie Entscheidung bedenkt, die Papst Honorius Il. in seinem
Schutzprivileg von 1125 (also gleich nach der Gründung), einer
Art Verfassungsurkunde, dem Kloster zugestanden und verbrieft
hat.
Darin heißt es (in edlem Latein, hier übertragen): „Bei der
Wahl eueres Vogtes aber soll der Abt mit der Beratung seiner
Konventualen die freie Verfügung haben, jemanden zu wählen,
den er für die Verteidigung der klösterlichen Freiheit als gut
und nützlich erkannt hat. Sollte sich dieser freilich eher als
Ränkeschmied denn als Vogt erweisen, die klösterlichen Güter
verschleudern denn verteidigen, dann soll der Abt mit dem Rat
der Brüder die Möglichkeit haben einen besseren Vogt zu
setzen”. (10) Aber diese „freie Verfügung, jemand zu wählen“,
falls „ein Ränkeschmied“ dem Kloster schade, wurde nie
praktizierte Wirklichkeit. Denn die Vogtei des Klosters
scheint doch von vorneherein in einer festen, bindenden Art
mit der Herrschaft Wiesneck gekoppelt gewesen zu sein - aus
naheliegendem Grund, es stand ja auf Boden im Familienbesitz
der Wiesnecker Grafen. Diese Verbindung wurde nie gelöst.
Und doch bestand im Vogteibereich für das Kloster eine wohl zu
unterscheidende Gliederung. Es gab nämlich im Kloster neben
dem bevogteten, also abgabepflichtigen Besitz Güter, die
Vogtfreiheit genossen, die sogenannten Seel- oder Sal-Güter,
die in der vollen Verfügungs- und Vogtgewalt des Klosters
selbst standen, auf die also der Wiesnecker Vogt keinen
Zehntanspruch hatte. Ott (S. 149) zählt mit Namen 16 solcher
Höfe und Güter im Dreisamtal, an der Wagensteige und in der
Spirzen auf, einen umfänglichen Bereich. In einem 1267 von dem
Klostervogt Albert von Hohenberg für das Kloster ausgestellten
Freiheitsbrief (also wenige Jahre vor dem Verkauf von Wiesneck
an Burkard Turner), wird dem Kloster die freie Vogtwahl
bestätigt und erstmals auch die Vogtfreiheit der St.
märgischen Salleute („selle lute”) und Salgüter ausdrücklich
betont: „... wir versprechen mit dieser Urkunde, daß das
Kloster St. Märgen im Schwarzwald, Abt und Konvent des
Klosters sowie die Hintersaßen samt Gütern in Ruhe leben
können wie bisher unter unseren Vorgängern. Nichtsdestoweniger
soll man wissen, daß die Klosterleute, die auf deutsch „selle
lute“ genannt werden, weder uns noch irgendjemand sonst zu
einer Dienstleistung, die aus dem Besitz oder aus der Person
rührt, verpflichtet sind ...” (11)
Der Leser wird sich fragen, warum denn so zäh bei diesen
Vogteirechten, wo sie gelten und nicht gelten, verweilt werden
muß. Aber sie waren der Zankapfel in den endlosen
Auseinandersetzungen zwischen Kloster und Herrn der Burg.
Vielleicht ist die Verkaufsurkunde von 1293, als Albrecht Il.
von Hohenberg Wiesneck an Burkard Turner abtrat, nicht ganz
unschuldig an der Kette von Unheil, denn gerade dort vermißt
man, was in dem Freiheitsbrief von1279 noch ausgesprochen ist,
eine klare Benennung der zweigeteilten Vogteirechte über St.
Märgen. Die Urkunde besagt: „... kunden wir grave Albreht von
Hohenberg, das wir die burg und die herschaft zu Wisenegge, du
da lit in Tart-untal in Brisgowe und die vogeteie uber das
kloster ze Sante Mariencelle indem Swarzwalde ... mit luten
und gute unde mit namen uber lute ze Frolenbach, ze Zarton, ze
Merdingen und swa es anderswa lit in Brisgowe unde mit
gerihten und allen rehten und gewonheiten, so zu serselben
burg und der herrschaft und der vogeteie horent in Brisgowe
... haben verkofet friliche und willecliche ... vur lidig
eigen ...” (12)
Die Klippe der Auslegung mag in dem Passus liegen, der summa
summarum lautet: „mit gerihten und allen rehten und
gewonheiten”.
Für den Historiker Hermann Nehlsen, der in einer speziellen
Arbeit die Entwicklung der Familie Snewelin erforscht hat,
bedeutet die Vogtei so etwas wie ein Absolutum. Er hält fest,
„daß die Vogtei ein Herrschaftsrecht ist, und der Vogt nicht
nur „defensor“ des Klosters, sondern auch dessen Herr ist. So
geloben Abt und Konvent dieses Klosters dem Vogt ausdrücklich
Gehorsam“. Und so verschiebt sich für Nehlsen auch der Akzent:
Die Schuld an den Querelen liegt bei den Äbten; sie sind die
Widerspenstigen und verweigern. Er zieht den Konflikt zusammen
in die Sätze: „In erster Linie ging es in diesem Streit um die
Rechte des Vogts auf den Salgüten des Klosters. Zwar
bestritten die Äbte von St. Märgen den Snewlin von Wiesneck
nie das Recht, auf allen Gütern des Klosters, also auch auf
den Salgütern, ‘umb morde und dieb’ zu richten, im übrigen
versuchten sie aber, Güter, die nach ihrer Ansicht Salgüter
waren, der Gewalt des Vogtes völlig zu entziehen. Von diesen
sollten dem Vogt keine 'dienste, sture (Steuer), bette,
gastung, herbergen' zustehen. Die Niedergerichtsbarkeit sollte
nur der vom Abt eingesetzte Meier ausüben.” (13) Es sind
lauter Dinge, die dem Kloster früher brieflich zugesagt waren.
Lassen wir eine Charakterisierung des Geschlechts der Snewelin
folgen, einmal aus der Sicht des St. Märgen vertretenden Josef
Bader, dann aus der Sicht von Hermann Nehlsen. Bader gerät
außer Atem vor Erregung:(14) „Denn das schnewelinsche
Rittergeschlecht vereinigte in seinen Mitgliedern reiche
Industrieritter (Sperrungen von Bader), sozusagen die
Rothschilde des damaligen Breisgaues, mit den schlimmsten
Junkern und Raufbolden unter dem breisgauischen Adel. Ihr
Schirmamt über de Marienzelle führte zum Untergange derselben.
Die unerhört mißhandelten Mönche mußten ihr ruiniertes
Gotteshaus verlassen... Man lese diese tragische
Klostergeschichte von1311 bis 1464, und es wird unglaublich
scheinen, wie eine einzige Oertlichkeit innerhalb eines
Zeitraumes von kaum anderhalb Hundert Jahren der Schauplatz so
zahlloser, so empörender und schmachvoller Gewaltthaten sein
konnte.”
Bei Nehlsen erfahren wir über Herkommen, Fähigkeiten und
Betätigungen besagten Geschlechts konkrete Einzelheiten - und
am Ende ergibt sich, daß Bader mit seinen grotesken Ausdrücken
„Industrieritter“ und „Rothschilde des Breisgaues” gar nicht
so weit von der Wirklichkeit ablag:'' (15) „Erstmalig
urkundlich belegt ist der Name Snewlin im Jahre 1215, und 1220
taucht Konrad Snewlin I. als Schultheiß von Freiburg in den
Akten auf. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte ist der Name
etwa 13O mal mit dem Schultheißenamt (der Stadt Freiburg)
verbunden! Vermutlich sind die Snewlins bereits im 12. Jh. als
Nach-fahren elsäßischer Ministerialen nach Freiburg
gekommen... jedenfalls kamen sie nicht als arme Leute, da den
Ministerialen das im Dienst erworbene Gut verblieb und ihnen
und ihren Söhnen eine Beteiligung an Handelsgeschäften möglich
war.
In der Mitte des 13. Jh. kann die Familie schon als sehr
begütert gelten... und im ersten Drittel des 14. Jh. gehörten
den Snewlins bereits die Burgen Zähringen (der letzte
Zähringer war 1218 verstorben), Landeck (bei
Emmendingen),Wiesneck -.neben vielen Besitzungen. Gegen Ende
des 14. Jh. hatten sie durch Kauf, Tausch und Heiraten das
gesamte Falkensteinsche Erbe an sich gebracht, und sie
besaßen ungefähr den sechsten Teil des gesamtenBreisgaues...
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Snewlins stark am
Breisgauischen Bergbau interessiert waren, und daß ihre
Investitionen ihnen erhebliche Gewinne einbrachten...
Die bedeutendste Säule ihres Reichtums gründete sich indessen
auf ihre umfangreichen Geldgeschäfte. Die Snewlins verliehen
Geld nicht nur an die Grafen von Freiburg, an die Bischöfe von
Straßburg und an den gesamten geldbedürftigen Adel. Man
verpfändete ihnen selbst Ämter und Steuern, was erhebliche,
aber keineswegs zu jener Zeit unübliche Einnahmen einbrachte.
Wie ihr Verleihgeschäft florierte, geht daraus hervor, daß ein
Snewlin in einem einzigen Falle einen Jahreszins von 40
Silbermark einnahm, während er im gleichen Jahr die Burg bei
Emmendingen (Landeck) für 55 Silbermark erstehen konnte. Im
Jahr 1328 hatten die Grafen von Freiburg nicht weniger als
einDrittel der Stadtsteuern an die Snewlins abzuliefern...“
Daß die Snewelins 130 mal Schultheißen von Freiburg werden
konnten, zeigt an, daß sie im Stadtgefüge mächtig waren und
hohes Ansehen genossen. Es ist ein Zeugnis ihrer Tüchtigkeit
und spricht vom Vertrauen der Bürgerschaft in sie. Aber waren
alle Snewelins gleich? Wie stand es um die Snewelins, die
Wiesneck beherrschten?
Da Nehlsen in seinem Snewelin-Buch (S. 86) auf eine weitere
Darstellung des Streites mit den Mönchen verzichtet, da sie
den Rahmen seiner Arbeit überschreiten würde, bleibt für den
Verlauf der Dinge nur übrig, uns an Josef Bader zu halten. Er
hat also nun weitgehend das Wort.
Vom ersten Snewelin auf Wiesneck, dem Ritter Johann, der 1318
die Herrschaft antrat, soll beispielhaft ausführlicher
berichtet werden. Der neue Schirmherr von St. Märgen machte
sich dort offenbar von vorneherein unbeliebt; er hielt sich
wenig an den Wortlaut der Urkunden. Sein Vogteirecht wollte er
auch dorthin ausdehnen, wo es ihm - wie wir zuvor schon hörten
—nicht zustand: auf die SaIgüter des Klosters, eben auf die im
Eigenbetrieb derMönche stehenden Ländereien, die von der
Vogtsteuer befreit waren. Es mussten sich Zerwürfnisse
einstellen. Ein Schiedsgericht sollte sie beilegen. Und nun
Bader:
„Dabei schlug Ritter Johann seine beiden Vettern, den
freiburgischen Schuldheißen Schnewelin-Bärenlapp und den
Schnewelin-Gresser, zu Richtern vor. Die Marienzeller ließen
sich diesen Vorschlag gefallen, da ihnen die Ritterehre der
Beiden als beste Bürgschaft eines gerechten und billigen
Spruches galt. Dieses Vertrauen wurde jedoch bitter getäuscht,
denn die Schiedmänner liessen sich von Familieninteressen
leiten und fällten ein dem Kloster ungünstiges Urtheil. Abt
und Convent protestierten feierlich dagegen und wendeten sich
an den heiligen Stuhl... Der Papst erklärte sofort in einer
Bulle vom 27.5.1320 die schnewelinsche Entscheidung für
ungültig, und die Klosterherren suchten ein neues
Schiedsgericht... zu erlangen. Ritter Johann aber, ein
leidenschaftlicher...Mann, wies nicht allein jede
Verständigung zurück, sondern behandelte die Marienzelle mit
so rücksichtslos gewaltthätiger Bosheit, daß es den Anschein
gewann, als wolle er sich zum Herrn des Klostergutes machen
und solches seinem Familienbesitztum einverleiben, wie es
früher und später viele Klostervögte mit ihren
Schutzbefohlenen gethan.
Der Schnewelin verwendete von der fahrenden Habe des Klosters
zu seinemGebrauch, was ihm beliebte. Die sanctmärgischen
Salgüter, welche er wider-rechtlich besteuerte, wurden deshalb
verlassen und lagen öde; die (an Bauern) verliehenen Höfe und
Grundstücke (des Klosters) aber behandelte er als
seinEigentum, bezog die Zinse und Abgaben davon (statt von
bestimmten nur ein Drittel) und legte... so schwere Steuern
und Dienste oder Fronen auf, daß die armen Leute es kaum zu
ertragen vermochten. Den Abt und die Conventherren behandelte
der Vogt nicht allein aufs Frechste und Gröblichste, sondern
verkürzte sie auch in ihrem Einkommen dergestalt, daß es ihnen
nicht mehr möglich war, der Regelpflicht und dem Gottesdienst
noch ferner nachzukommen. In dieser 'pharaonischen
Knechtschaft' mußten sich die Armen endlich zu einem
verzweifelten Schritt entschließen, das Kloster zu verlassen,
um nur ihr Leben davon zu tragen. Nachdem dieselben den
Kirchenschmuck, die Bücher und anderes bei benachbarten
Gotteshäusern in Sicherheit gebracht, wanderten sie aus, zogen
im Elende umher und erbettelten sich da und dort Nahrung und
Unterkunft. Das Klostergebäude blieb leer und verlassen; Alles
stund offen, die Kirche, der Speise- und Schlafsaal, die Küche
und der Keller... und am Hochaltar wucherte Unkraut empor, und
Spinnen, Kröten und Nattern nisteten darin.”
Der schlimme Zustand dauerte zwei Jahre. Da war es der Abt von
St. Peter, den das erbarmte. Er wandte sich „in lebhaften
Farben“ an den Papst in Avignon und „beschwor denselben, seine
mächtige Hand zu reichen wider die snewelinschen Frevel“. Der
Papst setzte zur Untersuchung zwei Prälaten ein, doch die
Vorladung an Ritter Johann war vergebens; er erschien nicht.
ImGegenteil, „mit verstocktem Herzen (animo indurato)” ging er
nur noch rücksichtsloser gegen die Klosterbrüder vor. Da traf
ihn der Kirchenbann (mit päpstlicher Bulle vom 5.12.1323).
Aber auch der Bann machte wenig Eindruck auf den Wiesnecker
Ritter.
„Erst nachdem der Papst befohlen, den Bann an allen Sonn- und
Feiertagen unter Glockengeläute und bei brennenden Kerzen in
sämtlichen Kirchen des Breisgaues öffentlich zu verkünden,
erst jetzt konnten der verfolgte Abt und Convent, welche
inzwischen wieder nach Sanctmärgenzurück gekehrt, die
geforderte Genugthuung erlangen. Der Schnewelin verschwand
damals vom Schauplatz und es schwebt ein verdächtiges Dunkel
über dem Ausgange desselben. Starb er eines natürlichen Todes
oder als Opfer der Kirchenstrafe? Man findet keine Nachricht
darüber; nur das ist bekannt, daß jener freiburgische
Schuldheiß Schnewelin, welcher mit seinem Vetter Johann (dem
Gresser) den parteiischen Schiedspruch von 1320 gethan, der
Marienzelle das Kirchenpatronat zu Haslach vergabte,
wahrscheinlich als Ersatz für allen dem Kloster verursachten
Verlust und Schaden.“
Für eine kurze Zeit setzte sich also, zumindest im Sinne der
geplagten Klosterleute, die Gerechtigkeit durch. Blieb es nun
bei dem Frieden? Es blieb nicht dabei. Der minderjährige Sohn
des ersten „Johann Sneweli des von Wisenegg“, ebenfalls ein
Johann, stand zunächst unter Vormundschaft, griff aber,
volljährig geworden, zu noch radikaleren Methoden als sein
Vater. Da sich das Kloster seinen Forderungen widersetzte,
überfiel er es 1346 kurzerhand, nahm Abt und Konvent gefangen
und setzte die geistlichen Brüder monatelang auf der Burg
Wiesneck fest, um sie für die Unterschrift zur Übertragung
gewisser Eigentumsrechte gefügig zu machen. Bader schildert
die Szene wiederum aus der Sicht der Mönche:
„Nach etlichen Monaten sahe sich Ritter Johann genöthigt, die
standhaft verharrten Marienzeller wieder frei zu geben; nur
zwang er ihnen zuvor das eidliche Gelöbnis ab, nirgendwo über
das Geschehene eine Klage zu erheben. Der Abt und seine
Schicksalsgenossen erlangten aber vom Papste die völlige
Entbindung von diesem gewaltsam erpreßten Eide und betraten
sofort den Rechtsweg gegen den Vogt und seine Helfer.
Dieselben wurden als schuldig erkannt und mit dem Kirchenbanne
bedroht, bis sie reuig gemacht, den Klägern genug gethan und
sich um Schuldvergebung an den heiligen Stuhl gewendet. Da
endlich bedachte sich Herr Johann eines Bessern. Er ließ sich
zu einem Schiedsgerichte herbei, welches im Sommer 1348
zusammen trat und einen Friedensvergleich auf ein Jahrsechst
erzweckte, wornach der Abt bewirkte, daß der Vogtherr und
seine Helfer des Bannspruches erledigt wurden, er dagegen
eidlich gelobte, dem Kloster einen bestimmten Theil der
entrissenen Güter wieder anheim zu stellen. Kaum aber war die
Frist dieses Vergleiches abgelaufen, so begann Ritter Johann
in seiner Verbissenheit die Verfolgung gegen Sanctmärgen aufs
Neue und trieb es noch ärger, als zuvor... Abt Konrad mochte
ihm der ärgste Dorn im Auge sein; denn bis zu einem Anschlage
gegen dessen Leben ließ der Verblendete (Johann) sich
hinreißen. Eines Tages im Jahre 1355, als der unbesorgte
Prälat mit wenigen Begleitern von Freiburg nach seinem Kloster
zurückkehrte, wurde Abt Konrad bei Ebnet von den
schnewelinschen Gesellen hinterlistig überfallen und
meuchelmörderisch erschlagen.“
Der Rat der Stadt Freiburg suchte zu vermitteln, aber Snewelin
gab nicht nach.Schließlich mußte der verarmte Konvent von St.
Märgen seinen Sitz nach Freiburg verlegen, wo er sich mit der
Augustiner-Probstei Allerheiligen vereinigte, um dem Zugriff
Snewelins zu entrinnen. Bader - aus den Klosterakten schöpfend
und damit einseitig klostergebunden - entflammt an dieser
Stelle zudem Ausruf: „Der Leser wird kaum begreifen, wie das
alles möglich gewesen, und gleichwohl führt uns die Geschichte
der Wiesnecker Burgherren noch ganz andere Bilder
faustrechtlicher Verwilderung vor Augen. Meine Hand ermüdet
aber, dieselben bis ins Einzelne nieder zu schreiben; ich
vermag es nur, sie in größeren Zügen darzustellen. Denn den
Specialhistoriker beschleicht endlich ein Gefühl des
Widerwillens, des Eckels beim Durchgehen der Acten und
Urkunden über das unritterliche, kleinliche,
leidenschaftlicheTreiben in der niedern Adelswelt des 14. und
folgenden Jahrhunderts, wo die trostlosen Zustände des
deutschen Reichs den Ausschweifungen des Faustrechtes
überallhin Thore und Thüren geöffnet.”
Im Jahre 1378 veräußerten die Snewelins die Herrschaft
Wiesneck, und mit ihr den Anspruch auf die Vogtei über St.
Märgen. Das Geschlecht derer von Blumeneck, gleichfalls zum
Freiburger Adel gehörend, übernahm den Wiesnecker Besitz.
Leider ist von den neuen Herren nicht viel Besseres zu
berichten. Die Zerwürfnisse wiederholten sich, und die
Methode, sie auszuräumen, glich in etwa der Snewelinschen:
Auch die Blumenecker ließen im Jahre 1401den damaligen St.
Märgener Abt Johann in der Hohlgasse zu Merdingen (Breisgau)
von Bewaffneten überfallen und erschlagen. Auf Antrag des
Freiburger Rates kamen auch die Blumenecker in Acht und Bann.
Bader bemerkt hierzu:„... scheinen sich aber wenig daraus
gemacht zu haben, da sie sich derselben erst nach neun Jahren
wieder entledigten, um nun fortan mit der Marienzellein
thunlichem Frieden zu leben.”
Dies aber nur bis zum Jahre 1450, denn in diesem Jahr kauften
die Snewelins die Burg zurück - und damit begannen „Händel,
Intriguen und Vertolgungen“ aufs Neue. Die St. Märgener
Klosterherren wählten zuletzt den verzweifelten Ausweg, daß
sie den umstrittenen Klosterbesitz mit kleinenAusnahmen 1462
an die Stadt Freiburg veräußerten. Erst im Jahre 1725 kehrten
die Nachfolger der exilierten Chorherren nach St. Märgen
zurück.
In die Herrschaftszeit der Snewelins auf Wiesneck fällt auch
die Tatsache, daß der Besitz der benachbarten Ritter von
Falkenstein von den Snewelins nach und nach kassiert wurde.
Die Falkensteiner waren nämlich im Gegensatz zu den Snewelins
(nach Bader) „- ein wirtschaftloses Geschlecht, welches in den
Tag hinein lebte, Schulden auf Schulden häufte und dadurch den
größten Theil seiner schönen Besitzungen verlor. Die
Schnewelinschen Schwäger und Vettern hatten es fein angelegt;
sie liehen den Falkensteinern auf Unterpfande von Gütern und
Gerechtsamen eine Summe nach der anderen dar, wol in sicherer
Voraussicht, daß an eine Rücklösung derselben niemals zudenken
sei. Sie täuschten sich auch keineswegs, denn was an Land und
Leuten, Rechten und Gerechtigkeiten von Ebnet bis hinauf zum
Feldberge im 14ten Jahrhundert noch falkensteinisch gewesen,
war im folgenden Alles schnewelinisch.”
Sie hatten wirklich eine gewinnträchtige Ader, die Snewelins.
Zum Abschluß dieses Kapitels sei nun aber doch noch ein
positives Wort Baders zitiert: „Zur Steuer der geschichtlichen
Wahrheit muß aber daneben anerkannt werden, daß unter den
wieseneckischen Rittern und Junkern doch auch manche
edlereGestalt aufgetreten und sich unläugbare Verdienste
erworben... Es war eben eine characteristische Eigenschaft des
mittelalterlichen Ritteradels, daß seinBildnis eine tiefe
Schattenseite neben glänzenden Lichtseiten zeigte. Man findet
da eine fromme Ritterlichkeit, dann aber öfters an derselben
Gestalt wieder ein gewaltthätiges Wesen, ein Getriebe der
Standeseitelkeit, der Aufregung und Rachesucht, welche als
wahres Rätsel erscheinen. Der Schlüssel zu dessen Lösung liegt
aber einfach in den adeligen Prärogativen (Privilegien,
Vorrechten), im Soldatengeiste, Fehde- und Faustrechte, und in
der leicht erregbaren und veränderlichen Gemüthsart, der
damaligen Menschen überhaupt.”
Und noch einmal die Snewelins/
Die Burg im Bauernkrieg
Wiesneck war ab 1378 für eine Spanne von gut 70 Jahren die
Snewelin los, aber dann kamen sie doch wieder — diesmal in
einem anderen Zweig desGeschlechts. In verschiedenen
Seitenlinien breitete sich die Familie wie ein Netz über das
ganze Land. Deshalb sei noch einmal ein Gesamtblick erlaubt.
Daß Bader in der Schilderung der Snewelinschen Geldgeschäfte,
wie zuletzt in den Falkensteinern, keineswegs übertrieb, kann
man auch bei Hermann Nehlsen in seiner Snewelin-Chronik
nachlesen. Was sich da abspielte, d.h.was die Snewelin durch
ihre Geldleihe erreichten, grenzt ans Unwahrscheinliche, aber
Nehlsen spricht es sachlich-nüchtern aus, und da er solide
Forschung treibt, sind es verlässige Tatsachen. (16)
„Gerade diejenigen Snewlin, die die großen Höfe und Burgen
erwarben, sind auch als Geldverleiher größeren Stils bezeugt.
... Zu Beginn des 14. Jahrhunderts sind es die Snewli
Bernlapp, Johann Snewlin der Gresser, Snewli von Wiesneck und
Konrad Dietrich Snewlin, die wir als Gläubiger der Grafen von
Freiburg, des Herzogs von Teck, des Grafen Bertold von Sulz,
der Edlen von Üsenberg, der Herren vonFalkenstein, der Herren
von Keppenbach und verschiedener anderer Edelherren und
Klöster kennenlernen. Oft sind die Beträge, die die Snewlin in
einer einzigen Gülte anlegen, höher als der Kaufpreis ganzer
Herrschaften. So gab der Gresser allein den Herren von
Üsenberg 600 Silbermark, während sein Bruder Snewli Bernlapp
zur gleichen Zeit für 303 Silbermark die Burg Zähringen mit
sämtlichen Pertinenzen kaufte. Noch grotesker wird das
Verhältnis, wenn wir auf die Löhne der Handwerker sehen.
Erhielt doch im Jahre 1359 der berühmte Münsterbaumeister
Johannes von Gmünd eine jährliche Rente (Entlöhnung) von
insgesamt 14 Pfund Pfennig, also etwa 5 Silbermark, während
Johann Snewlin der Gresser im Jahre 1347 allein über 120
Silbermark an Zinsen einnahm.“
So ist es nicht verwunderlich, daß sie rundum über den
bedeutendsten Burgen-und Hofbesitz verfügten. Neben ihren
Burgen gehörten ihnen umfangreiche städtische Liegenschaften,
etwa 30 Dörfer, Hochgerichte, Niedergerichte, Wildbänne,
Kirchenpatronate, Kirchenzehnten und sonstige ertragreiche
Einnahmequellen zu Eigen oder Lehen. Manche Glieder der
Snewelin unterlagen dabei auch den Gefahren ihrer gehobenen
Landadelstellung - sie verwirtschafteten sich wieder.
Der ursprünglich herrschende Zweig der „Snewli von Wiesneck“
starb um die Mitte des 15. Jahrhunderts aus, und zwar zu einer
Zeit, als ihm die Burg schon nicht mehr gehörte. Sie war — wie
im letzten Abschnitt beschrieben - 1378 an die Blumenecker
verkauft worden. Doch ein anderer Snewelin, Johannes von
Landeck, kaufte Wiesneck 1450 von den Blumeneckern zurück.
Dieser Käufer war hochbegütert, er trug den Zunamen „Hans der
Reiche“. Fortan nannten sich die neuen Herren der Burg
Snewelin von Landeck zu Wiesneck. (17)
Unter Hans dem Reichen lebten die Spannungen mit dem Kloster
St. Märgen sofort wieder auf, so daß sich eben die
Klosterleute zuletzt nicht anders zu helfen wußten, als den
Klosterbesitz mit kleinen Ausnahmen im Jahre 1462 an die Stadt
Freiburg zu verkaufen. Max Weber sagt:
„Ulm den geringen Preis von 4800 Gulden erhielt die Stadt
damit ein Areal, das allein 3000 Juchart Wald umfaßte, dazu 80
Bauernhöfe und 90 weitere Erblehen. Lediglich die Kirche in
St. Märgen mit ihrem Zehntrecht und einige unbedeutende
Grundstücke behielt sich das Kloster vor. So war dieses der
ewigen Streitereien enthoben, die Stadt aber hatte eine
ansehnliche Grundherrschaft erworben und war so auf ihrem
zielbewußten Weg zu einem Territorium ein gutes Stück
vorangekommen. Gleichzeitig bot sich die Möglichkeit, die
wichtigste Grundlage hierfür zu erlangen: Die Hoheitsrechte
über den erworbenen Grundbesitz. Wir sahen, daß sie mit der
Vogtei verbunden waren. Für die Herren von Schnewelin war die
Vogtei über das Gebiet von St. Märgen von dem Augenblick an
uninteressant, wo sie nicht mehr zum Angriff auf das
Klostergut benützt werden konnte, wo also für die Ritter keine
Aussicht mehr bestand, ein eigenes Territorium zu bekommen.“
Geschickt wußte Hans der Reiche die neue Situation zu nutzen:
Er verkaufte die Vogteirechte über das Kloster im Jahr darauf,
1463, um 1000 gute rheinische Gulden an die Stadt Freiburg,
ließ sich aber gleichzeitig (Nov. 1463) wieder damit beleihen.
So waren die Freiburger zwar die Vogtei-Oberherren, aber Hans
hatte nach wie vor eine Einnahmequelle auf den vormaligen
Klostergütern.
Die Herrschaft Wiesneck selbst verblieb jedoch 1463
ausdrücklich ganz zu Eigen der Snewelins: Die „burg mit infang
und begriff, mit velsen, mit graben, mit muren, mit zwing und
wasen“. Dazu die Wiesnecker Mühle (an der Stelle vom heutigen
"Institut für politische Bildung‘), der Meierhof, der Weiher
und alle Güter am Berg und um das Schloß (worunter u.a. der
Wanglerhof und der Altenvogtshof zu verstehen sind), ferner
Wald, auch ein Sechstel des Waldes in der Spirza; ferner der
zugehörige Teil des Wildbannes. Die Betonung des Wildbannes
wird wichtig im Bauernkrieg; daran entzündete sich entschieden
der Groll der Bauern.
Abermals änderte sich etwas. Im Jahre 1489 geriet Wiesneck
unter die Landeshoheit des Habsburgischen Hauses Österreich.
Die Habsburger hatten bereits seit langem die Hoheitsrechte
für Freiburg, und da Kirchzarten den Freiburgern untertan war,
auch für das benachbarte Kirchzarten. Die Österreicher schoben
gezielt den Keil ihrer Landeshoheit durch Schwaben hindurch
bis ins Elsaß hinein. Was sie hier unter ihren Hut brachten,
nannte sich „Vorderösterreich“. Wiesneck wurde also nun
österreichisch. Im genannten Jahr 1489 kaufte Erzherzog
Sigismund die „unabhängige Allodialherrschaft Wiesneck“ um
2800 Gulden dazu, übergab sie jedoch gleichzeitig wiederum an
den um diese Zeit auf Wiesneck herrschenden Junker David von
Snewelin Landeck zu Wiesneck als Lehen. Aus der Bezeichnung
„Allodial...” geht eindeutig hervor, daß bis dahin Wiesneck
ein völlig selbständiges Besitztum und sein Eigentümer aus
diesem Besitztum heraus nach keiner Seite hin abgabepflichtig
war.Das änderte sich nun. Indem sich Wiesneck der
österreichischen Landesherrschaft unterstellte, blieben zwar
die Snewelins darauf sitzen, hatten aber von da an an den weit
entfernt in Wien residierenden Erzherzog von Habsburg
Lehenszins und bei kriegerischen Verwicklungen auch Einsatz zu
leisten. Den-noch zahlte sich die zum Lehen gewordene
Herrschaft aus; es blieb immer noch ein gutes Einkommen, und
im Notfall konnte sich der Wiesnecker Lehensherr auf einen
mächtigen Vorspann berufen.
Der „Edelvest Junckherr David von Landegk zu Wisnegk“, unter
dem sich dieser Hoheitswandel vollzog, wird von Max Weber als
eine der markantestenPersönlichkeiten im Dreisamtal gerühmt.
Er stand nicht nur im Dienst des Markgrafen Christoph von
Baden als Rat, Burgvogt von Rötteln und Landvogt, sondern übte
zugleich als „Römisch-Kaiserlicher Majestät Rat“ die
Regentschaft für die vorderösterreichischen Lande zu Ensisheim
im Elsaß aus, demSitz dieser Regierung. Ob Junker David bei so
vielfältigen Amtsgeschäften oft oder nur gelegentlich auf Burg
Wiesneck sich aufhielt, vermerken die Chroniken nicht. Doch
seine Zügel müssen kräftig im Tal spürbar gewesen sein -‚denn
gerade gegen ihn erhoben die Bauern 1525 die Hand. Es sollte
sie teuer zu stehen kommen. Sie hatten es mit einem
einflußreichen Herrn zu tun. Noch1520 hatte Karl V., sein
kaiserlicher Herr, Junker David die Belehnung mit Wiesneck
bestätigt; kurz vor dem Bauernkrieg.
Vom Bauernkrieg können hier nur die Vorgänge unmittelbar im
Dreisamtal skizziert werden. Max Weber widmet ihnen im
Kirchzartenbuch (S. 297-341) einausführliches Kapitel. Was da
geschildert wird, ist ergreifend eindringlich und steht für
Bände Kummers. Es setzt ein mit dem vorausgehenden „Schweizer
Krieg“ 1499 zwischen den Habsburgern und den Eidgenossen,
wobei die Bewohner des Dreisamtals wie Freiburgs als
habsburgische Gefolgsleute auch habsburgisch mitzukämpfen
hatten — und bei Dornach schwer geschlagen wurden. Weber sagt:
„Vermutlich hat der Nachschub nicht genügt. Denn nach der
Niederlage bei Dornach kamen die Männer des Freiburger
Fähnleins nicht nur ohne Waffen, armselig auf einen Stock
gestützt wieder nach Hause, sondern auch 'barschenkelig, on
gürtel, on kappen und hüt ... also daß alle mentschen ein sehr
mitliden und trurigkeit mit inen hetten'. Was die Söhne
unseres Tals auf diese Weise im Dienst der städtischen Herren
und der erzherzoglichen Regierung Iernten, suchten manche von
ihnen bald schon für ihre eigenen bäuerlichen Belange zu
verwerten. Gerade die Landsknechte und ihre kleinen Führer,
die im wechselnden Dienst vieler Herrschaften die Welt gesehen
und die neuen Ideen der unruhigen Zeit um 1500 kennengelernt
hatten, wirkten wie Funken, die in aufgehäuften Brennstoff
fallen.” (S. 299)
Aufgehäufter Brennstoff bei den Bauern war eben die Fülle von
aufgesplitterten Herrschaftsansprüchen und den nie endenden
daraus abgeleiteten Forderungen, denen der Bauer hilf- und
verständnislos gegenüberstand, da die meisten der Forderungen
ihrem Wesen nach den überholten mittelalterlichen
Wirtschaftsformen angehörten. Es gab den Grundherrn, den
Leibherrn, den Kirchenherrn, den Gerichtsherrn und den
Landesherrn - und jedem Herren gesondert war der Bauer
pflichtig, bis zur totalen Leibeigenschaft: „Gelang einem
Herrn die Zusammenfassung aller Rechte, so waren ihm die
"Untertanen' völlig ausgeliefert. .. Im Kirchzartener Tal
scheint sich Junker David von Landeck auf Burg Wiesneck in der
Ausübung der Herrschaftsrechte am meisten den Haß der Bauern
zugezogen zu haben. Es ist anzunehmen, daß dabei auch der
Wildbann, d.h. das Jagdrecht eine Rolle spielte. Denn
allerorts klagen die Bauern darüber, daß sie gar viel als
Treiber in Anspruch genommen werden, selbst jedoch gar nicht
schießen dürfen, ja tatenlos zusehen müssen, wie das Wild ihre
Ernten zugrunde richtet.” (Weber.S. 301)
Führer der Bauern im „Schwarzwälder Haufen“ war Hans Müller
von Bulgenbach (bei St. Blasien), ein redekundiger („so daß
man seinesgleichen redner nit mocht befinden“), aber auch von
tiefer Religiosität erfüllter Mann. 'In christlicher Liebe und
brüderlicher Treue' fanden sich die Bauern auf dem Schwarzwald
zusammen, 'dem göttlichen Recht ein Beistand zu tun und Anhang
dem heiligen Evangelion'. Nur was an Forderungen ihrer Herren
aus der heiligenSchrift begründet werden kann, wollten sie
weiterhin entrichten. Mit dieser Grundhaltung stimmt auch die
Nachricht überein, daß die herumziehenden Scharen zunächst
keineswegs plünderten, sondern im Gegenteil sogar alles, was
sie verzehrten, bezahlten. Übergriffe zeigten sich erst, als
die langwierigen Verhandlungen der Bauernvertreter mit den
Ausschüssen der Adeligen zu keinen Ergebnissen führten und so
die Bauern sich enttäuscht sahen. .. Im Frühjahr 1525 begann
Hans Müller seinen großen Zug, zuerst das Aufrufen und Sammeln
kreuz und quer durch den Schwarzwald und dann hinunter ins
Dreisamtal und in die Ebene, um auch den Breisgau zum Anschluß
an die ‘Christliche Vereinigung' zu zwingen. ...“ (Weber. 5.
305)
Einmal im Zuge, entglitten dem Führer und seinen Hauptleuten
an besonderen Brennpunkten die Aufständischen in ihrer
Empörung. So zerstörten die rabiat gewordenen das Kloster St.
Blasien in wüster Art und soffen den Weinkeller aus. Was sie
nicht hinter die Kehle brachten, ließen sie in den Keller
laufen. Der Wein stand knöcheltief. Ein Gegenstück zu St.
Blasien gelang dem Abt im Kloster St. Georgen, wo offenbar
Hans Müller persönlich dabei war und die Masse in Schach
hielt. Der Abt ging in Begleitung seiner Mönche den
Anrückenden entgegen, lud sie ins Kloster ein und bewirtete
sie einige Tage reichlich. Hinterher waren Karpfenteich und
Weinkeller leer, aber Kloster, Kirche und Kammern
unangetastet. Was aber danach folgte, berichtet die Villinger
Chronik in lapidarer Kürze:
Am Freitag den 12ten Mai verließen die Bauern das Kloster
Sanctgeorgen und zogen gen Furtwangen. Auf diesem Zuge nahmen
dieselben dem Wachter im Kohrbach etliche Stücke Vieh weg.
Darnach zogen sie gen Sanctpeter, gen Kirchzarten und Ebnet,
nahmens ein und ließen sich schwören. Sofort warfen sich
etliche Haufen dem Junker David von Landeck vor sein Schloß
Wiesneck, stürmtens, gewannens, plündertens und verbranntens,
auf Sonntag Cantate, den 14. Mai.”
Am 14. Mai 1525 wurde also die Burg Wiesneck zum anderen Mal
gründlich niedergemacht — diesmal von den Bauern. Ob Hans
Müller diesen Akt hätte verhindern können, bleibt offen; denn
er schrieb derweil von Kirchzarten aus Bbotschaft an die
Freiburger, sie sollten sich der „Christlichen Vereinigung“
anschließen. Hinter dem Sturm auf die Burg standen vermutlich
Leute aus Davids eigenen Untertanen, die auf diesen Tag lange
gewartet hatten. Schon einen Monat zuvor, am 10. April, hatte
Freiburg als Kundschafterergebnis nach oben melden können,
„daß Davidts von Landecks Unterthanen hefftig daruff dringen,
den Huffen in das Bryßgow zu bewegen“. Sie konnten also das
Kommen des Aufständischenhaufens gar nicht schnell genug
erwarten. Darauf zielt das im Zitat der Chronik enthaltene
„Sofort“, mit dem der Satz von der Zerstörung beginnt.
Ein radikaler Trupp machte dann weiter einen Abstecher ins
Elztal, während der Großteil der Bauern in Richtung Freiburg
vorrückte. Ebnet wurde besetzt, auch die Kartaus übel
zugerichtet, und alsbald im Zusammengehen mit anderen Haufen
die Stadt in einem Ring umschlossen und belagert. Von der
Burghalde aus, dem Schloß über der Stadt, wurde übrigens auch
in Freiburg das dem Junker David gehörende Haus „Zum Wilden
Mann“ beschossen. Es lag an der Salzstraße (gegenüber dem
heutigen Augustinermuseum, wurde vor einigen Jahren nach einem
Brand abgerissen und modern ersetzt). Die Übergabe Freiburgs
erfolgte am 23. Mai. Am folgenden Tag schlossen die Stadtväter
mit den Bauernobristen einen feierlichen Brudervertrag. Die
Freiburger entzogen sich jedoch kurze Zeit später aufs
schmählichste wieder diesem Vertrag und trieben „mit der buren
bruoderschafft große schelmenstuck“. Ja, sie verhielten sich,
als die Sache der Bauern völlig schiefgegangen war und es ans
Wiedergutmachen ging, noch rachsüchtiger als die adeligen
Herrn. Sie züchtigten ihrerseits am 16. August 1525 ihre
eigene Talvogtei Kirchzarten „mit Raub, Brandt, Todtschlag“,
und wollten offensichtlich durch übertriebenen Eifer ihre
Schuld gegenüber dem österreichischen Oberherrn vergessen
machen.
Bereits im Juli 1525 war der Aufstand restlos
zusammengebrochen, der Schwarzwälder Haufen zerstreut, die
Hauptführer gefangen - und in der Fron änderte sich nichts.
Die Aburteilung der Rädelsführer vollzog sich rasch, Hans
Müller von Bulgenbach wurde am 12. August in Laufenburg
hingerichtet. Die Sühneauflagen der Grundherrn an ihre Dörfer
folgten prompt. Nur die gerichtliche Bereinigung der
Herrschaftsforderungen gegeneinander (wessen Bauern welchen
Schaden beim angrenzenden Herrn verursacht hatten) zog sich
fast zwei Jahre hin — weit länger, als das ganze Unternehmen
der freiheitsdurstigen Bauern gedauert hatte.
Junker David kam nicht zu kurz. Seine Untertanen ergaben sich
auf Gnade und Ungnade und mußten ihm von neuem schwören, alles
zu erfüllen. Als erster holte sich zwar zunächst einmal der
Erzherzog als Landes-Oberherr aus jeder seiner 152 Gemeinden
von jeder Herdstatt 6 Gulden Vergeltung, doch gleichzeitig zog
Junker David innerhalb seiner eigenen Dörfer mit 3 Gulden
Brandschatzung nach. David unterstanden im Dreisamtal
Wiesneck, Falkensteig, Dietenbach, Mißwende, Falkenbühl, Teile
von Ebnet, Littenweiler und Eschbach. Sein Ertrag: 3200 Gulden
für den Wiederaufbau der Burg und seiner anderen Gebäude, 800
Gulden Ersatz für die entwendete Habe Davids. Für die
Geldeintreiber war letzten Endes die Anzahl der Häuser
maßgebend, nicht Schuld oder Unschuld am Aufstand. Deswegen
gibt das Ensisheimer Häuserverzeichnis einen interessanten
Aufschluß über die Größe der verschiedenen Dörfer. Es seien
einige herausgegriffen:
„Kirchzarten und zun Höfen hat 35 Hüser von gmeynen lütten,
item 3 pfaffen hüser, item 3 witwe hüser ... Wisneck hat 5
hüser von gmeynen lütten, item 1 fry hus, item prantschatzung
ist bezalt; und heist der vogt Heinrich Wirbstein. Buchenbach
hat 16 hüser von gmeynen lütten; nütz me, item
prantschatzungist bezalt; und heist der vogt Heinrich
Heintzler. Wagensteig hat 13 von gmeynen lütten, nütz me, item
sie sind noch etwas an der prantschatzung schuldig,weisz man
zu Friburg wol, wie vil; und heist der vogt Martin Schnider.
Falkenstein hat 7 hüser von gmeynen lütten. Espach under
Junkher David hat 7 hüservon gmeynen lütten.”
Max Weber schließt das Kapitel Bauernkrieg mit der traurig
stimmenden Einsicht, „daß alle Einrichtungen beim alten
geblieben sind, auch jene, deren Reform auch die besten der
Zeitgenossen für nötig erachtet halten. Von goßem Idealismus
beseelt, hatten tatkräftige Männer eine Bewegung entfacht,
deren sie nicht mehr Herr wurden, als jene selbstsüchtigen
Mitläufer ... den Gegenkräften schließlich recht gaben, bis
auch diese wieder durch blutige Gausamkeiten ihrer Racheakte
die innere Berechtigung verspielten.“
Untergang der Burg im Dreißigjährigen Krieg
Es war wohl ein Racheakt gegen den „Edelvest Junckherr
David von Landegk zu Wisnegk”, daß seine Burg als einzige
unter den Herrensitzen im Dreisamtal dem wütenden Ansturm der
Bauern erliegen mußte. Daß sich aber David seinerseits dafür
wiederum durch die Auferlegung von Bußgeld Haus um Haus seiner
Hintersaßen zur Genüge schadlos zu halten wußte, hörten wir.
Merkwürdigerweise scheint er jedoch die „Brandschatzung“ nicht
in den Wiederaufbau der Burg gesteckt zu haben, denn noch 24
Jahre nach dem unheilvollen 14. Mai 1525 bestimmt Davids Sohn
Christoph in seinem Testament dem einen der beiden Söhne zum
Wohnort das Schlößchen Falkenbühl (oberhalb Ebnet gelegen),
dem anderen das Freiburger Haus 'Zum wilden Mann’. Die Burg
Wiesneck als solche wird in Christophs Testament von 1549
nicht einmal erwähnt. Eine Überlegung muß daraus schließen:
Als bewohnbar im Sinne eines Herrschaftssitzes kann die Burg
zu jener Zeit nicht gegolten haben, obwohl sie ihrer weit
umfänglicheren Anlage nach Falkenbühl den Rang hätte ablaufen
müßen. Vielleicht zog es aber auch die junge Generation der
Landeck-Wiesnecker Herren stärker als je zuvor in die
Stadtnähe - und Falkenbühl lag bereits auf halbem Weg nach
Freiburg ! Die streitbare Betriebsamkeit der Väter wich dem
Verlangen nach Genuß und Verzehr im Besitztum.
Das schließt nicht aus, daß die gröbsten Schäden der Burg
Wiesneck doch ausgebessert und die Zugänge abgeschirmt waren,
so daß sie immer noch als erwünschtes Einstellquartier beim
Durchritt und auf der Jagd benützt werden konnte. Vermutlich
hat sie auch ein Beauftragter der Snewelin versorgt, denn von
Bedeutung scheint, daß — genau wie es Junker David im Jahre
1520 getan- sich Christoph von Landeck im Jahre 1538 durch
Karl V., seinen österreichisch-kaiserlichen Oberherrn, die
Belehnung mit Wiesneck ausdrücklich bestätigen ließ. Dasselbe
wiederholte sich nach Christophs Ableben 1553 für den nächsten
Erben, Christophs Sohn Hanns Jacob von Landeck zu Wiesneck.
Wenn so nachdrücklich um Brief und Siegel von kaiserlicher
Hand geworben wird, spricht sich darin Wert und Nutzen eines
immer noch gewichtigen Herrschaftsgutes aus.
Mit Hanns Jacob stirbt der letzte männliche Vertreter der
Snewelin von Landeck zu Wiesneck. 1562 ist sein Todesjahr. Er
hinterläßt zwei Töchter; sie sind die Erben, aber eben nicht
nur der Burg, sondern der gesamten Dörfer und Güter, die sich
vom Breisgau, durch das Dreisamtal, über Breitnau bis zum
Feldberg breiten. Anna von Landeck, die ältere der beiden
Töchter, heiratet kurze Jahre nach des Vaters Tod, 1568, den
Freiherrn Friedrich von Sickingen, Herrn zu Hohenburg, den
Enkel des berühmten Franz von Sickingen. Damit beginnt auf
Wiesneck eine neue Zeit: Die Herrschaft derer von Sickingen,
genauer gesagt, eines eigenen breisgauischen Zweiges derer von
Sickingen. Es verlohnt sich, bei dieser Wende ein wenig zu
verweilen. Denn wie ganz anders liest sich nun eine
Charakterisierung dieses Geschlechts gegenüber der, die wir
durch Hermann Nehlsen über die Sneweli erfahren konnten.
Michael Benz, der Biograph der Sickingen,(18) beschreibt den
neuen Zweig: Kontrapunktisch zur wie vom Unfrieden behexten
ebernburgischen Geschichte (einer andern Linie der Sickingen)
wölbt sich über jener der Breisgauer Sickingen-Linie ein
weiter Himmel überlegener, grenzenloser Ruhe. En miniature, im
Rahmen der regierend umspannten Patrimonalgüter, wiederholen
die Hohenburger, dauerhaft in den Zonen erhabener Erlauchtheit
beheimatet, die Clementia Austriaca, wenig empfänglich für den
hypnotischen Reiz großer Politik und lautstarker Extreme.
Durch Reichtum und Name glänzte man von selbst unter den
Ersten. Kein Hohenburger Sickingen hat sich je ernstlich um
diplomatische Dienste an Fürstenhöfen bemüht - die sprudelnden
Revenüen (Einkünfte) aus Eigenbesitzungen und kirchlichen
Pfründen enthoben der Notwendigkeit, der immerwährenden
Herausforderung durch um Ämter buhlende Rivalen sich
auszusetzen. Eher schon neigte man den Künsten‚ gewogen das
Haupt, ermöglichte durch verschwenderische Aufträge und
impulsgebendes Mäzenatentum Malern und Baumeistern die
Entfaltung ihres Könnens und reagierte als Publikum, als durch
erlesenen Geschmack und genuine Kennerschaft sich
auszeichnende Liebhaber auf die Schöpfungen geistgen und
künstlerischen Lebens. Die erhaltenen Bildniße der Linie, mit
ihren entzückenden Lichtpunkten doch nur Überreste einst viel
herrlicherer Schätze,dokumentieren eindrucksvoll die
überragende Rolle des repräsentationsfreudigen und — wie hier
- im Überfluß lebenden alten Adels für das Gedeihen
einerIebhaften Kunstszene.”
Durch die Heirat des Friedrich von Sickingen mit der
Snewelintochter Anna hatten sich die Sickingen mit dem
Reichtum des reichsten Grundherrn des Breisgaus verbunden, und
da die jüngere Schwester unvermählt blieb, fiel schließlich
der gesamte snewelinsche Besitz dem vermählten Paare zu. Aber
(die Sickingen gingen mit dem Reichtum nobel um - und das ist
das Besondere und Erfreuliche an ihnen : Sie liebten die
Künste. Michael Benz sagt, der neugegründete Breisgauer Zweig
habe sich zwar nach der Hohenburg benannt,(diese Burg jedoch
nie zu seinem Sitz gemacht, sondern diesen von vorn herein in
Ebnet genommen, dem dortigen Gut der Snewelin (einem
Wasserschloß, das später in das Barockschloß Ebnet umgebaut
wurde). Wo die Hohenburg liegt wird nicht gesagt. Wiesneck
gehörte nun zwar auch zum Besitz der Sickingen, aber fest
steht nach dieser Bemerkung, daß es die Sickingen in der Burg
selbst zu wohnen nie verlockt hat.
Und doch scheinen sie ihr Aufmerksamkeit gewidmet zu haben.
Sie holten offenbar das von den Landeckern Versäumte nach und
bauten sie wieder auf; Zeugnis dafür gibt ein Altargemälde in
der Schloßkapelle zu Stegen. Die Landschaft im Hintergrund
eines St. Sebastianbildes zeigt auf einer Bergkuppe eine Burg,
und auf dem Burgberg steht der Name „Wisneck“. Auch existiert
eine nichtgesicherte Abbildung der Burg vom Jahre 1620, vom
Fuß der Steilhanges bei der Wiesnecker Mühle gesehen. Die
Wiesnecker Mühle - sicher ein uralter Bestandteil der
Wiesnecker Herrschaft — steht verwandelt heute noch; darin
befindet sich wie schon gesagt, das „Institut für politische
Bildung — Studienhaus Wiesneck”. Die Zeichnung von 1620 zeigt
die „Veste Wisneck” bescheiden, mit einem hochragenden
Mittelturm, beflankt von einem Wohngebäude, ringsum mit einem
Mauermantel bewehrt.
Nur dauerte die Herrlichkeit nicht lang. Die Wirren des
Dreißigjährigen Krieges hatten inzwischen eingesetzt, wenn sie
auch erst nach und nach das Freiburger Gebiet erreichten.
Die Einheimischen hatten kurz zuvor noch ihren Lokalkrieg zu
verkraften, den „Rappenkrieg“, besser gesagt, den Ansatz zu
einem erneuten Bauernaufstand, der zwischen 1612 und 13 über
dem Schwarzwald schwelte. Es ging um eine Sonderabgabe von
einem Rappen auf jede ausgeschenkte Maß Wein. Den Rappen
empfanden die Bauern als ungerechten „bösen Pfennig“, den sie
los-sein wollten. Anheizer des Unmuts war ein Bauernsohn
Martin Haizmann. Und so sammelte der Spirzenbauer Wolf Schwer
nach einer Verschwörungssitzung im Stüble auf dem nahen Turner
am Fasnachtssonntag 1613 nach und nach einen Haufen von 400
Mann um sich, die zu Ostern über St. Peter, Weiler (Stegen),
Bickenreute und Kirchzarten nach Ebnet ziehen wollten, um die
Schlösser zu brechen. In Freiburg „war es auf die Studenten
abgesehen“; warum gerade auf sie und was sie mit dem
Weinrappen zutun hatten, die ihn doch auch als durstige Kehlen
zu zahlen hatten, läßt Max Weber (Kirchzartenbuch S. 342)
offen. Von Haus zu Haus wollte man ziehen, schreibt Weber, und
alle Bauern, Knechte und Jungen über 15 Jahre zum Anschluß
zwingen, "damit es einen rechten Bauernkrieg gebe'. Soweit kam
es nicht. Der Talvogt von Kirchzarten, in Freiburger Diensten
stehend, erhielt Wind von dem Aufbruch und setzte
obrigkeitliche Riegel vor. Der Haufen zerstreute sich, Martin
Haiz-mann ereilte sein Schicksal auf der Flucht in die Schweiz
bei Waldkirch. Immerhin erreichte der Aufstand, daß es dann
1614 zu einem Vergleich zwischen den Ständen kam. Wir können
nur hofien, daß die Bauern von da an Ihren Schoppen ohne
„bösen Pfennig“ trinken durften.
Die ersten Vorboten des Dreißigjährigen meldeten sich im Tal
damit, daß 1620 die vorderösterreichische Regierung von
Ensisheim/Elsaß aus Befehl erließ, die Schwarzwaldübergänge zu
verwahren. Zu diesen zählte als wichtiger Paß auch das
Falkensteiner Tal — unser heutiges Höllental. Nun mußten die
ringsum wohnenden Bauern Schanzarbeiten leisten und Wache
schieben in einer Art Volkssturm des Mittelalters. Außerdem
mußten sich laut erzherzoglichem Edikt alle über 16jährigen
ledigen Männer selbst ausrüsten: Ein langer Spieß, eine
Muskete und 2 Pfund Pulver sollten immer zur Hand sein, damit
das Aufgebot sofort bereitstehe.
Erst 1630 zog sich das Gewitter über der Gegend stärker
zusammen. Mit dem Aufgebot von „1000 ledigen Bauernsöhnen,
Dienstknechten und Freiwilligen“ wurde es Ernst, und im Jahre
1631 begann am Oberrhein wirklich die Kriegsnot. Die Schweden
rückten vom Kinzigtal aus vor Freiburg, nahmen Offenburg und
die Orte im Breisgau, schließlich erzwangen sie am 29.
Dezember 1632 den Einzug in Freiburg — und verlangten 30 000
Gulden Brandschatzung, an der auch die Hintersassen des
Kirchzartener Tals ihr gemessen Teil zu tragen hatten. Die
Überfälle der schwedischen Besatzung in der Umgebung von
Freiburg — 'Razzias' genannt - trieben die Bauern zur
Verzweiflung und Gegenwehr. Am 18. Oktober 1633 zogen die
Schweden von Freiburg ab, rückten am 1. April 1634 erneut in
die Stadt, um sie am 6. September 1634, nachdem ihrHauptheer
bei Nördlingen geschlagen war, abermals zu verlassen.
Das Hin und Her der Soldatenhorden zermürbte die Gemüter,
vollends als Frankreich eingriff und sich gegen Kaiser und
Österreich mit den Schweden verbündete. Die französischen
Truppen schwärmten aus dem Elsaß herüber und machten die
Gegend des Oberrheins erst recht zum
Kriegsschauplatz.(Gewalttaten der requierenden Trupps nahmen
kein Ende. Im Schwund der Bevölkerungszahlen spiegeln sich die
Leiden. Als Beispiel seien die Zahlen von Freiburg angeführt.
Die Stadt hatte nach der frühen Glanzzeit der Zähringer
Herzöge die stattliche Höhe von 20 000 Einwohnern erklommen,
war dann im Spätmittelalter, nach dem Versiegen des
Silberreichtums am „Erzkasten“ (heute Schauinsland) bis auf 8
- 7 - 6000 abgesunken, erlitt 1564 eine Pestnot, die 2000
Menschen wegraffte und trat demnach schon beträchtlich
vermindert in die hier geschilderte Periode ein. Nach dem
Abzug der Schweden im September 1634 zählte die Stadt alles in
allem noch etwa 2000 Seelen von vorher 6000 wieder erreichten.
Wieviele von diesen 2000 tatsächlich das Ende des
Dreißigjährigen Krieges überlebten und die Glocken des
Westfälischen Friedens läuten hörten, wissen wir nicht; die
zermürbende zweite Hälfte des Krieges brach da erst an. Die
radikale Entvölkerung überwand die Stadt durch zwei
Jahrhunderte hindurch nur mühsamst, und wir lesen mit Staunen,
daß dem Freiburger Bürgermeister noch im Jahre 1862 (!) nur 17
000 Einwohner unterstanden. Heute hat die Stadt über 200 000.
Zurück zu den Franzosen, die am 11. April 1638 die Festung
Breisach eroberten und damit dem ganzen Gebiet den Stempel
französischer Herrschaft aufpräglen. Das wirkte sich u.a.
darin aus, daß die Franzosen unter Mobilisierung der Talbauern
sofort 2000 Mann einsetzten, damit sie den Weg durchs
Höllental an der engsten Stelle, den Paß an der Falkensteig
(beim Hirschsprung) eröffnen. Schlagartig, sagt Weber ( S
346), beleuchtet dieser Einsatz die Absicht Frankreichs, den
Vorstoß nach Innerdeutschland. Tatsächlich wurde die Absicht
auch praktiziert, als im November 1643 die (in französischen
Interessen stehende) weimarische Armee ihre „Attolarey
(Artillerie) mit tausend und mehr Packwagen“ durch die
Höllentalschlucht über den Schwarzwald schleußte, um vor
Rottweil zu ziehen. Sechs Jahre, ab 1638 bis ins Jahr
1644dauerte die Fremdherrschaft, lagen hälftig französische
und schwedische Truppen in Freiburg und hausten im Tal. Zum
Entsatz rückten kaiserlich-bayerischeTruppen unter General von
Mercy an, die also zugunsten der Habsburger fochten, aber
inbezug auf Übergriffe sich keineswegs menschenfreundlicher
anliessen als die Gegner. Die Erlasse der höheren Offiziere
nützten nichts. Die verwilderten Soldaten holten sich, wo zu
holen war. Weber reiht (S. 347) eine Kette von Beispielen auf.
Darunter litt auch das „Kürchzarther Thaal“.
Den Höhepunkt von Verwirrung und Unheil brachte der Sommer
1644. Die kaiserlich Mercyschen Truppen hatten Freiburg
umzingelt. Der französischeGeneral Turenne wiederum hinterging
Mercy und packte die Bayern vom Rücken her an. Trotzdem gelang
Mercy „nach hartem Ringen“ der Einbruch in die Stadt, und der
Schwedenkommandant Kanofski mußte am 27. Juli 1644 die Stadt
übergeben. Damit befand sie sich wieder in deutschen Händen -
nur war es inzwischen um die Burg Wiesneck geschehen. Max
Weber, dem die Darstellung bisher folgt, bringt den
lakonischen Satz: „Im Zusammenhang mit dieser Truppenhäufung
in unserem Gebiet wurde auch die Burg Wiesneck am 27. Juni
1644 ein Opfer landsknechtlicher Zerstörungswut.”
Er läßt offen, wer die Veste zu „accordieren“ zwang; Bader und
E. Schuster sagen kurzweg, die Schweden waren es. Aber sie
waren es nicht und die Zerstörung ist auch nicht am 27. Juni
erfolgt, sondern erst 6 Wochen später. So versichert es uns
Paul-René Zander, Archivar der Fhr. von Gayling’schen
Schloßverwaltung in Ebnet. In seinem Artikel „Vor 350 Jahren:
Die Zerstörung der Burg Wiesneck im Dreisamtal“ (19) gibt er
eine genaue Darstellung der Ereignisse des verhängnisvollen
Sommers 1644. In seinen Ausführungen ist nur dlie Rede von
einem französisch besetzten Freiburg um diese Zeit. Der die
Bayern führende Generalfeldmarschall von Mercy habe es dabei
mit zwei franzöischen Armeen zu tun gehabt; die eine unter dem
(als zäh, kaltblütig und skrupellos beschriebenen) Vicomte de
Turenne, die andere „Armee de France unter Louis de
Bourbon-Condé, Herzog von Enghien. Für uns aber wesentlichıst,
was die Burg Wiesneck betrifft. Danach habe es zwar am 26./27.
Juni auf der Burg ein Scharmützel, doch keine Zerstörung
gegeben. Kaisertreue bayerische Soldaten überwältigten nämlich
auf ihrem Vorstoß nach Freiburg die in der Burg hausende
kleine Gruppe der (zum Gegner gehörenden) weimarischen
Besatzer. Das hat als ein sickingen-freundlicher Akt zu
gelten; die Bayern zerstörten nicht, sie bereinigten nur. Doch
war das Unheil nur verschoben.
Nach der schweren, beiderseits verlustreichen Schlacht am
Lorettoberg in Freiburg, vom 3. bis 5. August, zogen sich
sowohl die Franzosen wie die Bayern in den Schwarzwald zurück
— und die Truppen beider Seiten wollten einander den Weg
abschneiden. Wer zuerst auf der Höhe von St. Peter ankam,
„hielt die entscheidende Trumpfkarte in der Hand“. Die
Franzosen schoben sich das Glottertal hoch. Die Mercysche
Vorhut aus Kürassieren und Dragonern unter Obrist von Gayling
ritt über Ebnet, Stegen und Eschbach zur Höhe, während General
von Mercy mit dem bayerischen Haupttrupp den Weg übers
Dreisam-,Iben- und Wagensteigtal nahm. Dies geschah vom 9. auf
10. August. Da nun, im Vorbeimarsch, ließ Mercy auf der Burg
Wiesneck sogar eine kleine bayerische Besatzung zurück; aber
sie konnte die Burg auch nicht vor ihrem Untergang bewahren.
Den Wettlauf zur Höhe und das Zusammentreffen bei St.Peter nun
im Zanderschen Wortlaut:
„Als die Franzosen am 10. August den Sattel oberhalb des
Glotter- und Eschbachtals erreichten, sahen sie bereits die
mühsam heranrückenden Bayern. Jetzt war es der in der Armee
Turennes dienende baltische Generalmajor der KavalIerie
Reinhold von Rosen, der seine Chance erkannte, die noch nicht
formierte Reichsarmee, insbesondere aber den lebenswichtigen
Troß in der Flanke zu attackieren. Doch es gelang der Reiterei
der Gaylingschen Vorhut, die Rosenschen Schwadronen in das
obere Eschbachtal abzudrängen. Als Mercy jedoch den Reitern
befahl, Rosens Kavallerie weiter zu verfolgen, meuterten sie !
Weder durch Stechen, noch durch Hauen gelang es den
Offizieren, die Reiter wieder auf Trab zu bringen. Die
Kampfmoral war gebrochen. Das hatte schwerwiegende Folgen. An
einen Sieg über die Franzosen war nicht mehr zudenken. Die
durch das Eschbachtal zurückflutende Kavallerie des
Generalmajors von Rosen war es wohl, die in der Nacht vom 10.
auf den 11. August 1644 die nichtsahnende kleine Besatzung der
Burg Wiesneck überrumpelt, die Veste geplündert und beim Abzug
in Brand gesetzt hat.“
Zerstörung und Brand scheinen diesmal so gründlich das Ihre
besorgt zuhaben, daß es den Herren von Sickingen die Lust zum
Wiederaufbau verschlug. Die Zeit der „Höhensitze in
Adlerhorsten“ war ohnedies vorbei; in den Talbreiten lebte es
sich bequemer.
Damit trat eine vollkommene Umkehr jener Höhentendenz ein, als
um dasJahr 1000 die Machthaber aus den Tälern hinaufstrebten,
um sich selbstherrlich auf Bergkämmen und an Felsennasen
einzukrusten (wie wir es in Teil IlI für die Entstehung der
Burg angedeutet haben). Jetzt war die Burg zur Ruine
geschlagen und blieb es. Die Zeit der Sagenbildung um Wiesneck
begann. Niemand saß mehr oben, und so nahm seinen Lauf, was
eine alte Landeskunde des vorigen Jahrhunderts nüchtern
umschreibt: „... diente den umliegenden Orten als Steinbruch,
wodurch erklärt wird, daß heute nur noch wenigeReste der alten
Mauerzüge erhalten sind“. Mit anderen Worten: Wer in der
Umgegend Baumaterial brauchte, holte es sich aus der Ruine;
offenbar wehrte es niemand. Es ist zu vermuten, daß auch unser
Meierhof am Fuß der Ruine von diesem „Steinbruch“ profitiert
hat. Schaut man die Kapelle der Klinik an, muß einem
auffallen, daß die Fenster fein gehauene Renaissance-Gewände
besitzen, die dem jetzigen Charakter des kleinen Bauwerks
durchaus angemessen sind. Nur darf man nicht vergessen, daß es
ursprünglich das Kornhaus des Hofes war, also ein
bescheidenster Profanbau, für den gewiß kein Steinmetz zu
solch besonderer Zier berufen worden wäre. Darin stecken
Überbleibsel des Herrschaftssitzes droben. Daraus läßt sich
auch schließen, daß der kleine Bau erst nach dem
Dreißigjährigen Krieg errichtet wurde. Ein Tragbalken im
Kellertrug, wie schon in II gesagt, die Jahrzahl 1740
eingekerbt.
Als Kuriosum sei noch erwähnt, daß sich beim Holzfällen an der
Ruine vor etlichen Jahren im Wurzelwerk eines Baumes eine
Kanonenkugel fand, vermullich aus dem Dreißigjährigen Krieg;
eine massiv wirkende, aber doch nur dickwandige Eisenkugel von
2,85 kg. Sie liegt in der Hand, als sei sie für ein
leichtathletisches Kugelstoßen bestimmt. Nur könnte man sie,
obschon fastgleich groß, kaum bei einem Wettkampf
einschmuggeln, denn die Wettkampfkugel wiegt 7,25 kg. Wenn man
die heutigen kriegerischen Sprengmittel und ihre verheerenden
Wirkungen bedenkt, kann man nur sagen: Wie harmlos wurden
damals Festungen beschossen — und doch eingenommen ! Immer
wieder fragt man sich, wie eine solche „Veste“, vor allem im
Bauernkrieg, ohne lange belagert und ausgehungert zu sein,
sozusagen im Handumdrehen erobert werden konnte ? Man sah den
Feind von weitem, denn der Burgberg lag unbewaldet und hatte
an der Flachstelle nach hinten einen noch heute erkennbaren,
tief markierten „Halsgraben“. War bei dem Fall der Burg etwa
noch ganz anderes im Spiel: Verrat durch eigene Leute,
heimliche Öffnung des Tores ? Oder spielte jener
geheimnisvolle unterirdische Gang eine Rolle, der von weither
zur Burg hinein und herausgeführt haben soll und den nur
wenige kannten ? Im Wittental wird sogar überliefert, ein
unterirdischer Gang habe das dortige Schloß Falkenbühl mit der
Burg Wiesneck verbunden! Aber die Existenz eines solchen
Ganges konnte nie nachgewiesen werden. Wie dem sei, die Ruine
zerfiel immer mehr und die Geschichte der Burg Wiesneck fand
ihr Ende.
Im Tal ging das Leben weiter. Der Ort Wiesneck existierte
durchaus noch, und mit der Regierung Kaiser Josef Il. kam ein
frischer Wind von Reformen in die Lande. Davon und von
mancherlei anderem menschlich und geschichtlichI
Erinnerswerten im nächsten Abschnitt.
Für die Burg selbst gibt es jedoch noch einen kleinen Nachtrag
aus unseren Tagen. Seit etwa 100 Jahren umschließt nun Wald
ringsum die Ruine und den Burgberg, und auch die letzte dicke
Mauer, die man vor Jahrzehnten, kam man vom Bahnhof
Himmelreich her, noch durchaus oben aufragen sehen konnte,
ward inzwischen vom Wald überhöht. Als Friedrich Husemann 1928
das Gut Meierhof Wiesneck kaufte, kam auch der Burgberg mit
der Ruine in seinen Besitz, und dieser Besitz währte für die
Klinik weiter bis 27. Dezember 1989. An diesem Tag fand ein
Geländetausch statt: Die Klinik übernahm Nutzland (auch
bebauungsfähig) im Bereich des von Gayling’schen Prägenhofes
in Buchenbach (beim Gasthaus Adler gelegen) und überließ dafür
den Burgberg mit der Ruine Wiesneck, soweit er mit Wald
bepflanzt ist, dem Freiherrn Nikolaus von Gayling-Westphal in
Schloß Freiburg-Ebnet. In Schloß Ebnet lebt heute noch die
Sickingensche Tradition. Es war bis 1809 Sitz der Grafen von
Sickingen-Hohenburg, und diese waren ja — wie gehört — die
letzten adeligenHerren der Burg und Herrschaft Wiesneck. Von
da gesehen, nimmt sich der Akt des Geländetausches aus wie
eine Heimkehr der Burg in den Schoß ihrer eigenen
Vergangenheit.
Vom Dreißigjährigen Krieg zur Gegenwart
Die Betrachtung geht diesmal stärker auf die umfassenden
Zeitereignisse ein und eröffnet den etwas weiteren Umkreis.
Man darf nicht vergessen, daß die wechselnden Belagerungen,
Besetzungen und wieder Entsatze der Stadt Freiburg ständig
auch ihre Wellen ins Hinterland schlugen. Im Grunde war
ringsum Kriegsgebiet und Not. Von dem Fluten der Heere,
siegend oder geschlagen, hatten immer die Bodensässigen den
Schaden zu tragen.
Mit dem Westfälischen Frieden waren die gesamten ansehnlichen
Besitzungen der Habsburger im Elsaß, einschließlich ihres
bisherigen Regierungssitzes Ensisheim, wie auch die Veste
Breisach der Krone Frankreichs zugefallen.Damit hatte Habsburg
allen Halt jenseits des Rheines verloren. Der Grenzschnitt
europäischer Machtpolitik zwischen Ost und West, zwischen
Österreich und Frankreich, verlief nun unmittelbar vor den
Toren von Freiburg. Die vorderösterreichische Regierung,
gezwungen, ihren Sitz neu zu installieren, wählte dazu das
exponierte Freiburg (und nicht etwa eine
schwäbisch-vorderösterreichische Stadt). Freiburg sollte
zugleich, Breisach gegenüber, zum habsburgischen Brückenkopf
ausgebaut werden. Dazu kam es aber nicht, denn mit der neuen
Regierung waren spitzfindige Schwierigkeiten ins Freiburger
Gehege eingerückt. Die Freiburger Stadtväter waren über die
Ehrung aus Wien keineswegs beglückt, es waren nämlich alle
Regierungspersonen von der städtischen Gerichtsbarkeit und
allen öffentlichen Lasten befreit ! Diese hatten auch bei
Umzügen und Prozessionen den Vortritt vor den Spitzen der
Stadt. Die ursprünglich 28 Regierungsmitglieder wuchsen schon
bald mit allen Bediensteten auf das Vierfache an. Gewisse
Formalitäten setzten einen Stachel zwischen Regierung und
Stadt. Der Stadt kam es schwer an, „Euer Gnaden” zusagen statt
bloß „Herr“. Die Regierungsmitglieder schädigten die Stadt,
indem sie das Jagdrecht verletzten und alte Stadtrechte nicht
anerkennen wollten. Der absolutistischen Bürokratie war die
bürgerliche Freiheit und Selbständigkeit ein Dorn im Auge. Der
Freiburger Historiker Hefele sagt: „Der Fortifikationsplan und
seine Ausführung, die militärische Verfügung über Schloß und
Stadt, die Ordnung der städtischen Miliz, die Einquartierung
und Verpflegung der Soldaten, alles das und noch vieles andere
führte zu Streitigkeiten mit dem Stadtkommandanten ... Es
herrschte ein förmlicher Kriegszustand zwischen Stadt und
Regierung, während der Wiener Kaiserhof dauernd zu vermitteln
suchte.”
Solchermaßen im Innern uneins, konnte unmöglich das gedeihen,
was nötig gewesen wäre, um die Stadt vor dem französischen
Zugriff zu schützen. Denn Ludwig XIV. brachte mit seinem
zweiten Eroberungskrieg die ganze Rheinflanke in Unsicherheit.
Der Oberrhein war bedroht, Freiburg in Gefahr. Die Garnison
mußte erhöht werden, was neue Streitigkeiten auslöste.
Ungeachtet dessen blieb die Freiburger Bürgerschaft
habsburgisch gesinnt, während ein Teil derAdeligen Frankreich
zuneigte. Überraschend erschienen dann die Franzosen am 9.
November 1677 mit einer Armee vor der Stadt. Dem Kommandanten
gebrach es völlig an Entschlußfähigkeit und Tatkraft; auch
Regierung und Adel versagten, schließlich erlahmte auch die
Bürgerschaft und kapitulierte. Nach Tagen Belagerung, am 17.
November 1677, zogen die Franzosen in Freiburg ein - und
verließen es erst 21 Jahre später wieder, am 11. Juni 1698.
Freiburg und das Dreisamtal waren französisch geworden. Die
vorderösterreichische Regierung zog sich derweil nach Waldshut
zurück. (20)
Erst durch den Frieden von Rijswijk (1697) fiel Freiburg mit
seinem Hinterland wieder an Österreich zurück. Wie aber hatten
die Franzosen inzwischen die Stadt verändert ! Kein Geringerer
als der berühmte Festungsbauer Vauban hatteh unter Aufgebot
von Riesensummen die Stadt verwandelt in eine Festung ersten
Ranges. Alle Vorstädte waren niedergelegt und an deren Stelle
8 Bastionen errichtet worden, von denen heute noch die Hügel
an der Universitätsmensa, am Stadttheater und am
Colombischlösschen als Reste zeugen. Die Festungsbauten waren
offenbar auf höchsten Befehl vorangetrieben worden, denn
Louis, der Sonnenkönig selbst, hatte sich durch einen Besuch
in Freiburg mit seiner Gemahlin im Oktober 1681 davon
überzeugt.
Die Franzosen setzten sich nachher noch zweimal, wenn auch nur
kürzere Zeit, in Freiburg fest: Von November 1713 bis Januar
1715 und schließlich von November 1744 bis April 1745.
Freiburg erobern, hieß für Frankreich das Tor zum Schwarzwald
aufbrechen und damit den Durchgang nach Süddeutschland
erzwingen. Die kaiserlich-österreichischen Truppen krallten
sich am Schwarzwaldrand ein: Überm Höllental hoch schob sich
quer vom Feldberg herüber zum „Hohlen Graben“ beim Turner ein
Schanzriegel. Die Namen "Kaiserwacht” und „Piketfelsen“ (über
Falkensteig) zeugen heute noch von diesen Verschanzungen — zu
denen die Bauern des Tals die Fronarbeiten leisteten ! Die
Bauern mußten aber auch wehrbereit sein. Ihr Aufgebot hieß
(1702):„sobald die Sturmglock geschlagen wird, (soll) ein
jeder, der sich wehren kann, so Meister als Knecht und Söhn,
bey Straf Confiscation aller Güeter und ewiges Landesverwisen,
mit habendem Gewehr, in dessen Ermanglung mit Hauen,
Schauflen, Gablen oder dergleichen Instrumenten an das
assignierte Ort oder Sammelplatz laufen.“
Aus der Belagerung von Freiburg 1744 durch die Franzosen ist
eine Groteske zu berichten, die schon sehr modern anmutet.
Ludwig der XV., der Nachfolger des Sonnenkönigs, saß im
Kageneckschen Schloß in Munzingen (das die Franzosen bereits
erobert hatten) und ließ seinen Marschall Coigny wissen, daß
er sich dessen Beschießung der Stadt Freiburg ansehen wolle.
Dafür schien eingünstiger Aussichtspunkt der Lorettoberg. Also
traf der französische Marschall mit seinem Gegner, dem
Freiburger Stadtkommandanten, ein Abkommen, daß an diesem
schönen Oktobertag die Freiburger Kanonen den Lorettoberg zu
verschonen hatten, damit dem König nichts passiere; Marschall
Coigny hingegen versprach, in dieser Zeit den Münsterturm
nicht zu beschießen. Kriegskunst als Schauspiel ! — Als die
Franzosen diesmal 1745 die Stadt verliessen, schleiften sie
sämtliche Festungsbauten wieder und hinterließen die Stadt als
unbeschreiblich trostloses Trümmerfeld.
Die heftige Rivalität zwischen Habsburg und Frankreich sollte
zunächst eine Beruhigung finden, als sich die dynastischen
Häuser entschlossen, die politischen Fäden durch eine Heirat
in einen gleichen Zopf zu legen: durch die Heirat Marie
Antoinettes mit dem französischen Dauphin. Diese Tatsache
spielt für uns insofern eine Rolle, als der Zug Marie
Antoinettes vom Kaiserhof zu Wien an den Hof von Versailles
über die Höhen des Schwarzwaldes durchs Höllental nach
Freiburg führte, von dort über Emmendingen nach Straßburg und
weiter. Es war dies ein Triumphzug, der offenbar über Jahre
hinaus die Phantasie der Talbewohner beschäftigte. Aus diesem
Anlaß wurde die Höllentalsteige zur Straße erschlossen. Der
frühere Saumpfad war unter Fronhilfe der Bauern bereits 1755
verbreitert worden. Die letzten eingreifenden Felssprengungen
wurden jedoch im Frühjahr 1770 durchgeführt, um für diesen
grandiosenBrautzug Platz zu schaffen.
Als der Zug dann am 4. Mai 1770 von Donaueschingen her durchs
Höllental herunterkam, säumte am Himmelreich und das
Dreisamtal hinab was Füße hatte zu gehen und Augen zu sehen
den Weg, um einen Blick des vierzehneinhalbjährigen Bräutchens
zu erhaschen, das wie ein Wesen aus einer anderen Welt
angestaunt wurde -— und wie ein solches in vergoldeter Kutsche
vorüber-glitt. Das Bild war wohl des Staunens wert: Es
entrollte in 21 sechsspännigen Karossen und 36 weiteren
vornehmen Kutschen seine Pracht; gezogen und getragen von 450
erlesenen Zug- und Reitpferden, flanierte die Braut ein
Gefolge von 257 Personen (darunter befanden sich allein 15
Köche und 2 Zuckerbäcker). Das Ereignis hatte für alle
berührten Orte die Flammkraft einesFeuerwerks. Aus Freiburg
wird berichtet, daß dort in der Salzstraße (wo MarieAntoinette
im Haus „Zum wilden Mann“ für zwei Nächte Quartier bezog) alle
Häuser neu gestrichen und erstmalig Hausnummern eingeführt
wurden. Mehrere Triumphbögen wurden errichtet, darunter auch
ein von Christian Wenzinger entworfener, mit 12 000 Lichtern
erleuchtet, ja die ganze Stadt erstrahlte nachts auf
obrigkeitlichen Befehl, einschließlich des Münsterturms bis
hinauf zur Kreuzblume. Die Ratsherren überreichten „mit
gebogenem Knie“ bei der Begrüßungsaudienz als Gastgeschenk der
Stadt und Probe des Freiburger Kunstfleißes der kaiserlichen
Prinzessin Tausend (!) ausgesuchte Granaten. Denn zur
Eigentümlichkeit Freiburgs gehörte die Granatschleiferei, die
später nach dem nahen Waldkirch auswanderte.) In Freiburg
hatte man weder Kosten noch Mühen gescheut, um die
Anhänglichkeit der Stadt an das Haus Habsburg zu bekunden. Als
Kaiserin Maria Theresia später erfuhr, daß die Freiburger
Feiern 62 800 Gulden verschlungen hatten, war sie entrüstet
über die Verschwendung. Daß zu Ehren der Braut auch der
Markgraf und die Markgräfin von Baden aus Karlsruhe
herbeigeeilt waren, große Empfänge stattfanden und abends
„Comedie“ gespielt wurde, ist selbstverständlich. Gefiel der
jungen Braut der pompöse Aufwand, oder wurde ihr auch manchmal
bang ? Eine seltene Äußerung berichtet Thusnelda von
Langsdorff von der Donaueschinger Audienz im Fürstlich
Fürstenbergischen Schloß: „Als sie in Donaueschingen eine
Jugendfreundin, die sich bescheiden zurückhielt, unter den
Wartenden erblickte, eilte sie zu ihr hin, fiel ihr um den
Hals und rief aus: „Ach, Lore, du hier ? Mir ist's als müßte
ich in den Tod gehen.“
Viel weniger feierlich ging es 1777 bei einem Besuch Joseph I.
in Freiburg zu, einem Kaiser, nach dem die
Kaiser-Joseph-Straße benannt ist. Der Kaiser verbat sich alle
Zeremonien, Paraden und Feuerwerke „als Dinge, die ihm nichts
nutzten, andern aber Mühe und Kosten machten“. Zwar gaben die
Studenten und Bürgerstöchter täglich Theatervorstellungen, der
Kaiser aber sah sich keine an, sondern sagte: „Es wäre besser,
wenn die Studenten studierten und die Bürgersmägden zu ihren
Spinnrädern und Hausarbeit gingen.“ Nur an einem Abend zeigte
sich der Kaiser am Fenster, um das Volk zufriedenzustellen.
Als der Fürstabt von St. Blasien, der berühmte Martin Gerbert,
als kaiserlicher Hof-Kaplan sich dem Kaiser für die Festmesse
im Münster anbot, erklärte der Kaiser: „Es sei ihm eins, ob
ein Abt oder ein Kapuziner die Messe lese.”
In diesen Äußerungen spüren wir etwas von dem nüchternen
Reformgeist, aus dem heraus Joseph Il. seine Maßnahmen
leitete. Zwar hatte schon Maria Theresia ab 1745 mancherlei
Gutes und Neues eingeführt, z.B. eine Brandversicherung und
eine einheitliche Grundsteuer, hatte auch das Schulwesen auf
eine neue Grundlage gestellt, hatte Folter und
Hexenverbrennung abgeschafft. Sehr viel einschneidender jedoch
griff Joseph Il. ins soziale und kirchlich-politische Leben
ein. Durch das Toleranzedikt stellte er die christlichen
Konfessionen gleich, führte das Staatskirchentum ein, löste
gleichzeitig zahlreiche Klöster auf und beschränkte die
Feiertage. 1782 hob er auch in entscheidendem Akt die
Leibeigenschaft auf. Ab 1784 durfte kein Grundherr mehr
Frondienst fordern; statt dessen mußten fürderhin Taglöhner
mit festem Lohn bezahlt werden. Man glaube nicht, daß die
wohlgemeinten Neuerungen von der Bevölkerung mit Freuden
aufgenommen worden wären: selbst die Aufhebung der
Leibeigenschaft erregte Unwillen, denn bisher hatten die
Bauern nur ihre Zeit zuopfern, jetzt aber mußten sie selber
Steuern zahlen ! Auch die Einführung der Konskription, einer
Vorform der allgemeinen Wehrpflicht, im Jahre 1786, führte zu
einer Erregung der Bauern. Die Neuordnung des Kirchenwesens
brachte die Gründung von drei neuen Pfarreien im Tal:
Eschbach, Buchenbach und Oberried. Bisher hingen an der
Pfarrei Kirchzarten etwa 40 Gemeinden, Weiler und
Siedlungsgruppen, und da jeder Weiler mit seiner Kapelle
seinen eigenen Patron hatte, gab es im Tal 40
Patroziniumsfeiertage, zusätzlich zu den all-gemeinen hohen
Feiertagen. Dies hörte nun mit einem Mal auf und war nur noch
beschränkt auf die Patrozinien der jeweiligen Pfarrei. Die
Pfarrei Buchenbach wurde 1796 errichtet, und ihr Kirchspiel
umfaßte die Gemeinden Falkensteig, Wagensteig, Unteribental
und Wiesneck.
Manche der Reformen wurden zwar nur mit Murren aufgenommen,
insgesamt aber kamen sie doch den Grundforderungen einer neuen
Zeit soweit entgegen, daß es 1789 der jenseitigen
„Französischen Revolution“ vergleichbar diesseits des Rheins
einer „Österreichischen Revolution“ an Zündstoff gebrach. Dem
französischen Revolutionsheer unter Moreau gelang übrigens ein
letztes Mal kurzfristig die Eroberung von Freiburg (Juli 1796)
und sogar der Übergang über den Schwarzwald ins Schwäbische
hinein; doch wurde Moreau durch Erzherzog Karl zum Rückzug
gezwungen. Fluchtartig zwängte sich das französische 40
000-Mann-Heer im Oktober 1796 durchs Höllental zurück an den
Rhein, um sich ins Elsaß abzusetzen.
Schließlich griff Napoleon auf dem Höhepunkt seiner Macht
entscheidend in die Geschicke am Oberrhein ein. Er diktierte
durch den Frieden von Pressburg (25. 12. 1805) eine neue
Landverteilung, derzufolge er den Breisgau dem Kurfürsten
(späteren Großherzog) Karl Friedrich von Baden-Durlach
zuschlug. „Mit Schmerz vernahmen die Ständeglieder diese
Verkündigung; der ... Präsident brach in Tränen aus. Stimmen
des Erstaunens, der Entrüstung ... erhoben sich.“ Aber
Proteste wie Bittschriften nützten nichts: mit der 400 Jahre
währenden Herrlichkeit Österreichs am Oberrhein war es
endgültig vorbei, Freiburg und sein Gebiet gehörten von da an
zu Baden! Noch 1814 machten Spitzen der Stadt (der
Oberbürgermeister, 6 Stadträte, einige Professoren, eine
Gruppe Adeliger des Breisgaues) einen an Hochverrat grenzenden
erfolglosen Versuch, die Rückgliederung an Österreich
durchzusetzen. Man fühlte sich damals in seiner Treue zu
Österreich durch den Anschluß an Baden genauso verletzt, wie
sich Mitte unseres Jahrhunderts, in den fünfziger Jahren die
„Altbadener“ in ihrer Treue zum „angestammten”
(Großherzogtum-) Baden verletzt fühlten durch den Anschluß an
Württemberg, d.h. die Zusammenlegung in den Südweststaat.
Der Wiesnecker Grundherr, Graf Wilhelm Josef Xaver von
Sickingen, zog die Konsequenz daraus, gab seinen
mehrhundertjährigen Adelssitz Ebnet auf und wanderte nach
Österreich aus. Er nahm nach kurzem Übergang Sitz in Wien.„Die
Grundherrlich von Sickingische Verwaltung wurde am 2. 9. 1809
aufgehoben, die 5 Höfe in Eschbach dem Stabsamt St. Peter, das
Rittergut Ebnet, das Lehen Wiesneck samt Schwabs und Erlacher
Hof und die Güter auf dem Falkenbühl beim Meierhof Baldenweg
dem Oberamt Freiburg zugetheilt“,verkündet das Regierungsblatt
1809 S. 335.
Von da an begann die Zusammenfassung kleinerer Siedlungsteile
zu größeren Ortschaften. Im Zuge einer solchen Umbildung
verfügte der Großherzog Leopold von Baden am 3. August 1837,
daß die bisher selbständige Gemeinde Wiesneck in die Gemeinde
Buchenbach aufgelöst wurde. Sie hatte 130 Einwohner. -
Wiesneck existiert seither nur noch als "Ruine', 'Gemarkung'
und als Ortsteil von Buchenbach, nicht zuletzt dadurch, daß
der Name getragen wird von der Siedlung Wiesneck, die als
„Landhaus-Kolonie“” am Fuß des Burgberges im Bereich der alten
Wiesnecker Mühle 1911 durch den Unternehmungsgeist dreier
geschäftstüchtiger Naturfreunde aus Freiburg gegründet ward,
seither heranwuchs und in sich abgeschlossen das ehemalige
Wiesentälchen füllt.
Verweise im Text:
(2) Werner Vogler, Die Wiesneck ein mittelalterliches Lehen
des Klosters St.Gallen ? In: Kelten und Alemannen im
Dreisamtal. Beiträge zur Geschichte des Zartener Beckens.
Konkordia Bühl/Baden 1983
(3) Die
Burg Wiesneck und die Eroberung des Breisgaus durch Bertold
II. im Jahre 1079 Wir zuvor in: Kelten und Alemannen im
Dreisamtal.
(4) Im "Jahresband 1941 der Oberrheinischen
Heimat", Seite 130
(5) So sagt es die Schlußfolgerung von Prof. Schmid in
seinem Wiesneckartikel S. 138
(6) Max Weber im Kirchzartenbuch S. 187 - Hier der
vollständige Titel des Buches: Kirchzarten .
Geographie-Geschichte-Gegenwart. Festbuch zu
Zwölfhundertjahrfeier, herausgegeben von Günter Haselier.
1966, Selbstverlag der Gemeinde Kirchzarten. Darin der
Geschichtsteil bearbeitet von Max Weber.
(7) Im Kirchzartenbuch S. 188-90
(9) Hugo Ott, Überlegungen zur Besiedlungsgeschichte des
Zartener Beckens und des Wagensteigtals. In: Kelten und Alemannen im Dreisamtal. S.
150
(10) Hugo Ott, wie (9), S. 148
(11) ebenda S.149. Die Urkunde (in Latein)
befindet sich im Stadtarchiv Freiburg. SM 4
(12) wie (9), S. 148
(13) Hermann Nehlsen, Die Freiburger
Patrizier-Familie Snewliin,
Freiburg/Br. 1967, Wagnersche
Universitätsbuchhandlung Karl
Zimmer, S. 86-87
(14) Nun folgen wiederholt Auszüge
aus Josef Bader, Die Burg Wiesneck,
in "Schauinsland", Blätter für
Geschichte, Sage, Kunst und
Naturschönheiten des Breisgaues,
Jahrgang 1877, S. 49-61
(15) Die reichen Herren Snewlin",
Extrakt einer Dissertation, Badische
Zeitung 24.6.1965
(16) Aus dem Buch wie (13), S. 137
(17) In der Darstellung dieses
Kapitels folge ich weitgehend Max
Weber, Kirchzartenbuch, S. 222-225
(18) Michael Benz, Sickingen
Bildnisse, München 1985. S. 111-114.
(19) in "Dreisamtäler
Wochenspiegel", Kirchzarten, vom
1.9.1994
(20) Bis hierher folgt dieses
Kapitel den Fakten bei Friedrich
Hefele, Freiburg als
vorderösterreichische Stadt, in: Der
Breisgau, Jahresband Oberrheinische
Heimat o.J. (1942) S. 276-78. Bei
Hefele findet sich auch (S. 283) der
Passus vom Besuch Joseph II. in
Freiburg. Der übrige Teil fußt auf
Max Weber im Kirchzartenbuch S. 352,
355-57, 361, 368-69, 386. Den
Brautzug Maria Antoinettes über den
Schwarzwald durch das Höllental nach
Freiburg beschreibt außer M. Weber
S.358 auch, Thusnelda von
Langsdorff, Maria Antoinette in
Baden, Badische Heimat 1952, Heft 4.