in: Aus der Geschichte
von Wiesneck von
Rudolf Geiger
Selbstverlag
1995
Wir ergänzen unsere bisherigen Abschnitte zur Chronik von
Wiesneck, indem wir zusammentragen, was uns von
Geschichtsereignissen aus weit früheren Zeitläufen als
bisher betrachtet, bekannt ist. Führte uns die erste
urkundliche Erwähnung der Burg (1079 n. Chr.) ins hohe
Mittelalter, müssen wir diesmal den Sprung um mehr als ein
weiteres Jahrtausend zurück wagen: kurz vor die Zeitwende,
in jene abklingende Hochblüte keltischer Eisenkultur, die
die Altertumswissenschaft die Latene-Zeit nennt (500 v. Chr.
bis um Christi Geburt). Da existierte ein Ort TARODUNUM, und
er ist in einem gewichtigen Werk der Römerzeit verbürgt. Daß
dieses so fern vermerkte keltische Tarodunum uns räumlich so
nahe liegt, noch näher als die Burg in unserem Rücken,
machen sich die wenigsten Wiesnecker bewußt, wenn sie aus
den Aufenthaltsräumen der Klinik ins Dreisamtal schauen. Die
Keltensiedlung beginnt gleich hinter dem Hochufer des
Wagensteigbaches; das „Gasthaus Schlüssel” liegt schon
innerhalb der Siedlung; ebenso liegen die beiden Höfe
(Wanglerhof / Vogtshof), die uns über den Bach
herübergrüßen, auf Tarodunumboden. Den Verlauf der Siedlung
zeigt die wiedergegebene Karte. Erhalten von ihr ist an
deutlich demonstrierenden Bauwerken nichts, und doch gelang
es Forschern anhand einer Reihe von Merkmalen eindeutig, die
Existenz der Siedlung an dieser Stelle zu erhellen. Wer
Spürsinn für Entdeckungen hat, kann erregend nacherleben,
wie lange es dauerte und welche Wendungen wissenschaftlichen
Scharfsinns notwendig, letzten Endes aber glückhafte
Einfälle beim Vertiefen in das Tarodunumproblem entscheidend
waren, bis zwischen dem in Ägypten um 150 n. Chr.
auftauchenden Ortsnamen POLIS TARRODUNUM und dem Fleck Erde
vor unserer Nase der Bogen sicherer Übereinstimmung
geschlagen werden konnte.
Es verlief so: An der Akademie in Alexandria, der führenden
des Altertums, wirkte im zweiten Jahrhundert n. Chr. der
ägyptische Astronom, Mathematiker und Geograph Ptolemaios,
lebend von etwa 85 bis 160 n. Chr.. Er faßte das gesamte
damalige Wissen über die Erscheinungen am Himmel und auf
Erden in systematischen Werken zusammen, die dann bis zum
Beginn der Neuzeit Geltung hatten. Seinen astronomischen
Zuordnungen und Einsichten verdanken wir das „Ptolemäische
Weltsystem“ — daß die Erde im Mittelpunkt der Welt ruhe und
von den sieben Planeten, auch der Sonne, umkreist werde.
Erst Kopernikus hat Ptolemaios entthront. Neben weiteren
Werken verfaßte Ptolemaios auch eine „Geographie“, d.h.
tabellarische Bücher einer „Anleitung zur Erdbeschreibung“,
in denen er nach Landschaften gegliedert 8000 Orte Asiens,
Afrikas und Europas aufzuzeichnen wußte. Man darf annehmen,
daß keine wichtige „Stadt“ der damals bekannten Welt
vergessen war. Nun beginnt jene Tabula, die den 4.
Landstrich (Klima) Europens behandelt, mit POLIS TARODUNUM,
fährt fort mit ARAE FLAVIAE, dem heutigen Rottweil, usw. Da
Ptolemaios seinen Tabellen jedoch keine Landkarte beigefügt,
sondern die Lage der Orte nur nach Längen- und Breitengraden
angegeben hat, blieb es den späteren Geographen überlassen,
entsprechende Karten nachzuzeichnen.In dieser Art versuchten
es 1525 Willibald Pirkheimer und Johannes Regiomontanus.
Solche Karten mußten ungenau geraten, zumal Ptolemaios
TARODUNUM lokalisierte „nahe der Donauquelle, unweit des
Rheins, Schwarzwalds (Abnoba mons), nördlich der
Helvetierwüste“ - da blieb ein weiter Spielraum. Schließlich
rätselte man um die Freiburger Bucht herum, ohne einen
Anhalt zu haben. Erst der Naturforscher Lorenz Oken traf
1815 auf eine überzeugende Fährte. Er ging das Problem nicht
von der geographischen, sondern von einer bisher
unbeachteten Seite an: vom Lautlichen der Sprache her.!hm
fiel der Name Zarten im Dreisamtal auf. Wir zitieren aus dem
Kirchzartener Festbuch (S. 65/66):
Es war (um 1815) die Zeit, in welcher gerade Franz Bopp die
indogermanische Sprachgemeinschaft entdeckt hatte. Wendete
man die neu erkannten Sprachgesetze an, so mußte das T von
Tarodunum ebenso zu einem Z werden wie die germanischen
Formen „ten“ und „two“ zu hochdeutschem „zehn“ und zwei“
wurden oder entsprechend das römische „tegula“ nach der
althochdeutschen Lautverschiebung (um 500 n. Chr.) bei uns
als „Ziegel“, „Tabernae“ als „Zabern“ weiterlebten. — Eine
weitere sprachliche Gesetzmäßigkeit läßt sich bei der
Wortbetonung erkennen: Die Germanen legen das Hauptgewicht
auf die erste Silbe. Infolge dieser starken Erstbetonung
werden die folgenden Silben vernachlässigt, sie verlieren
zuerst die volle Färbung ihrer Vokale, schließlich können
diese überhaupt wegfallen. Nach diesen beiden Gesetzen mußte
also auch ein Tarodunum zu (Zar(e)duna), Zàrduna, Zàrdene,
und schließlich zu Zarden oder Zarten werden, wobei im
alemannischen ohnehin kaum ein Unterschied zwischen d und t
besteht...“
Mit urkundlichen Belegen bekräftigte schon drei Jahre nach
Oken der Forscher Leichtlen 1818 den sprachlichen
Zusammenhang. Damit war, wenn auch vorerst abstrakt so doch
einleuchtend hingewiesen, daß Tarodunum im Dreisamtal
gelegen haben muß, da in Zarten und Kirchzarten noch seine
Sprachessenz steckt. Wo aber lag es nun wirklich ? Gab es
auch einen Bodenbeweis ? Etwa beim Dorf Zarten selbst ? Dort
deutete nichts darauf hin. Oder galt das ganze breite
Dreisamtal, Zartener Becken genannt, als Tarodunum ? Eine
solche Annahme wäre nur eine verschwommene Lösung gewesen.
Denn die Namensendung -dunum bedeutet „das Umschlossene”.
(Dieses Dunum steckt heute noch in dem englischen Wort town
= Stadt wie in unserem deutschen „Zaun“.) Es mußte eine
umschlossene Siedlung vorhanden gewesen sein. Wo gab die
Gegend eine solche Möglichkeit her?
Die Frage blieb offen, wiederum lange Jahrzehnte. Erst mit
der Wende unseres Jahrhunderts, 1901, fanden zwei Freiburger
Althistoriker, Fabricius und Leonhardt, das schlüssige Glied
— und sie gingen abermals von einem Namen aus ! Sie sagten
sich: Wenn eine Gemarkung einen „Heidengraben“ hat, hat das
gewöhnlich seine Gründe weit in der Vergangenheit. Und
zwischen Buchenbach und Himmelreich gab es einen solchen
„Heidengraben“. Er zog sich am östlichen Ende des
Dreisamtales, am Rand als leichter Wall, gegen die Mitte als
leichte Mulde erkennbar, vom Gasthaus „Schlüssel“ bis
hinüber zum Gasthaus „Rainhof“ quer durch die Felder, im
vorigen Jahrhundert weitgehend verebnet der besseren
Bewirtschaftung wegen. Mitten in den Feldern (wo sich die
Gemarkungen Buchenbach und Burg berühren) macht der „Graben“
einen leichten Knick. Vielleicht liegt hier der Schlüssel,
(21) sagten sich die Forscher, der Knick könnte ein
wichtiger Punkt sein. Dort setzen sie mit Grabungen ein- und
fanden Befestigungsreste und Reste einer Toranlage.
Fabricius schreibt:
„Durch einen breiten Querschnitt wurde das Profil der
Befestigung festgestellt. Es zeigt außen einen Spitzgraben
von 12 m Breite und 4 m Tiefe, dahinter eine aus mächtigen
rohen Steinblöcken erbaute Mauer, an die auf der Innenseite
ein Wall aus lehmhaltigem Kies und aus dem Graben
entnommenem Geröll angeschüttet war. In seiner gegenwärtigen
Zerstörung macht das Ganze, namentlich die zusammengestürzte
Mauer, den Eindruck eines sehr primitiven Bauwerkes. In der
Kieshinterschüttung der Mauer wurden indes nicht allein
große Mengen von Holzkohlen gefunden, sondern auch, und zwar
an verschiedenen Stellen, in beträchtlicher Anzahl etwa 20
cm lange, schwere eiserne Nägel. Wie der beste Kenner der
prähistorischen Ringwälle in Deutschland, Architekt Thomas
aus Frankfurt a. M., der bei der Auffindung des ersten
dieser Nägel zugegen war, sogleich erkannte, stimmen diese
nach Größe und Form mit den Nägeln vollkommen überein, die
in den gallischen Festungsmauern Frankreichs, z.B. von
Bibracte, gefunden werden. Hiernach kann es keinem Zweifel
unterliegen, daß auch die Mauer von Tarodunum nach
gallischer Weise alternis trabibus ac saxis hergestellt war,
wie es Caesar d.b.g. VII 23 ausführlich beschreibt. In der
Mitte der Ostseite, wo die Spuren des Heidengrabens eine
Unterbrechung vermuten ließen, wurde ein Haupttor
nachgewiesen. Der Graben setzt hier mindestens 30 m weit
aus. Die Unterbrechung der Mauer und des Walls war dagegen
nicht größer als zum Durchlaß der noch wohlerhaltenen, mit
Stickung und Kleinschlag bedeckten Straße erforderlich war.
Das eigentliche Tor scheint von ausspringenden Türmen
eingefaßt gewesen zu sein, die zugleich den Graben
flankieren. Schon nach Verwendung der großen eisernen Nägel
zur Verbindung des Holzbalkengefüges der Mauer wird man
geneigt sein, die Erbauung dieser Befestigung, die ja nicht
die ursprüngliche zu sein braucht, in verhältnismäßig späte
Zeit zu setzen. Dazu stimmen die wenigen, aber
charakteristischen Gefäßscherben, die zwischen Brandschutt
in der Sohle des Grabens angetroffen wurden. Sie gehören der
jüngeren La Tene-Zeit an. Läßt sich hiernach die Zeit der
Zerstörung auch nicht mit Sicherheit bestimmen, so sprechen
doch die bisher gewonnenen Ergebnisse dafür, daß die
keltischen Bewohner von Tarodunum nicht allzu lange vor dem
erscheinen Caesars in Gallien durch die Germanen gewaltsam
vertrieben worden sind.”
Offenbar war demnach der etwa 700 m lange Heidengraben gegen
die Höllentalseite — sozusagen an seiner verwundbaren
Breitseite — der künstlich ausgebaute, wehrhafte Abschluß
eines befestigten Raumes. Mit dieser Entdeckung von
Fabricius trat zugleich die exakte Lage der ganzen Siedlung
mit einem Mal klar hervor: Sie schmiegte sich spitz in das
Geländedreieck, das die beiden Gewässer Wagensteigbach und
Rothbach bilden, bis sie zusammenfließen und von da an
Dreisam heißen ! Und siehe, nun fiel den suchenden Blicken
der Kundigen allenthalben an den Hochufern dieser Terrasse
die weitgehend künstliche Böschung auf; sie fällt 6 bis 10 m
tief und zum Teil sehr steil ab. Man fand nach und nach beim
Rainhof, beim Gasthof „Birke“, beim Brandenburger Hof, auf
dem Böschungsrand sitzend, Bruchstücke einer Frontmauer, die
aus großen, unbehauenen Geröllen von oft kyklopisch zu
nennenden Ausmaßen errichtet wurde und gelegentlich auch
eine klare Innenfront auf-weist“, wie Franz Fischer, einer
der besten Kenner von Tarodunum, sagt.
Die Siedlung umschließt 190 ha Land. Man muß 6 km Fußmarsch
auf sich nehmen, sie zu umwandern. Die einstige
Schotterfläche füllt heute Ackerland. Nur am Hochrand zu den
Gewässern hin stehen die genannten Höfe und Behausungen,
wozu auch der Pfisterhof und der Markenhof an der
Nordwestflanke kommen. Nichts verrät inwendig der Ebene
etwas von Tarodunum und seinen Kelten - außer einer
baumbewachsenen Steinaufschüttung am Rand der Sportplätze,
mehr als hundert Meter lang, die kein Forscher eigens
erwähnt. (Sie ist auf der Karte eingezeichnet.) Sie läuft
parallel dem Heidengraben, nur eben viel weiter innen, als
wäre dort nochmals ein innerer Bezirk innerhalb der
Fliehburg abgegrenzt worden.
War es nun eine Siedlung mit festen Behausungen oder nur
eine Fliehburg in Zeiten kriegerischer Verteidigung ?
Darüber besteht bis heute kein einhelliges Urteil. Für nur
eine Schutzstätte spricht der Umstand, daß man bis jetzt
innerhalb des Siedlungsfeldes keine keltischen Hausanlagen
zu entdecken vermochte. Fabricius machte beim Ausgraben der
Toranlage nur vereinzelte Scherbenfunde, die auf die
Spät-Latenezeit hinweisen. Dagegen stieß man1936/37 in der
Nähe des Brandenburgerhofes (inmitten des Geländes von
Tarodunum) auf die Reste zweier später zu datierender
römischer Häuser und die Spur einer alten Straße; eines der
Häuser zeigt die Anlage einer typisch römischen
Fußbodenheizung. Die Römer verwendeten für ihren Hausbau
Ziegel. Sie waren Künstler des Tongefäß- und Ziegelbrennens
- und des Heizungsbaues. Die Kelten bauten wesentlich
natürlicher. Der Römer Strabo (im 1. Jh. n. Chr.) sagt von
ihnen: “Ihre Häuser machen sie geräumig aus Brettern und
Weidengeflecht, kuppelförmig mit einem hohen Dach.”
Die Kardinalfrage bleibt: War Tarodunum Oppidum im Sinne
einer besiedelten „Stadt“, oder doch nur eine Fliehburg ?
Das 1983 erschienene Buch „Kelten und Alemannen im
Dreisamtal” enthält zwei Beiträge, die in leicht
gegensätzlicher Art den neuesten Stand in der Auffassung
dieser Frage wiedergeben. Gerhard Fingerlin, Oberkonservator
beim Landesdenkmalamt Baden-Württemberg in Freiburg, neigt
zu einer gemäßigt positiven Einstellung für eine Besiedlung.
Eingangs charakterisiert er den Begriff Oppidum mit den
Kriterien für die keltische Zeit (S. 28): „Zunächst ist eine
Stadt der Ort, an dem politische Macht ausgeübt wird. Hier
lebt, zumindest zeitweise, die politisch dominierende
Schicht, die Aristokratie. Gleichzeitig liegt hier das
kultische Zentrum des zugeordneten Raumes. Stadt ist also
Wohnsitz insbesondere der höheren Priesterkaste und
Schauplatz großer kultischer Veranstaltungen. Neben dem
politischen und religiösen steht der ökonomische Faktor. In
der Stadt konzentriert sich die handwerkliche Versorgung,
die gewerbliche Produktion. Nur hier findet sich ein
weitgehend spezialisiertes, ... fast zunftartig
organisiertes, in Quartieren zusammengefaßtes Handwerk.”
Bei Tarodunum ist für Fingerlin das Fehlen irgendwelcher
Siedlungszeugnisse aus dem Innenraum durchaus auffällig,
zumal auch beim Entstehen der Birkenhofsiedlung längs der
alten B 31 Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre - und dabei
wurden die Bodenbewegungen seitens der Denkmalpflege
systematisch beobachtet ! — die Grabungen absolut nichts
zutage brachten. Genauso fundlos erwies sich der Erdumbruch
beim Bau der neuen Bundesstraße B 31. Dennoch hält Fingerlin
(S. 38) die Besiedlung, wenn auch in engem Rahmen, für
möglich: „Selbst wenn Tarodunum mit seinen 190 Hektar noch
nicht zu den großen Oppida gehört ... ist doch mit
Sicherheit nur ein Bruchteil dieser Fläche besiedelt
gewesen. Der Mauerring schloß sich eben nicht eng - wie bei
einer mittelalterlichen Stadt - um ein dichtbesiedeltes
Areal, sondern war äußerst großzügig angelegt. Ohne Zweifel
befanden sich innerhalb der Umwallung ausgedehnte
landwirtschaftliche Flächen und damit auch Reserveflächen
für die zeitlich begrenzte Aufnahme nichtstädtischer
Bevölkerungsteile. Auf die Innenbesiedlung zu stoßen, ist
also bei einer Größenordnung, wie sie Tarodunum bietet, von
manchen Zufälligkeiten abhängig, vor allem dann, wenn die
örtlichen Verhältnisse das Auftreten von Oberflächenfunden
erschweren oder unmöglich machen. So erscheint es auch für
die Tarodunumforschung richtiger, diesem negativen Befund
nicht allzuviel Gewicht beizumessen, vielmehr die Argumente
zu beachten, die neben antikem Namen, Art und Größe der
Anlage, Mauer- und Torkonstruktion für ein spätkeltisches
Oppidum in dem‚ schon skizzierten Sinne sprechen. Gemeint
sind die keramischen Funde, die bei der Untersuchung des
Heidengrabens gemacht worden sind.“
Rolf Nierhaus, Professor i. R. für Provinzialrömische
Archäologie an der Universität Freiburg, hingegen rät, mit
dem Begriff Oppidum behutsamer, als gewöhnlich geschieht,
umzugehen. Er sagt (S. 69): 'Polis' (= oppidum) heißt bei
Ptolemaios, zumal in der 'Germania' außerhalb des römischen
Reichsgebiets, jeder Platz, der in seine Namensliste
aufgenommen wurde, unabhängig von Größe und Bedeutung der
betreffenden Siedlung.“ Und er zieht (S. 70) den Schluß:
„Die Vorstellung, daß jede dieser Befestigungen in ihrem
Innern eine 'Stadt' oder doch wenigstens eine Handelsstation
oder dergl. beherbergt haben müsse, muß endlich aus der
Literatur verschwinden. Eine 'Stadt oder stadtartige
Siedlung kann, aber muß keineswegs sich in einem Oppidum
befunden haben; ein Oppidum kann ebensogut als bloßes
Refugium gedient haben oder vielleicht auch als
Fürstensitz.”
Eine Variante könnte sich nun dadurch ergeben, daß sich im
Rheintal weitere, wenn auch bescheidenere als besiedelt
erwiesene Oppida aus spätkeltischer Zeit gefunden haben:
Zunächst war im Breisgau neben Tarodunum nur der
spätlatenezeitliche Handelsplatz bei Breisach-Hochstetten
bekannt gewesen. Neuerdings wurden keltische Oppida entdeckt
auf dem Münsterberg von Breisach, auf dem Limberg bei
Sasbach am Kaiserstuhl, wie auch auf dem Münsterberg von
Basel (so Fingerlin S. 41). Ließe sich daraus schließen, daß
sich das „normale“ Leben der Kelten am Oberrhein zumeist an
der Verkehrsstraße des Rheins abgespielt habe, daß aber im
Notfall im Hinterland, in der Mulde des Dreisamtales die
Schutzstätte für sie bereitstand in Zeiten kriegerischer
Auseinandersetzungen ? Auch wenn Tarodunum „nur“ eine
Fliehburg war, war es eine respektable Gründung. Es bot
Platz für eine vieltausendköpfige Sippe von Mann, Weib und
Kind, mit Rindern und Wagen; ein früherer Betrachter
(Wohlleb) spricht von „Raum für schätzungsweise 80 000
Köpfe“. Schließlich sind sich darin die Forscher einig, daß
Tarodunum mit dem Ende der Latenezeit seine Bedeutung
verloren habe. Franz Fischer sagt in seiner Abhandlung über
Tarodunum: „Ob das erwähnte römische Gehöft den Namen
übernahm, ist nicht zu sagen. Doch muß der Name Tarodunum
bei der einheimischen Bevölkerung weitergelebt haben, so daß
er an die seit dem 3. Jahr-hundert eindringenden Alamannen
weitergegeben werden konnte.“ Gerade wenn es um die
Zeitenwende oder kurz danach schon bedeutungslos geworden
war, bleibt um so merkwürdiger die Tatsache, daß Ptolemaios
in seiner Erdkarte die „Polis Tarodunum“ eintragungswert
befand. Über die einmal schicksalsträchtigen Felder ziehen
heute Pflug und Egge, als sei es nie anders gewesen. Nur
noch im Namen der umgebenden Orte steckt das Geheimnis.Aber
auch da ist es verblichen, und es bedarf einiger Umwege, es
zu entdecken.
Literatur zu Tarodunum:
Franz Fischer, Beiträge zur Kenntnis von Tarodunum. Badische
Fundberichte, 22. Jg., 1962
R. Halter, Tarodunum zur Römerzeit. Badische
Fundberichte,13. Jg., 1937
Kelten und Alemannen im Dreisamtal, Hg. von Karl Schmid,
Konkordia Verlag Bühl/Baden, 1983. Darin enthalten die
Beiträge: Gerhard Fingerlin, Das keltische Oppidum von
Tarodunum RolfNierhaus, Zur literarischen Überlieferung des
Oppidums Tarodunum.
Kirchzarten