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Ordensschwester Feliciana aus Zarten in Oberschlesien - Schreckenstage 1945 bei Vertreibung und auf der Flucht

Schwester Feliciana

Maria Theresia Dietlicher
geb. 31. Januar 1901 in Zarten bei Freiburg
Salvatorianerin
gest. 26. Februar 1982 in Warburg

Maria Theresia Dietlicher, geb. 1901 in Zarten, hatte sich für das Leben einer Ordensschwester entschieden und 1925 ihre Ordensprofeß abgelegt. An verschiedenen Orten war sie im Lauf der Jahre an Schwesternstationen im Krankendienst und in der Altersbetreuung tätig gewesen. Während des 2. Weltkrieges war sie von ihrem Kloster Donauhof bei Passau nach Oberschlesien beordert worden. In Wies, einem Ort mit etwa 2000 Einwohnern, in der Nähe von Neustadt (Neiße), war sie seit 1 ½ Jahren, als im Januar 1945 der Krieg auf das Land zurollte und große Flüchtlingsströme vorbeizogen. Die eigene Flucht wurde nun selbst auch wahrscheinlich und Vorbereitungen dazu wurden getroffen. Über die nachfolgende Vertreibung und Flucht hatte sie einen 12 seitigen Bericht in Schreibmaschinenschrift in einem Brief ihrer inzwischen verstorbenen Nichte Maria Klautschek zukommen lassen. Der Bericht ist ohne Datum, aber handschriftlich von Schwester Feliciana unterzeichnet. Im Jahr 1982 ist sie verstorben.

Vermutlich hat sie diese Aufzeichnungen auf Wunsch und Auftrag ihres Ordens zusammengestellt. Dieses Dokument ist ein erschütterndes Zeugnis über die Leiden, die Verzweiflung, das Elend und die fast unvorstellbaren Verbrechen mit Gewalt und Mord an Menschen. Dabei ist der 26. Januar1945 mit dem Durchzug von etwa 8000 KZ-Häftlingen mit fortdauernden Erschießungen entkräfteter Gefangener das grauenvollste Datum des erschütternden Berichtes. Unter zunehmender Kriegsgefahr vergingen weitere Wochen mit vorbeiziehendem Flüchtlingsstrom. Eindringlich schildert sie die täglich wechselnden neuen Sorgen und Gefahren bei winterlichem Wetter und die fast aussichtslose und verzweifelte Situation der Dorfbewohner, die nur noch Trost und Hoffnung in ihrem christlichen Glauben fanden.

Als die Kriegsfront mit Artilleriebeschuß das benachbarte Neustadt erreichte, begann die allgemeine Flucht am 18. März über das Bergland an der tschechischen Grenze. Grauenhafte winterliche Straßenverhältnisse hinderten den Flüchtlingsstrom, der über Jägerndorf in Richtung Mährisch-Trübau führte. Entbehrungsreiche Tage mit qualvollen Fußmärschen folgten bis endlich von Liebau aus ein Weitertransport mit der Eisenbahn möglich wurde. Über Prag (am 5. April 1945) und Pilsen konnte Schwester Feliciana dann am 6. April 1945 Fürth i. W. erreichen und von dort am 7. April wieder in die Ordensheimat „Donauhof“ bei Passau zurückfinden, von wo sie 17 Monate zuvor nach Oberschlesien geschickt worden war.

Der überlieferte Bericht über das grauenvolle Ende des 2. Weltkrieges ist nicht nur ein wichtiges Zeitzeugnis, sondern auch eine eindringliche Kundgebung für die Kraft und den hohen Wert einer tiefen religiösen persönlichen Verbundenheit im christlichen Glauben. Nur in dieser Gesinnung konnte sie diese schweren Prüfungen aushalten und überstehen ohne zu verzweifeln.

Zum selben Zeitpunkt dieser grauenvollen Ereignisse, die von Schwester Feliciana in Einzelheiten geschildert wurden, befand sich der Bruder Max Dietlicher als Soldat im Osten vermutlich unter ähnlich schrecklichen Verhältnissen bereits in russischer Kriegsgefangenschaft. Er hat bis zu seinem Tod leider niemand davon berichtet.

Der 12 seitige Bericht in Maschinenschrift ist heute im Besitz von Hildegard Roth in Zarten, einer Nichte der Schwester Feliciana. Diese hatte diese Dokumente an einem nicht mehr feststellbaren Datum ursprünglich an die schon verstorbene ältere Schwester Maria Klautschek geschickt.

Schwester Feliciana: Schreckenstage 1945
auszugsweise wörtlich
(Fridolin Hensler, Kirchzarten 2014)

S. 1

Am Abend des 6.1. sangen wir im gemütlichen Kreise Weihnachtslieder beim Scheine des schimmernden Christbaumes. - Noch ahnten wir nicht, welch unheilvollen Tage schon bald über unser liebes Schlesien hereinbrechen sollten.

Am 12. Januar erzwangen die Russen den Durchbruch durch die deutsche Ostfront. Über den Ernst der Lage waren wir noch keineswegs informiert.

Am 18.1. wurden bei uns in Wiese die beiden Volksschulen geschlossen und Sanitäter (schon von der Ostfront kommend) wollten sich häuslich niederlassen. Doch schon am 19.1. hieß der Befehl für sie: weiter zurück nach Westen. In die Schule kam nun der Volkssturm.

Am Sonntag, den 20. 1. kamen in unsern Ort die ersten Flüchtlinge. In den folgenden Tagen wurde das Bild der Straße immer trauriger.

S.2

Am Feste Pauli Bekehrung (25.Jan.) wurden wir früh morgens durch eine furchtbare Detonation geweckt, die sich 16 mal wiederholte. Das ganze Haus wurde sehr erschüttert; Fenster klirrten und Türen sprangen auf, der Kalk fiel von den Wänden . . . Im Nordosten glich der Himmel einem Feuermeer . . . . Doch in Bälde wurde bekannt, daß die unheimliche Detonation verursacht wurde durch die Sprengung der großen Munitionsfabriken von Krappitz, die ca 40 km von uns entfernt liegen.-

In der Frühe des 26.1. setzte ein furchtbares Schneetreiben ein. Was wir bisher auf der Straße an großer Not und Elend sahen, wurde an diesem Tage um vieles überboten. Eine unabsehbare Kolonne (-8000-) Gefangener aus dem berüchtigten Konzentrationslager Auschwitz wurde vorbeigetrieben. Ein Wachposten, der bei uns Medizin verlangte, versicherte uns, daß diese Leute schon vier Tage ohne jede Nahrung seien. War es nicht zu verwundern, daß sie, durch den langen Marsch, kaum notdürftig gekleidet, fast barfuß bei diesem hohen Schnee, der großen Kälte und des ständigen Schneetreibens entkräftet in sich zusammenbrachen. Niemand durfte sich um diese armen Menschen kümmern, ihnen Hilfe bringen. Wenn sie umfielen wurde sie unbarmherzig und

S. 3

schonungslos von der barbarischen SS niedergeknallt. So lag alle 20 Meter auf der Straße ein Opfer dieser „Bestien“ in einer Blutlache. Dieser Tag war überaus dunkel. Unser Mittagessen blieb unberührt stehen. Die Natur hatte mehr Erbarmen und breitete wenigstens über die Leichen ein Leichentuch aus. Nach vier Tagen warf man die Toten in die Trichter, welche die Amerikaner am 17.12. – 400 Meter von unserm Haus entfernt – bei einem Großangriff geschaffen hatten.


Es schneite immer wieder, auch die Kälte nahm zu. Am Sonntag den 18.1. kam Sr. Coeline so aufgeregt aus dem Hauptgottesdienst zurück, daß sie mich ganz erschreckte. Auf der Hauptstr. begegnete sie einem Trupp Gefangener – plötzlich 10 Meter vor ihr fiel ein Schuß, leise wimmernd sank der Getroffene auf der Straße in den Schnee. An demselben Sonntagmorgen wurden im Schloßhof acht Mann erschossen. Diese Erschießungen dauerten auch in den folgenden Tagen an, immer wieder vernahm man einzelne Schüsse. Wer wird all das unschuldig vergossene Blut sühnen ?

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Am Montag den 12. 2. Sagte man uns, daß die Aufforderung zur Evakuierung aller bekannt worden sei. Innerhalb von 3 Tagen sollte alles geräumt sein. So ohne weiteres war die Bevölkerung damit nicht einverstanden. Zu Mittag wurden uns sie Umquartierungsscheine gebracht. . . . Wir wollten auch auf keinen Fall vor den Wiesener Leuten „wegmachen“.

Am 14.3. erhielten wir als Einquartierung Oberleutnant Füßlein. Tags darauf setzte an der Front ein furchtbares Trommelfeuer ein, das den ganzen Tag dauerte. Immer wieder hörte man dazwischen die „Stalinorgel“ (Sie bewirkt 36 Schüsse auf einen Schlag).

S.5

Man hörte, daß Neiße – von uns 23 km entfern - unter feindlichem Feuer gelegen hat und arg brennen würde. Nun wurde die Lage bedenklicher. Man verrichtete wohl noch die gewohnten Hausarbeiten, aber eigene Gefühle regten sich. . . . Die Krankenschwester kam aufgeregt nach Hause, die Schießerei kam immer näher und wurde heftiger. Das Mittagessen wollte nicht schmecken.

Der ganze Stab saß mit dem Oberleutnant zusammen und keiner verriet, was in 2 Stunden über uns hereinbrechen sollte. Um 5 Uhr erhielten die Soldaten Befehl, sofort sich fertig machen „es ginge in Einsatz“. Unbemerkt machte sich unser Oberleutnant davon, ich sah ihn nicht wieder.

S. 6

Jede der Schwestern hatte 2 Koffer, alles andere mußte bleiben. Inzwischen wurde es vollkommen dunkel. Auf der Straße hörte man nur ein Schreien und Lamentieren, es war kaum zum Durchkommen, so viel ausweichendes Militär, Flüchtlinge etc hielt sich da auf. Nicht einmal ein Streichholz durfte brennen, dafür leuchtete der ganze östliche Himmel, was große Brände in Neustadt ahnen ließ. Das furchtbare Krachen und Einschlagen der Geschosse ringsum war schrecklich. Ich lief noch zweimal nach Hause. Daß der Abschied von unserm liebgewordenen Heim nicht allzu schwer wurde, - war gesorgt - es blieb dafür keine Zeit – alles mußte eilig gehen. Was konnte auch uns Schwestern widerfahren, was brauchten wir zu fürchten ? Hatten wir nicht den besten Reisebegleiter, den Heiland selbst, bei uns! Er verlieh uns auch große Ruhe, Kraft, Mut und das sichere Gefühl der Geborgenheit. Dafür sei ihm ewig Lob und Dank gesagt.


Der vorliegende Bericht wurde zusammengestellt von Fridolin Hensler im Januar 2014.


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Max Dietlicher wurde 1942 Soldat

Max Dietlicher (geb. 1903) betrieb mit seiner Frau Frieda (1901 geb. Weber) eine kleine Landwirtschaft in Zarten, die mit etwa 7 Stück Großvieh und viel Arbeit verbunden einen kärglichen Lebensunterhalt ermöglichte und nicht Unwetter oder Krankheit dazwischen kamen.

Fünf Kinder waren auf der Welt, als der 2. Weltkrieg ausbrach. Maria war 1933 geboren, Berta 1934, Josef folgte 1935 und Alois 1937. Hedwig erblickte das Licht der Welt 1938. Der Tag vor der Geburt der jüngsten Tochter Hildegard am 10. Mai 1940 verlief sehr dramatisch. Nachdem zu Beginn des Jahres eigentlich nichts zu verspüren war, begann am 10. Mai 1940 der große Angriff zum „Frankreichfeldzug“. Damit verbunden war ein Luftangriff deutscher Flugzeuge, der versehentlich Freiburg traf. Wegen schlechter Sicht war die Navigation zur Zielfindung schwierig und deshalb fielen die Bomben auf Freiburg im Gelände westlich vom Bahnhof.

Zu diesem Zeitpunkt war die hochschwangere Frieda Dietlicher in Freiburg unterwegs, weil sie unbedingt Einlagen für ihre Schuhe brauchte. Darum war sie nach Freiburg gegangen und wurde dort am Vormittag von der Bombardierung überrascht, als sie auf dem Heimweg in der Nähe vom Holzmarkt war. Dort suchte sie Schutz in einem der vielen Schutzräume, bevor sie sich auf den Heimweg nach Zarten machte. Am Tag darauf kam Hildegard bei einer Hausgeburt mit Unterstützung der Hebamme zur Welt. Es war der 11. Mai 1940, der Samstag vor Pfingsten.

Die Einberufung des Vaters war eine schwere Last. Arbeitskräfte waren kaum zu finden. Der Großvater lebte zwar noch, aber bereits im hohen Alter. Er starb kurz nach dem Kriegsende. Die Mutter mit den 6 Kindern war mit Arbeit im Stall und auf dem Feld gewaltig überfordert. Nachbarschaftliche Hilfe konnte nur selten in Anspruch genommen werden. In größeren landwirtschaftlichen Betrieben wurden teilweise Kriegsgefangene oder Fremdarbeiter eingesetzt, die jeweils am Abend wieder in die Sammelunterkünfte gehen mußten.

Max Dietlicher war zuerst in Straßburg zur Einkleidung, Ausrüstung und militärischen Grundausbildung. Dort habe ihn die Mutter auch einmal besucht und sei zu diesem Anlaß zuvor extra noch zum Friseur gegangen. Von einem Urlaubsbesuch in Zarten scheint ein Foto zu stammen, das Max Dietlicher in Uniform zusammen mit seiner Frau vor dem eigenen Haus zeigt.

Über seine weiteren Aufenthaltsorte, auch über den Zeitpunkt und den Ort seiner Kriegsgefangenschaft gibt es keine Unterlagen. Über seine Kriegsgefangenschaft habe er als Ortsangabe nur „an der sibirischen Grenze“ verlauten lassen. Die Rückkehr des Vaters zu Hause 1947 kam anscheinend überraschend.

Von einem Bekannten wurde er auf einem Motorrad vom Bahnhof in Kirchzarten nach Zarten gebracht. Vor allem Hildegard Roth erinnert sich noch an die anfänglich emotionale Ablehnung dieses für sie fremden Mannes, als sie ihm zum ersten Mal, in ganz spärlicher Bekleidung in den Arm gegeben wurde. Sie begegnete im August 1947 zwar tatsächlich im Alter von 7 Jahren ihrem Vater, hatte ihn aber bisher zuvor eigentlich noch gar nie gesehen.


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Kriegsrecht und Ausgangssperre

Zu drückenden Beschwerden beim Leben unter einer feindlichen Besatzung gehört die Einschränkung des persönlichen Bewegungsspielraums in der vertrauten Umgebung. Dabei sind die Menschen besonders darauf angewiesen, sich in Zeiten der Not, sich gegenseitig helfen zu können. Unter Kriegsrecht wird zeitweise das Verlassen der Wohnung oder des Wohnorts untersagt und mit Waffengewalt unterbunden. Über einen längeren Zeitraum wird aber meist nur die nächtliche Ausgangssperre verhängt z.B. 22 Uhr bis 6 Uhr. Aber auch diese Beschränkung trifft besonders die bäuerliche Bevölkerung in den Dörfern hart bei ihrer notwendigen Feldarbeit und Sicherung des Viehfutters. Nicht wenige Flüchtige versuchten unter Mitnahme von landwirtschaftlichen Arbeitsgeräten ihren Fluchtweg zu tarnen.

Die strenge Durchführung einer zeitlichen Ausgangssperre läßt sich allerdings nur in Städten und geschlossenen Ortschaften kontrollieren. Bei zerstreut liegenden Gehöften und Hausgruppen ist eine strenge Kontrolle nicht möglich. Ende April 1945 waren im südlichen Schwarzwald alle Städte und Dörfer von französischen Truppen besetzt, aber eine unzählige Schar von Flüchtlingen und versprengten deutschen Soldaten war versteckt oder unterwegs in ihre Heimat. Aus diesem Grund wurden Brücken und Straßen mit Personenkontrollen verbunden. Jede besetzte Ortschaft hatte ihre eigene Ortskommandantur, die auch zuständig war für die begrenzte und begründungspflichtige Erteilung von Passierscheinen, wenn der Wohnort verlassen werden wollte. Kenntnis der französischen Sprache war natürlich ein Vorteil bei einem Gesuch für einen Passierschein. In Zarten war anscheinend die dortige Lehrersfamilie Konrad am Kriegsende 1945 als Dolmetscher sehr oft hilfreich.

In Zarten waren 1945 französische Soldaten einquartiert

In Kirchzarten befand sich eine französische Ortskommandantur im RathauS

Deutsche Polizei gab es 1945 nicht mehr. Die polizeiliche Gewalt wurde anfänglich von den örtlichen militärischen Verbänden ausgeübt, ab 1946 war die „Gendarmerie Francaise“ als Bestandteil der Militärregierung damit beauftragt.


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Das Schreckgespenst „Jabo“

Die vernichtende Bombardierung von Freiburg im November 1944 dokumentierte die allgegenwärtige Gefahr aus der Luft. Seit dem Sommer 1944 gehörten feindliche Flugzeuge zum täglichen Anblick am Himmel. Das öffentliche Leben stockte. Schutzräume wurden häufig aufgesucht bei Annäherung von Flugzeugen.

Auch bei der Arbeit auf dem Feld herrschte Angst. Zarten wurde zwar nur einmal wirklich angegriffen. Dabei wurden der Seppenhof und das Rößle am Okt. 1944 in Brand geschossen. Die Angst aber war und blieb lange Zeit erhalten, auch wenn bei anderen Angriffen mit Bordwaffen und Bomben nicht Zarten zum Ziel wurde. Die Kriegsgeneration hat noch lebhafte Erinnerungen an die täglich schrecklichen Fliegergeräusche, oft auch verbunden mit dem Knattern von Bordkanonen und Explosion von Bomben.

Hedwig Trescher (geb. Dietlicher 1938) wohnt heute in Unterbirken. Sie erinnert sich noch sehr deutlich an jenen Herbsttag 1944. Sie wohnte mit ihrer Familie in Zarten. Der Vater war Soldat irgendwo in Rußland. Von der Großmutter wurde sie beauftragt, den im Feld arbeitenden Familienmitgliedern etwas zum Essen zu bringen, das sie in einem kleinen Leiterwägelchen mit sich führte.

Als sie bei der Familie auf dem Feld zwischen der alten Bundesstraße und dem heutigen Kirchzartener Industriegebiet angekommen war, hörte man fernes Flugzeugmotorengeräusch aus Richtung Freiburg. Das Mädchen wurde aufgefordert, schnell nach Hause zu rennen. Kurz vor dem Ortseingang hörte sie das Flugzeug über sich, ließ das Leiterwägelchen stehen und warf sich auf einem dort noch nicht abgeernteten Kartoffelacker auf den Boden in eine Furche. Über sich hörte sie dann das Schießen der Bordkanonen. Als es kurz danach wieder ruhig wurde, lief sie schnell zurück in das nicht weit entfernte Elternhaus.

Andere Dorfbewohner hatten teils vom Fenster aus diesen Angriff beobachtet, konnten aber das Ziel nicht erkennen, dem der Beschuß galt. In der Umgebung, wo sich Hedwig in die Kartoffelfurchen geworfen hatte, wurden später verschiedene leere Patronenhülsen der Bordwaffen gefunden. Von der Flugrichtung her betrachtet, dürfte der Beschuß in Richtung Himmelreich gegangen sein. Über einen dabei verursachten Schaden wurde allgemein nachher nichts bekannt. Es war auch gar nicht erlaubt, entsprechende Angaben zu verbreiten. „Vorsicht Feind hört mit“ lautete die Parole.

Vorfälle dieser Art steigerten zunehmend die Angst für den Aufenthalt und für Arbeit im Freien. Auch manche Tiere reagierten oft schon panisch auf Flugzeuglärm.


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Flakstellung im Dreisamtal

Im 1. Weltkrieg hatte der Luftkrieg mit Flugzeugen und Luftschiffen nur eine untergeordnete Bedeutung. Im 2. Weltkrieg wurde die Luftwaffe die wichtigste Waffentechnik und ermöglichte die deutschen „Blitzsiege“ in Polen und Frankreich. Versehentlich wurde allerdings auch Freiburg am 10. Mai 1940 von deutschen Bomben getroffen. Bei der Luftschlacht um England konnte sich die Insel behaupten und danach selbst den Luftkrieg gegen Deutschland beginnen.

Zur Luftverteidigung wurden speziell ausgerüstete Verbände – die sog. Flak – aufgestellt. Mit tragbaren Waffen (Gewehr u. Maschinengewehr) konnten hoch fliegende Flugzeuge nicht bekämpft werden. Dafür hatte die Flak als „leichte Flak“ Kanonen mit 2 cm oder 3,7 cm Granaten, die bis etwa 2000 m Höhe wirksam waren. Die schwere Flak hatte Geschütze mit Kalibern von 8,8 cm und mehr zur Verfügung, um damit hochfliegende Flugzeuge und ganze Bomberverbände zu bekämpfen.

Das Schießen auf ein bewegliches Ziel wie ein Flugzeug ist waffentechnisch gar keine leichte Aufgabe. Die Treffsicherheit ist sehr gering mit der gewöhnlichen Visiereinrichtung. Aus diesem Grund wurde bei der Luftverteidigung mit Gewehr und Maschinengewehren häufig Leuchtspurmunition verwendet, die die Flugbahn des Geschosses zeigte. Bei Luftangriffen ergab sich dabei oft ein feuerwerkartiges Schauspiel. Im Krieg wurde ich bei meiner Ausbildung zum Bordfunker und Bordschützen mit dieser Schießtechnik eingehend vertraut gemacht.

Vom Einsatz der Flakstellung, die auf dem Foto abgebildet ist, war nur zu erfahren, daß sie auch in Aktion war und beim Schießen eine Reihe von Sprengwölkchen in der Luft hinterließ. Der Geschützbeschreibung nach, die ich von Albert Pfändler (geb.1933) bekam, handelte sich um eine 2 cm Kanone auf einem durch Kurbel drehbaren Gestell montiert mit einem Rohr von ca 2 m Länge. Diese Art von Geschützen der leichten Flak war sehr verbreitet und wurde in vielen Städten auch von 16 jährigen Schülern, in einer speziellen Uniform mit Hakenkreuzarmbinde als sog. „Heimatflak“ bedient.

Im südlichen Schwarzwald und im Dreisamtal kenne ich keine früheren Standorte von schwerer Flak. Im Bereich großer Industriegebiete waren sie zahlreich. In Friedrichshafen waren zum Schutz der dortigen Rüstungsindustrie größere Flakstellungen eingerichtet, die nur schwer den Standort wechseln konnten und selbst auch oft das Ziel von Bomben wurden.

Zur Flugabwehr mit Jagdflugzeugen war die deutsche Luftwaffe am Kriegsende nicht mehr fähig, weil es an Flugzeugen und Benzin mangelte. Bei einem Bombenangrif wie z.B. auf Freiburg 1944 war keine Flakabwehr möglich.


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Die französische Besatzungszone 1945

befreit von der Naziherrschaft - schikaniert durch die Besatzung

Nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 war die bisherige Rechtsordnung außer Kraft. Es herrschte Kriegsrecht. Die öffentliche Ordnung wurde durch die sog. Militärregierung in die Hand genommen und reglementiert. Die vier Siegermächte (USA, Frankreich, Großbritannien und Sowjetunion) teilten das frühere deutsche Reich in vier „Besatzungszonen“. Auf unterschiedliche Weise wurde in diesen Besatzungszonen dann die öffentliche Ordnung, die Verwaltung der Gemeinden, die Lebensmittelversorgung der Bewohner aufgebaut.

Zur französischen Besatzungszone wurde Rheinland-Pfalz, Südbaden, Südwürttemberg und Vorarlberg erklärt. Der Hauptsitz der französ. Besatzungszone war Baden-Baden. Für den Bezirk um Freiburg und das Dreisamtal war das „Gouvernement Militaire“ in Freiburg zuständig. Dort wurden Entscheidungen der Verwaltung, der Polizeigewalt und die Organisation der Lebensmittelversorgung der Bewohner getroffen. Das ganze öffentliche Leben war von den Anordnungen und Genehmigungen der Militärregierung abhängig. Nur in Verbindung mit der Militärregierung war auch eine Gemeindeverwaltung, ein öffentlicher Straßenverkehr, der Postbetrieb, der Eisenbahnverkehr und der Schulunterricht möglich.

Es war eine sehr schwierige Zeit. Die einmarschierenden französischen Truppen hatten zwar die brutale NS-Regierung vertrieben, deren Verbrechen und Morde von vielen nicht bekannt worden war. Für die Beschlagnahme von Waffen hatte man zwar Verständnis. Die verlangte Ablieferung aller Radiogeräte, Fotoapparate usw. verbreitete keinen Eindruck von erlangter Freiheit. Auch die Ablieferung größerer Mengen Bekleidung und Bettwäsche wurde von der Militärregierung eingefordert und als nicht gerecht betrachtet, da viele Familien selbst in großer Not sich befanden durch die Rückkehr von geflüchteten Familienangehörigen und die Heimkehr von Kriegsgefangenen.

Auf wenig Verständnis stieß auch die Anordnung des verlangten Fahnengrußes der Tricolore (die französische Staatsfahne) auf öffentlichen Plätzen oder bei Amtssitzen der Militärregierung. Von männlichen Bewohnern wurde das Abnehmen des Hutes oder der Kopfbedeckung beim Vorbeigehen an der gehißten Fahne verlangt. In Kirchzarten hatte deshalb der seinerzeitige Pfarrer, der Geistliche Rat J. Sauer Schwierigkeiten bekommen. Diese demütigende Anordnung hatte aber nicht nur 1945 kurze Zeit für Kirchzarten bestanden.

In Konstanz habe ich aus eigener Anschauung aus nächster Nähe vor dem Insel-Hotel in Konstanz im Sommer 1946 diese Demütigung erlebt und gesehen, wie ein bei der Fahne postierter Wachposten nicht nur einem vorbeigehenden Mann den Hut oder die Mütze vom Kopf riß und auf den Boden warf, wenn er die Kopfbedeckung nicht lüftete. Die meisten Männer verzichteten deshalb im Bereich von öffentlich präsentierten Fahnen auf ihre Kopfbedeckung oder suchten einen Umweg.

Eine Verweigerung der Abnahme der Kopfbedeckung und vielleicht versuchter Diskussion mit dem bewaffneten Wachposten hätte entweder zu körperlicher Mißhandlung oder zur sofortigen Arretierung mit nachfolgender Bestrafung geführt. Derlei Arrestanten wurden dann für körperliche Arbeit zum Aufräumen oder Saubermachen verpflichtet. An Geldstrafen durch die Militärregierung kann ich mich jedoch nicht entsinnen.

Das Leben nach dem 2. Weltkrieg in der französischen Besatzungszone war in den ersten Jahren sehr entbehrungsreich. Auch die Lebensmittelversorgung war sehr dürftig. Zucker z.B. war etwa ein Jahr lang nicht zu bekommen. Aber auch Salz und viele notwendige Kleinigkeiten wie Streichhölzer waren knapp. In der amerikanischen und britischen Besatzungszone besserten sich die Lebensverhältnisse schneller. In der sowjetischen Besatzungszone (die spätere DDR) war in den ärmlichsten und bedauerlichsten Verhältnissen.

Für Reisen außerhalb der Besatzungszone waren besondere Genehmigungen („Laisser-Passer“) erforderlich. Private Kraftfahrzeuge waren nach 1945 nicht zugelassen. Erst allmählich wurden einzelne Ausnahmegenehmigungen für Privatfahrzeuge mit entsprechenden Kennzeichen erteilt. Die amtlichen Kennzeichen dieser Fahrzeuge hatten als erste Bezeichnung FB. FB war die Abkürzung für „Französische Besatzungszone“. Danach folgte eine zweistellige Zahl, aus der sich der Landkreis erkennen ließ und schließlich noch eine vierstellige Zahl. Mein erstes Leichtmotorrad, das 1950 in Stühlingen Kr. Waldshut zugelassen wurde, hatte das amtliche Kennzeichen FB 38 – 0655. Der Landkreis Konstanz hatte die Kennzahl FB 32, im Landkreis Freiburg wurden Kennzeichen mit FB ? ausgegeben.

Die allgemeine wirtschaftlichen Verhältnisse waren nach 1945 trostlos. Das bisherige Geld hatte fast keine Kaufkraft. Arbeitsleistungen wurden zwar auch mit Geld, oft auch in Verbindung mit anderen Gegenleistungen (Materialien oder Lebensmittel) entgolten. Die Lebensmittel waren noch rationiert bis 1949 und durften nur mit Abgabe von entsprechenden „Lebensmittelmarken“ verkauft werden. Die landwirtschaftlichen Betriebe durften als Selbstversorger einen Teil der Erzeugnisse je nach Personenzahl für sich behalten. Es waren aber auch sehr viele Ablieferungsauflagen nicht nur für Getreide, auch für Milch und Eier. Die Tierhaltung wurde genau kontrolliert und die Abgaben entsprechend festgesetzt. Viele Gemeindearchive besitzen noch detaillierte Listen für die entsprechenden Requisitionen und Zwangsabgaben.

Fahrräder waren schon im Krieg und noch viel mehr nach dem Krieg ein kostbarer Besitz. Sie waren nach 1945 jahrelang nicht mit Geld zu kaufen. Erst nach der Währungsreform Juni 1948, als mit der DM die frühere Währung „Reichsmark“ abgelöst wurde, gab es ein wirtschaftliche Besserung

Viele Bürgermeister wurden abgesetzt wegen ihrer Zugehörigkeit zur NSDAP. In Zarten war bis zum Kriegsende als Bürgermeister im Amt. In Kirchzarten wurde der langjährige Bürgermeister Josef Zimmermann im Amt belassen. Ihm konnten keine politischen Vergehen vorgeworfen werden.

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Feldpostbrief von Max Dietlicher aus Rußland am 19. Juli 1943

Im Osten, den 19. 7.43

Liebe Tochter Maria !

Möchte Dir auch wieder einmal einige Zeilen schreiben. Dein liebes Kärtchen vom 7. Juli habe ich erhalten. Hat mich sehr gefreut daß Du auch an mich gedacht hast. Hoffentlich hat es Dir und der Gotti gut gefallen. Seid Ihr mit der Bahn gefahren bis Bärental ? Waren die Himbeeren und Heidelbeeren schon reif. Berta uns Josef wären doch bestimmt auch gern mitgegangen, gellt.

Möchte Ihnen auch viele Grüße sagen besonders an die 3 Kleinen.
Herzliche Grüße sendet Dir Dein Papa

Viele Grüße auch an Gotti u. Rosa

Abs.: Gefr. Max Dietlicher Feldpost Nr. 44255

Feldpostbrief

An Fräulein Maria Dietlicher

Z a r t e n
über Freiburg i. Brsg.

Feldpostbriefe sind wertvolle Dokumente

Die großen weltweiten militärischen Bewegungen im 2. Weltkrieg sind vielfach dokumentiert und auch in aufwendigen Buchausgaben notiert und bebildert zu finden. Von den unendlich zahlreichen lokalen und persönlich oft sehr erschütternden Erlebnisse der Soldaten an der Front oder auch in der Etappe sind kaum noch Spuren zu entdecken. Aber auch die jeweiligen familiengeschichtlich oder heimatgeschichtlich bedeutsamen Geschehnisse im 2. Weltkrieg sind fast ganz versunken im Dunst der verblassenden Erinnerung und im Wirbel der Kapitulation 1945 und der Besatzungszeit. Die grauenvolle Einsicht der Kriegsgeneration, einem verbrecherischen NS-System als Handlanger gedient zu haben, ließ Spuren verwischen, vernichten oder verdrängen.

Als Angehöriger eine Gymnasialklasse in Konstanz mit 6 Kriegstoten hatte ich 60 Jahre nach dem Kriegsende im Jahr 2005 versucht, über die persönlichen Erlebnisse dieser Klasse zu berichten. Es war schon nicht mehr so leicht, Orts- und Zeitangaben noch in Erinnerung haftender Ereignisse zu finden. In vielen mir bekannten heimatgeschichtlichen Rückblicken ist oft außer statistischen Aufzählungen und Namenslisten kaum etwas zu finden über die bedrückenden Monate zum Ende des Krieges im April 1945.

Inzwischen ist die Zahl der noch lebenden und geistig wachen Zeitzeugen jener Tage nur noch sehr gering. Auch in vielen Familien mit Kriegstoten oder Erlebnissen der Vertreibung mit Angehörigen langjähriger Kriegsgefangenschaft blieben nur noch wenige Ereignisse in Erinnerung, wenn sie nicht schriftlich festgehalten oder durch Bilder dokumentiert wurden. Eine Art damaliger Zeitzeugnisse sind noch am ehesten erhalten in Form von Feldpostbriefen.

Die Feldpostbriefe bildeten die einzige Möglichkeit der Nachrichtenübermittlung beim Kriegseinsatz von Familienangehörigen mit Ihren Soldaten. Die Feldpost war portofrei und deshalb auch sehr häufig genutzt, auch wenn die Nachrichten nicht sehr bedeutsam waren. Ein großes Problem bestand nämlich in der Einschränkung der Mitteilungen über militärische Maßnahmen. Es durften auch im Kampfgebiet keinerlei Angaben über den jeweiligen Aufenthaltsort gemacht werden. Häufig finden wir als Ortsangabe „Im Westen“, „im Osten“ oder O.U. (Ortsunterkunft).

Im Kriegsgebiet wechselte die Unterbringung sehr häufig, oft täglich. Aus diesem Grund ist auch bei vielen noch erhaltenen Feldpostbriefen der genaue Weg eines Kriegteilnehmers während seiner Kriegszeit nicht zu erfahren. Häufig war den Soldaten vor Ort auch gar nicht der genaue Ortsname bekannt. Mitteilungen bei Post aus der Kriegsgefangenschaft waren ebenfalls inhaltlich sehr begrenzt und wurde streng kontrolliert. Für Briefpost mit nur kurzen Mitteilungen gab es Feldpostbriefpapier, das einseitig beschrieben und zusammengefaltet und am perforierten Rand zusammengeklebt dann wie ein Briefumschlag beschriftet als Feldpost versandt wurde.

Vielleicht ist es möglich, aus einzelnen noch vorhandenen Feldpostbriefen ein kleines Mosaik für Zarten zu fertigen über die leidenvolle Zeit am Ende des 2. Weltkrieges.

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Kriegsende 1945
Angst und Schrecken in Zarten
Die Kriegsgeneration erinnert sich
Augenzeugenberichte

zusammengestellt von Fridolin Hensler in Kirchzarten 2014

Im Jahr 2014 erfährt der Ausbruch des 1. Weltkriegs vor 100 Jahren große Aufmerksamkeit. Augenzeugen von damals leben nicht mehr. Aber auch die Spuren des 2. Weltkrieges, der vor 70 Jahren in Europa und weltweit tobte, scheinen sich langsam zu verwischen. In der Stadt Freiburg und in deren Umland konnte allerdings die verheerende Bombardierung am 27. November 1944 nicht in Vergessenheit geraten und soll weiterhin im heimatgeschichtlichen Bewußtsein verankert werden durch nachträgliche Dokumentation von Augenzeugen. An vielen anderen Orten sind jedoch die traurigen und bedrückenden Ereignisse vom Kriegsende 1945 mit der folgenschweren Besatzungszeit kaum noch oder nur in zunehmend blasser Erinnerung, weil sie nicht schriftlich festgehalten werden.

Frühgeschichtlichen Funden wird in der Öffentlichkeit viel Interesse bekundet. Die lokalen heimatgeschichtlichen Ereignisse ohne sensationellen Wert versickern jedoch leider oft. In meinem Geburtsort im Hegau bei Engen (Biesendorf) hatte ich schon vor längerer Zeit über die dort teils dramatischen Ereignisse eine Zusammenstellung von Augenzeugenberichten vom Kriegsende 1945 gemacht.

Nachdem ich mit meiner Familie 1970 in Stegen und 30 Jahre später in Kirchzarten heimisch wurde, habe ich eigentlich nur zufällig von der Sprengung der Brücke kurz vor dem Kriegsende 1945 in Zarten erfahren. Dadurch wurde ich angeregt, weitere Informationen zu sammeln. Diese sinnlose Zerstörung brachte für längere Zeit nicht nur für die Zartener, sondern auch für Durchreisende im Straßenverkehr viele Schwierigkeiten. In vielen geschichtlichen Rückblicken einzelner Orte wie in Stegen oder Kirchzarten werden die Ereignisse vom Kriegsende jedoch meist nur allgemein nebenbei erwähnt. Darum versuche ich jetzt noch, von den wenigen Zeitzeugen einige Erinnerungen zu dokumentieren. Es ist schon fast zu spät.

Herr Josef Thoma (geb. 1938) erlebte die Kriegsjahre mit seiner Mutter und seinen beiden Schwestern Maria (geb. 1940) und Hildegard (geb. 1942) in Zarten. Der Vater Pirmin (geb. 1904), von Beruf Maurer, hatte in Rußland als Soldat im Kaukasus 1942 einen Arm verloren. Er wurde nach seiner Entlassung aus dem Lazarett umgeschult für den Dienst bei der Post und erlitt nur wenige Wochen in Zarten nach Beginn mit seiner neuen Tätigkeit im Postdienst den Tod durch einen Blitzschlag im Jahr 1943, als er im Obergeschoß des Wohnhauses in Zarten während eines Gewitters die Fenster schließen wollte.

Familie Thoma wohnte zur Miete in Zarten Haus Nr. 35 bei Familie Pfändler die eine kleine Landwirtschaft betrieb. Die Mutter Theresia (geb. 1908) stammte aus Zastler. Sie hatte nach dem Tod des Vaters große Mühe bei einer nur sehr geringen Rente ihre drei Kinder zu versorgen. Auch ein Bruder des Vaters Wilhelm Thoma ist im Krieg umgekommen. Ort des Todes und der Zeitpunkt sind nicht mehr bekannt.

Zu einem unvergeßlichen Erlebnis kurz vor dem Kriegsende wurde die fluchtartige Evakuierung der Familie Thoma, als die Sprengung der Dreisambrücke in nächster Nähe des Familiensitzes beschlossen war. Gegen Protest vieler Bewohner, auch seitens der Gemeinde, bestand eine stationierte Pioniereinheit auf die längst vorbereitete Sprengung der Brücke in Zarten.

Das genaue Datum ist nicht mehr in Erinnerung, aber die geplante Sprengung veranlaßte die Mutter mit ihren drei Kindern, in Zastler im Haus ihrer Eltern bei ihrer Mutter Theresia Albrecht Zuflucht zu suchen. Es dürfte wohl der 21. April 1945 gewesen sein. Der Großvater war seinerzeit Ratschreiber in Zastler und auch für die Verrechnung der Holzlieferungen zuständig.

Von der Vermieterfamilie Pfändler wurde für diese Flucht ein vierräderiger Bennenwagen und eine Kuh als Zugtier überlassen. Aufgeladen wurde das Bettzeug und einiger Hausrat. Vermutlich waren auch wichtige Dokumente im Gepäck. Derlei Evakuierungs-vorbereitungen waren in der Kriegszeit allgemein angeordnet und auch sinnvoll und durchaus üblich.

Der Weg ins Zastlertal mit dem Kuhgespann der Mutter mit den drei Kindern ging auf der noch ungeteerten Straße von Zarten über Kirchzarten und Oberried in die großelterliche Behausung „Fabrik“ genannt. Die Dauer des Aufenthalts im Zastler ist nicht mehr erinnerlich. Inzwischen war in Zarten die Brücke gesprengt worden und nach kampflosem Abzug der deutschen Wehrmacht waren am Montag 23. April 1945 französische Truppen unter Panzerschutz im Dreisamtal vorgerückt und hatten auch Zarten und Kirchzarten und Stegen kampflos besetzt.

Im Zastler hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt noch keine französischen Soldaten blicken lassen, als Familie Thoma mit ihrem Fluchtfahrzeug wieder nach Zarten zurückkehrte. Da die Dreisambrücke zerstört war, mußte der Weg über den südlichen Uferabhang durch die Dreisam in der Nähe des heutigen Steges gewählt werden. Erst bei der Rückkehr nach Zarten begegnete Josef Thoma erstmals den fremden Soldaten in ihren braunen Uniformen und fremdartigen Stahlhelmen. Herrenloses Kriegsgerät war vielerorts zu finden. Für Buben war es eine aufregende Zeit, danach zu suchen. Josef Thoma erinnert sich, daß z.B. auch in Stegen im Schloßpark mit fast undurchdringlichem Gestrüpp eine große Menge herumlag. Viele Eltern hatten oft keine Ahnung von derlei Fundorten und deren Gefahren.

In eindrucksvoller Erinnerung geblieben ist die im Lauf des Krieges immer stärker spürbare Bedrohung durch Flugzeuge. Vor allem im Anschluß an die erfolgte Invasion im Juni 1944 waren feindliche Flugzeuge immer zahlreicher am Himmel zu sehen. Vor allem die täglich auftauchenden meist paarweise erscheinenden und tief fliegenden kleineren einmotorigen Aufklärungsflugzeuge, „Max und Moriz“ genannt, gehörten ab dem Herbst 1944 zum täglichen Anblick bei klarem Wetter. In den Jahren zuvor hatten in zunehmend immer größerer Zahl in großer Höhe große viermotorige Bomberverbände das Dreisamtal nach Osten überflogen ohne hier Schaden anzurichten und dabei oft am blauen Himmel in dichtes Netz von Kondensstreifen hinterlassen.

Albert Pfändler (geb. 3. März 1933)

Seine ersten Erinnerungen gehen zurück auf die Zeit kurz vor Kriegsbeginn 1939, als er die erste Klasse der Volksschule besuchte. Der davor fertiggestellte „Westwall“ wurde von Adolf Hitler persönlich besichtigt. In diesem Zusammenhang scheint auch die Erwartung in Zarten bestanden zu haben, den „Führer“ bei der Durchreise begrüßen zu können. An einem Sommertag war deshalb mit der Dorfbevölkerung auch die Schuljugend aufgeboten, um am Straßenrand stehend mit den verteilten Hakenkreuzfähnchen zu winken. Die vermeintliche Durchfahrt einer Autokolonne fand allerdings dann nicht statt.

An den Ausbruch des Krieges hat Albert Pf. keine Erinnerung mehr. Sehr deutlich sind allerdings die Bilder geblieben vom endlosen Durchzug der Wehrmacht zu Beginn des Frankreichfeldzuges im Mai 1940. Tagelang marschierten Kolonnen von Soldaten, die Kompanien voran mit einem Offizier zu Pferd angeführt. Besonders eindrucksvoll war dann die von jeder Einheit mitgeführte zweiräderige Feldküche mit aufragendem Kamin. Bei diesem Durchmarsch waren nur Fußtruppen und Pferdegespannfahrzeuge. Es waren keine Motorfahrzeuge oder gar Panzer dabei. Die deutschen Panzerverbände waren für den Vormarsch durch Belgien nach Nordfrankreich andernorts mit Eisenbahntransport bereitgestellt. An Gefechtslärm zu Beginn des Krieges bei Albert Pfändler ist keine Wahrnehmung geblieben, obwohl es auch am Oberrhein gelegentlich Artilleriegefechte gab. Fridolin Hensler (Jahrg. 1925) erinnert sich jedoch an den fern hörbaren Kanonendonner im Herbst 1939 in seiner Heimat im Hegau, auf den ihn sein Vater aufmerksam machte, der ihn als Soldat im 1. Weltkrieg kennen lernte.

Spuren hinterließ der Krieg aber dann bald vermehrt durch die Todesnachricht von Gefallenen. In der Nachbarschaft kehrte der Vater von Josef Thoma aus dem Krieg zurück, weil er einen Arm verloren hatte. Immer häufiger kamen ab 1941 Todesnachrichten, vor allem aus Rußland. Ein Ende des Krieges schien nicht in Aussicht. An einem siegreichen Ende glaubten allerdings nicht mehr alle. Zweifel am Sieg zu äußern aber galt als Hochverrat. Die offiziellen Nachrichten und Informationen waren völlig auf Propaganda eingestellt. Auch das Hören von ausländischen Radiosendern war bei schwerer Strafe verboten. Für viele Bewohner unserer Gegend war aber der Schweizer Radiosender Beromünster ein wichtiger Bestandteil der objektiven Information. Nur im eng vertrauten Kreis wurden diese Sendungen heimlich gehört. Weiterverbreitung dieser Nachrichten galt als Hochverrat und konnte die Unterbringung in ein KZ bedeuten oder sogar die Todesstrafe zur Folge haben. Auch der Vater Alois Pfändler hörte nicht selten, aber nur heimlich Radio Beromünster, ohne in der Familie darüber zu sprechen. Alois Pfändler war nicht im Besitz eines Rundfunkgeräts, aber der benachbarte Adolf Fehrenbach, der als Arbeiter im Bergwerk in Kappel beschäftigt war, hatte eine der damals verbreiteten „Volksempfänger“. Kritische politische Gespräche konnten nur mit erklärten Nazigegnern geführt werden. Vermutlich hat Vater Alois nur mit Adolf Fehrenbach derartige Gespräche geführt.

Es war übrigens technisch sehr einfach, mit dem „Volksempfänger“ den Schweizer Sender Radio Beromünster zu hören, auch wenn man ihn nicht direkt eingestellt hatte. Der genehmigte Sender Stuttgart hatte seine Frequenz auf der drehbaren Skala dicht daneben. Mit dem Sender Stuttgart konnte man auch noch nebenbei Beromünster empfangen.

Ein auf der Skala auf „Feindsender“ eingestelltes Radiogerät konnte bei Kontrollen durch Beauftragte der NS-Partei als schweres politisches Vergehen gewertet werden. Unangemeldete Kontrollen zumal bei politisch Verdächtigen waren durchaus üblich.

Im Lauf der Kriegsjahre waren die feindlichen Flugzeuge in der Luft immer mehr ein Hinweis auf nahende Gefährdung. 1941 und 1942 waren die Feindflugzeuge nur nachts zu hören. Gelegentlich setzten sie auch Leuchtschirme für Fotos der Luftaufklärung. Bomben fielen 1942 in unserer näheren Heimat nur selten.

Ab 1943 waren dann auch tagsüber größere viermotorige Bombergeschwader in großer Höhe zu sehen und zu hören. Der Anflug kam meistens von Nordwesten her und galt den süddeutschen Großstädten.

Das Jahr 1944 brachte den Krieg auch ins Dorf. Nach der Invasion wurde Frankreich von den Alliierten zurückerobert. Vermehrt erschienen nun auch einmotorige Jagdbomber (Jabos) am Himmel und machten im Tiefflug Luftangriffe auf Eisenbahnen, Brücken und auch ziemlich wahllos auf einzelne Gebäude oder Personen. Die Jabos waren sehr gefürchtet. Im Herbst war auch Zarten ein Angriffsziel. Es war am Okt. 1944. Albert Pfändler erinnert sich, daß der Angriff um die Mittagszeit erfolgte. Dabei wurde der Seppenhof und das Rößle in Brand geschossen. Menschen kamen nicht zu Schaden. Beide Häuser aber verbrannten. Im Rößle kam dabei auch Kleinvieh in den Flammen um. Der Einsatz der örtlichen Feuerwehr erfolgte zwar schnell. Es waren aber nur noch wenige tüchtige Feuerwehrleute daheim im Dorf, weil die meisten Männer als Soldaten einberufen waren. Seinen Vater Alois Pfändler erlebte Albert beim Einsatz der Feuerwehr und hat noch vor Augen, daß das benachbarte Haus vom brennenden Seppenhof, welches mit Schindeln gedeckt war, mit Feuerlöscher (Minimax) und nassen Tüchern auf dem Dach, vor Schaden bewahrt werden konnte.

Für den Zweck der Warnung waren während des 2. Weltkrieges in allen Städten und Dörfern eingerichtet worden. In geschlossenen Ortschaften war die Sirene auf einem zentral liegenden Gebäude eines Wohnbezirks fest montiert und wurde nach telefonischer Benachrichtigung des Hausbewohners ausgelöst werden. Es gab verschiedene Stufen der Luftgefährdung. Auf- und abschwellender Heulton galt als Gefahr. Gleichmäßiger Dauerton bedeutete „Entwarnung“. Der Kriegsgeneration jagt auch heute noch der heulende Sirenenton den Schrecken in die Glieder. Weitere Einzelheiten sollen hier nicht erörtert werden. In Zarten war keine auf einem Dach fest installierte Sirene vorhanden. Es gab aber drei Handsirenen, die in drei unterschiedlichen Häusern, im Ober-, Mittel- und Unterdorf bereit waren und nach fernmündlicher Benachrichtigung durch die Bewohner im Handbetrieb zum Einsatz kamen und dabei einen beachtlichen Lärmpegel erreichen konnten.

Gegen das Kriegende entfiel die zuvor sehr häufige Luftwarnung, weil ab Sommer 1944 praktisch überall zu jeder Zeit mit Luftangriffen gerechnet werden mußte. Über Abwehr gegen feindliche Flugzeuge gab es mancherorts stationierte „Flak“- Geschütze. Nach Spuren oder Erinnerungen an Flak-Stellungen habe ich zuerst vergeblich gefahndet. Ein Foto im Besitz von Albert Pfändler zeigt eine winterliche Flakstellung, die zwischen Zarten und Kirchzarten aufgestellt war.

Die Flaksoldaten posierten auf dem Foto in spaßhafter Aufmachung mit Gewehren im Anschlag. Das Flakgeschütz ist nicht zu sehen. Das Foto entstand vermutlich im Winter 1944/45.

Der Beschreibung von Albert Pfändler nach, könnte es sich dabei um eine 2 cm Granaten verschießende Kanone gehandelt haben, die vielerorts im Einsatz war. Es war eine wirksame Waffe gegen tief fliegend Flugzeuge bis in eine Höhe von 1000 m. Beim Verfehlen eines Zieles explodierten diese Geschosse in ca 2000 m Höhe und hinterließen dabei dann eine Reihe von Explosionswölkchen. Gegen hochfliegende Flugzeuge konnten nur großkalibrige Geschütze (z.B. 8,8 cm) eingesetzt werden und wurden vor allem zum Schutz von Industriestädten aufgestellt. Die oft recht großen Explosionsteile als Granatsplitter der Flakgranaten waren nicht ungefährlich, wenn sie auf die Dächer oder auf den Boden herabfielen.

Viele Jahre nach dem 2. Weltkrieg bestand ein Barackenlager neben der B 31 bei der Straßenkreuzung der Stegener Straße. Dieses Barackenlager wurde nach Erinnerung von A. Pfändler erst nach dem 2. Weltkrieg von der französischen Armee errichtet und kam später in den Besitz der Bundeswehr. Heute ist es der Standort neuer Industriebetriebe.

Die deutsche Wehrmacht war nach der Sprengung der Brücke in Zarten verschwunden. Vom Himmelreich her wurden einzelne Kanonenschüsse in Richtung Zarten u. Freiburg abgegeben ohne erkennbaren Schaden.

Die Information über den Verlauf der Frontlinie mit Ortsangaben war mangelhaft. Beromünster war die beste Nachrichtenquelle.

Das Einrücken der französischen Soldaten (es waren größtenteils Marokkaner) war wenig spektakulär. Der Familienvater Alois Pfändler mit Kriegserfahrung des 1. Weltkrieges, wies die Familie anfänglich streng zurück in das Haus. Die französischen Soldaten kamen mit offenen, kleinen geländegängigen Fahrzeugen mit aufmontierten Waffen (Jeep). Panzerfahrzeuge waren in Zarten nicht dabei. Die Angst war groß, zumal der Anblick der fremden und dunkelhäutigen Menschen unheimlich wirkte.

Beim Einrücken der Soldaten gab es einzelne Schüsse, die aber nicht auf Menschen, sondern auf Tiere oder sonstwie abgefeuert wurden. Auch die Hirschfigur im Höllental bekam seinerzeit eine größere Zahl von Einschüssen, wie man später bei einer Renovaton feststellte.

Die gesprengte Brücke wurde behelfsmäßig mit Balken und Brettern bald wieder gangbar gemacht. Für diese Arbeit wurden deutsche Kriegsgefangene eingesetzt, die von einem Lager in Freiburg mit Lastwagen herbeigebracht wurden. Bald nach dem Einmarsch der Franzosen wurde in fast endlosen Kolonnen deutsche Soldaten als Kriegsgefangene in Richtung Freiburg getrieben. Kontakte mit diesen Kriegsgefangenen wurden von den Wachmannschaften nicht geduldet. Das Wetter war damals Ende April sehr heiß und der Durst der Gefangenen sehr groß. Um den Durst stillen zu können, stellten manche Zartener Wassereimer an die Straße. Gelegentlich wurden diese aber von den Wachmannschaften absichtlich umgestoßen. Unmenschlichkeiten gab es zu allen Zeiten immer schon in vielfacher Form.

Mit dem Einmarsch der Besatzungstruppen war die bisherige gesetzliche Ordnung außer Kraft. Es war die Zeit für unkontrollierte Übergriffe durch französische Soldaten, aber auch für Ganoven und verbrecherische Personen, die unter dem Deckmantel oder in Zusammenarbeit mit diesen sich schamlos bereicherten. Albert Pfändler erlebte, wie derlei Gestalten wenige Tage nach dem Einmarsch nachts im elterlichen Haus eindrangen und ein Schwein erschossen und mitnahmen. Einige der Eindringlinge waren Deutsche und Bekannte aus Kappel, die dabei mitmachten.

Albert Pfändler floh aus seinem Bett halb bekleidet und floh über den hölzernen Balkon, von wo er auf einen unten stehenden Wagen sprang. Dann hastete er weiter über die gesprengte Brücke, wo er dabei ins kalte Wasser rutschte. Im Haus suchte er dann Zuflucht, bis es wieder ruhig war. Erst dann traute er sich wieder zurück ins Elternhaus. Eine Strafverfolgung derartiger Taten war in den ersten Tagen der Besatzungszeit nicht möglich. Auch beim früheren Bürgermeister Alfons Pfändler wurde auf diese Art zur gleichen Zeit ein Schwein weggenommen.