Eschbach im Schwarzwald
25 Jahre Ortsteil von Stegen (1975 - 2000)
Die Eschbacher und die Obrigkeit - Historische Anmerkungen
von Prof. Siegfried Thiel
Mit jeder Art von Fremdbestimmung, nicht zuletzt mit der durch die
Obrigkeit, haben die selbstbewußten Eschbacher immer wieder ihre
Schwierigkeiten. Das war früher so und daran hat sich bis heute nicht
viel geändert, was jeder teilnehmende Beobachter der Eschbacher
Geschichte feststellen kann. Hier wirken sicher auch die Landschaft und
die Siedlungsstruktur auf den Menschen in diesem Raum zurück, denn wer
auf einem Einzelhof inmitten seiner eigenen Matten, Felder und Wälder
lebt und dadurch verhältnismäßig unabhängig ist, entwickelt ein
besonders ausgeprägtes Selbstbewußtsein. Der Anspruch eines
Hofeigentümers aus dem 19. Jahrhundert möge diese Grundhaltung
verdeutlichen. Als 1851 der Heinibauer Georg Salenbacher, Bürgermeister
seit 1849, vom Amtmann des großherzoglichen Landamts in Freiburg des
Amtes enthoben wurde, soll er folgenden selbstsicheren Satz gesagt
haben: „Wenn ich auch des Amtes enthoben werde, bin ich doch immer noch
der Heinihofbauer. Wenn aber sie des Amtes enthoben werden, sind sie
gar nichts mehr“.
Ein solch eigener Sinn scheint sich aber auch auf Neubürger übertragen
zu haben. Die Geschichte der Gemeinde Eschbach, wie sie sich auch in
den Protokollen von Gemeinderat, Ortschaftsrat und Vereinen spiegelt,
gibt beredtes Zeugnis davon — die Jahrzehnte dauernde und inzwischen
abgeschlossene Auseinandersetzung um den Hallenbau in Eschbach z. B.
wird sicher nicht die letzte dieser Art gewesen sein.
Im Hinblick auf die Verbindung Eschbachs mit Stegen und Wittental am 1.
Januar 1975 soll deshalb solchen Grundhaltungen in Eschbach
freundlich-kritisch nachgegangen werden.
Viele Jahrhunderte lang, vom ausgehenden Mittelalter bis zur Gründung
des Landes Baden, war für Eschbach ein Nebeneinander verschiedener
Herrschaften maßgebend gewesen. Ein Teil des Dorfes gehörte St.Peter,
ein anderer den Sickingern und ihren Vorgängern. Dazu hatten die
Kagenecker von der Herrschaft Weiler in Stegen den Reckenberg in ihrem
Besitz. Eine solche Teilungssituation - für die damalige Zeit eher
typisch, wo Höfe, Gemarkungen und Menschen von der Herrschaft gekauft,
verpfändet und verkauft werden konnten, erzeugten naturgemäß ein
starkes Bewußtsein für den eigenen Einflußbereich, wobei gleichzeitig
auf Abstand geachtet wurde.
Eine Vorschrift im Recht des Dinghofes (heutiger Maierhof), welcher die
zu St.Peter gehörende Höfe verwaltete, bestimmte z. B., daß der Zaun
von Haus und Hof „so weit weg sein soll, daß ein jeglicher Mann mit
einem Stein von einem Ende zu dem anderen werfen möge“. Damit war
Abstand gesichert: Man kannte eben seine Schwächen und die der Anderen,
welche sich durch ein zu nahes Aneinanderwohnen negativ auswirken
konnten.
Noch ein Satz zur Grundlage Eschbacher Selbstbewußtseins: Im Eschbacher
Hofrecht aus dem 15. Jahrhundert heißt es, „er (der Hof) sei gefreit
(unabhängig) von Königen und Kaisern und wer dort Frevel verübte, zahle
100 Mark Geldes, zur Hälfte dem Abt (von St.Peter) und zur Hälfte dem
Kaiser“.
Daß die Eschbacher immer wieder Grund hatten, vor ihrer Obrigkeit auf
der Hut zu sein, zeigt ein anderer Vorfall. Der Dingrodel, eine
Ortsrechtssammlung, der immer am Dienstag Mitte Februar vorgelesen und
dabei auf seine Einhaltung überprüft wurde, war 1456 noch durch relativ
vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Kloster und Bauernstand
zustande gekommen. Das Kloster versuchte aber in den folgenden Jahren,
die Rechte der Bauern zu schmälern, indem 1582 eine Polizeiverordnung
erlassen wurde, welche den gleichen Rang wie der Dingrodel erhielt und
viele einengende Bestimmungen brachte.
1602 z, B. erließ der Abt eine Waldordnung, in der das Eintreiben von
Vieh, das Holzfallen und die Niederjagd (auf Hasen etc.) einengend
geregelt wurde. Seine Begründung: Es müsse so etwas verfügt werden, da
die Eschbacher Gemeinde „schon vor geraumer Zeit wider alle
oberkaitliche befelch mit schädlichem Holzhauen gar exzessive gehandelt
in daßigem Allmendt...‚ daß hieraus schon etliche Jahre nicht das
geringste Wildpräth geliefert wurde“. Man ahnt den Grund: Die
Eschbacher werden das Wild eben selbst gefangen und verspeist haben.
Einen vielleicht ersten Schritt aus der Abhängigkeit vom Kloster
St.Peter brachte die Aufteilung des (gemeinsamen) Eschbacher
Allmendwaldes 1797. Von den 159 Juchert behielt das Kloster 40 Juchert‚
während jedem der 17 berechtigten Bauern 7 Juchert zugewiesen wurden.
Die vorderösterreichische Regierung in Freiburg verweigerte zunächst
die Bestätigung des Vertrags, da die „Abteilung“ der Forstwirtschaft
schädlich sei. Außerdem könne für neu aufzunehmende Ortsbürger nicht
mehr gesorgt werden, wenn keine Allmend, also kein gemeinsamer Besitz
mehr vorhanden sei. Aber die Eschbacher mit ihrem eigenen Sinn ließen
nicht locker und erreichten, daß 1800 die erforderliche Genehmigung
doch noch erteilt wurde. Jedem Bauer war sein Besitz eben wichtiger als
Gemeineigentum, das Hemd näher als der Rock.
Mit der Gründung des badischen Staats von Napoleons Gnaden nach
1806/1808 entstand Eschbach als Gemeinde neu. Die Klostervogtei
Eschbach, sowie die ehemals sanktpetrinische Vogtei Rechtenbach wurde
1811 mit der früher sickingischen Vogtei zu einer Gemeinde
zusammengelegt, wobei Schwabenhof und Berlacherhof zunächst bei der
Gemeinde Wiesneck verblieben.
Als 1827 Wiesneck aufgehoben wurde, begannen Verhandlungen über eine
bessere flächenmäßige Abrundung der Gemeinden im nördlichen Dreisamtal.
Grundproblem war, daß die zu Eschbach, Rechtenbach, Stegen und Wiesneck
gehörende Höfe mit ihren Feldern, Wiesen und Wäldern stark miteinander
verschränkt waren. 1837 veranlaßte deshalb das Landamt in Freiburg, daß
der Schwabenhof und der Berlacherhof nach Eschbach eingemeindet wurden.
Da die zu Eschbach gehörenden Rechtenbacher nicht einsahen, sich an
Kosten zu beteiligen, die in Eschbach anfielen (z. B. Bau und
Unterhaltung der Straße durch das Eschbachtal)‚ stellten diese den
Antrag auf Abtrennung von Eschbach. 1888 wurde vom Bezirksamt ein
Austausch von Gemarkungsteilen zwischen Eschbach und Stegen
vorgeschlagen und 1890 endgültig die Grenzänderung besiegelt. Eschbach
gab an Stegen die 5 Rechtenbacher Höfe, und Eschbach erhielt von Stegen
den Reckenberg mit dem dazugehörenden Umfeld.
Es war nicht unbedingt ein gleich gewichteter Tausch: Ca. 205 Hektar
gingen an Stegen, nur ca. 19 Hektar an Eschbach. Der Verlust brachte
Steuerausfälle mit sich, und als Ausgleich dafür mußte Stegen an
Eschbach eine Entschädigung von jährlich 273,- Mark bezahlen. Nach
langen Verhandlungen löste Stegen 1907 diese Pflicht gegen eine
Abfindung von 7000,- Mark an Eschbach ab.
Die Auseinandersetzungen mit der Obrigkeit aber hielten an, vor allem
was die Besetzung des Bürgermeisteramtes betraf. Nach Georg
Salenbachers Amtsenthebung 1851 (s.o.) wurden nacheinander zwei
kommissarische Verwalter eingesetzt und die Wahl ausgeschrieben. Als
dabei ein amtliches Wahlplakat abgerissen wurde, drohte das
großherzogliche Landamt, daß man bei nochmaligem Abreißen sofort eine
Militärtruppe entsenden werde, welche die Täter ermitteln und bestrafen
würde.
1871 war der Hummelhofbauer Johann Gremmelspacher zum Bürgermeister
gewählt worden, der vorher schon 20 Jahre im Ibental dieses Amt
versehen hatte. 1874 wollte er nach insgesamt 24 Jahren den Dienst
aufgeben, weil er schwerhörig geworden sei, aber die
Gemeindeversammlung genehmigte dies nicht. Da er aber nicht gezwungen
werden konnte, im Amt zu bleiben, wurde Schmiedemeister Feser
beauftragt, die Dienstgeschäfte wahrzunehmen. Dieser aber nahm den
Auftrag nicht an und mußte deshalb eine Buße in den Armenfonds
bezahlen. Auch sein gewählter Nachfolger, der Moosbauer Hermann
Rombach, lehnte das Amt ab und zahlte lieber die gesetzliche Strafe.
Für Kontinuität in der Verwaltung Eschbachs sorgte dann von 1876 - 1926
der Ratsschreiber Friedrich Hug, der dieses Amt unter mehreren
Bürgermeistern treu und pflichtbewußt versah.
1879 legte der Hummelhofbauer Johann Gremmelspacher das Amt in Folge
„staatsbeamtlicher Fuchserei“ nieder - Fragen des Kulturkampfes
scheinen eine Rolle gespielt zu haben. Viermal wurde anschließend
wieder vergeblich gewählt. Jeder der Gewählten aber zahlte eher 200
Mark Strafe, anstatt das Bürgermeisteramt zu übernehmen.
Das übergeordnete Amt drohte, einen Unteroffizier mit 1200 Mark
Jahresgehalt auf Gemeindekosten einzusetzen. Daraufhin nahm 1880 der
Schwabenhofbauer Anton Läufer die Wahl an. Er wurde übrigens der
Ahnherr vieler Eschbacher Bürger und ist bis heute unvergessen.
Ratsschreiber Friedrich Hug, der seit 1876 so gewissenhaft Eschbach
verwaltete, glaubte 1886 eine Gelegenheit zu haben, als Bürgermeister
gewählt zu werden. Er unterlag, weil, wie berichtet wird, er „einen zu
kleinen Viehstall“ hatte. Nur Großbauern konnten also Bürgermeister
werden, hatten es aber andererseits nicht nötig - das war das Dilemma
im 19. Jahrhundert.
Aber auch das 20. Jahrhundert brachte Auseinandersetzungen mit den
„Oberen“, vor allem bei der Gemeindereform Anfang der 70er Jahre. Die
große Koalition in Stuttgart zwischen CDU und SPD hatte sich eine
solche vorgenommen und Eschbach befürchtete zu Recht den Verlust seiner
Selbständigkeit. Diese zu behalten, zieht sich wie ein roter Faden
durch alle Beratungen und Entscheidungen der nächsten Jahre. 197l war
im Gemeinderat Eschbach schon die Tendenz sichtbar geworden, mit Stegen
zusammenzugehen, wenn dort eine funktionsfähige Verwaltungsgemeinschaft
u.a. mit Wittental zustande käme. Als Zweifel aufkamen, ob Stegen diese
Chance des Sitzes einer Verwaltungsgemeinschaft erhalten würde,
orientierte man sich in Richtung Kirchzarten und St, Peter und
sondierte die damit verbundenen Möglichkeiten - vorausgesetzt, Eschbach
bliebe selbständig. Folgerichtig wandte man sich Ende 1972 weiterhin
gegen die Pläne des Innenministeriums und des Landrats, freiwillig mit
Stegen und Wittental zusammenzugehen und für eine solche Entscheidung
im Sinne der Landesregierung über 100.000 Mark als Zuschuß des Landes
zu erhalten. Die Gemeinde wollte selbständig bleiben, auch wenn dieses
Geld bei einer gesetzlichen Eingemeindung verloren gehen sollte. Man
wollte nicht käuflich sein - so entschieden formulierte es ein
Eschbacher Gemeinderat. Stegen und Wittental sahen dies natürlich ganz
anders, nämlich als einen Verlust für die gemeinsame zukünftige Kasse.
Der Eschbacher Gemeinderat strebte weiter eine Verwaltungsgemeinschaft
mit St.Peter, St.Märgen und Glottertal mit Sitz in St.Peter an und auch
eine Bürgerversammlung im Jahre 1973 bestätigte diese Haltung.
Argument: Die durch die große Bautätigkeit gestiegene Einwohnerzahl
rechtfertige eine Selbständigkeit der Gemeinde, und eine
Verwaltungsgemeinschaft mit St.Peter beruhe auf gemeinsamen staatlichen
und kirchlichen Verbindungen aus früherer Zeit. Aber die Waage neigte
sich doch langsam in Richtung Stegen: Die entstehende gemeinsame
Hauptschule, die Aushilfe bei der Wasserversorgung, die gemeinsame
elektronische Datenverarbeitung bei einigen Steuern, die geographische
Nähe - all dies schuf indirekt Verbindungen, auf denen Stegens
behutsame Politik weiter aufbaute. Immer wieder machte Stegen
Vorschläge, welche die gemeinsamen Interessen betomen und die
Eigenheiten Eschbachs berücksichtigten. Aber der Gemeinderat von
Eschbach lehnte es noch am 14. Juni 1974, einen Monat vor der Regelung
per Landesgesetz, ab, sich freiwillig mit Stegen und Wittental
zusammenzuschließen. So kam es, wie es abzusehen war: Das
Gemeindereformgesetz vom 9. Juli 1974 gliederte Eschbach nach Stegen
ein und die Eschbacher Räte sahen keine Möglichkeit mehr, eventuell
über ein Verfahren der Feinabgrenzung die Selbständigkeit zu erhalten.
Die Gemeinde Stegen (mit Wittental) setzte ihre behutsame Politik
gegenüber Eschbach fort und regte trotz der schon gesetzlich
festgeschriebenen Eingemeindung an, am 2. Dezember 1974 die
Verhandlungen über einen Eingemeindungsvertrag aufzunehmen, welche die
Wünsche und Interessen Eschbachs so weit wie möglich berücksichtigten
sollte. Diese noble Haltung Stegen und Wittentals hat sicher dazu
beigetragen, Mißtrauen und Enttäuschung in Eschbach abzubauen und neues
Vertrauen zu begründen. Auf diesem Hintergrund wurde am 6. Dezember
1974 die zustandegekommene Vereinbarung beschlossen. Am 1. Januar 1975
erfolgte dann auf gesetzlichem Hintergrund die offizielle Vereinigung.
Kaum jemand mehr bedauert heute diese Entscheidung von damals. So
konnte im nördlichen Dreisamtal eine Verbindung dreier Gemeinden
entstehen, in der Eigenständigkeit und Gemeinsamkeit die Richtung in
die Zukunft weisen.
Literatur:
Graf N. (Hrsg), Ortschronik der Gemeinde Eschbach. Geschrieben anlässlich der Schulhauseinweihung, Dreikönig 1967.
Graf Ch, Eschbach. Eine bevölkerungs- und wirtschaftsgeographische
Analyse des Ortsteils Eschbach. Zulassungsarbeit für das Lehramt an
Grund- und Hauptschulen, Herbst 1977.
Gemeinde Eschbach, Niederschrift der öffentlichen und nicht
öffentlichen Gemeinderatssitzungen 1971 - 1974, Gemeindearchiv Eschbach
VIII/2.
Haserodt, K, Stülpnagel, W.‚ Die Gemeinde Eschbach, aus: Amtliche
Kreisbeschreibung Freiburg i. Br.‚ Stadt- und Landkreis, Band II/l,
Freiburg 1972.