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Alfred Erhart
* 12. März 1928 in Freiburg im Breisgau; † 18. Januar 1984 in Stegen-Eschbach
Alfred Erhart (* 12. März 1928 in Freiburg im Breisgau; † 18. Januar 1984 in Stegen-Eschbach) war ein deutscher Bildhauer.
Nach dem Abitur am Berthold-Gymnasium Freiburg 1947 studierte er bis
1952 an der Staatlichen Höheren Fachschule für Edelmetallgewerbe in
Schwäbisch Gmünd. Dann richtete er in der Freiburger Talstraße seine
erste Werkstatt ein. 1958 heiratete er die Lehrerin Maria Stella Karle,
mit der er fünf Kinder hatte. 1966/68 baute er im Stegener Ortsteil
Eschbach ein eigenes Haus. Am Kolleg St. Sebastian in Stegen wirkte er
ab 1972 auch als Werklehrer für Bildende Kunst. Er publizierte auch
kunsthistorische Aufsätze.[1]
Er gestaltete zahlreiche religiöse Kunstgegenstände, meist aus Metall
und vornehmlich in Baden-Württemberg. Hermann Brommer zählt in einer
provisorischen Liste 77 größere Werke auf, darunter Tabernakel und Ambo
der Pfarrkirche St. Urban in Freiburg-Herdern und das Hauptportal von
St. Stephan in Karlsruhe. Nachdem er schon 1972 den Hirtenstab für den
Freiburger Erzbischof Oskar Saier angefertigt hatte, schuf er 1983 als
sein letztes Werk den Hirtenstab für den zum Bischof von Mainz
ernannten Karl Lehmann.
Wikipedia
Kurzbiografie:
Grundschule, dann Bertholdgymnasium Freiburg
1944-1945 Kriegseinsatz, Flak bei Kehl-Auenheim
1947 Abitur
1948-1952 Studium an der Höheren Fachschule für das
Edelmetallgewerbe in Schwäbisch Gmünd, Abschlussprüfung „mit
Auszeichnung“
1953 Einrichtung der eigenen Werkstatt in einem Hintergebäude der Talstraße 6, Freiburg
1958 Nach Heirat wohnhaft in der Rosegger Straße 6
1964 Umzug in die Dreikönigstraße 40
1968 Umzug in einen geräumigen Neubau am Sommerberg 15 in Stegen-Eschbach
1972 Verpflichtung als Werklehrer (mit Teillehrauftrag) am Kolleg St. Sebastian in Stegen
Biografie:
Als ältester von vier Söhnen in der Zasiusstraße 32
im Freiburger Stadtteil Wiehre aufgewachsen, holte sich der talentierte
Erhart schon in der Jugendzeit bei Kunstmaler Franz Valentin Hemmerle
(1898-1968) viele Anregungen. Er folgte dem Rat, nicht Maler zu werden,
sondern sich als Goldschmied und Metallbildhauer ausbilden zu lassen.
Bei den Besuchen im Haus Hemmerle ließ sich Erhart oft von seinem
Freund und Klassenkameraden Klaus Hemmerle, dem späteren Bischof von
Aachen, auf dem Klavier sein Lieblingsstück vorspielen, den 1. Satz der
Sonate in B-Dur Franz Schuberts. Schon als Kind sammelte Erhart Bilder,
kopierte gotische Stücke, versuchte sich an Metalltreibarbeiten und las
viel über Kunst. Nach der Ausbildung in Schwäbisch Gmünd wagte er in
Freiburg den Sprung in eine freiberufliche Künstlertätigkeit. Es war
für Erhart ein Glücksfall, dass er 1953 in Stadtpfarrer Eugen Walter
gleich einen Förderer fand und mit der Herstellung großer Bronzetüren
für das Hauptportal der neuen Freiburger Dreifaltigkeitskirche
beauftragt wurde. Das verhalf Erhart unmittelbar zum Durchbruch und zu
vielen Aufträgen für künstlerische Arbeiten, meist in der südlichen
Hälfte des Erzbistums Freiburg. Tabernakel, Altarleuchter,
Vortragekreuze, Hängekreuze, Kelche, Bronzeportale und das Grabmal
Karle-Manke in Ballrechten gingen in reicher Fülle aus seinem Atelier
hervor. Die Kleinwerke, wie etwa Kelch und Ring seines Schulfreundes,
Bischof Hemmerle, sind kaum mehr zu erfassen. Vorwiegend Bronze,
Silber, Gold und Edelsteine verwandelte Erhart in Werke, mit denen er
ganz persönlich Talent und Hände seinem Schöpfergott zur Verfügung
stellte. Werkausstellungen in Besançon, Karlsruhe, Freiburg und
Stuttgart machten ihn über Südbaden hinaus bekannt.
Erhart suchte nicht monumentale Fernwirkung, sondern
lockte mit Kleinarbeit zum näheren Betrachten seiner Werke. Als Aufgabe
reizte ihn besonders das Gestalten der Altarräume in Kirchen. Bei
figürlichen Darstellungen wählte Erhart gern Gottes Handeln an den
Menschen als Thema, so, wie er es in der Heiligen Schrift und im Leben
der Heiligen erkannte. Christliche Symbole verarbeitete er zu
ornamentalen Darstellungen. Seine Reliefbilder in Bronze formte er mit
Karton, Wachs, Gips, Styropor, textilen Materialien und Schnur; manche
Modelle schnitzte Erhart aus Holz; die Silberarbeiten schlug er
beidseitig mit dem Hammer und punzte sie von der Rückseite, so dass
meist sehr feine Musterungen entstanden. Dass Erhart sein
künstlerisches Wirken nicht in einer Werkliste registrierte, zeigt, wie
wenig es ihm um seine Person ging. Dadurch erschwerte er aber den
Überblick über sein Schaffen. Umso verdienstvoller sind die
Nachforschungen, die seine Frau Maria Stella unternommen hat. Sie
konnte 104 Tabernakel, 92 Hänge-, Wand-, Vortrage- und Altarkreuze, 87
Leuchtergruppen, 16 Altäre, 15 Lesepulte, 13 Türgestaltungen an
Portalen, 11 Taufsteindeckel, vier Entwürfe für Bildfenster, drei
Bischofsstäbe und 28 Kelche neben Kleinserien feststellen.
Werkverzeichnisse Erharts wurden als Nachschlagemöglichkeit im
Erzbischöflichen Archiv und im Augustinermuseum Freiburg deponiert. Wie
sehr die Auftraggeber Erhart als Künstler schätzten, geht aus einem
Brief des Mainzer Bischofs Karl Lehmann hervor. Zumal Erhart schon den
Hirtenstab des Freiburger Erzbischofs Oskar Saier hergestellt hatte,
vertraute ihm das Ordinariat auch den Auftrag für den Hirtenstab an,
den der neue Mainzer Bischof Lehmann 1983 als Geschenk des
Heimatbistums überreicht bekam. Kardinal Lehmann urteilte darüber: „Der
Stab verkörpert in seiner einfachen, soliden Art, in der
Ausdrucksstärke und in der ungewöhnlichen Einarbeitung meines
Leitwortes genau das, was ich mir wünschte.“
Beim künstlerischen Schaffen war sich Erhart der
Eingebundenheit in seine Zeit bewusst: Er lebte mit der Geschichte.
Bewundernswerte Kenntnisse der Freiburger und oberrheinischen
Kunstgeschichte machten ihn zu einem kompetenten Gesprächspartner,
schärften aber auch seinen Sinn für die eigenen Gestaltungen. Bischof
Hemmerle wies auf die Bedeutung der Geschichte für den Verstorbenen
hin: „Geschichte ... war ein Widerstand, an dem sich seine Kraft
entzündete. Dieser Widerstand machte es ihm einerseits schwerer als es
einer hat, der daran einfach vorbei lebt und vorbei gestaltet.
Andererseits hielt solche Auseinandersetzung mit der Geschichte ...
jedes Abgleiten ins Modische, jedes bloß äußerlich Effektvolle, hinter
dem nichts steckt, von innen fern. Und so wuchs vielen Werken von
Alfred eine verhaltene Kostbarkeit zu.“
Aus seinem Geschichtsinteresse erklärt sich die
Mitgliedschaft im Breisgau-Geschichtsverein, in der Badischen Heimat,
im Münsterbauverein Freiburg, im Förderkreis für Ur- und Frühgeschichte
und in der Historisch-Archäologischen Arbeitsgemeinschaft des Kollegs
St. Sebastian in Stegen. Zur Heraldik und Siegelkunde steuerte Erhart
eigene Entwürfe für das Wappen der Gemeinde Stegen (1976) und das
Pfarreisiegel Merdingens (1979) bei. Archäologische Grabungen und
Burgen faszinierten ihn besonders. An manchen Samstagen unternahm er
mit seinen Kindern Geländebegehungen. Erhart hatte einen besonderen
Sinn für alles Erhaltenswerte und er suchte, dieses Verständnis
weiterzugeben. Erharts Geschichtsleidenschaft wirkte auch auf seine
Tätigkeit als Werklehrer des Kollegs St. Sebastian in Stegen zurück.
Einfache, von seiner Frau entdeckte Pfostenschnitzereien am Gartenzaun
eines Schwarzwaldhofs regten ihn z. B. an, Rundhölzer im Unterricht zu
phantasievollen Figuren umgestalten zu lassen.
Nur Weniges seiner reichen heimatgeschichtlichen,
volkskundlichen und kunsthistorischen Kenntnisse hat Erhart schriftlich
festgehalten oder in Publikationen ausgewertet. Ein Beispiel dafür ist
seine Erforschung des Freiburger Münsterschatzes, die dann von Hermann
Gombert 1965 in seinem Buch „Der Freiburger Münsterschatz“ verwertet
wurde. Der Freiburger Generalvikar Robert Schlund umschrieb das Wesen
des Künstlers treffend, als er bemerkte: „Ich habe die stille, eher
versonnene Art seines Wesens ... geschätzt. ... Er war bescheiden, aber
sich selbst treu und eher im echten Sinn eigenwillig, ein richtiger
Alemanne.“
Hermann Brommer (Autor) Aus: Baden-Württembergische Biographien 4, 70-72
Werke:
Werkverzeichnis Erharts, zusammengestellt von Maria
Stella Erhart, im EAF u. im Augustinermuseum Freiburg. – (Auswahl)
Altäre: Werthmannhaus-Kapelle Freiburg, 1971; Altenheim St. Franziskus
Achern, 1978. Tabernakel, in Messing: Köndringen, St. Marien, 1950; in
Bronze: Achkarren, St. Georg, 1967; Falkau, St. Gertrud, 1967;
Sulzburg, St. Bernhard, 1967; in Silber: Ettlingen, St. Martin, 1956;
Freiburg, Konviktskirche, 1957; Offenburg, Dreifaltigkeitskirche, 1959;
Konstanz, Konradihaus, 1962. Hängekreuze: Bischofsgruft Münster
Freiburg, 1963; Hauskapelle Kloster St. Lioba Freiburg, 1965;
Ottenhöfen, St. Anna, 1966; Filialkirche Mauchen bei Stühlingen, 1967.
Wandkreuze: Weiler Fischerbach, St. Michael, 1958; Kapelle des
Rosmann-Krankenhauses Breisach, 1980. Vortragekreuz: ULF
Freiburg-Günterstal, 1962. Altarkreuz: Maria Trost Beuron, 1960.
Messkelche: Bischof Klaus Hemmerle, 1952; Kardinal Augustin Bea (jetzt
im Bea-Museum, Riedböhringen), 1959; Pfarrer Kurt Behrle,1960;
Missio-Präsident Dr. Dietmar Bader, Freiburg, 1961. Speisekelche:
Merdingen, 1979; Sainte-Croix-en-Plaine, Oberelsass, 1980. Monstranz:
Kolpinghaus-Kapelle Freiburg, 1955. Lesepulte: St. Urban Freiburg,
1974; Institut für pastorale Bildung der Erzdiözese, Freiburg,
Turnseestraße 24, 1981. Bischofsstäbe: Erzbischof Hermann Schäufele,
1956: Erzbischof Oskar Saier, 1972; Kardinal Karl Lehmann Mainz, 1983.
Taufsteindeckel: St. Johann Pfohren, 1964; St. Bernhard Sulzburg, 1968.
Leuchtergruppen: St. Josef Freiburg, 1956; Reichenau-Mittelzell, 1970.
Entwürfe für Bildfenster: Taufkapelle Buchenbach, 1961; Privathäuser in
Stegen und Eschbach. Portale: Dreifaltigkeitskirche Freiburg, 1952; St.
Stephan Karlsruhe, 1959; St. Fridolin Lörrach-Stetten, 1964. –
Publikationen: Der Kirchenschatz von St. Peter, in: St. Peter i. Schw.
Zur 250-Jahrfeier d. barocken Klosterkirche hg. von H. O. Mühleisen,
1977, 124-143; (Zusammen mit seiner Frau) Figuren aus Rundholz, 1980;
Kruzifixe aus Gelbguss in und um St. Märgen, in: Ekkhart 1981, 129-134.
Nachweis:
Bildnachweise: Schau-ins-Land 103, 1984, 210 (vgl. Lit.).
Literatur:
Ein Werk barocker Goldschmiedekunst – Die Monstranz
d. Merdinger Pfarrkirche wurde restauriert, in: BZ, Ausg. FL, 215 vom
17. 9. 1966, 22; Neue Kirchenbauten im Erzbistum Freiburg 1947-1967,
in: das münster, Zs. für christl. Kunst u. Kunstwissenschaft 1967, H.
6, 418-428; H. Meisner, Der Goldschmied A. Erhart, in: Konradsblatt vom
15. 12. 1968, 12/13; H. Brommer, Die Orgel d. Gengenbacher Abteikirche,
in: Schau-ins-Land 86, 1968, 87 – Abb. 2; ders., B. Saums
Kirchenmusikstiftung in St. Peter, in: Schau-ins-Land 87, 1969, 55 –
Abb. 1; M. Müller, Archäologisch-historische Arbeitsgemeinschaft, in:
Kolleg St. Sebastian Stegen, Kollegsbrief 1980, 37-39; M. Müller, Der
Historiker, ebd. 1984, 55/56; H. Meisner, Zum Tod des Bildhauers A.
Erhart – Viel Wertvolles geleistet, in: Konradsblatt 11 vom 11. 3.
1984, 18; H. Brommer, A. Erhart (1928-1984) – Zum Tod des Freiburger
Bildhauers, in: Schau-ins-Land 103, 1984, 209-217; M. Müller, Besondere
Aktivität, in: Die Archäologisch-Historische AG. Rückblick u. Laudatio,
in: Kollegsbrief St. Sebastian Stegen 1995, 53.
Alfred Erhart beim Hämmern der Medallions für den Kelch von Kardinal Bea im Jahre 1958/59 |
Die
Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins "Schau-ins-Land” würdigt in
ihrem 103. Jahresheft durch einen Nachruf von Hermann Brommer Person
und Werk des Freiburger Metallbildhauers Alfred Erhart, der am 12.
Januar 1984 in Eschbach im Alter von nur 55 Jahren an einem Krebsleiden
starb. Seither blieben Mitteilungen und Abbildungen über den Künstler
Erhart und dessen Werk unveröffentlicht. Alfred Erhart war ein
Zeitgenosse der Textilwerkerin Gertrudis Huber, des Grafikers Alfred
Riedel, des Steinbildhauers und Freiburger Hüttenmeisters Sepp Jakob,
und hat wie sie sein Schaffen der christlichen Kunst gewidmet. Ihr
Werk, das in der Nachkriegszeit stilbildend wirkte, ist in der
Geschichte der Stadt und der Kirche fest verankert.
Bronzeportal der Dreifaltigkeitskirche in Freiburg 1951 |
Tabernakel Kindergarten St.Anton in Riegel (1961) Foto: Maria Stelle Erhart |
Kelch für Kardinal Augustin Bea 1959 Foto: Maria Stelle Erhart |
Das
nahezu 400 Auftragsarbeiten umfassende Werk Erharts, darunter Gruppen
bis zu 12 Einzelstücken, findet sich in zahlreichen Kirchen, Schulen
und Krankenhäusern Freiburgs und nächster Umgebung, in vielen
Schwarzwaldgemeinden, Orten von Chur bis Konstanz, von Wertheim bis
Weingarten, ebenso in München, Münster und Essen. Nur wenige
Zeichnungen und Modelle für Tabernakel, Kreuze, Leuchter,
Taufsteindeckel oder Bronzeportale sind unausgeführt geblieben. Jedes
Werk bis zum Hirtenstab für den Mainzer Bischof Prof. Dr. Karl Lehmann,
Erharts letzter Silberschmiedearbeit‚ erhielt höchste Sorgfalt im
Entwurf und in der Ausführung.
Metallbilden für die Kirche
Alfred Erhart wurde am 12. März 1928 in Freiburg geboren.
Väterlicherseits stammen die Großeltern aus dem Elsaß und führten in
der Wiehre ein renommiertes Raumausstattungsgeschäft. Nach dem Abitur
auf dem Bertoldgymnasium 1947 wurde der freundschaftliche Rat eines
Nachbarn wegweisend. Der Maler und Graphiker Franz Hemmerle erkannte
Erharts Begabung in Metall zu arbeiten und förderte die entsprechende
Ausbildung an der Staatlichen Höheren Fachschule für das
EdelmetaIl-Gewerbe in Schwäbisch Gmünd. Die Schule, die Erhart am 16.
Januar 1952 mit „Auszeichnung” absolvierte, genoß auch außer Landes
einen ausgezeichneten Ruf, vor allem weil dem Werkstattunterricht das
Zeichnen, Entwerfen und Gestalten gleichgestellt war. In der Klasse des
damaligen Direktors Prof. Walter Lochmüller lernte Erhart das
Emaillieren in Zellschmelztechnik. Daß aber nicht das Goldschmieden von
Schmuck ein Anliegen wurde, sondern das Silberschmieden und
Metallbilden für Kirche und Liturgie, stand schon vor der Ausbildung
fest.
Abriß der Heilsgeschichte
Erhart war noch ein Fachschüler in Schwäbisch Gmünd, als der Architekt
der Freiburger Dreifaltigkeitskirche, Gregor Schröder, den ehemaligen
Stadtpfarrer Eugen Walter auf ihn aufmerksam machte. Das war 1953,
Erhart unbekannt und noch ohne seine spätere Werkstatt in der
Talstraße, im Rückgebäude der Hausnummer 6, als er den Auftrag erhielt,
ein Bronzeportal für den Kirchenneubau zu entwerfen. Auf 24,
beziehungsweise 28 Feldern, stellen in strenger, aber gut lesbarer
Stilisierung ganze Figurengruppen wie auch Einzelfiguren das Thema
„Ecclesia praefigurata” dar, ein Abriß der Heilsgeschichte, von der
Schöpfung bis zum eschatologischen Lobgesang. Figurenszenen, wie die
Erschaffung Evas oder die Braut Rebecca am Brunnen, zeigen lange
Gestalten und plastisch modelIierte Köpfe, während Landschaft und
symbolische Ornamentik in vorwiegend linearen Umrissen und sparsamer
Binnenzeichnung dezent reliefiert in die Fläche komponiert sind. Das
zweiflügelige Kirchenportal öffnet sich in einer Achse mit dem
Taufstein (von Karl Rißler) und dem in einfacher, klarer Form gebauten
Altar ohne das frühere Retabel. In formaler Zuordnung gestaltete Erhart
den an der Frontseite vergoldeten Tabernakelschrein mit der biblischen
Darstellung des aufstrebenden Baumes und des herabströmenden Flusses
(heute an einem anderen Ort), die ausgewogen proportionierten
Altarleuchter und das Altarkreuz, das frei vom Boden aus den Tabernakel
überragte. l2 Edelsteine zierten einst den Baum bis sie gestohlen, und
von Erhart kurz vor seinem Tod in 12 verschiedenen Bronzeformen ergänzt
wurden. So verhalfen ihm nicht nur das Portal-Erstlingswerk, sondern
auch die Arbeiten für das Kircheninnere (1954-57) zum Durchbruch. Außer
den Bronzeportalen für die Stephanskirche in Karlsruhe (1959), und St.
Fridolin in Lörrach-Stetten (1964) hat Erhart noch einige ausgeführt.
Modernes Kultgerät
Silberschmieden bedeutet nicht Verzicht auf Gold, Email und Edelsteine,
denn weniger das Material als die Entstehung und die Verwendung des
Metalls unterscheiden die beiden kunsthandwerklichen Berufe. Während
der Goldschmied in erster Linie Schmuck fertigt, schafft der
Silberschmied Hohlgeräte, also Kannen, Schalen und Becher, worunter
auch kirchliche Gerätschaften gehören. Obwohl diese an liturgische
Vorschriften und Funktionen gebunden sind, hat sich das Kunsthandwerk
seit jeher auf diesem Gebiet ausgezeichnet. Mit der „Liturgischen
Bewegung”, die eine schlichtere Form einforderte, entwickelte sich
allmählich eine modernere Durchbildung des Kultgeräts etwa seit den
20er Jahren vor allem an der Aachener Kunstgewerbeschule unter der
Leitung des Architekten Rudolf Schwarz. Aber erst im Zusammenhang mit
der quantitativen Bautätigkeit der Kirche nach 1945 wurde zunehmend
neues Kultgerät in Auftrag gegeben. An der Schwäbisch Gmünder
Fachschule wurde sakrales Gerät zwar nur beiläufig behandelt, umso mehr
aber auf eine klare, strenge Formgestaltung geachtet. Aus der
Silberschmiedeklasse von Prof. Hans Warnecke, der auch Erhart
angehörte, existieren Beispiele solider Geräteformen, die doch auf eine
feine handwerkliche Durchbildung nicht verzichten. Ihre Formschönheit
liegt in der dezenten Unaufdringlichkeit. Dieser Kelch (BILD), von der
Gemeinde Riedböhringen zur Kardinalskreierung von Augustin Bea 1959 in
Auftrag gegeben, erfüllt durch ruhige Umrißlinien und der klaren
Trennung von Fuß, Nodus und Kuppa eine vollendete Gestaltung. Auf den
drei in den Fuß eingelassenen Email-Medaillons sind Heilige
dargestellt. Auch die im gleichen Jahr entstandenen Kelche für die
ehemaligen Klassenfreunde Paul Sumser, späterer Pfarrer und Klaus
Hemmerle, späterer Bischof von Aachen (gest. 1994) belegen die stets
sparsame und nur als gestalterisches Element einsetzende Verwendung von
Ornamentschmuck, seien es Edelsteine, Bergkristalle, Bein, Email oder
Niello.
Bildnerische Darstellungen
Die besondere Eignung des Tabernakels zur Oberflächengestaltung
interessierte Erhart selten rein ornamentaI-dekorativ, vielmehr
bewegten ihn verstehbare bildnerische Darstellungen, vorwiegend Szenen
aus dem Alten Testament. Die frühesten figürlich getriebenen Tabernakel
waren aus dem wesentlich härteren Messing gearbeitet, dann aus dem
weicheren Silber, das auch eine filigranere Gestaltung erlaubte. In der
Seminarkirche des Collegium Borromäum zielt der ovale Tabernakelschrein
(1956) nicht auf eine bildhauerisch monumentale Wirkung, sondern
verlangt das aufmerksame Betrachten der sieben fließend verbundenen
Bildteile mit eindrucksvollen Szenen aus der Exodusgeschichte, die
wunderbare Speisung der Israeliten, der Durchzug durch das Rote Meer,
Moses schlägt mit dem Stab Wasser aus dem Felsen. Erharts kraftvolle
Sprache liegt gerade in den ausdrucksvollen Gestalten mit dem
großäugigen Gesicht, dem dramatischen Handgestus, die freilich einen
Rückgriff auf Byzanz und den mittelalterlichen Reliefstil verraten. Man
sieht es den eigenwilligen Kompositionen aber an, daß sie nicht auf dem
Papier und mit dem Bleistift, sondern aus dem Material gestaltet sind.
Bis in die Mitte der 60er Jahre entstanden die beidseitig mit dem
Hammer geschlagenen Silbertreibarbeiten, die auf der Rückseite punziert
und auf der Vorderseite ziseliert sind. Unter den etwa neunzig
Tabernakel, die Erhart allein im ersten Jahrzehnt seiner
Metallbildhauertätigkeit geschaffen hat, ist die Abendmahldarstellung
(1961) im Kindergarten St. Anton in Riegel ein schönes Beispiel für die
filigrane Ausführung und das Einbeziehen der besonderen Materialreize
in die Gesamtgestaltung. Daß nicht nur das Einzelstück, sondern die
Einrichtung des ganzen Altarraums mit den einzelnen liturgischen Orten,
Altar, Ambo, Tabernakel und Kreuz an Erhart eine herausfordernde
Aufgabe stellte, veranschaulichen viele Kirchen, in denen die
entsprechenden Arbeiten so platziert und formuliert sind, daß
inhaltliche und formale Beziehungen deutlich werden.
Breites Experimentierfeld
Die Werkzeichnung im Maßstab eins zu eins begleitete jeden Entwurf, der
für einen Metallguß vorgesehen war. Seit den frühen 60er Jahren
bevorzugte Erhart zunehmend die Bronzegußtechnik im aufwendigen
Wachsausschmelzverfahren, eine Technik, die vor allem hinterschnittene
Reliefs erlaubt bis von 1970 an dieser Werkstoff durch Leichtmetall
ergänzt wurde. Für die Aluguß-Technik stellte Erhart Modelle aus
Styropor her. Das breite Experimentierfeld, sei es in der Verwendung
verschiedener Metallarten und/oder in der Kombination
unterschiedlichster Gußtechniken, erlaubte ihm vielseitige Ausdrucksund
Gestaltungsmöglichkeiten, wie beispielsweise das flach reliefierte
Bronzekreuz von 1981 in der Kapelle des Instituts für Pastorale Bildung
eine typisch späte Arbeit ist. Erhart wurde immer wieder mit
komplizierten Restaurierungen alter und neuer Edelmetallwerke
beauftragt, wie er auch Goldschmiedearbeiten aus früheren Epochen
stilgeschichtlich sehr gut kannte. Ihm ist nicht nur die
Inventarisierung des Freiburger Münsterschatzes in den 60er Jahren zu
verdanken, sondern auch der profunde Katalogbeitrag der
Goldschmiedearbeiten im Kloster St. Peter anläßlich der 250Jahr-Feier
der Einweihung der Klosterkirche (St. Peter im Schwarzwald 1977).
Leidenschaft Heimatkunde
1968 zog die Familie Erhart nach Eschbach-Stegen. Zur neuen Werkstatt
kamen neue Tätigkeitsbereiche, einmal als Werklehrer am Kolleg St.
Sebastian in Stegen und zuhause am Werktisch die Miniaturschnitzerei
aus Rundhölzern. Belesen und bewandert war Alfred Erhart auf sehr
vielen Gebieten, vor allem ein ausgezeichneter Kenner der
oberrheinischen Kunstgeschichte. Seine Leidenschaft war jedoch
Heimatkunde, die der sonst sehr in sich gewandte und stille Erhart mit
seinen fünf Kindern aufs neue erforschte, sei es durch den Besuch von
Museen, Kirchen oder auf langen Waldwanderungen. Er galt als ein
beinahe zu bescheidener Mensch, ohne Aufhebens um seine Person und
offizieller Anerkennung seiner Arbeit. Daß er dennoch auf Ausstellungen
in Karlsruhe, Stuttgart und Besancon vertreten war, lag an der
Überredungskunst einiger hartnäckiger Kollegen und Freunde. Am 12. März
1998, an dem Alfred Erhart 70 Jahre alt geworden wäre, wird seine Frau
Maria Stella Erhart das von ihr nach mühsamen Recherchen erstellte
Werkverzeichnis und eine begleitende Fotodokumentation an das
Augustinermuseum übergeben.
FREIBURGER ALMANACH - ILLUSTRIERTES JAHRBUCH ´98
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