| Das
                  Engländer-Unglück im Schnee auf dem Schauinsland 1936 | 
Über das nunmehr über achzig Jahre
          zurückliegende Engländerunglück schrieb der spätere Bürgermeister von
          Hofsgrund Eugen Schweizer vom Mittleren Rain am 28. April 1936
          folgenden handschriftlichen Bericht: 
        
Am 17. April um 1/2 8.00 Uhr fuhr ich
          von zu Hause mit Skiern zu dem etwa fünf Minuten ent-fernten Kaufladen
          von Bernhard Lorenz, um einzukaufen. Ich unterhielt mich mit ihm
          gerade über die ungewohnten und so spät im April eingesetzten
          Schneefälle, die von 5.00 Uhr morgens bis abends ununterbrochen
          andauerten, und die großen Schneeverwehungen. Auf einmal hörten wir
          junge Burschen laut gegen den Bauernhof im tiefen Schnee daher
          stampfen. Sogleich gingen Herr und Frau Lorenz vor die Haustür, um mit
          ihnen zu sprechen. Zuerst bekamen sie gar keine Antwort, da die
          Jugendlichen nur Englisch sprachen. Als der Ladenbesitzer merkte, daß
          die Burschen sehr erschöpft aussahen, gab er ihnen Sprudel und Kaffee
          zu trinken. Auf die Frage, woher sie kämen, antwortete einer: Vom
          Schauinsland, zwei Mann liegen krank am Berg, es sind 28 Mann
          beisammen. Nun bat mich Herr Lorenz, die Burschen in das zehn Minuten
          entfernte Gasthaus »Zum Hof« zu bringen. Ich schnallte meine Skier an
          und ging den etwa fünfzehn Jungen voraus; zwei weitere kamen noch
          dazu, die in einem anderen Bauernhaus Rettung gesucht, aber die
          Besitzer nicht angetroffen hatten. Nun hörte man auch die Hilferufe
          der am Berg Zurückgebliebenen, die immer lauter wurden und einem durch
          Mark und Knochen gingen. Ich ging den Berg hinauf und traf unterwegs
          die auch zu Hilfe eilenden Bernhard Rees und Reinhold Gutmann. Vor uns
          her ging der Landwirt Hermann Lorenz, der dann den ersten
          Verunglückten in den Kaufladen brachte. Inzwischen war auch Hermann
          Lorenz eingetroffen. Nur durch Zufall fand der etwas hinter uns
          hergehende Reinhold Gutmann einen zweiten erschöpften Burschen im
          Schnee liegen. Er trug ihn auf dem Rücken, bis der dazu kommende
          Hofwirtssohn Fritz Sonner ihm half, den Verunglückten in einen
          Bauernhof zu bringen. Davon hatten wir nichts gemerkt, da wir schon
          weiter vorne waren und durch den heulenden Schneesturm nichts hören
          konnten. Schließlich erreichten wir die Engländer: zuerst einen
          Posten, bei dem ein erschöpfter Kamerad lag, dann einen weiteren
          Posten und zwei Erschöpfte, bei ihnen der Lehrer. Er verstand Deutsch.
          Um die Verunglückten abzutransportieren, holte ich erst aus dem
          Kaufladen in Hofsgrund einen Schlitten. Hier unten war man fieberhaft
          an der Arbeit, den beiden Aufgefundenen durch Massieren und
          Armbewegungen das Leben zu erhalten. Ich ging, den Schlitten tragend,
          sogleich wieder den Berg hinauf. Meine beiden Hofsgrunder Begleiter
          hatten - etwa 3/4 Stunde von den übrigen entfernt - bei der
          sogenannten Platzhürst drei weitere Verunglückte aufgefunden. Bei
          ihnen war Hubert Wißler, der zuerst zur Hilfe geeilt war. Er hatte
          sich gleich nach 8.00 Uhr, als er die ersten Hilferufe vernahm, allein
          mit seiner Karbidlampe den Weg senkrecht den Berg hinauf auf die Suche
          begeben. Die Schüler waren über unsere Hilfe erfreut. Wir fuhren nun
          im schnellen Tempo den Berg herunter, konnten aber nicht alle
          Erschöpften mitnehmen. Uns kam Bernhard Lorenz mit einem Scheinwerfer
          entgegen und leuchtete unserem Schlitten. 
        
Um etwa 10.00 Uhr nachts kamen wir im
          Kaufladen an, wo sich inzwischen noch mehr hilfsbereite Hofsgrunder
          versammelt hatten. Jeder bekam da seine Arbeit, keiner stand zurück.
          Wir gingen mit zwei Schlitten wieder den Berg herauf und luden noch
          zwei Erschöpfte auf. So ermöglichten wir Hofsgrunder - die doch das
          Wetter gewöhnt sind - mit letzter Kraft die Rettung der Engländer. Der
          Lehrer und die Posten gingen zu Fuß hinter uns her. Von der Halde kam
          um 1/2 12.00 Uhr nachts ein zufällig dort weilender Arzt. Auch er
          leistete alles, was in seinen Kräften stand, aber leider waren vier
          Schüler schon tot. Zwei Stunden später traf dann ein Arzt aus
          Kirchzarten ein sowie Sanitäter und Gendarmerie. Die vier Toten wurden
          in das Rathaus überführt, die zwei Lebenden gegen Morgen nach Freiburg
          in die Klinik gebracht, wo einer im Laufe des Vormittags starb. Die
          übrigen 21 Schüler mit Lehrer wurden in Hofsgrund im Gasthaus »Zum
          Hof« verpflegt. Im Laufe des Samstagnachmittags wurden sie auf
          Schlitten, von Hofsgrundern gezogen, zur hohen Brücke gebracht; von
          dort gelangten sie mittels Omnibus nach Freiburg. Später, da noch
          nicht alle Schüler von den Toten wußten, wurden diese auch zur hohen
          Brücke und von dort nach Freiburg in die Einsegnungshalle auf dem
          Friedhof überführt, wo sie aufgebahrt wurden, bis ihre Särge am
          Dienstagvormittag nach England befördert wurden. Freitags fand dort
          die Beerdigung statt. Die überlebenden Schüler kehrten auch nach
          England zurück. Sie stammten alle aus London. In der Zeitung wurde
          berichtet: »Dank an alle Helfer. Mr. Keast, der Lehrer der
          verunglückten Engländer, schreibt dem „Alemannen“ Freiburg, 21. April.
          Am Dienstagabend hat der Lehrer der englischen Schüler, die von so
          großem Unglück betroffen wurden, Freiburg wieder verlassen, um in die
          Heimat zurückzukehren. Er bat uns, im „Alemannen“. folgenden Brief an
          die Bevölkerung von Freiburg und Hofsgrund als Zeichen des Dankes zu
          veröffentlichen; das Schreiben, das an unseren Schriftleiter gerichtet
          ist, lautet in der Übersetzung wie folgt: -Es ist unmöglich, auch nur
          annähernd unser Gefühl der Dankbarkeit gegenüber den Leuten von
          Hofsgrund und Freiburg in Worte zu kleiden. Tiefe Dankbarkeit erfüllt
          uns über die uneigennützige Hilfe und das rührende Entgegenkommen, das
          sie uns nach dem schrecklichen Unglück bewiesen haben. Niemals werden
          wir die übermenschlichen Anstrengungen der Leute von Hofsgrund
          vergessen können, die alles getan haben, um uns in Sicherheit zu
          bringen und das Leben unserer Kameraden zu retten. Immer werden wir
          uns dankbar an all jene freundlichen Bemühungen erinnern, mit denen
          man uns helfen wollte, die Schrecken dieser Nacht zu vergessen und die
          uns ein Land näher brachten, das zuvor für uns fremd war. - Mein
          Direktor hat mich gebeten, auch in seinem Namen Ihnen allen für diese
          kameradschaftliche Verbundenheit den herzlichsten Dank zu sagen.
          Kenneth Keast.': Eugen Schweizer nennt die Namen der tödlich
          Verunglückten: Francis Bourdillen, geboren am 25. Oktober 1923;
          Alexander Jack Eaton, geboren am 16. Juni 1921; Peter Harold
          Ellercamp, geboren am 8. Mai 1922; Stanley Michael Lyons, geboren am
          30. April 1922, und Roy Martin Witam, geboren am 15. September 1921. 
        
Schweizer fährt fort: Wie ich später in
          der Zeitung las, kamen die Schüler am Freitagmorgen von Freiburg, wo
          sie in der Jugendherberge im »Peterhof« übernachtet hatten. Sie
          wollten über den Schauinsland nach Todtnauberg in die Jugendherberge,
          von da am Samstag über Feldberg nach Titisee. Als sie am Freitag
          Morgen in Freiburg weggingen, war das Wetter nicht so schlecht. Nur
          der starke Schneefall, der den ganzen Tag ununterbrochen anhielt,
          wurde ihnen zum Verhängnis. Gegen Mittag waren sie in der Nähe des
          Bergmannsheims. Von da gingen sie die Kappler Wand hinauf und kamen
          auf die Rodelbahn. Um 5.00 Uhr abends erreichten sie die Kammhöhe des
          Schauinslandes. Von hier begaben sie sich - anstatt gegen den rasenden
          Schneesturm zur Bergstation zu kommen - in die Richtung vom
          Schneesturm weg, und so irrten sie bis 1/2 8.00 Uhr abends umher, bis
          sie die Kirchenglocken von Hofsgrund hörten. Nun wußten sie, daß hier
          am Schauinsland eine Gemeinde sein mußte, und gingen in der Richtung
          des Glockenklanges Hofsgrund zu. Endlich kamen sie aus dem dichten
          Nebel heraus. Sie sahen die Lichter der Häuser. Zuerst gelangten sie,
          wie erwähnt, in das Bauernhaus, in dem ein Kaufladen ist. - 
        
Heute steht an der Straße, die zum
          Schniederlihof führt, das »Engländerdenkmal«. In englischer und
          deutscher Sprache sind die Unglücksdaten eingemeißelt. Im
          Kirchenvorraum von Hofsgrund befindet sich eine Metalltafel mit einer
          - ebenfalls deutschen und englischen - Inschrift. Die deutsche
          Inschrift lautet: »Der Abendruf des Glöckleins dieser Kirche führte in
          dieses Dorf herunter eine Gruppe englischer Schüler, die sich am 17.
          April 1936 in dem schrecklichen Schneesturm auf dem Schauinsland
          verirrt hatten, wobei auch fünf ihrer Kameraden das Leben verloren. -
          Die Eltern der Schüler wünschen hiermit den Bewohnern von Hofsgrund
          für die in jenem Augenblick der Not so bereitwillig gewährte Hilfe,
          Rettung und Gastfreundschaft ein Zeichen ihrer Dankbarkeit zu geben.«
          
        
Auszug aus dem Buch von Paul Priesner:
          Geschichte der Gemeinde Hofsgrund