Schon früh zogen Jäger und Sammler durch das Tal. Von ihren
Spuren ist jedoch kaum etwas geblieben. Im 2. Jahrhundert v.
Chr. entstand auf dem Gewann »Rotacker« bei Zarten eine
unbefestigte keltische Siedlung. Ihr Name »Tarodunum« ist später
— im 2. Jahrhundert n. Chr. — in einer Ortsnamensliste bei
Ptolemaios, einem Geographen im ägyptischen Alexandria,
überliefert. Funde zeugen von großem Wohlstand der mindestens 12
Hektar großen und dicht bebauten Siedlung. Dieser Wohlstand
beruhte überwiegend auf dem blühenden Handwerk, wie zahlreiche
Schlacken und Gussreste zeigen, dem Münzgeld aus Gold, Silber
und Potin, der Produktion von Glasschmuck wie auch der
Viehzucht. Dem Vertrieb diente eine wichtige Handelsroute durch
den Schwarzwald bis zur oberen Donau ein früher Vorläufer
der heutigen B 31.
Im süddeutschen Raum gibt es eine Reihe an alten keltischen
Befestigungsanlagen, allerdings ist das im Dreisamtal gelegene
Tarodunum eine der beachtlichsten. Um etwa 100 v. Chr. entstand,
ungefähr 1-2 km von Zarten entfernt, eine Befestigungsanlage,
die aber nie fertiggestellt wurde. Offen bar wollten die Kelten
ihre Siedlung in diese neue Festung verlegen. Durch die
landwirtschaftliche Nutzung eingeebnet, ist heute zwischen dem
ehemaligen Gasthof Rainhof und dem in der Gemarkung Buchenbach
gelegenen Gast haus Schlüssel ein verflachter Wall zu erkennen,
unter dem bei Ausgrabungen 1901 eine Mauer mit Tor entdeckt
wurde.
Nach dem Zusammenbruch des Handelsnetzes und dem Ende der
Großsiedlung-überlieferten keltische Bauern den ankommenden
Römern den Namen »Tarodunum«, welcher dann über »Zarduna« im
Frühmittelalter, um 765 n. Chr., zu »Zarten« wurde. Das
keltische »Tarodunum« ist damit noch heute im Gemeindenamen
Kirchzarten mit Ortsteil Zarten erhalten.
Während etwa ab dem späten 1. Jahrhundert n. Chr. die
Besiedelung im Dreisamtal wieder stark zunahm, reduzierte sich
im 3. Jahrhundert die Zahl der römischen Siedler durch die
innerrömischen Wirren und die wachsende Bedrohung des römischen
Imperiums von außen. Der Schwarzwälder Bauer ließ sich davon
allerdings nicht beirren, und so kam es, dass eine Reihe von
Leuten — ungeachtet der politischen Wirrnisse — im Dreisamtal
geblieben ist. Den abgewanderten Römern folgten Germanengruppen
-— von den spätrömischen Schriftstellern als >Alamanni« oder
(im Breisgau) als »Brisigavi« bezeichnet —, die aber zunächst
nicht im Dreisamtal sesshaft wurden. 746 wurden die Alemannen
endgültig von den Franken unterworfen, die den südlichen Raum zu
durchdringen versuchten. Unter der fränkischen Herrschaft, die
mit dem Klosterbesitz St.Gallen im 8. und 9. Jahrhundert im
Breisgau ausgedehnte Rechte und Güter erworben hatte, wurde
Zarten zum topographischen Bezugspunkt, Gerichtsort und
Verwalter der Zehntscheuer. Ein Hofgut in der »Marcha
Zardunense«, im Ort Zarten, wird in der ersten schriftlichen
Quelle von 765 genannt. Erst einige Jahrhunderte später, 1125,
wird auch »Kirchzarten« das erste Mal erwähnt.
In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts entbrannten im Reich
zwischen Kaiser und Papst heftige Auseinandersetzungen um das
Verhältnis von weltlicher und geistlicher Macht, der sogenannte
Investiturstreit. Da der Zähringer Berthold I. (+ 1078) zu den
Gegnern König Heinrich IV. zählte, hatte ihm dieser die
Grafschaftsrechte im Breisgau sowie seine Besitzungen im
Zartener Becken entzogen und dem Bischof von Straßburg
übertragen. Diese versuchte sein Sohn Berthold II.
zurückzuholen. Er eroberte 1079 die Burg Wiesneck, auf der
vermutlich ein Dienstmann des Bischofs von Straßburg saß. Zu
seinem Herrschaftsbereich gehörte die Vogtei über die
sanktgallischen Güter im Dreisamtal. Mit reichem Besitz offenbar
aus dem Grafengut im Zartener Becken, darunter die »Villa
Zarduna«, wurde das um 1118 von Domprobst Bruno von Straßburg
gegründete Kloster St.Märgen, das in Konkurrenz zur
zähringischen Klostergründung St.Peter von 1093 stand,
ausgestattet. Beide Klöster sollten die Höhen roden und vor
allem wichtige Schwarzwaldaufgänge sichern. Mit der Zerstörung
der Burg Wiesneck um 1121 gewannen die Zähringer endgültig die
Oberhand. Durch ihren Sieg sicherten sie sich die Straße durch
das Wagensteigtal zu der Zähringerstadt Villingen. Ergebene
zähringische Ministerialen fanden sich in den Herren von Weiler
und den mit diesen verwandten Falkensteinern. Diese hatten im
12. Jahrhundert ihren Sitz ins Höllental verlegt und sich von
dort ostwärts ein Machtzentrum aufgebaut. Um dieselbe Zeit
übernahmen sie die ehemals von den Wiesneckern ausgeübten
Vogteirechte über die sanktgallischen Güter. Um die Kirche in
Zarten vor den andauernden Konflikten zu schützen, wurde an
anderer Stelle ein neues und größeres Gotteshaus gebaut. Die
Namensgebung von »Kirchzarten verweist auf diese Kirche. 1297
trennte sich St.Gallen von Besitzrechten und verkaufte
»Kirchzarten« an die Falkensteiner, die in der Folgezeit weitere
wichtige Herrschaftsrechte erwarben und schließlich ein Gebiet
beherrschten, das sich vom Höllental über Alpersbach, Breitnau,
Hinterzarten, Turner, St.Märgen, Titisee, den Feldberg, Rinken,
Zastler, Weilersbach, Bickenreute und dann nach Kappel, Ebnet,
Littenweiler, Wittental, Attental und Zarten bis zum neuen
Herrschaftsmittelpunkt Kirchzarten erstreckte. Damit hatte
Zarten seine Zentrumsfunktion eingebüßt.
Aufgrund von Erbschaft und Verkauf spaltete sich im Laufe des
14. Jahrhunderts der Besitz der Falkensteiner auf. Trotz der
Zerstörung ihrer Burg im Jahre 1388/89 im Rahmen der
Städtepolitik der Stadt Freiburg und dem vorgeschobenen Vorwurf
der Wegelagerei blieben sie angesehene Bürger der Stadt. Durch
nachhaltige Spenden an die St.Gallus Kirche und durch das fein
gearbeitete Epitaph des sagenumwobenen Kreuzfahrers Ritter Kuno
hat dieses Geschlecht in Kirchzarten bleibende Spuren
hinterlassen.
Ritter Kuno ist der angebliche Gründer der Burg Falkensteig.
Der Sage nach befand er sich auf dem Weg ins Heilige Land, als
er von den Türken gefangen genommen wurde. Auf gebrochen zu
dieser Kreuzfahrt war er, um Gott zu bitten, ihm Nachfahren zu
schenken. Er nahm Abschied von seiner geliebten Frau Ida. Zum
Zeichen der Treue brach er den Ehe ring in zwei Hälften und
bat sie darum, sieben Jahre auf ihn zu warten. Nach sieben
langen und harten Jahren der Gefangenschaft gelang ihm
schließlich die Flucht. Doch weitere Hürden bauten sich vor
ihm auf. Um dennoch seine Frau rechtzeitig vor einer erneuten
Heirat zu bewahren, schloss er einen Pakt mit dem Teufel.
Dieser bot ihm an, ihn nach Hause zu fliegen, wenn er aber auf
dem Weg in den Schwarzwald einschliefe, sei die Seele sein.
Der Teufel verwandelte sich in einen fliegenden Löwen. Bis zum
Schwarzwald war es eine lange Reise und Ritter Kuno drohte
einzuschlafen. Er hatte Glück. Ein weißer Falke, der im Wappen
der Falkensteiner verewigt wurde, kam ihm zu Hilfe und hielt
ihn mit dem Schnabel und den Flügeln wach. Im Gasthaus zum
»Rindsfuß« wurde bereits die Hochzeit sei ner Frau gefeiert,
als Ritter Kuno, als Pilger gekleidet, um einen Becher Wasser
bat. Nachdem er ausgetrunken hatte, legte er den Ring in den
leeren Becher und reichte ihn Ida. Diese tat die andere Hälfte
hinzu. Die Ringe verschmolzen, sie erkannte ihn. Ritter Kuno
verstarb am 4. Mai 1343. Das Epitaph in der St. Gallus Kirche
in Kirchzarten zeigt überlebensgroß den Ritter Kuno. Er trägt
eine Ritterrüstung, Turnierhelm, Kettenhemd, Wehrgehänge und
Schild, auf dem das Falkensteiner Wappen abgebildet ist. Zu
seinen Füßen liegt ein Löwe.
Im 15. Jahrhundert folgten einflussreiche Familien den
Falkensteinern. Diese verkauften allerdings 1496 ihre Anteile,
so dass Freiburg Kirchzarten erwerben und damit die
Talherrschaft ausbauen konnte. Um 1437 wird eine Burg in
Kirchzarten das erste Mal erwähnt. Der nördliche Teil der
heutigen Talvogtei stammt aus dieser Zeit. Um 1400 war
Kirchzarten das Zentrum im Tal. Es war Sitz des Vogtes, Kirch-
und Gerichtsort. »Schutzhöfe« boten Flüchtigen Asyl und
Jahrmärkte, Brot-, Fleisch und Krämerlauben ermöglichten nach
dem Kirchgang Einkäufe. Darüber hinaus gab es drei Badstuben
sowie Trinkstuben, die die Talbewohner anlockten.
Seit den 60er Jahren des 15. Jahrhunderts hat sich die Stadt
Freiburg im Dreisamtal planmäßig weiter ausgebreitet. Sie
kontrollierte mit ihrem hinzugewonnenen Besitz die
Wagensteigstraße, den Eingang ins Höllental und die Straße nach
Oberried. In das 1502 so genannte Schloss in Kirchzarten zog ein
»Talvogt« ein. Nun gehörten Kirchzarten und große Teile des
Dreisamtales zu »Vorderösterreich«, denn Freiburg war
mittlerweile unter habsburgische Herrschaft gefallen. Trotz der
Konkurrenz mit anderen Herrschaften war Freiburg bis zum
Übergang des Breisgaus an Baden (1896) mit dem Territorium der
Talvogtei die dominante Kraft im Zartener Becken. Das 18.
Jahrhundert war durch Krieg und Not gekennzeichnet. Im
Spanischen (1701-1714) und im Österreichischen Erbfolgekrieg
(1740—1748) wurden Freiburg und sein Territorium von den
Franzosen besetzt. Die Kriege im Gefolge der Französischen
Revolution brachten für Freiburg und das Umland erneutes Leid.
Die Stadt war 1796 wiederum von Franzosen besetzt worden.
General Moreau, der sich weit nach Bayern vorgewagt hatte, wurde
von Erzherzog Karl zum Rückzug gezwungen und drängte mit 40.000
Soldaten durch das Höllental, stets den Angriffen von den Höhen
ausgesetzt. Obwohl die Armee weitgehend unbehelligt blieb, ist
sie wohl »durch die Hölle« gegangen. Zeitgenossen berichten, in
welch kläglichem Zu Stand die Soldaten durch die Lande zogen:
»der größte Teil hatte keine Schuh; bedeckt waren sie mit
Betttüchern oder Teppichen, [...] man sah einige in
Weiberkleidern, das ganze glich einer Maskerade«. 1799 und 1805
rückten erneut Franzosen in Freiburg ein und zogen weiter
Richtung Schwarzwald.
Das Land war verarmt. 1796 berichtete der Talvogt, die Zustände
im Tal seien trostlos, außer den Uhrmachern gebe es kein Gewerbe
mehr, Bettelvolk mache Wege und besonders die Einzelhöfe
unsicher. Dazu kam eine Zunahme der Bevölkerung im Gebiet der
Talvogtei von 1700 bis 1786 um 1289 auf 3149 Personen. Im Zuge
der von Napoleon veranlassten »Flurbereinigung“ in Deutschland
musste Österreich nach der Niederlage gegen Frankreich im
Pressburger Frieden (Dezember 1805) Vorderösterreich abtreten;
dabei kam der Breisgau an das neu gegründete Großherzogtum
Baden, dessen Landesherr mit 250.000 Gulden an Frankreich
kräftig nachgeholfen hatte. Obwohl sich Österreichs Interessen
mittlerweile zunehmend auf den Süden und Osten Europas
konzentrierten, gab es ungern seine von Josef Il. als »Vorposten
der Monarchie« im Reich bezeichneten Vorlande auf. Die
Anhänglichkeit Freiburgs und der Breisgauer Stände führte noch
jahrelang zu Verhandlungen, um eine mögliche Rückkehr zu
Österreich zu erreichen. Aber spätestens 1818 mussten diese
Hoffnungen endgültig begraben werden.
Nach dem Sieg über Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig
(Oktober 1813) erlebten Tal und Stadt Durchzug und
Winterquartier der Verbündetenarmee. Das knapp 10.000 Einwohner
zählende Freiburg musste mit dem Umland im Laufe der folgenden
acht Monate für die Versorgung von rund 650.000 durchziehenden
und teilweise stationierten Soldaten aufkommen. Für 5000 Kranke
wurden Lazarette benötigt. Allein in St.Peter birgt der
Soldatenfriedhof über 800 Tote. Die Anwesenheit des ehemaligen
Landesherrn und jetzigen Kaisers Franz I., der Mitte Dezember
anreiste, veranlasste die Freiburger, ihm ihre Anhänglichkeit
und den Wunsch nach Rückkehr des Breisgaus zu Österreich offen
zu zeigen, was der neue badische Landesherr höchst beunruhigt
registrierte.
Mit der Eingliederung in das Großherzogtum Baden musste der
Breisgau die verfassungsrechtliche und kulturelle
Vielgestaltigkeit seiner Landschaft aufgeben und sich einem
straff organisierten Einheitsstaat unterordnen, »der für die
gewachsenen Traditionen seiner neuen Landesteile keinen Platz
hatte«. Um seine neuen Untertanen zu gewinnen, berief sich der
Großherzog in seinem Anspruch auf den Breisgau auf die Zähringer
als seine ruhmreichen Vorfahren
Im Jahr 1807 traf Kirchzarten eine Katastrophe, die für 45
Dorfleben einen tiefen Einschnitt bedeutete: Am Karfreitag 1807
zerstörte ein Großbrand große Teile des Innenortes. Von den
insgesamt 72 strohgedeckten Häusern, die meisten aus Holz,
wurden 15 - darunter vier Wirtshäuser - Opfer der Flammen. Von
den rund 700 Einwohnern war etwa ein Fünftel plötzlich
obdachlos. Das allabendliche Rosenkranzgebet in der Pfarrkirche
soll auf ein Versprechen in dieser Bedrängnis zurückgehen. Mit
dem Wiederaufbau zog moderne Bauweise ins Dorf ein: Den neuen
Vorschriften gemäß wurde mit Stein und Ziegel gebaut. Mit Stroh
oder Schindeln gedeckte Holzhäuser machten 1850 nur noch 20% der
Wohngebäude aus. Im Jahr 1896 kam das »Jahrhunderthochwasser«
und verheerte die Täler. In Zarten riss die Dreisam die Böschung
ein, brachte ein Haus zum Einsturz und transportierte dessen
Reste bis nach Neuershausen. Der Fluss bekam daraufhin Wehren
und Schwellen. 1991 kam »pünktlich« das nächste
Jahrhunderthochwasser und verursachte erneut Millionenschäden.
Mit Hilfe "Rauher Rampen" versucht man jetzt, die Dreisam zu
bändigen:
Die Revolution von 1848 löste im Dreisamtal rege Aktivitäten
aus. Freiburg, geradezu ein Zentrum der Demokratiebewegung,
strahlte auf das Umland aus. Der Lehrer Andreas Heck aus Zarten,
die Bürgermeister der Gemeinden Buchenbach, Unteribental,
Falkensteig, Zarten, zunächst auch der von Kirchzarten machten
sich für die revolutionären Ideen stark und fanden Unterstützung
vor allem bei Land- und Gastwirten. Nach dem Scheitern der
Paulskirchenverfassung (April 1849) kam es zur Radikalisierung
der Demokraten. Diese riefen gegen die preußischen Truppen unter
dem »Kartätschenprinzen« Wilhelm von Preußen, dem späteren
Kaiser Wilhelm I., zur Volksbewaffnung auf, kauften mit
Gemeindevermögen Waffen und nahmen Revolutionsgegner fest. Karl
Wilhelm Reber soll sich "wie ein Rekrutierungsoffizier im ganzen
Thal" benommen haben. Nach der Niederlage bei Waghäusel (21.
Juni 1849) sammelten sich die badischen Bürgerwehren in
Freiburg, wo die 15.000 Einwohner rund 10.000 Soldaten ernähren
und unterbringen mussten. Am 3. Juli rückten diese aber kampflos
Richtung Schwarzwald ab. Im Stegener Schloss sollte weitere
Ausrüstung besorgt werden. Die Dreisamtäler halfen nicht nur,
durch Aufspüren von Deserteuren die fragil gewordene Disziplin
der Bürgerwehren zu stärken, sondern auch das Höllental
abzuriegeln. Alles vergeblich. Gegen die doppelt so große
Übermacht aus preußischen und Bundestruppen waren die badischen
Revolutionäre chancenlos. Viele Soldaten retteten sich in die
Schweiz, so auch für Jahre Karl Wilhelm Reber. Am 7. Juli
besetzten preußische Truppen Freiburg und weitere Bundestruppen
folgten vom Schwarzwald herab. Sie alle musste das Land
ernähren. Noch vor der Kapitulation der Festung Rastatt (23.
Juli 1819) begann in Freiburg die Strafverfolgung: Von 64
aktiven Revolutionären aus dem Dreisamtal wurden 10 vor Gericht
gestellt.
Die Ideen von der Beteiligung des Bürgers am politischen
Geschehen waren aber nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Der
Badische Kulturkampf (1860-1879) gab bald Gelegenheit,
unabhängigen Geist erneut unter Beweis zu stellen.
Mitte des 19. Jahrhunderts lebten im Zartener Becken 500
Menschen, hundert Jahre später doppelt so viele.
Nach dem Bau der Notschreistraße 1848 und der Höllentalbahn 1887
zogen immer mehr Menschen ins Dreisamtal. Mit den Beamten des
Großherzogs, mit Akademikern und Unternehmern kam ein neues
Element in die agrarisch geprägte Dorfwelt.
Um 1900 begannen kleinere Industriebetriebe sich in Kirchzarten
anzusiedeln, während das Umland weitgehend agrarisch geprägt
blieb. Vor dem Ersten Weltkrieg kamen die ersten
Erholungssuchenden. Mancher Städter baute sich eine Villa im
Tal.
Von der bitteren Ernte der beiden Weltkriege zeugen die
Gefallenendenkmale. Die dunkle Zeit der NS-Herrschaft verschonte
diese Gegend nicht, wenn hier auch mancher Verfolgte Schutz
fand. Es gab Opportunismus und Verblendung, wir kennen aber auch
leuchtende Beispiele von Standfestigkeit. Die Ortsgeistlichen -
allesamt gefährdet — gaben der Bevölkerung Orientierung.
Die große Veränderung in Wirtschaft und Gesellschaft geschah im
Dreisamtal nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Bevölkerungsanstieg
stellte die Gemeinden vor große Herausforderungen. Nicht nur
Kirchzarten entfaltete eine rege Bautätigkeit. Die Einwohnerzahl
des Hauptortes hat sich seit 1950 vervierfacht. Mehrfach in der
Folgezeit wurden Ortsteile neu geordnet und Gemeinden neu
umschrieben, zuletzt bei der Gemeindereform 1970-1974.
Heute hat sich das Zartener Becken mit seiner starken Besiedlung
grundlegend verändert. Kirchzarten, Oberried, Stegen und
Buchenbach haben zusammen rund 20.000 Einwohner. Zusammen mit
den Freiburger Bürgern, die in den Ortsteilen Ebnet,
Littenweiler, Kappel und Waldsee wohnen, leben heute knapp
40.000 Menschen im Dreisamtal.
Durch verbesserte Verkehrsanbindung ist Kirchzarten mit
Einkaufs-, Schul-, Arbeitsplatz und Dienstleistungsangeboten
neben Freiburg zum wirtschaftlichen Unterzentrum geworden. Die
Schul und Bildungslandschaft des Dreisamtals weist heute im
Vergleich zu früher, als man noch auf das Angebot in Freiburg
angewiesen war, eine ausdifferenzierte Struktur auf. Über das
Dreisamtal hinaus bekannt ist das Kolleg St.Sebastian (1966),
dem bereits nach 1945 ein von den Herz-Jesu-Priestern
gegründetes Progymnasium voran ging. Mit dem bildungspolitischen
Aufbruch Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre wurde 1972 das
Bildungszentrum Kirchzarten, in dem Haupt und Realschule und
Gymnasium untergebracht sind, eröffnet. Fast zeitgleich wurde
die Gehörlosenschule in Stegen errichtet. Die hohen
Schülerzahlen in Kirchzarten wie Stegen erklären sich daher,
dass an diesen beiden Standorten neben den eigenen Schülerinnen
und Schülern auch solche aus Freiburg, Hinterzarten, Oberried,
St.Märgen, St.Peter und, in vereinzelten Fällen, auch aus
Titisee-Neustadt zur Schule gehen.
Jede Dreisamtalgemeinde hat ihr Gewerbegebiet und markante
Neubauviertel. Noch gibt es glücklicherweise Orte im Tal, die,
wenigstens zum Teil, traditionelle Seiten ihres Dorfes bewahren
konnten. Auch Österreich ist, zu mindest mit seinen
Wappenfarben, nach 200 Jahren noch mancherorts ein wenig
präsent.
Aus dem Buch:
Das Dreisamtal
Herausgegeben von der Kirchzartener Bücherstube im Herder Verlag
Freiburg 2011