Die Schmiede zu Burg
Aus der Geschichte eines 350jährigen Schwarzwälder Handwerkergeschlechts
Von Karl Motsch Freiburg i. Br.
aus: Mein Heimatland - 24. Jahrgang Heft 2/1937
Eine der bedeutendsten Handelsstraßen von der Rheinebene ins
Schwabenland führte während des ganzen Mittelalters von Freiburg durch
das Dreisamtal über die Wagensteige und den Turner nach Furtwangen und
Villingen und von da ins nahe Schwäbische hinüber. Die Straße hieß in
allen alten Urkunden „Villinger Landstraße“ - schon kurz hinter
Freiburg hatte sie diesen Namen - und soll ehedem eine Römerstraße
gewesen sein. Von Freiburg aus führte sie über Ebnet, Zarten, Unter-
und Oberbirken und Burg, trat dort ins alte Tarodunum ein und ging
weiter über Buchenbach das Wagensteigtal hinauf.
Da, wo in Wagensteig
eine größere Ansiedelung war mit der Wirtschaft, die schon um 1505
erwähnt ist, dem alten Hof zu Wagensteig und dem Nikolauskirchlein,
zweigte die Straße nach rechts ab nach dem Herrenbachtal und erreichte
oben auf der Spitzen die Höhe, um von da über den Turner, Hohlen Graben
und Furtwangen nach Villingen zu führen. Der für jene Zeiten immerhin
sehr starke Verkehr brachte es mit sich, daß sich eine große Anzahl
Wirtschaften an diese Straße anreihten, die für Mensch und Pferd
Unterkunftsmöglichkeiten boten. Große Stallungen kennzeichnen diese
Gasthäuser und vor allem im Anfange des 19. Jahrhunderts bis zur
Einführung der Höllentalbahn waren diese Wirtschaften die eigentlichen
Verkehrszentren des Tales. Was aber ebenso bestimmt zu jeder Wirtschaft
dazugehörte, war eine Schmiede, sie ergab sich notwendigerweise aus der
Möglichkeit eines Aufenthaltes, der immer zum Pferdebeschlagen oder zu
Wagenreparaturen benutzt wurde.
Eine solche Schmiede stand auch bei der
alten Wirtschaft zu Burg, dem heutigen Laubischen Hofe. Als Wirtschaft
ist der Hof im Jahre 1544 erwähnt, als Gut dagegen schon in der Mitte
des 14. Jahrhunderts. Eine interessante geschichtliche Ecke befindet
sich dort an der Brücke über den Wagensteigbach und vor dem Eingang ins
alte Tarodunum. Dicht neben dieser Wirtschaft, die um das Jahr 1900
einging und zuletzt den Namen zur Linde geführt hatte, liegt der alte
Hof zu Burg, der heutige Müllerbauernhof. Er ist in allen Urkunden als
freier Hof bezeichnet und hatte so eine gewisse Vorrangstellung unter
den anderen Höfen im Kirchzartener Tale; eine erste Erwähnung findet
sich in einer Güterbeschreibung des Klosters St.Märgen vom Jahre 1263.
Im 15. Jahrhundert hieß der Hof Weisweilers Gut, da er eine Zeitlang
einem Ritter von Weisweil gehörte, der ihn von seinem Verwandten, dem
Abte des Klosters St.Märgen, Werner von Weisweil, in der zweiten Hälfte
des 14. Jahrhunderts zu Lehen erhalten hatte. Der Laubische Hof mit
seiner Wirtschaft und Schmiede hatte seinen Namen von dem Geschlechte
Laubi, das während des ganzen 17. Jahrhunderts dort ansässig war.
Die
Schmiede liegt heute einige Schritte vom Hofe entfernt, war aber früher
mit ihm verbunden. Die Urkunden der Talvogtei der Stadt Freiburg, zu
der das ganze Kirchzartner Tal vom Jahre 1462 ab gehörte, und die
Kirchenbücher der Pfarrei Kirchzarten geben nun weitere Auskunft über
die Schmiede und über ihre Bewohner.
Eine erste Erwähnung geschieht im
Jahre 1598; am 31. März dieses Jahres verpachtet Urban Behr, Wirt zu
Burg, dem Hans Kientzler die Schmiede, die zur Herberg gehört, auf 10
Jahre lang. Im gleichen Jahre ist auch noch ein Michel Kientzler als
»schmid zu burg« genannt. Hans Kientzler der Pächter, stirbt aber bald
darauf, und am 14. Juni 1602 schließt seine hinterlassene Witwe Martha
Braun eine Heiratsabrede mit Michel Heitzmann, ,,Vogt in der Iben«, sie
geht mit ihm auf seinen Hof ins Ibental. Der Nachfolger auf der
Schmiede war Mathis Kientzler, er hatte sich von dem Laubischen Hofe
das Wirtstöchterchen Appolonia Laubi als Frau geholt und so auch eine
verwandtschaftliche, nicht nur eine rechtliche Beziehung zur Wirtschaft
geschaffen. Mathis Kientzler stirbt im Juni 1654 und seine Witwe
Appolonia Laubi heiratet am 9. Juni 1655 einen Hufschmied Lorenz
Hermann aus Freiburg. Sie bringt ihm fünf Kinder mit in die Ehe, die
aber schon alle längst erwachsen sind. Der älteste Sohn Michel zieht
nach Zarten auf die Schmiede und kauft sich am 14. Dezember 1659 zwei
Jucherten Matten im Kirchzartener Bann, am gleichen Tage leiht ihm sein
Stiefvater Lorenz Hermann zu diesem Zwecke 80 Gulden. Der zweite Sohn
Hans geht als Schmied nach Ebnet, er wird dort Kirchenpfleger und
begründet ein zweites Kientzlers Schmiedengeschlecht. Er stirbt am 6.
März 1699 und sein Sohn Andreas folgt ihm am Schmiedeamboß nach. Diese
beiden Brüder Michel und Hans, „beide Meister des Schmids-Handwerks“,
verkaufen am 7. November 1667 das väterliche Erbe an ihren jüngsten
Bruder Andres um 400 Gulden.
Es besteht aus Haus, Hof, Schmiede und
Garten, „so von Hans Laubischen Gueth und Würthschafft verkauft
worden“; die Schmiede war also inzwischen von dem Laubischen Hofe
abgelöst und Eigentum der Kientzler geworden. Das kleine Schmiedengut
liegt zu Burg und „grenzt mit dem anderen Ort bis an das Kirchle“, eine
Hofkapelle an der Straße mit der Jahreszahl 1654 an der Tür. Sie
scheint als wohltätige Stiftung nach der Leidenszeit des
Dreißigjährigen Krieges entstanden zu sein und hatte einen kleinen
Kapellenfond. Ein Michael Laubi hatte einen Betrag von 30 Gulden
gestiftet als Grundstock, der dann durch die Opferstockbeiträge
vermehrt wurde. Den Stiefvater Lorenz Hermann zieht es aber wieder nach
Freiburg, und er kauft sich in der „Würe“ eine Hofstatt, wo er eine
Huf- und Waffenschmiede einrichtet; am 5. Februar 1664 vergleicht er
sich mit seinen Stiefkindern. Der nächste Besitzer war sein Stiefsohn
Andreas Kientzler, mit einer Sophie Fürderer verheiratet, die nach
seinem Tode die Schmiede mit Haus, Hof und Garten am 31. Januar 1718
dem jüngsten Sohne Joseph übergibt. Nach dem Tode der Mutter werden am
22. Mai 1726 nochmals 247 Gulden unter fünf hinterlassene Erben
verteilt. Joseph Kientzler stirbt aber noch als rüstiger Mann und sein
Sohn Andreas, der jetzt die Schmiede übernehmen sollte, ist noch
minderjährig. Seine Pfleger geben deswegen die Schmiede dem Jacob
Wehrle, Hufschmied aus dem Eisenbach, am 28. April 1750 auf acht Jahre
zu einem jährlichen Zins von 52 Gulden in Pacht, und am 5. Juni erhält
der junge Andres Kientzler die Schmiede als endgültiges Eigentum
übertragen. Als er stirbt, folgt ihm sein Sohn Lorenz Kientzler nach,
er war gleichzeitig Zoller zu Burg.
Die Einnahmen aus diesem Amte waren
aber nicht sonderlich groß, im Jahre 1763 betrugen sie nicht einmal
zwei Gulden! Dies rührt wohl daher, daß der weitaus größere Verkehr nun
auf der kürzeren Höllentalstraße über Himmelreich führte und schon um
jene Zeit die alte Wagensteige nicht mehr benützt wurde. Zwei Schmiede
aus dem Geschlecht der Kientzler ziehen wieder in die Fremde und
richten dort ihre Schmiedwerkstatt ein. Am 4. Mai 1787 bittet ein
Martin Kientzler, „Schmidknecht aus dem Kirchzartener Thal“, das Talamt
um die Erlaubnis, sich in Kiechlinsbergen am Kaiserstuhl
niederzulassen, was ihm auch gewährt wurde. Am 30. Juni 1794 erhält
Josef Kientzler aus Zarten die Erlaubnis nach Gütenbach zu ziehen, wo
er sich um 1600 Gulden einen Hof und eine Schmiede gekauft hatte. Um
die gleiche Zeit sind schon in Kirchzarten auf der Schmiede Kientzler
ansässig, und in Eschbach und in dem kleinen Weiler Höfen sitzen
Kientzler auf Bauernhöfen.
Um 1800 war auf der Schmiede zu Burg ein
Lorenz Gassenschmied, er war vorher Schmied in Buchenbach gewesen und
hatte eine Maria Kientzler geheiratet, beide verewigten sich auf dem
Türsturz über dem alten Wohnhaus mit der Jahreszahl 1801. Seit dem
April 1810 haust aber wieder ein Xaver Kientzler auf der Schmiede, er
stirbt im Jahre 1854. Seine vier Söhne hatten alle beim Vater das
Schmiedshandwerk gelernt, der Heinrich geht nach Offnadingen, Lorenz
nach Kirchzarten, Josef nach St.Peter und der jüngste, Xaver, bleibt in
der väterlichen Werkstatt. Dieser Xaver stirbt 1907 und dessen Sohn
Severin erhält sie im Jahre 1911, stirbt aber allerdings schon 1921. Er
hat drei Söhne, von denen der eine zur Zeit auf der Schmiede ist bei
seinem Onkel, der für ihn bisher die Geschäfte führte. Er stammt aus
St.Peter und ist ein Sohn von Josef Kientzler, der im Jahre 1888 nach
St.Peter gezogen war. Dieser Pius Kientzler hatte noch zwei Brüder, die
alle beide Schmiede waren, einer ging nach Bamlach, der jüngste blieb
in St.Peter, und er kam nach Burg, wo er auf der Schmiede bleibt, bis
der jüngste Sohn des Severin sie übernimmt.
Viel herbe Zähigkeit und Schollenklebrigkeit liegt in diesem
Handwerkergeschlecht der Kientzler in Burg, aber auch ein guter Schuß
knitze. Eigenwilligkeit des Schwarzwälder Bauern rollt in seinen Adern,
das immer und immer wieder seine Buben an dem Amboß stellt und sie
Schmied werden läßt, als gelte es den ganzen Schwarzwald mit
Kientzlerschmieden zu versorgen. Alle diese Eigenschaften vereinigten
sich in diesem Geschlechte zu einer ganz eigenartigen Handwerkersippe,
deren Blut immer wieder durch Bauern aufgefrischt wurde und so eine
außerordentlich fruchtbare Lebensfähigkeit erhalten hatte.
Quellen: Urkunden und Akten der Talvogtei. Stadtarchiv Freiburg i. Br. - Kirchenbücher der Pfarrei Kirchzarten,