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Schlechtes Gewissen einer Jugendgruppe
1947

Freiburg, 29.12.47

Meine lieben Leser!

Ihr alle werdet sicher von dem nächtlichen „Überfall“ in Eurem Orte am 27. Auf den 28.12.47 gehört haben. Schuld daran waren wir, ich als Anführer. Wir waren nämlich zu dritt. Zuerst will ich mich entschuldigen, daß wir so ziemlich das halbe Dorf aufgeweckt haben. – Nun zur Sache.

Wir sind ein paar Kerle von einer Jugendgruppe (eine kath.) u. haben in St.Peter oben eine Hütte. Wir waren schon oft auf derselben, aber noch nie bei Nacht. Darum beschlossen wir einmal eine schöne Nachtwanderung zu unternehmen. Da nun für uns günstige Gelegenheit da war, vor allem das warm Wetter u. ein sauberer Wind, marschierten wir los. Freilich ist es auf einer Landstraße immer langweiliger, als auf einem Feldweg. Wir kürzten deshalb ab. Doch plötzlich waren wir auf der Straße nach St.Peter. Da dieselbe sehr lang ist und oben viele Kurven macht, beschlossen wir das Rechtenbachtal über den Lindenberg zu wandern. Dabei wollten wir einen Abkürzungsweg in dieses Tal einschlagen, den ein Kamerad von uns kannte. Wir fanden ihn auch, kamen am Schulhaus vorbei, und stießen auf einmal auf ein Holztäfelchen: “Warnung! Bissiger Hund!“ „Dieser Weg“, sagte unser Kamerad ginge mitten durch den Hof u. an jenen Hund konnte er sich mit leichtem Grauen erinnern. So beschlossen wir den Hof im Halbkreis zu umgehen, da alles nur Wiese u. nirgends ein Zaun u. dergl. war.

Doch kaum war ich 2 Schritte in der Wiese, ertönte vom Hof her ein mächtiges Rufen, oder besser gesagt „Gebrüll“ das mit einer unmenschlichen Kraft sich steigerte. Dabei konnten wir nur einige Worte verstehn, wie zum Bsp: „Z´ruck!-Z´ruck!“ Das hastige Geläute einer Kuhglocke noch dazu, versetzte uns in eine so große Panik, u. dazu die Erinnerung an jenen „Bernhardiner“ waren Anlaß genug, um eilends „kehrt zu machen“ u. Deckung zu suchen.

Und wenn wir stehen geblieben wären, was hätte auch der Hund und ein gereizter Bauer mit uns getan? –Daß man nämlich mit solchen Leuten kein vernünftiges Wort reden konnte, war mir klar.

Wir suchten nun Schutz auf der Straße nach Kirchzarten, wenn ich mich nicht täusche, ungefähr 30 m vor dem Tranzvormatorenhäuschen (in Original so geschrieben! sic) das an der Kreuzung eines Weges über dieselbe Straße stand.- Dort befahl ich stehen zu bleiben, und warten bis die Bauern kommen, denn inzwischen sind ja sämtliche Lichter in den Höfen angegangen.- Auch der große Hund kam über die Wiesen, gerade auf uns zugerannt, machte aber in einem großen Bogen, als er uns sah, kehrt. Doch kein Mensch ließ sich blicken, obwohl wir anderthalbstunden warteten.

Das Weitergehen auf einem anderen Weg war sinnlos, denn es lag noch alles auf der Lauer, und zudem mussten wir noch im Rechtenbachtal an mehreren Höfen vorbei und wer weis, ob dort nicht das selbe Theater von vorne losging, ob man diese Leute nicht aufmerksam gemacht hat, auf 3 „Diebesgestalten“.

So traten denn den Heimweg an, gingen die Straße als weiter nach Kirchzarten, schliefen dort (freilich ohne ein Auge zuzutun) vor dem Bahnhof auf einer flachen vierräderigen Rolle, ein Teppich hatten wir dabei, denn auf unserer Hütte hatten wir Strohsäcke genug und dieser Teppich spendete gerade soviel Wärme um ordentlich frieren zu können. Um 7.02 fuhr der Zug uns heim, um 8 Uhr besuchten wir die hl. Messe, in der wir Gott dankten für den guten Ablauf dieser Nacht. –

Wir wissen nun, daß wir auf geradewohl keine Nachtwanderung in den Schwarzwald machen dürfen, ohne vorherige Verständigung.

Aber auch Ihr wisst, auch trotz Eurer großen Wachsamkeit, die zu loben ist, nicht alle Menschen, auch die Nachtwandler, sind schlechte Menschen und Diebe. – Es gibt gottlob noch ein Häufchen gutgesinnter Leute! –

Wir alle grüßen Euch freundlichst